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BGH Urteil vom 13.06.2013 - IX ZR 155/11 - Pflichten des Rechtsanwalts bei der Geltendmachung eines verkehrsunfallbedingten Personenschadens

BGH v. 13.06.2013: Zu den Pflichten des Rechtsanwalts bei der Geltendmachung eines verkehrsunfallbedingten Personenschadens


Der BGH (Urteil vom 13.06.2013 - IX ZR 155/11) hat entschieden:
  1. Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch seines Mandanten klageweise geltend machen soll, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann. Er darf sich nicht ohne weiteres mit dem begnügen, was sein Auftraggeber ihm an Informationen liefert, sondern muss um zusätzliche Aufklärung bemüht sein, wenn den Umständen nach für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich und deren Bedeutung für den Mandanten nicht ohne weiteres ersichtlich ist.

  2. Der für eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verantwortliche Schädiger muss grundsätzlich auch für Folgewirkungen einstehen, die auf einer psychischen Prädisposition oder einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen; für die Ersatzpflicht als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens genügt die hinreichende Gewissheit, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre. Die Zurechnung von Folgeschäden scheitert nicht daran, dass sie auf einer konstitutiven Schwäche des Verletzten beruhen. Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge von Anomalien oder Dispositionen zur Krankheit besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen.

  3. In Extremfällen scheitert die Zurechnung psychischer Folgeschäden, wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist, nicht gerade speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass stehend, schlechterdings nicht mehr verständlich ist. Ebenfalls nicht zurechenbar sind psychische Folgeschäden dem Schädiger dann, wenn sie auf einer sogenannten Begehrensneurose beruhen und wesentlich durch die Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind. Von der Zurechnung psychischer Folgeschäden ist jedoch dann auszugehen, wenn das Unfallereignis - sei es auch geringfügig - speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft.
Siehe auch Anwaltsverschulden und Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang



Tatbestand:

Der beklagte Rechtsanwalt vertrat den Kläger in einem erfolglos gebliebenen Rechtsstreit vor dem Landgericht Bielefeld und dem Oberlandesgericht Hamm gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, der am 12. März 2002 einen Auffahrunfall verursacht hatte, den der Kläger als Beifahrer erlitten hat. Der Kläger war schon im Jahr 1996 Opfer eines Auffahrunfalls mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen gewesen. Aufgrund des ersten Unfalls, der zum Verlust seiner Arbeitsstelle geführt hatte, lebte er in der ständigen Angst, dass sein körperlicher Zustand nicht so wiederherstellt werden könnte, wie vor diesem Unfall. In dem wegen des 2002 erlittenen Unfalls geführten Prozess trug der Beklagte erstmals am Tag vor der mündlichen Verhandlung, in der das abweisende Urteil des Landgerichts erging, zu den psychischen Folgen des Unfalls vor. Das Landgericht befasste sich in seiner Entscheidung nur mit den vom Kläger behaupteten körperlichen Auswirkungen des erneuten Unfallereignisses. Dies beanstandete der Beklagte in seiner Berufungsbegründung, in der er, ohne den diesbezüglichen Vortrag zu vertiefen, geltend machte, dass ein psychologisches Gutachten eingeholt werden müsse. Eine Stellungnahme der den Kläger seit Ende Oktober 2003 behandelnden Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 17. Oktober 2005 legte der Beklagte dem Berufungsgericht im Vorprozess erst mit Schriftsatz vom 28. Juli 2006 vor. Darin trat er erneut Beweis durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens an. Diesen Vortrag wies das Oberlandesgericht in seinem in der mündlichen Verhandlung am 16. August 2006 verkündeten Urteil als verspätet zurück. Den erstinstanzlichen Vortrag zu den psychischen Auswirkungen sah es in der Entscheidung als nicht hinreichend substantiiert an. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, im Vorprozess nicht ausreichend zu den psychischen Folgen des zweiten Unfalls, der zu einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schwerer depressiver Reaktion und als Folge dieser Erkrankung zur dauerhaften Erwerbsunfähigkeit geführt habe, vorgetragen und die ärztliche Stellungnahme vom 17. Oktober 2005 zu spät vorgelegt zu haben. Er macht einen Anspruch auf Erstattung des infolge seiner Verrentung erlittenen Verdienstausfallschadens in Höhe von 136.209,24 € geltend und begehrt Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für jeden weiteren materiellen Schaden. Die Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Sachanträge weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwar sei davon auszugehen, dass der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Führung des Vorprozesses schuldhaft verletzt habe. Der Beklagte habe unter anderem gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen, sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen, den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären und durch Beschreiten des sichersten Weges einen Schaden des Mandanten zu verhüten. Der Verstoß liege darin, dass er in dem Vorprozess in der ersten Instanz zu den beim Kläger vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen nur unsubstantiiert vorgetragen habe und nicht auf die Retraumatisierung durch den erneuten Unfall eingegangen sei. Auch wenn hinsichtlich der medizinischen Fragen an die Substantiierungspflicht nur maßvolle Anforderungen zu stellen seien, wäre der Beklagte als Laie zu einer solchen Darstellung ohne weiteres in der Lage gewesen. Dass ihm trotz einer gezielten Befragung des Klägers eine nähere Sachdarstellung nicht möglich gewesen sei, habe er nicht vorgetragen.

Es sei jedoch nicht festzustellen, dass dem Kläger aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden entstanden sei. Zwar sei aufgrund der vom Berufungsgericht nunmehr durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der im Jahr 2002 erlittene Unfall zu psychischen Störungen mit Krankheitswert und einer daraus resultierenden dauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers geführt habe. Dieser Schadenseintritt sei jedoch für den Schädiger objektiv nicht vorhersehbar gewesen, so dass eine Haftung nicht in Betracht komme. Bei der festgestellten Kollisionsgeschwindigkeit von 6,5 km/h liege die Verursachung von psychischen Störungen mit Krankheitswert fern. Nur die besondere Schadensanfälligkeit des Klägers habe zu den unfallbedingt eingetretenen psychischen Störungen geführt. Eine Haftung des Unfallgegners scheide deshalb aus. Dem Kläger sei aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten kein Schaden entstanden, weil die Klage im Vorprozess auch bei pflichtgemäßem Vortrag abgewiesen worden wäre.


II.

Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten nicht wegen mangelnder Erfolgsaussicht des Vorprozesses scheitern lassen dürfen.

1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht von einer schuldhaften Verletzung der Pflichten des Beklagten bei der Vertretung des Klägers im Vorprozess ausgegangen.

a) Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch seines Mandanten klageweise geltend machen soll, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324 Rn. 8; vom 11. April 2013 - IX ZR 94/10, zVb, Rn. 4). Er darf sich nicht ohne weiteres mit dem begnügen, was sein Auftraggeber ihm an Informationen liefert, sondern muss um zusätzliche Aufklärung bemüht sein, wenn den Umständen nach für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich und deren Bedeutung für den Mandanten nicht ohne weiteres ersichtlich ist (BGH, Urteil vom 20. Juni 1996 - IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1834 f; vom 7. Februar 2002 - IX ZR 209/00, WM 2002, 1077, 1078; Vill in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 738 ff mwN). Er ist zu rechtzeitigem Vortrag verpflichtet (BGH, Urteil vom 28. Juni 1990 - IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241, 1244) und muss damit verhindern, dass einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden (Zugehör/Vill, aaO Rn. 743 mwN). Auch hat er die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495; vom 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04, WM 2006, 2055 Rn. 9; Zugehör/Vill, aaO Rn. 635 ff; jeweils mwN).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht mit Recht von der schuldhaften Verletzung anwaltlicher Pflichten im Vorprozess durch den Beklagten ausgegangen. Den hiergegen gerichteten Angriffen der Revisionserwiderung muss der Erfolg versagt bleiben.

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger bereits frühzeitig gegenüber dem Beklagten seine unfallbedingten psychischen Beeinträchtigungen angesprochen. Der Beklagte will diesen Vortrag im Haftungsprozess jedoch zurückgehalten haben, weil ihm die von dem Kläger geschilderten unfallbedingten psychischen Probleme nicht beweisbar erschienen. Damit hat er gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen. Ein dem Gebot des sichersten Weges verpflichteter Rechtsanwalt hätte die Beibringung entsprechender weiterer Nachweise zur Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die geschilderten psychischen Beeinträchtigungen nicht lediglich abwarten dürfen. Er hätte sich bei dem Kläger näher informieren und zeitnah Vortrag zu den von diesem geschilderten psychischen Beeinträchtigungen und der behaupteten Unfallursächlichkeit halten müssen, zumal sich die Frage der Beweisbarkeit der klägerischen Angaben erst bei ihrem Bestreiten durch die Beklagte stellen konnte. Der in diesem Fall bestehenden Gefahr des Prozessverlustes aufgrund einer notwendigen Substantiierung des Sachvortrages hätte der Beklagte mit einer zugleich formulierten Bitte um einen gerichtlichen Hinweis begegnen können, ob das Gericht den Sachvortrag des Klägers für genügend erachte, um daraufhin ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen, oder eine vorherige Substantiierung für geboten halte. Einen solchen Hinweis hätte das Gericht gemäß § 139 Abs. 1 ZPO erteilen müssen. Sollte dem Kläger weiterer Vortrag mangels eigener Sachkenntnis anderenfalls nicht möglich gewesen sein, hätte er auch die Einholung eines privaten Gutachtens als zu seiner Rechtsverfolgung notwendig ansehen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - VI ZB 56/02, BGHZ 153, 235, 238 f; vom 23. Mai 2006 - VI ZB 7/05, NJW 2006, 2415 Rn. 9 ff). Die hierfür notwendige Zeit hätte dem Kläger nach Darlegung der Erforderlichkeit vom Prozessgericht gewährt werden müssen. Ein auf diese Weise ergänzter Vortrag hätte dann weder als unsubstantiiert noch als verspätet behandelt werden dürfen.

Statt dessen hat der Beklagte erst mit Schriftsatz vom 22. Mai 2005 - unmittelbar vor dem Termin per Telefax eingereicht und schriftlich im Termin überreicht - auf die "schweren psychischen Auswirkungen" hingewiesen, die der Unfall auf den Kläger hatte, und einen Befundbericht vorgelegt, aus welchem sich nicht ergibt, dass die dort beschriebenen psychischen Beschwerden im Zusammenhang mit dem im Jahr 2002 erlittenen Unfall stehen.

bb) Im Übrigen ist dem Beklagten vorzuwerfen, dass er in der Berufungsinstanz nicht alles getan hat, um die Lücken im Vortrag, die zum vorläufigen Prozessverlust geführt hatten, noch auszugleichen, wenn er glaubte, ihm hätten bis zum Abschluss der ersten Instanz keine ergiebigen Informationen zur Verfügung gestanden. Dazu hätte es im Hinblick auf § 529 Abs. 1 Nr. 2, §§ 530, 531 Abs. 2 ZPO nicht nur gehört, den bisher versäumten Vortrag zur Kausalität zwischen dem zweiten Unfall und den bisherigen Beeinträchtigungen in einer für eine Beweisaufnahme geeigneten Weise nachzuholen. Der Beklagte hätte im Blick auf § 531 Abs. 2 ZPO auch erläutern müssen, warum ihm der weitergehende Vortrag zuvor nicht möglich war. Demgegenüber ist der Beklagte auch im zweiten Rechtszug eine detaillierte Darstellung zur Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die psychischen Störungen des Klägers bis kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung schuldig geblieben. Das Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 17. Oktober 2005 hat er dem Berufungsgericht erst so spät vorgelegt, dass es in dessen Entscheidung auf die mündliche Verhandlung vom 16. August 2006 als verspätet zurückgewiesen worden ist.

c) Das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beklagten spricht für sein Verschulden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 399; vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 37/04, WM 2007, 564 Rn. 20; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 16 jeweils mwN). Er trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008, aaO). Auch die Gegenrügen der Revisionserwiderung haben ein Verschulden nicht ausgeräumt.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann demgegenüber keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, ein Schmerzensgeld- und Feststellungsanspruch des Klägers wäre aufgrund der fehlenden objektiven Vorhersehbarkeit der psychischen Störungen für den Schädiger auch bei pflichtgemäßem prozessualem Vortrag des Beklagten abgelehnt worden. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang ist vielmehr gegeben, weil die psychische Störung, die der Kläger aufgrund des Auffahrunfalls im Jahre 2002 erlitten hat, auf einer Retraumatisierung beruht, deren Ausgangspunkt zwar der 1996 erlittene Auffahrunfall ist, die aber aufgrund des erneuten Auffahrunfalls im Jahr 2002 eingetreten ist. Auf die vom Berufungsgericht angenommene Vorhersehbarkeit dieser Folge aus der Sicht eines medizinischen Laien kommt es nicht an.

a) Der für eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verantwortliche Schädiger muss grundsätzlich auch für Folgewirkungen einstehen, die auf einer psychischen Prädisposition oder einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen; für die Ersatzpflicht als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens genügt die hinreichende Gewissheit, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90, VersR 1991, 704, 705; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 343 f, 346; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, VersR 1997, 752, 753; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, BGHZ 137, 142, 145; vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, NJW 2004, 1945, 1946; vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 189 ff; Staudinger/Schiemann, BGB, 2005, § 249 Rn. 39). Die Zurechnung von Folgeschäden scheitert nicht daran, dass sie auf einer konstitutiven Schwäche des Verletzten beruhen. Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge von Anomalien oder Dispositionen zur Krankheit besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen (BGH, Urteil vom 30. April 1996, aaO S. 345; vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946; vom 10. Juli 2012, aaO). In Extremfällen scheitert die Zurechnung psychischer Folgeschäden allerdings dann, wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist, nicht gerade speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass stehend, schlechterdings nicht mehr verständlich ist (BGH, Urteil vom 30. April 1996, aaO S. 346; vom 25. Februar 1997, aaO; vom 11. November 1997, aaO S. 146 ff; vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96, NJW 1998, 813, 814; vom 10. Juli 2012, aaO Rn. 9; MünchKomm-BGB/Oetker, aaO Rn. 192). Ebenfalls nicht zurechenbar sind psychische Folgeschäden dem Schädiger dann, wenn sie auf einer sogenannten Begehrensneurose beruhen und wesentlich durch die Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind (BGH, Urteil vom 10. Juli 2012, aaO Rn. 10). Von der Zurechnung psychischer Folgeschäden ist jedoch dann auszugehen, wenn das Unfallereignis - sei es auch geringfügig - speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft.

b) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht den haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der beim Kläger eingetretenen psychischen Störung aufgrund fehlender objektiver Vorhersehbarkeit solcher Störungen nicht verneinen dürfen.

Im Streitfall waren die psychischen Unfallschäden des Klägers dem Unfallgegner zuzurechnen, ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 6,5 km/h nur um ein geringfügiges Unfallereignis gehandelt haben mag. Dies folgt aus dem vom Berufungsgericht eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D., auf dessen Grundlage das Berufungsgericht seine Feststellungen getroffen hat. Demnach lag eine besondere Schadensanfälligkeit des Klägers vor, für die entscheidend war, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Unfall um das Spiegelbild des früheren Auffahrunfalls aus dem Jahre 1996 handelte, so dass der erneute Auffahrunfall beim Kläger Erinnerungen wachrief, weil eine nahezu identische Wiederholung "wie ein spezifischer Schlüssel in ein vorgegebenes Schloss" passt. Eine Überreaktion, wie sie sonst bei einem Bagatellereignis gegeben sein könnte, ist in einem solchen Fall nicht anzunehmen.

3. Der Vorprozess hätte deshalb bei pflichtgemäßem anwaltlichem Handeln des Beklagten dem Grunde nach wegen seiner psychischen Schädigung zugunsten des Klägers entschieden werden müssen. Dass der im Vorprozess in Anspruch genommene Unfallgegner den Auffahrunfall schuldhaft herbeigeführt hat, ist nicht streitig gewesen.


III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Das Berufungsgericht wird sich nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Kläger ungeachtet des Umstands, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls längerfristig arbeitsunfähig erkrankt war, weiter einen Verdienst hätte erzielen können und welche Ansprüche ihm gegebenenfalls der Höhe nach aufgrund der eingetretenen psychischen Störung und der darauf beruhenden Verrentung zustehen.