Das Verkehrslexikon

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VGH München Beschluss vom 14.05.2013 - 11 B 12.1522 - Rechtsmitteleinlegung durch Telefax und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

VGH München v. 14.05.2013: Rechtsmitteleinlegung durch Telefax und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


Der VGH München (Beschluss vom 14.05.2013 - 11 B 12.1522) hat entschieden:
Ein Rechtsanwalt hat seine Verpflichtung, für eine genaue Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Faxgerätes dann erfüllt, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich bei der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen. Hat ein Rechtsanwalt eine solche Weisung zur Ausgangskontrolle verfügt, darf er sich bei Angestellten, die sich über eine längere Zeit hinweg als zuverlässig erwiesen haben, darauf verlassen, dass diese allgemein erteilten Anweisungen im Einzelfall befolgt werden.


Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 24. August 2011 ordnete das Landratsamt Neu-Ulm gegenüber dem Kläger an, er habe von der Rechtskraft des Bescheids an für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Die Klage gegen diesen Bescheid wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 2. März 2012 ab.

Auf Antrag des Klägers ließ der Senat mit Beschluss vom 6. Juli 2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, weil die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Beschluss wurde den Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 16. Juli 2012 zugestellt; der Beschluss enthält die Belehrung, wonach die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen ist, die Begründung einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten muss, andernfalls die Berufung unzulässig ist.

Mit Schriftsatz vom 17. August 2012, beim Verwaltungsgerichtshof am selben Tag per Telefax (12:01 Uhr) eingegangen, legten die Bevollmächtigten des Klägers den Berufungsbegründungsschriftsatz, datiert auf den 15. August 2012, vor und beantragten, wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Entgegen der Anweisung der Bevollmächtigten habe die Rechtsanwaltsfachangestellte die vorbereitete und unterzeichnete Berufungsbegründung nicht fristgerecht dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugefaxt. Die Berufungsbegründung sei von der Unterzeichnerin am 14. August 2012 diktiert worden. Am 15. August 2012 sei das geschriebene Diktat von der Unterzeichnerin korrigiert und nach Büroschluss ausgedruckt worden. Am 16. August 2012 habe die Unterzeichnerin, nachdem die Ausfertigungen zusammengestellt worden seien, diese unterzeichnet und der zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten T. die Anweisung gegeben, die Berufungsbegründung vorab per Telefax an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München zum Zwecke der Fristwahrung zu senden. Die Unterzeichnerin habe im Anschluss einen auswärtigen Termin wahrnehmen müssen und sei am selben Tag nicht mehr in die Kanzlei zurückgekehrt. Sie habe sich darauf verlassen, dass die bisher zuverlässige und erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte die Berufungsbegründung fristgerecht dem Gericht zufaxen werde. Kurz nach Arbeitsbeginn am nächsten Tag habe die Rechtsanwaltsfachangestellte festgestellt, dass sie vergessen habe, die Berufungsbegründung abzusenden. Eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten T. wurde vorgelegt, wonach sie von der Bevollmächtigten angewiesen worden sei, die Berufungsbegründung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zum Zwecke der Fristwahrung zu faxen. Sie habe vergessen, dieses Telefax zu senden, was sie am nächsten Vormittag nach Arbeitsbeginn festgestellt habe.

Die Landesanwaltschaft Bayern beantragte mit am 23. August 2013 eingegangenem Schriftsatz vom 27. Mai 2012, den Antrag auf Wiedereinsetzung abzulehnen. Mit den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründen sei (indirekt) dargetan, dass weder die Einzelanweisung der Rechtsanwältin die unmissverständliche Anordnung enthielt, das Faxen sogleich auszuführen, noch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen worden seien, dass die mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerate (vgl. BGH, B.v. 15.11.2007 – IX ZB 219/06 – Juris Rn. 10 ff.). Diese Gefahr des Vergessenwerdens einer Weisung, die nicht mit der Anordnung der sofortigen Durchführung verbunden sei, habe sich vorliegend gerade realisiert.

Mit Schriftsatz vom 27. August 2012 teilten die Bevollmächtigten des Klägers ergänzend zu dem Antrag auf Wiedereinsetzung mit, dass die Unterzeichnerin, nachdem sie am 16. August 2012 die Berufungsbegründung unterzeichnet habe, die Rechtsanwaltsfachangestellte T. nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich zur sofortigen Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angewiesen habe. In der Kanzlei der Unterzeichnerin sei der Ablauf wie folgt geregelt: Die Schriftsätze würden von den einzelnen Anwältinnen diktiert, die Diktate würden von den entsprechenden Sekretätinnen geschrieben und im Anwaltsprogramm unter der entsprechenden Akte als geschriebenes Diktat gespeichert. Die jeweilige Anwältin korrigiere die gefertigten Schreiben in ihrem Arbeitszimmer an ihrem PC und erteile nach der Korrektur die entsprechenden Druckaufträge. Gedruckt würden die Schriftsätze an zwei Druckern, die im Sekretariat stünden. Die jeweilige Sekretärin versehe die Schriftsätze mit den entsprechenden Stempeln und gegebenenfalls Anlagen und gebe die Schriftsätze in die Unterschriftenmappe und lege diese der jeweiligen Anwältin vor. In ihrer Kanzlei sei es weiter so geregelt, dass die Unterschriftenmappe zweimal am Tag vorgelegt werde, nämlich am Vormittag vor der Mittagspause und am Nachmittag gegen 16.00 Uhr, damit die Schriftsätze noch vor Büroschluss der Sekretärinnen kuvertiert und zur Post gebracht werden könnten. Die Berufungsbegründung im vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit sei der Unterzeichnerin am 16. August 2012 zusammen mit anderen Schriftsätzen in der Unterschriftenmappe am Vormittag zur Unterschrift vorgelegt worden. Weiter sei es bei der Unterzeichnerin üblich, dass sie mittels eines farbigen Aufklebers auf dem Schriftsatz gegebenenfalls nochmals Anordnungen erteile, wie z.B. wenn noch Anlagen fehlten oder der Schriftsatz eventuell noch nicht versendet werden solle. Im vorliegenden Fall habe die Unterzeichnerin mit einem gelben Aufkleber auf dem Schriftsatz ihre Sekretärin angewiesen, den Schriftsatz sofort vorab zu faxen. Da die Unterzeichnerin kurze Zeit später die Kanzlei verlassen habe, habe sie, bevor sie die Kanzlei verlassen habe, Frau T. nochmals, nunmehr mündlich, angewiesen, den Schriftsatz sofort an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu faxen. Eine eidesstattliche Versicherung von Frau T. wurde vorgelegt, wonach die Bevollmächtigte des Klägers auf dem Berufungsschriftsatz an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen gelben Aufkleber mit dem Vermerk „bitte sofort faxen“ versehen habe. Des Weiteren habe sie sie, bevor sie die Kanzlei verlassen habe, mündlich angewiesen, die Berufungsbegründung sofort an das Gericht zu faxen.

Der Senat hörte die Beteiligten mit Schreiben vom 28. März 2013 zur Absicht, den Wiedereinsetzungsantrag abzulehnen und die Berufung durch Beschluss zu verwerfen, an.

Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 trugen die Klägerbevollmächtigten vor, mit der Anweisung, den Schriftsatz zum Zwecke der Fristwahrung vorab per Telefax an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu senden, gehe selbstverständlich die Anweisung einher, das Faxprotokoll zu überprüfen und in der Akte abzulegen. Da hier die Übermittlung versäumt worden sei, seien hierzu keine Ausführungen gemacht worden. Den Klägerbevollmächtigten könne kein Organisationsmangel vorgeworfen werden. Neben der mündlichen Anweisung zur sofortigen Ausführung sei mit dem gelben Aufkleber eine weitere Sicherheitsmaßnahme getroffen worden. Die ergänzenden Ausführungen, wonach die Rechtsanwaltsfachangestellte mündlich zur sofortigen Ausführung angewiesen worden sei, seinen innerhalb der Antragsfrist erfolgt, genügten den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2007 normiert habe und seien durch die eidesstattliche Versicherung ausreichend glaubhaft gemacht worden. Auf die Unterschriftenmappe, in der sich der Schriftsatz befunden habe, habe die Rechtsanwaltsfachangestellte immer Zugriff, unabhängig davon, ob sich die Mappe an ihrem Arbeitsblatt oder auf dem Schreibtisch der Unterzeichnerin, der nur wenige Schritte vom Arbeitsplatz der Rechtsanwaltsfachangestellten entfernt sei, befunden habe.


II.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 5 und § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger die Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht eingehalten hat und ihm auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren ist.

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO begründet. Der Zulassungsbeschluss wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 16. Juli 2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Monatsfrist endete sonach mit Ablauf des 16. August 2012 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Der Begründungsschriftsatz des Klägers ging beim Verwaltungsgerichtshof am 17. August 2012 ein und damit erst nach Fristablauf. Soweit im Begründungsschriftsatz für den Antrag auf Zulassung der Berufung bereits Berufungsgründe dargelegt sind, reicht das nicht. Die Berufung muss nach ihrer Zulassung in jedem Falle mit einem gesonderten Schriftsatz begründet werden (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2012 – 3 B 52.12, B.v. 19.10.2009 – 2 B 51.09 - Juris).

Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist nicht zu gewähren. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen nicht vor, weil das Fristversäumnis nicht unverschuldet war.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist „Verschulden“ i.S.v. § 60 VwGO anzunehmen, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (st.Rspr.; vgl. etwa BVerwG, B.v. 6.6.1995 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198 = NVwZ-RR 1996, 60). Das Verschulden eines Bevollmächtigten, insbesondere eines bevollmächtigten Rechtsanwalts, steht dabei gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich, gilt also als Verschulden des Vertretenen. Ein schuldhaftes Handeln von Hilfspersonen des bevollmächtigten Rechtsanwalts, insbesondere vom Büropersonal, ist als solches dem bevollmächtigten Rechtsanwalt und damit auch der Partei nicht zurechenbar, da eine dem § 278 BGB entsprechende Vorschrift über die Haftung für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen im Prozessrecht fehlt. Allerdings können Fehler von Hilfspersonen auf eine in der eigenen Verantwortungssphäre des bevollmächtigten Rechtsanwalts liegende Ursache zurückzuführen sein, im Hinblick auf die diesen unter dem Gesichtspunkt des sog. Organisationsverschuldens ein eigener Schuldvorwurf treffen kann (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 4 B 11.2325 – Juris; OVG NRW B.v. 24.6.2011 – 1 A 1756/09 – Juris Rn. 46).

Der Ablauf in einer Rechtsanwaltskanzlei muss so organisiert sein, dass jedenfalls für fristwahrende Schriftsätze, etwa durch Führung eines Postausgangsbuches oder durch einen Vermerk im Terminkalender, eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt werden kann. Der Abgang fristwahrender Schriftsätze muss so kontrolliert und vermerkt werden, dass er zweifelsfrei nachweisbar ist (vgl. OVG Münster, B.v. 5.7.2012 – 3 A 967/08 – NVwZ-RR 2012, 870 zum Verwaltungsablauf einer Behörde; vgl. auch BVerwG, B.v. 4.10.2002 – 5 C 47/09, 5 B 33/09, in: FEVS 54, 390).

Ein Rechtsanwalt hat seine Verpflichtung, für eine genaue Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Faxgerätes dann erfüllt, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich bei der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen. Hat ein Rechtsanwalt eine solche Weisung zur Ausgangskontrolle verfügt, darf er sich bei Angestellten, die sich über eine längere Zeit hinweg als zuverlässig erwiesen haben, darauf verlassen, dass diese allgemein erteilten Anweisungen im Einzelfall befolgt werden (vgl. HessVGH, B.v. 1.3.2011 – 10 A 1448/10 –BVerwG, B.v. 28.4.2008 – 4 B 48/07 – unter Bezugnahme auf B.v. 4.8.2000 – 3 B 75.00 – alle Juris).

Derartige organisatorische Maßnahmen in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers sind im Wiedereinsetzungsantrag nicht geschildert worden, so dass sie insoweit ein Organisationsverschulden trifft.

Ein Organisationsverschulden ist aber dann nicht kausal für ein Fristversäumnis, wenn ein Rechtsanwalt auf andere Weise im Einzelfall das Erforderliche getan hat, um ein Fristversäumnis auszuschließen. So darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Beinhaltet die Einzelanweisung aber nicht die unmissverständliche Anordnung, diesen Vorgang sogleich auszuführen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und dadurch die rechtzeitige Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes unterbleibt (vgl. BGH, B. v. 15.11.2007 – IX ZB 219/09 – NJW 2008, 526). Er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z.B. einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, B.v. 22.6.2004 – VI ZB 10/04 – NJW-RR 2004, 1361).

Ein solcher Organisationsfehler ist auch im vorliegenden Fall ursächlich dafür, dass die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig per Fax an das Berufungsgericht übermittelt worden ist. Ebenso wie die nur mündlich angeordnete Eintragung einer Rechtsmittelfrist schlichtweg vergessen werden kann und deswegen eine besondere Kontrolle erfordert, kann im Einzelfall auch die Gefahr bestehen, dass die nur mündlich angeordnete Absendung eines Schriftsatzes in Vergessenheit gerät. Nach der Entscheidung des BGH vom 15. Oktober 2007 (VI ZB 219/06 = NJW 2008, 526), auf die die Landesanwaltschaft Bayern in ihrer Stellungnahme zum Wiedereinsetzungsantrag hingewiesen hat, mag eine besondere Vorkehrung ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhalten hat, einen Vorgang sogleich auszuführen. Lässt der Anwalt dagegen seinen Angestellten einen zeitlichen Spielraum von mehreren Stunden oder gar bis zum Ende des nächsten Tages, besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Dieser Fehler kann auch ansonsten verlässlichen Kanzleikräften unterlaufen. Der Rechtsanwalt muss deshalb, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Anweisung anordnet, durch allgemeine Weisung oder durch besonderen Auftrag Vorkehrungen gegen das Vergessen treffen (vgl. auch BGH, B.v. 4.4.2007 – III ZB 85/06 = NJW-RR 2007, 1430).

Im vorliegenden Fall ist nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Prozessbevollmächtigte ihrer Rechtsanwaltsfachkraft die unverzügliche Ausführung (vgl. BGH, B.v. 22.6.2004 – VI ZB 10/04 – NJW-RR 2004, 1361) abverlangt und mit ausreichender Deutlichkeit angeordnet hat, den Schriftsatz sogleich abzuschicken (vgl. BGH, B.v. 4.4.2007 - III ZB 85/06 – NJW-RR 2007, 1430). Die einerseits mit Schriftsatz vom 21. August 2012 dargelegten Wiedereinsetzungsgründe mit der beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachkraft und die – nach Hinweis der Landesanwaltschaft Bayern auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – mit Schriftsatz vom 27. August 2012 dargelegten Wiedereinsetzungsgründe einschließlich der dort beiliegenden eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten decken sich nämlich nicht. Während mit Schriftsatz vom 17. August 2012 dargelegt wurde, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte die Weisung erhalten habe, die Berufungsbegründung „vorab per Telefax an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München zum Zwecke der Fristwahrung zu senden“, was der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten vom 17. August 2012 entspricht, wurde mit dem nachgeschobenen Schriftsatz vom 27. August 2012 dargelegt, dass die Prozessbevollmächtigte im vorliegenden Fall einerseits mit einem gelben Aufkleber auf dem Schriftsatz ihre Rechtsanwaltsfachangestellte angewiesen habe, den Schriftsatz sofort vorab zu faxen und schließlich, bevor sie die Kanzlei verlassen habe, die Rechtsanwaltfachangestellte nochmals, nunmehr mündlich, angewiesen habe, den Schriftsatz sofort an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu faxen. Noch in der Anhörung zu diesem Beschluss tragen die Klägerbevollmächtigten vor, sowohl die mit Schriftsatz vom 17. August 2012 als auch die mit Schriftsatz vom 27. August 2012 geschilderten Anweisungen gegeben zu haben.

Im Schriftsatz vom 17. August 2012 fehlte noch jede Ausführung dazu, in welcher Form und zu welcher Zeit die Rechtsanwaltsfachangestellte angewiesen wurde, die Berufungsbegründung zu faxen. Dies wurde im Schriftsatz vom 27. August 2012 zwar nachgeholt. Gleichzeitig wurde das Vorbringen jedoch erheblich gesteigert: Zum Einem wird nunmehr behauptet, die Anweisung sei zweimal, nämlich einmal schriftlich und einmal mündlich erfolgt. Zum anderen wird vorgetragen, die Anweisung habe auch den Inhalt gehabt, die Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax sofort vorzunehmen. Damit jedoch vermag der Schriftsatz vom 27. August 2012 die Anforderungen an eine ausreichende Glaubhaftmachung, dass eine ausreichende Einzelanweisung vorgelegen habe, nicht zu erfüllen. Denn einerseits erfolgte die Behauptung, die Anweisung habe auch die sofortige Ausführung enthalten, erst nach einem entsprechenden Hinweis durch den Beklagten. Und andererseits verdeutlicht das dortige Vorbringen, dass offenbar doch Zweifel an der Zuverlässigkeit der beauftragten Rechtsanwaltsfachangestellte gerechtfertigt waren, da die spätere mündliche Anweisung, die Berufungsbegründung sofort zu übermitteln, zur Bekräftigung der offenbar üblichen Anweisung mittels eines gelben Aufklebers auf dem Schriftsatz in der Unterschriftenmappe erfolgte. Ansonsten hätte keine Veranlassung bestanden, die Anweisung zu einem späteren Zeitpunkt zu wiederholen. In diesem Fall hätte die sachbearbeitende Rechtsanwältin sich vielmehr vergewissern müssen, dass ihre zweite Anweisung nunmehr tatsächlich ausgeführt wird.

Schon aus diesem Grund ist die Wiedereinsetzung nicht zu gewähren.

Selbst wenn man aber durch die nachgeschobene Begründung, die Anweisung, den Schriftsatz sofort an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu faxen, als ausreichend glaubhaft gemacht ansehen würde, so würde das im vorliegenden Fall ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht ausschließen.

Denn die Anweisung auf einem gelben Zettel auf dem Schriftsatz in der Unterschriftenmappe, den Schriftsatz sofort vorab zu faxen, ist keine unmissverständliche Anordnung, diesen Vorgang sogleich auszuführen. Gleiches gilt im vorliegenden Fall für die erneute mündliche Anweisung, den Schriftsatz sofort an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu faxen. Eine unmissverständliche Anordnung, einen Vorgang sogleich auszuführen, setzt voraus, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte auch dazu in der Lage ist. Dies wiederum bedingt, dass sich der Schriftsatz, der sogleich gefaxt werden soll, in ihrem unmittelbaren Zugangsbereich befindet, sei es, weil er ihr in die Hand gedrückt wird, sei es, weil er in ein Fach gelegt wird (z.B. neben dem Telefaxgerät), auf das sie unmittelbar Zugriff hat und das sie vor Arbeitsende zu kontrolieren hat. Nach dem Vortrag in der Anhörung zu diesem Beschluss befand sich die zu faxende Berufungsbegründung in der Unterschriftenmappe, wobei offen blieb, ob sich die Mappe auf dem Schreibtisch der Rechtsanwältin oder an dem Arbeitsplatz der Rechtsanwaltsfachangestellten befand. Es hätte aber entweder glaubhaft gemacht werden müssen, dass der Schriftsatz sich im unmittelbaren Zugriffsbereich der Rechtsanwaltsfachangestellten im o.g. Sinn befunden hat oder wenigstens die allgemeine Anweisung bestanden hat, die Unterschriftenmappe vor Arbeitsende zu kontrollieren und dort aufgeschriebene Anweisungen auszuführen. Dergleichen ist nicht vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.