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Amtsgericht Mettmann Urteil vom 07.05.2012 - 32 OWi 623 Js 21/12 - 7/12 - Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren
AG Mettmann v. 07.05.2012: Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren
Das Amtsgericht Mettmann (Urteil vom 07.05.2012 - 32 OWi 623 Js 21/12 - 7/12) hat entschieden:
Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist die Mindestmessstrecke grundsätzlich geschwindigkeitsabhängig. Bei einer Geschwindigkeit von über 90 km/h wird eine Mindestmessstrecke von 500 Metern vorausgesetzt. Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist im Bußgeldverfahren nicht verwertbar, wenn die Messstrecke keinen geraden Verlauf aufweist, sondern eine S-Kurve darstellt, die zunächst bergab und dann wieder bergauf geht, und wenn der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen am Anfang zwischen 90 und 100 Metern betrug und sich im Rahmen der Messung auf 150 Meter vergrößerte.
Siehe auch Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren oder Vorausfahren
Gründe:
I.
Der Betroffene ist von Beruf Industriemechaniker bei Firma U in Düsseldorf. Er arbeitet in der Dauernachtschicht in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr.
Er ist bislang straßenverkehrsrechtlich wir folgt in Erscheinung getreten:
1. Mit Entscheidung der Bußgeldbehörde Kreis Mettmann vom 20.04.2007, rechtskräftig seit 31.07.2007 wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 75,00 Euro verhängt, weil er als Halter eines Fahrzeuges ein Fahrzeug führte, obwohl die Reifen keine ausreichende Profil- oder Einschnittstiefe besaßen.
2. Mit Entscheidung der Bußgeldbehörde Kreis Mettmann vom 08.06.2009, rechtskräftig seit 24.06.2009 wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 70,00 Euro festgesetzt, da er überholte, obwohl es durch Überholverbotszeichen verboten war.
3. Mit Entscheidung der Bußgeldbehörde Kreis Mettmann vom 02.05.2011, rechtskräftig seit 19.05.2011 wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 440,00 Euro und ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt, da der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 66 km/h überschritt.
II.
Am 05.09.2011 gegen 21:50 Uhr befuhr der Betroffene in Mettmann die N- Straße in Fahrtrichtung Ratingen mit seinem Kraftrad, Fabrikat Suzuki, amtliches Kennzeichen ... . Auf der N- Straße überfuhr der Betroffene beim Überholen eines PKW auf Höhe der linksseitig gelegenen Tankstelle eine durchgezogene Linie. Bei gehöriger Sorgfalt wäre für den Betroffenen erkennbar gewesen, dass er diese durchgezogene Linie nicht hätte überfahren dürfen. Der Verstoß wäre für den Betroffenen vermeidbar gewesen.
Der Verstoß wurde durch den Polizeihauptkommissar Q, der sich hinter dem Betroffenen befand beobachtet.
III.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit das Gericht ihr zu folgen vermochte, sowie auf dem sonstigen Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Umfang sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt.
Der Betroffene bestreitet, den Verkehrsverstoß begangen zu haben. Das Gericht ist jedoch von dem Vorliegen des Verkehrsverstoßes überzeugt aufgrund der Aussage des Polizeibeamten Q, der den Vorfall nachvollziehbar, glaubhaft und sachlich geschildert hat.
IV.
Der Betroffene hat sich daher wegen fahrlässigen Überfahrens der Fahrstreifenbegrenzung beim Überholen zu verantworten (§§ 41 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG, 155.2 Bkat).
Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.
V.
Nach den getroffenen Feststellungen war gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 30,00 Euro zu verhängen, wobei es sich um die Regelgeldbuße nach der Bußgeldkatalogverordnung mit der Tatbestandsnummer: 141259 handelt.
VI.
Desweiteren wird nach dem Bußgeldbescheid vom 21.09.2011 dem Betroffenen folgender weiterer Sachverhalt zur Last gelegt:
Er soll im weiteren Verlauf der N- Straße in Fahrtrichtung Mettmann am 05.09.2011 um 21:50 Uhr mit seinem Kraftrad, amtliches Kennzeichen ... die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h überschritten haben. Zulässige Geschwindigkeit betrug in dem Bereich 70 km/h.
VII.
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme konnte dieser Vorwurf gegen den Betroffenen nach eingehender Prüfung und unter Heranziehung des Zweifelsatzes nicht festgestellt werden. Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, an dem Abend auf dem Weg zur Arbeit gewesen zu sein, wobei er keinen Stress oder Zeitdruck gehabt habe. Er habe im Rückspiegel ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zukommen sehen und sei hinter einem BMW hergefahren, der circa 70 km/h gefahren sei. Er sei dann von der Polizei angehalten worden. Nach seiner Einschätzung sei er, wenn es hoch kommt, maximal 85 km/h gefahren. Auch habe er aus dem Fahrverbot gelernt und sich geschworen, in der Zukunft nie mehr die Geschwindigkeit so zu überschreiten.
Der Zeuge Q hat angegeben, an dem Tag nach einer soeben beendeten Geschwindigkeitsmessung von Velbert oder Heiligenhaus auf dem Weg zur Dienststelle gewesen zu sein. Er habe das Polizeifahrzeug gesteuert und ihm sei der Betroffene aufgefallen, weil er auf der N Straße in Höhe der Tankstelle bei einer durchgezogenen Linie ein Fahrzeug überholt habe. Er sei dem Betroffenen hinterher gefahren. Im Bereich zwischen der Einmündung M-weg bis E-Straße habe er bei seinem Fahrzeug, das mit einem nicht justierten Tachometer versehen ist, eine Geschwindigkeit von 140 km/h abgelesen. Danach habe er den Betroffenen aus den Augen verloren und ihn dann erst wieder an der Stelle C-Straße in Ratingen gesehen, da der Betroffene zu dem Zeitpunkt ein PKW vor sich gehabt habe und er sodann ihn anhalten konnte.
Aus seiner Erinnerung sei die Messstrecke maximal 800 Meter lang gewesen. Es habe sich dabei um eine langgezogene Rechtskurve gehandelt. Zum Tatzeitpunkt sei bereits eine starke Dämmerung eingetreten gewesen, sodass er mit Licht gefahren sei. Eine zusätzliche Straßenbeleuchtung sei ihm erst wieder ab der Einmündung E-Straße bekannt. Weitere Auffälligkeiten bei den Sichtverhältnissen hätten nicht vorgelegen. Zu den Witterungsverhältnissen konnte der Zeuge aufgrund des Zeitablaufes keine Angaben mehr machen.
Der Abstand zu dem Betroffenen sei am Anfang zwischen 90 und 100 Metern gewesen, der sich sodann weiter auf 150 Meter vergrößert habe. Bei der Nachfahrt habe er den Fuß auf dem Gaspedal in stabiler Position gehabt und den Tacho, da dieser in dem Funkstreifenwagen relativ hoch angebracht ist, gut in Blick gehabt.
Der Zeuge ist seit 37 Jahren Polizeibeamter und führt seit 35 Jahren, auch als Kradfahrer u.a. Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren durch.
Das Gericht hat im Rahmen eines Ortstermins die Messstrecke in Augenschein genommen. Dabei wurde festgestellt, dass die Messstrecke auf der N- Straße von der Einmündung M-Straße bis E-Straße maximal 500 Meter beträgt. Es handelt sich dabei um eine S-Kurve, in deren Mitte sich eine Mulde befindet, also die Messstrecke zunächst bergab und sodann bergauf führt.
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalles hier eine Verwertbarkeit der Messung nicht in Betracht kommt. Dabei erkennt das Gericht nicht, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung durch Tachometervergleich beim Nachfahren um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren handelt. Auch handelt es sich bei dem Messbeamten um einen dem Gericht bekannten und dementsprechend erfahrenen und zuverlässigen Messbeamten. Es liegen jedoch im vorliegenden Fall Umstände vor, die in der Gesamtheit das Gericht zu dem Schluss kommen lassen, dass die Messung nicht verwertbar ist.
Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist nach der Rechtsprechung die Mindestmessstrecke grundsätzlich geschwindigkeitsabhängig. So wird bei einer Geschwindigkeit von über 90 km/h, wie es hier der Fall ist, eine Messstrecke von 500 Metern vorausgesetzt. Eine solche Mindestmessstrecke ist im vorliegenden Fall, da es sich hier um eine Messstrecke von 500 Metern gehandelt hat, zwar gegeben. Berücksichtigt werden müssen darüber hinaus aber auch die örtlichen Gegebenheiten. Denn diese Messstrecke wies keinen geraden Verlauf auf, sondern stellte eine S-Kurve, die zunächst bergab und dann wieder bergauf ging, dar. Damit bestehen bereits bei der Messstrecke Zweifel, ob diese für eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren geeignet war. Auch hinsichtlich des Messabstandes hat sich nach langjähriger Rechtsprechung herausgebildet, dass bei einer abzulesenden Geschwindigkeit von über 90 km/h der Abstand maximal 100 Meter betragen soll, um zu einer verwertbaren Messung zu kommen. Vorliegend hat nach Angaben des Polizeibeamten Q der Abstand am Anfang zwischen 90 und 100 Meter betragen, wobei sich dieser jedoch dann im Rahmen der Messung bis auf 150 Meter vergrößert hat, so dass auch dies Zweifel an der Verwertbarkeit der Messung aufkommen lässt. Hinzu kommt, dass es um 21:50 Uhr auch nach Angaben des Zeugen Q bereits so stark gedämmert hat, dass das Licht eingeschaltet werden musste. Eine Straßenbeleuchtung war nicht vorhanden. Da der Betroffene mit einem Kraftrad unterwegs war ist es zudem fraglich, ob der Abstand durch die Polizeischeinwerfer entsprechend aufgehellt werden konnte.
Aufgrund der aufgezeigten Punkte bestehen insgesamt für das Gericht erhebliche Zweifel an der Verwertbarkeit der Messung, sodass zu Gunsten des Angeklagten von deren nicht Verwertbarkeit auszugehen war.
Da die Tatvorwürfe einheitlich begangen wurden, bedurfte es keines Teilfreispruches hinsichtlich des Vorwurfs der Geschwindigkeitsüberschreitung.
VIII.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 OWiG, 465 StPO.