Das Verkehrslexikon

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OLG Celle Beschluss vom 09.08.2011 - 322 SsBs 245/11 - Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitung

OLG Celle v. 09.08.2011: Zur Annahme von Vorsatz bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung


Das OLG Celle (Beschluss vom 09.08.2011 - 322 SsBs 245/11) hat entschieden:
  1. Bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um annähernd 50% kann von der vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem benutzten Fahrzeug um eine größere Limousine mit einem großvolumigen Triebwerk handelt, denn dem Fahrzeugführer kann seine Geschwindigkeitsüberschreitung wegen der erhöhten Fahrgeräusche und vor allem wegen des sich schneller verändernden Umgebungseindrucks nicht verborgen geblieben sein (Anschluss OLG Karlsruhe, 28. April 2006, 1 Ss 25/06, NZV 2006, 437). Handelt es sich um ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrszeichen, so ist davon auszugehen, dass sie vom Verkehrsteilnehmer auch wahrgenommen werden.

  2. Bei Schuldspruchänderungen durch das Rechtsbeschwerdegericht findet das Verschlechterungsverbot keine Anwendung (hier: Annahme einer vorsätzlichen statt einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung).

Siehe auch Zur Annahme von Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitungen


Gründe:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lehrte vom 18. April 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG), dass der Betroffene einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung schuldig ist.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Betroffene die Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h um 56 km/h und damit um mehr als 45 % überschritten. Danach bleibt für die Annahme, er habe die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht wahrgenommen, kein Raum. Wegen der bei einer Geschwindigkeit von 176 km/h gegenüber 120 km/h wesentlich erhöhten Fahrgeräusche und des gänzlich abweichenden Fahreindruckes kann in einem solchen Fall nicht mehr davon ausgegangen werden, ein Fahrzeugführer habe nur aufgrund Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die angeordnete Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit überschritten. Es ist deshalb von vorsätzlichem Handeln auszugehen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 06.10.2010 - 322 SsBs 292/10 - sowie Beschluss vom 26.10.2010 - 322 SsBs 344/10 -; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.04.2006, 1 Ss 25/06 m. w. N. -juris). Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner ständigen Rechtsprechung abzuweichen, insbesondere erfährt sie keine Einschränkung im Hinblick darauf, dass es sich bei dem von dem Betroffenen gesteuerten Fahrzeug um eine größere Limousine mit einem großvolumigen Triebwerk handelt, denn der abweichende Fahreindruck wird nicht allein vom Triebwerks- und Abrollgeräusch, sondern auch von dem sich bei höherer Geschwindigkeit maßgeblich verändernden Umwelteindruck bestimmt.

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass ordnungsgemäß aufgestellte Vor-schriftszeichen von Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen werden (Senat, Beschluss vom 06.10.2010 - 322 SsBs 292/10 -). Dies gilt auch hier, zumal das angefochtene Urteil feststellt, dass die Geschwindigkeit auf der Bundesautobahn 2 in Fahrtrichtung H. vor dem Bereich, in dem die Messung erfolgte, durch zwei aufeinander folgende, ordnungsgemäß und gut sichtbar beidseitig aufgestellte Verkehrszeichen auf 120 km/h begrenzt gewesen ist.

Der Senat war auch nicht gehindert, den Schuldspruch zu Ungunsten des Betroffenen zu berichtigen, weil das Verbot der reformatio in peius nur für die Rechtsfolgen der Tat, nicht aber für den Schuldspruch gilt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 358 Rdnr. 11; § 331 Rdnr. 8).

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Der Betroffene wird darauf hingewiesen, dass er sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar macht, wenn er nach Ablieferung des Führerscheins oder vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung, also nach dem 9. Dezember 2011, ein Kraftfahrzeug führt, dass die Fahrverbotsfrist aber erst vom Tage der Ablieferung des Führerscheins bei der Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft Hildesheim) an gerechnet wird (§ 25 Abs. 5 Satz 1 StVG).