Das Verkehrslexikon

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OLG Koblenz Beschluss vom 07.01.2013 - 1 SsBs 131/12 - Zur Aufsichtspflichtverletzung des Geschäftsführers einer Spedition bei der Neueinstellung eines Fahrers

OLG Koblenz v. 07.01.2013: Zur Aufsichtspflichtverletzung des Geschäftsführers einer Spedition bei der Neueinstellung eines Fahrers


Das OLG Koblenz (Beschluss vom 07.01.2013 - 1 SsBs 131/12) hat entschieden:
Ein (neu eingestellter) Mitarbeiter einer Spedition benötigt eine Fahrerkarte frühestens ab Arbeitsbeginn und das auch nur dann, wenn er tatsächlich als Fahrer eingesetzt wird und ein Fahrzeug führt, das mit einem (digitalen) Kontrollgerät gemäß Anhang I B der VO (EWG) 3821/85 ausgerüstet ist. Reicht die Zeit zwischen Einstellung und erstem Fahrtantritt aus, um die Fahrerkarte bei der Behörde abzuholen, liegt keine Aufsichtspflichtverletzung des Geschäftsführer bei der Einstellung vor.


Gründe:

1. Das Amtsgericht hat gegen die Beschwerdeführerin als Nebenbeteiligte im selbständigen Verfahren nach § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG "wegen fahrlässiger Verletzung des Aufsichtspflicht" eine Geldbuße von 262,50 € festgesetzt und festgestellt:
"Am 4. und 7. bis 11.02.2011 führte der Zeuge ...[B] als bei der ...[A] in ...[X] beschäftigter Fahrer das ... Fahrzeug ... mit einer zulässigen Gesamtmasse von 11.900 kg, ..., obwohl er nicht im Besitz einer Fahrerkarte war und diese daher auch nicht eingesteckt hatte.

Der Zeuge war aufgrund eines im Januar 2011 mit dem Geschäftsführer der Nebenbeteiligten, dem Betroffenen ...[C], geführten Vorstellungsgespräch als Fahrer für die Nebenbeteiligte eingestellt worden. In diesem Gespräch hatte der Zeuge ...[B] angegeben, zuvor bereits als selbständiger Kraftfahrer tätig gewesen zu sein. Der Betroffene war deshalb unter Außerachtlassung der für einen Spediteur bei der Einstellung eines neuen Fahrers anzuwendenden Sorgfalt ohne Überprüfung davon ausgegangen, dass der Zeuge über eine Fahrerkarte verfügte.

Vereinbarter Arbeitstermin war der 01.02.2011. Tatsächlich beantragte der Zeuge ...[B] erst nach dem Vorstellungsgespräch die Ausstellung einer Fahrerkarte, die ihm dann auch tatsächlich mit Datum 01.02.2011 ausgestellt wurde. Allerdings wurde die Fahrerkarte bei der Kreisverwaltung ...[Y] erst am Tag der Verkehrskontrolle, nämlich am 11.02.2011durch den Betroffenen ...[C] abgeholt und dem Zeugen ...[B] erst nach der Kontrolle ausgehändigt."
2. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Nebenbeteiligten hat Erfolg.

a) Das von der Generalstaatsanwaltschaft in den Raum gestellte Verfahrenshindernis des Fehlens der Voraussetzungen für ein selbständiges Verfahren gegen eine juristische Person, dessen Vorliegen vom Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen wäre, besteht allerdings nicht. Die in der Antragschrift vom 19. Dezember 2012 angeführte Entscheidung des OLG Düsseldorf (NStZ 1984, 366) erging zu einer Zeit, als § 30 Abs. 4 OWiG noch eine andere Fassung hatte und die Durchführung des selbständigen Verfahrens an engere Voraussetzungen geknüpft war als heute. Der hat der Tatrichter zutreffend festgestellt, dass die ...[D] das Verfahren gegen den Geschäftsführer ...[C] am 16. Dezember 2012 gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 eingestellt hatte (UA. S. 3 unter I.) – womit der Weg in das selbständige Verfahren gegen die ...[A] eröffnet war. b) Allerdings tragen die tatrichterlichen Feststellungen nicht den Schuldspruch.

Nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG kann gegen die ...[A] ein Bußgeld festgesetzt werden, wenn deren Geschäftsführer ...[C] eine (Straftat oder) Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten, welche die Gesellschaft treffen, verletzt worden sind. Der Tatrichter ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass eine Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 130 Abs. 1 OWiG) durch einen Geschäftsführer die Verhängung einer Geldbuße gegen die von ihm geleitete juristische Person rechtfertigen kann, hat eine solche aber nicht festgestellt.

Sowohl den Feststellungen als auch den Ausführungen zur Bemessung des Geldbuße (UA. S. 10) ist zu entnehmen, dass der Tatrichter dem Geschäftsführer ...[C] anlastet, es bei der Neueinstellung versäumt zu haben, sich die Fahrerkarte vorlegen zu lassen. Damit soll ihm wohl vorgeworfen werden, nicht die notwendige Sorgfalt bei der Einstellung eines Mitarbeiters an den Tag gelegt zu haben.

Das allein begründet aber noch kein ordnungswidriges Verhalten des Geschäftsführers. Ein (neu eingestellter) Mitarbeiter einer Spedition benötigt eine Fahrerkarte frühestens ab Arbeitsbeginn und das auch nur dann, wenn er tatsächlich als Fahrer eingesetzt wird und ein Fahrzeug führt, das mit einem (digitalen) Kontrollgerät gemäß Anhang I B der VO (EWG) 3821/85 ausgerüstet ist. Die Feststellungen deuten darauf hin, dass die Zeit zwischen dem Einstellungsgespräch und der ersten Fahrt am 4. Februar 2011 für die Ausstellung einer Fahrerkarte ausreichte und diese lediglich, warum auch immer, nicht rechtzeitig bei der ausstellenden Behörde abgeholt wurde.

Es wäre somit notwendig gewesen aufzuklären und festzustellen, wie es dazu kommen konnte, dass der Zeuge ...[B] – erstmals am 4. Februar 2011 – als Fahrer eines Fahrzeuges mit einem "digitalen Fahrtenschreiber" eingeteilt und auch eingesetzt wurde, ohne dass er die Fahrerkarte bereits in Besitz hatte und wem insoweit – neben dem Zeugen ...[B] – welcher ahndungswürdige Vorwurf gemacht werden kann. Anzuknüpfen ist an Art. 10 Abs. 2 der VO (EG) und Art. 13 der VO (EWG) Nr. 3821/85, wobei hinsichtlich des Geschäftsführers vor dem "Umweg" über § 130 OWiG zu prüfen sein wird, ob er sich gemäß § 9 OWiG als gesetzlicher Vertreter des (Verkehrs-)Unternehmens schuldig gemacht hat.



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