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OLG Hamm Urteil vom 08.11.2013 - I-9 U 88/13 - Haftungsabwägung beim Abbiegen in eine Parkbucht
OLG Hamm (Urteil vom 08.11.2013: Zur Haftungsabwägung beim Abbiegen in eine Parkbucht
Das OLG Hamm (Urteil vom 08.11.2013 - I-9 U 88/13) hat entschieden:
Zwar stellt das Abbiegen in eine neben der Fahrbahn liegende Parkbox bzw. Parkbucht kein Abbiegen in ein Grundstück i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO dar. Allerdings kann das im Vergleich zum Abbiegen in eine Einmündung im Einzelfall erhöhte Gefährdungspotential in Anwendung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift bei der Gewichtung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge im Rahmen der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG berücksichtigt werden.
Siehe auch Parken im Zivilrecht
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache in dem tenorierten Umfang Erfolg. Insoweit beruht das Urteil des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung bzw. rechtfertigen die gemäß §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine für die Beklagten günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO).
1. Die Voraussetzungen für die Haftung der Beklagten zu 1) gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG und für die Haftung des Beklagten zu 2) gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB sind dem Grunde nach unproblematisch gegeben und vom Landgericht zutreffend bejaht worden.
2. Im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG zu bildenden Haftungsquote ist das Landgericht allerdings unzutreffend von einer höheren Haftung der Beklagten ausgegangen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Verursachungsbeiträge der Parteien, ist eine gleich hohe Haftung des Klägers und der Beklagten angemessen. Die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge ist durch schuldhafte Verstöße gegen die in der StVO geregelten Sorgfaltspflichten erhöht.
a) Der Beklagte zu 2) hat die ihm beim Abbiegen in die Parkbox obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt.
Dabei musste der Beklagte zu 2) zum einen die Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 1 StVO beachten. § 9 Abs. 1 StVO regelt auch das Abbiegen in einen neben der Fahrbahn liegenden Parkplatz (Burmann, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Auflage 2012, § 9 StVO Rdn. 4).
Ob der Beklagte zu 2) daneben auch die Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO beim Abbiegen in ein Grundstück beachten musste, ist zweifelhaft.
Teilweise wird vertreten, dass Grundstücke i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO alle nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmten Flächen seien, also in erster Linie private Grundflächen und Privatwege. Tatsächlich oder rechtlich öffentliche Flächen, die nicht dem fließenden Verkehr dienen, wie Parkplätze, Parktaschen und Parkstreifen neben der Fahrbahn, seien hingegen Straßenteile i.S.v. § 10 StVO und damit von den Grundstücken i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO deutlich zu unterscheiden (OLG Düsseldorf, NZV 1993, 360; Burmann, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a.a.O., § 9 StVO Rdn. 53f; Zieres, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage 2011, 27. Kapitel Rdn. 292). Nach dieser Auffassung stellten die neben der Fahrbahn liegenden und dem öffentlichen Verkehr dienenden Parkboxen keine Grundstücke dar, so dass § 9 Abs. 5 StVO vorliegend keine Anwendung findet.
Nach der Gegenauffassung stellen Grundstücke i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO hingegen alle Verkehrsflächen dar, die nicht dem fließenden Verkehr dienen. Begründet wird dies mit der Funktion dieser Vorschrift, die den besonderen Gefahren Rechnung trage, die mit dem Verlassen des fließenden Verkehr verbunden seien (OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.10.2011, Az.: 4 Ss 623/11; OLG Düsseldorf, NZV 1993, 198f; OLG Düsseldorf, NZV 1988, 231f; König, in: Hentschel / König / Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, § 9 StVO Rdn. 45; so wohl auch - ohne nähere Begründung - KG, Urteil vom 16.06.2011, Az.: 12 U 135/10; OLG München, Urteil vom 29.10.2010, Az.: 10 U 2996/10; OLG Hamm, VersR 1976, 1094). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung wollte der Beklagte zu 2) durch das Abbiegen in die Parkbox den fließenden Verkehr verlassen, wobei er die besonderen Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO beachten musste.
Der Senat folgt der zuerst genannte Auffassung, dass neben der Fahrbahn liegende Parkbuchten und Parkboxen grundsätzlich keine Grundstücke i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO darstellen. Diese Ansicht wird sowohl von dem Wortlaut als auch von der Systematik des Gesetzes getragen. Zwar stellen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Grundstücke einen abgegrenzten Teil der Erde dar, an dem Eigentumsrechte erworben werden können, so dass auch Straßen und Straßenteile hierunter gefasst werden können. Der Sprachgebrauch der StVO legt diese Auslegung allerdings nicht nahe. Sie widerspricht zudem der Systematik des Gesetzes, insbesondere der der §§ 9, 10 StVO. In § 10 StVO wird ausdrücklich zwischen Grundstücken und anderen Straßenteilen differenziert, wobei unter den zuletzt genannten Straßenteilen solche verstanden werden, die nicht dem durchgehenden Verkehr dienen, wie z.B. Parkplätze und Zufahrten zu Parkplätzen (König, in: Hentschel / König / Dauer, a.a.O., § 10 StVO Rdn. 6). Während § 10 StVO die Sorgfaltspflichten für das Wiedereinfahren in den fließenden Verkehr von Grundstücken und anderen Straßenteilen regelt, regelt § 9 Abs. 5 StVO nur das Abbiegen in ein Grundstück. Diese Auffassung wurde bereits zu der Vorgängervorschrift des § 17 Abs. 1 StVO a.F. vertreten und war seinerzeit ganz herrschende Meinung (vgl. BGH, VM 1957, 129; OLG Düsseldorf, NZV 1993, 360 m.w.N.).
Zwar ist zu berücksichtigen, dass auch die mit dem Abbiegen auf Parkstreifen und in Parkboxen verbundenen Gefahren über die mit dem "normalen" Abbiegen an Kreuzungen und Einmündungen verbundenen Gefahren hinausgehen können. Der rückwärtige Verkehr kann sich hierauf schlechter einstellen, weil eine angesteuerte Parkbox - ebenso wie auch eine Grundstückszufahrt - nicht so eindeutig zu erkennen ist wie eine angesteuerte Einmündung oder Kreuzung. Allerdings rechtfertigt diese Gefahr allein nicht die generelle Umgehung der in den §§ 9, 10 StVO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, dass sich die Sonderregelung für das Abbiegen gemäß § 9 Abs. 5 StVO nur auf Grundstücke und nicht auch auf andere Straßenteile bezieht, während die Wiedereinfahrt in § 10 StVO sowohl für Grundstücke als auch für andere Straßenteile geregelt ist. Hätte der Gesetzgeber auch das Abbiegen auf einen öffentlich zugänglichen Parkplatz oder das Verlassen des fließenden Verkehrs generell für besonders gefährlich und daher regelungsbedürftig gehalten, hätte er dies ohne weiteres in § 9 Abs. 5 StVO aufnehmen können. Dementsprechend stellt das Abbiegen in eine neben der Fahrbahn liegende Parkbox bzw. Parkbucht zwar kein Abbiegen in ein Grundstück i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO dar. Allerdings kann das im Vergleich zum Abbiegen in eine Einmündung im Einzelfall erhöhte Gefährdungspotential in Anwendung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift bei der Gewichtung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge im Rahmen der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG berücksichtigt werden, so dass die streitige Frage häufig - so auch hier - nicht entscheidungserheblich ist.
aa) Wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, hat der Beklagte zu 2) gegen die beim Abbiegen zu beachtende doppelte Rückschaupflicht gemäß § 9 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen. Diese ist grundsätzlich auch von einem Rechtsabbieger zu beachten (KG, NZV 2010, 345; König, in: Hentschel / König / Dauer, a.a.O., § 9 StVO Rdn. 25). Nur wenn sich der Rechtsabbieger so weit rechts eingeordnet hat, dass sein Abstand zum rechten Fahrbahnrand ein Überholen auch durch ein Krad oder Fahrrad nicht zulässt, die bevorstehende Richtungsänderung rechtzeitig angekündigt und seine Geschwindigkeit allmählich ermäßigt hat, darf er darauf vertrauen, dass ihn kein nachfolgendes Fahrzeug rechts zu überholen versucht (Burmann, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a.a.O., § 9 StVO Rdn. 32). Ansonsten muss er damit rechnen, dass ihn andere Fahrzeuge rechts überholen und darf den Abbiegevorgang daher nur nach gewissenhafter Rückschau ausführen (Burmann, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a.a.O., § 9 StVO Rdn. 33).
Danach durfte der Beklagte zu 2) vorliegend nicht darauf vertrauen, dass ihn niemand rechts überholen würde. Vielmehr zeigen die Lichtbilder in dem Sachverständigengutachten und der Bußgeldakte, dass der Beklagte zu 2) mit dem Überholen eines Krades oder Fahrrades auf seiner rechten Seite rechnen musste. Dies gilt insbesondere, weil das Überholen aufgrund der zur Unfallzeit freien Parkboxen auf der rechten Seite auch unter Inanspruchnahme des Rinnsteines sowie der Parkboxen möglich war.
Das Landgericht hat auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. M in jeder Hinsicht überzeugend festgestellt, dass der Beklagte zu 2) vor Einleitung des Abbiegevorgangs keine zweite Rückschau gehalten und damit gegen § 9 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen hat.
Diese Feststellungen hat der Senat seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrundezulegen. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen bestehen diesbezüglich nicht.
Soweit die Beklagten hiergegen in ihrer Berufungsbegründung einwenden, dass der Beklagte zu 2) mehrfach Rückschau gehalten habe, weil er andernfalls keine Annäherung des Klägers habe bemerken können, stellt dies weder die Richtigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen noch die Richtigkeit der rechtlichen Bewertung in Frage. Entscheidend ist insoweit zunächst, dass - entgegen der von den Beklagten in der Berufungsbegründung vertretenen Rechtsauffassung - § 9 Abs. 1 S. 4 StVO den Abbieger nicht zu irgendeiner zweiten Rückschau verpflichtet. Vielmehr hätte der Beklagten zu 2) unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorgangs Rückschau halten müssen, um ein Passieren des Klägers auf der rechten Seite seines Fahrzeugs auszuschließen (vgl. auch König, in Hentschel / König / Dauer, a.a.O., § 9 StVO Rdn. 25). Hierzu hätte er - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - besonderen Anlass gehabt, gerade weil er den sich nähernden Kläger bereits zuvor gesehen hatte (vgl. insoweit auch OLG Köln, NZV 1999, 333). Hätte der Beklagte zu 2) unmittelbar vor dem Abbiegen in die Parklücke ein zweites Mal Rückschau gehalten, hätte er - so das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. M - den Kläger bemerkt und er hätte den Abbiegevorgang rechtzeitig abbrechen können (S. 16 des SVG). Diesbezüglich sind auch die Ausführungen des Sachverständigen zu berücksichtigen, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Rückschau für den Beklagten zu 2) die ganze Zeit wahrnehmbar gewesen wäre (S. 16 des SVG).
bb) Das Landgericht ist im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge zulasten der Beklagten außerdem zutreffend von einem Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 9 Abs. 1 S. 2 StVO ausgegangen.
Diesbezüglich hat es auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. M festgestellt, dass der Beklagte zu 2) sich vor dem Abbiegen in die Parklücke nicht nach rechts eingeordnet hat, sondern er vielmehr einen Schlenker nach links über die Fahrbahnbegrenzung gemacht hat.
Auch diese Feststellungen hat der Senat seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen. Es bestehen - auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten in zweiter Instanz - keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen.
Insbesondere stellen die Einwendungen der Beklagten in der Berufungsbegründung die landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht in Frage.
Die Beklagten greifen das Sachverständigengutachten mit der Begründung an, dass der Sachverständige die Position des von dem Beklagten zu 2) gesteuerten PKW viel zu weit nach links verlegt habe, weil er unterstellt habe, dass der Beklagte zu 2) vor dem Auftreffen des Klägers noch nach links korrigiert und ein Stück gefahren sei. Tatsächlich habe der Beklagte zu 2) die Räder allerdings erst beim Aufprall nach links gelenkt und sei nach der Kollision noch ein Stück in diese Richtung gefahren. Wenn der Beklagte zu 2) sich tatsächlich - wie vermutet - nach links orientiert und von dort nach rechts in die Parklücke gefahren wäre, hätte sich der Aufprallwinkel wesentlich steiler dargestellt.
Diesbezüglich ist bereits zweifelhaft, ob die erstmals in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände als neues Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind. In ihrer erstinstanzlichen Stellungnahme zu dem Sachverständigengutachten haben die Beklagten sich ausdrücklich mit den vom Sachverständigen gefundenen Ergebnissen einverstanden erklärt. Insbesondere haben sie auch keine Einwendungen gegen die Schlussfolgerung des Sachverständigen erhoben, dass der Beklagte zu 2) die mittlere Fahrbahnbegrenzung mit dem linken Rad überfahren habe. Gründe für eine Zulassung des neuen Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 ZPO haben die Beklagten weder dargelegt, noch sind sie sonst ersichtlich.
Unabhängig davon begründen die Einwände auch in der Sache keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen. Vielmehr hat das Landgericht seine Feststellungen zutreffend auf die in jeder Hinsicht überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. M gestützt.
Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass die Skizze in der Anlage 4 zu seinem Gutachten zeige, dass - ausgehend von der von ihm ermittelten Kollisionsposition des Beklagtenfahrzeugs - unter Berücksichtigung einer plausiblen Lenkbewegung und plausibler Fahrgeschwindigkeiten der Abbiegevorgang nach rechts aus einer deutlich linksseitigen Position des Fahrzeugs heraus eingeleitet worden sei. Es sei dabei - so die Ausführungen des Sachverständigen - realistisch anzusetzen, dass die linken Räder des Fahrzeugs die sich aufgabelnde Mittelmarkierung der Fahrbahnoberfläche überfahren und sich die linke Fahrzeugseite im Bereich zwischen den Fahrstreifen befunden hätte. Aus einer Position vollständig innerhalb des eigenen Fahrstreifens sei die Kollisionsposition unter Berücksichtigung plausibler Fahrbewegungen nicht zu erreichen. Die Kollisionsposition hat der Sachverständige dabei aus der Endstellung der Fahrzeuge, der Beschädigung des Beklagtenfahrzeugs sowie der Position des durch den Aufprall ausgeschlagenen Außenspiegels ermittelt. Dabei ist der Sachverständige - entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung - davon ausgegangen, dass der von dem Beklagten zu 2) gesteuerte PKW sich zum Zeitpunkt des Kollisionskontaktes noch mindestens 1 m von der nachkollisionären Endstellung entfernt befunden habe (S. 11, 14 des SVG), so dass das Gutachten dem Beklagtenvortrag diesbezüglich nicht widerspricht.
Darüber hinaus stellen die Beklagten - weder in erster noch in zweiter Instanz - substantiiert in Abrede, dass der Beklagte zu 2) sich vor dem Abbiegen nicht nach rechts eingeordnet, sondern vielmehr einen Schlenker nach links gemacht hat. Dies ergibt sich letztlich auch aus dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung, die von dem Beklagten zu 2) vorgenommene leichte Ausholbewegung, um dann nach rechts in die Parkbox zu fahren, sei ein normaler Vorgang; ein Kraftfahrzeugfahrer, der nach links in die B-Straße einbiegen wollte, würde sich noch deutlich weiter links einordnen.
cc) Dass der Beklagte zu 2) zudem gegen § 9 Abs. 1 S. 1 StVO verstoßen hat, weil er den rechten Blinker nicht rechtzeitig vor dem Abbiegen in die Parklücke gesetzt hat, lässt sich hingegen auf der Grundlage der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit feststellen.
Diesbezüglich bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts trägt der Kläger die Beweislast für einen die Betriebsgefahr erhöhenden Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 9 Abs. 1 S. 1 StVO. Soweit das Landgericht diesbezüglich ausgeführt hat, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund der damit verbundenen erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgeschlossen sei, dass ein Zweiradfahrer bei eingeschaltetem rechtem Blinker rechts an einem Fahrzeug vorbeifahre, vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen. Das Abstellen auf die allgemeine Lebenserfahrung ist in diesem Zusammenhang unzulässig. Wie die Beklagten zutreffend einwenden, ist es zwanglos vorstellbar, dass ein Zweiradfahrer einen möglicherweise rechtzeitig gesetzten Blinker aus Unaufmerksamkeit übersieht und deshalb an dem Fahrzeug vorbeifährt.
Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis jedoch nicht erbracht. Insbesondere lassen sich die entsprechenden Feststellungen nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit auf der Grundlage der Aussage des Zeugen I treffen. Zwar hat der Zeuge zunächst ausgesagt, keiner der Beteiligten habe geblinkt. Dann hat er seine Aussage jedoch dahingehend relativiert, dass er keinen Blinker wahrgenommen habe. Auf dieser Grundlage lässt sich nicht ausschließen, dass auch der Zeuge I einen - möglicherweise rechtzeitig betätigten - Blinker an dem Fahrzeug des Beklagten zu 2) übersehen hat.
b) Der Kläger hat demgegenüber die ihm beim Überholen obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt.
aa) Ihm ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 StVO vorzuwerfen, weil er rechts an dem Fahrzeug des Beklagten zu 2) vorbeigefahren ist.
Rechtsüberholen ist - als Ausnahme von dem in § 5 Abs. 1 StVO geregelten Grundsatz, dass links zu überholen ist - gemäß § 5 Abs. 7 StVO nur dann zulässig, wenn der zu Überholende seine Absicht, nach links abzubiegen, angekündigt und sich entsprechend eingeordnet hat, wobei aufgrund der Abweichung von der normalen Regel besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit erforderlich sind (vgl. dazu Heß, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a.a.O., § 5 StVO Rdn. 74). Vorliegend sind die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift allerdings nicht erfüllt. Der Beklagte zu 2) hat unstreitig nicht den linken Blinker betätigt und sich auch nicht eindeutig zur linken Seite eingeordnet.
bb) Ob dem Kläger daneben ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO vorzuwerfen ist, kann im Ergebnis offen bleiben.
Zwar ist zweifelhaft, ob der Kläger bei dem Überholmanöver einen ausreichenden Sicherheitsabstand im Sinne dieser Vorschrift eingehalten hat. Dieser richtet sich nach der eigenen Fahrzeugart und Fahrgeschwindigkeit, den Fahrbahnverhältnissen, dem Wetter und der Eigenart des überholten Fahrzeugs. Beim Rechtsüberholen eines eingeordnet haltenden Linksabbiegers ist ein Seitenabstand von 50 cm jedenfalls ausreichend (vgl. König, in: Hentschel / König / Dauer, a.a.O., § 5 StVO Rdn. 54).
Selbst wenn dem Kläger danach das Überholen gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 StVO verboten war, weil er den ausreichenden Sicherheitsabstand nicht einhalten konnte, kommt einem hieraus ggf. resultierenden Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO keine eigenständige Bedeutung zu, weil es dem Kläger bereits gemäß § 5 Abs. 1 StVO untersagt war, rechts an dem Fahrzeug des Beklagten zu 2) vorbeizufahren.
cc) Dem Kläger ist jedoch außerdem ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO vorzuwerfen.
Er hat - so die Ausführungen des Sachverständigen, die sich die Beklagten zu eigen machen - die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten. Der Sachverständige hat eine Kollisionsgeschwindigkeit von 35 km/h ermittelt. Ob diese Geschwindigkeitsdifferenz für den Unfall ursächlich gewesen ist - was aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen, dass der Abbiegevorgang des PKW für den Kläger bei Ansatz realistischer Fahrbewegungen des PKW eine Sekunde vor dem Kollisionskontakt erkennbar gewesen sei (S. 15 des SVG), zweifelhaft ist - kann im Ergebnis dahinstehen.
Der Kläger war aufgrund der besonderen Umstände gemäß § 3 Abs. 1 StVO nicht nur zur Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verpflichtet. Vielmehr hätte er aufgrund des nicht eindeutigen Verhaltens des Beklagten zu 2) sein Fahrzeug zunächst erheblich bis zur Schrittgeschwindigkeit abbremsen und abwarten müssen, um auf das weitere Fahrverhalten des Beklagten zu 2) angemessen reagieren zu können. Stattdessen ist der Kläger ungebremst und unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit rechts an dem Fahrzeug des Beklagten zu 2) vorbeigefahren.
Die der Verkehrssituation nicht angemessene Geschwindigkeit des Klägers war für den Unfall zumindest mitursächlich. Wenn der Kläger seine Geschwindigkeit bei Erkennbarwerden des nicht eindeutigen Fahrverhaltens des Beklagtenfahrzeugs entsprechend reduziert und abgewartet hätte, hätte er das Abbiegemanöver rechtzeitig erkennen und seinen Überholvorgang zurückstellen können.
c) Bei der Abwägung dieser Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVO sind dementsprechend auf beiden Seiten - wie oben dargelegt - mehrere Verkehrsverstöße zu berücksichtigen, die die Betriebsgefahr der jeweiligen Fahrzeuge erhöhen.
Zwar überwiegt bei einem Unfall im Zusammenhang mit dem Überholen eines Rechtsabbiegers, der durch einen vorherigen Linksschwenk gegen seine Sorgfaltspflicht gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen hat, im Regelfall die Haftung des Rechtsabbiegers (Heß, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a.a.O., § 5 Rdn. 76). Diesbezüglich ist zulasten des Beklagten zu 2) insbesondere zu berücksichtigen, dass er - wie oben dargelegt - den hinter ihm fahrenden Kläger zuvor bereits gesehen und dementsprechend besonderen Anlass hatte, vor dem Abbiegen in die Parklücke ein zweites Mal im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 4 StVO Rückschau zu halten. Dies gilt im besonderen Maße, weil das Fahrverhalten des Beklagten zu 2) für den rückwärtigen Verkehr im Hinblick auf den vorherigen Linksschwenk, die Abbiegemöglichkeit auf der linken Seite sowie den Umstand, dass auch auf der rechten Seite mehrere freie Parklücken vorhanden waren, in die der Beklagte zu 2) hätte einfahren können, schwer einzuschätzen war.
Jedoch musste der Kläger andererseits aufgrund der Größe des Fahrzeugs des Beklagten zu 2) sowie der gerade beschriebenen örtlichen Verhältnisse mit der Möglichkeit rechnen, dass der Beklagte zu 2) mit dem von ihm beschriebenen Schwenk nach links eine der auf der rechten Seite befindlichen und freien Parkboxen erreichen wollte. Trotz dieser Anhaltspunkte hat der Kläger sein Fahrzeug nicht hinreichend abgebremst und das weitere Verhalten des Beklagten zu 2) abgewartet, sondern er hat das Fahrzeug unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und mit einem geringen Sicherheitsabstand überholt. Aufgrund dieses verkehrswidrigen und mit erheblichen Gefahren verbundenen Überholmanövers des Klägers ist eine gleich hohe Haftung auf beiden Seiten angemessen (vgl. insoweit auch OLG Köln, NZV 1999, 333; OLG Köln, r + s 1993, 136; LG Braunschweig, r + s 1985, 133; LG Bielefeld, NJW 1959, 1227; LG Bad Kreuznach, r + s 1988, 294; Heß, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a.a.O., § 5 StVO Rdn. 76; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfall, 13. Auflage 2013, Rdn. 187ff).
3. Dementsprechend haben die Beklagten dem Kläger die Hälfte der geltend gemachten, gemäß §§ 249ff BGB erstattungsfähigen Schadenspositionen zu ersetzen. Hierzu im Einzelnen:
a) Die Beklagten haben dem Kläger als Ausgleich für die infolge der unfallbedingten Verletzungen erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen gemäß § 253 Abs. 2 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, das nach Ansicht des Senats mit 2.850,00 EUR zu bemessen ist.
Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt nach gefestigter Rechtsprechung entscheidend von dem Maß der Lebensbeeinträchtigung ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten oder als künftige Folge erkennbar und objektiv vorhersehbar ist (BGH, VersR 1995, 471). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Darüber hinaus sind auch die o.a. Verschuldensbeiträge bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Bei der Bezifferung des im Einzelfall jeweils angemessenen Schmerzensgeldes ist zur Wahrung der rechtlichen Gleichbehandlung ferner zu beachten, dass der ausgeurteilte Betrag sich in das Gesamtsystem der von den Gerichten entwickelten Schmerzensgeldjudikatur einfügt. Dies bedeutet, dass seine Größenordnung dem Betragsrahmen entsprechen muss, der in der überwiegenden Spruchpraxis für vergleichbare Verletzungsgrade zuerkannt wird.
Der Kläger hat eine Femurschaftfraktur (Oberschenkelbruch) rechts sowie multiple Prellungen und Schürfwunden erlitten. Die Fraktur musste operativ mit einem Metallbolzen und zwei Schrauben fixiert werden. Der Kläger wurde dabei eine Woche stationär im Krankenhaus, anschließend drei Wochen in einer Reha-Einrichtung behandelt. Anschließend hat der Kläger noch zweimal wöchentlich für eine ¾ Stunde an einer physiotherapeutischen Behandlung teilgenommen. Insgesamt verlief der Heilungsverlauf komplikationslos, so dass im März 2013 im Rahmen eines zweitägigen stationären Krankenhauaufenthalts das Metall aus dem Knochen entfernt werden konnte. Der Kläger war bis zum 31.12.2011 - insgesamt also ca. 5 ½ Monate - krankgeschrieben.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält der Senat im Hinblick auf die Verletzungsfolgen zwar den vom Landgericht in Ansatz gebrachten Grundbetrag in Höhe von ca. 5.700,00 EUR für vertretbar (vgl. diesbezüglich - zitiert nach Hacks / Wellner / Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2013 - LG München I, Urteil vom 03.05.1999, Az.: 19 O 18995/97, Nr. 414; AG Borken, Urteil vom 13.05.2004, Az.: 12 C 56/04, Nr. 417; LG München I, Urteil vom 27.05.2004, Az.: 19 O 6608/02, Nr. 420; LG München, Urteil vom 08.10.1992, Az.: 19 O 3766/92, Nr. 427; LG München, Urteil vom 25.04.1996, Az.: 19 O 3936/95).
Aufgrund der bei der Bemessung des Schmerzensgeldes außerdem zu berücksichtigenden wechselseitigen Verschuldensbeiträge beträgt die gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu zahlende angemessene Entschädigung jedoch lediglich 2.850,00 EUR.
b) Zutreffend und von den Beklagten mit der Berufung grundsätzlich auch nicht in Frage gestellt hat das Landgericht zudem den gemäß § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Wiederbeschaffungsaufwand für den beschädigten Roller i.H.v. 700,00 EUR (Wiederbeschaffungswert i.H.v. 800,00 EUR abzgl. Restwert i.H.v. 100,00 EUR) berücksichtigt.
c) Auch die Kosten für die Schwimmbad-Monatskarte i.H.v. 34,90 EUR sind als Kosten der erforderlichen Heilbehandlung gemäß § 249 Abs. 2 BGB erstattungsfähig. Diesbezüglich hat der Kläger - von den Beklagten nicht bestritten - im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Senatstermin erklärt, der Arzt habe ihm empfohlen, zu schwimmen.
d) Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
4. Auf den Klageantrag des Klägers war auch - entsprechend der Haftungsquote - die Schadensersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden festzustellen.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht i.S.v. § 256 ZPO. Dies besteht im Hinblick auf die drohende Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche bereits dann, wenn künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (BGH NJW 2001, 3414; BGH NJW-RR 1989, 1367; Greger in: Zöller, ZPO, 29. Auflage 2012, § 256 Rdn. 8a). Bereits aufgrund der Oberschenkelfraktur bestehen ein Arthroserisiko und damit die Möglichkeit, dass weitere Schäden eintreten.
Da die bereits vorhersehbaren Verletzungsfolgen jedoch - wie oben dargelegt - bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt worden sind, ist der Feststellungsantrag diesbezüglich nur im Hinblick auf die nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zulässig.
Der Feststellungsantrag ist aus den oben dargelegten Gründen - entsprechend der Haftungsquote - auch begründet.
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 II ZPO bestehen nicht.