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OLG München Urteil vom 13.09.2013 - 10 U 859/13 - Reparaturkosten und Nutzungsausfall bei Eigenreparatur
OLG München v. 13.09.2013: Reparaturkosten und Nutzungsausfall bei Eigenreparatur
Das OLG München (Urteil vom 13.09.2013 - 10 U 859/13) hat entschieden:
- Die Reparaturkosten sind im Fall einer Eigenreparatur nach den vom Sachverständigen kalkulierten Kosten der Reparatur in einer im Wohnbereich des Geschädigten ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt zu den ortsüblichen Verrechnungssätzen zu ersetzen. Der Geschädigte braucht sich nicht auf eine (angeblich) günstigere auswärtige Werkstatt verweisen zu lassen.
- Allein der Nachweis, dass das Fahrzeug in Eigenregie repariert worden ist, genügt nicht für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallersatz. Der Geschädigte hat für einen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass sein Fahrzeug an im Einzelnen zu bezeichnenden Tagen bei bestehendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit reparaturbedingt nicht nutzbar war.
Siehe auch Eigenreparatur - Reparaturdurchführung in Eigenregie und Nutzungsausfall bei einer Reparatur in Eigenregie
Gründe:
A.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.
I.
Das Landgericht hat hinsichtlich Reparaturkosten, Nutzungsausfall und vorgerichtlicher Kosten zu Unrecht einen über die im Urteil zugesprochenen Beträge hinausgehenden Anspruch verneint.
1. Dem Kläger steht auf Grund der während der Reparatur des Pkw nicht möglichen Nutzung wegen bestehendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 595 € zu. Der Sachverständige kalkulierte eine Reparaturdauer in einer Fachwerkstätte von 5 Arbeitstagen, die tatsächlich vom Kläger mittels einer ihm bekannten Fachkraft durchgeführte Reparatur dauerte geringfügig länger, die ordnungsgemäße Reparatur entsprechend den Vorgaben des Sachverständigen ist zwischen den Parteien nicht streitig.
Nutzungsausfall wird erstattet für die Dauer einer fühlbaren Gebrauchsbeeinträchtigung des Geschädigten. Eine Reparaturbestätigung vermag zwar die Durchführung der Reparatur zu belegen, besagt aber nichts über den konkreten Zeitraum der tatsächlichen Reparaturdauer und ob überhaupt sämtliche im Gutachten aufgeführten Arbeiten durchgeführt wurden und ist somit für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung nur von begrenztem Erkenntniswert. Allein der Nachweis, dass das Fahrzeug repariert worden ist, genügt nicht für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallersatz (OLG Frankfurt NZV 2010, 525; AG Frankfurt, Urt. v. 03.02.2011 - 29 C 2624/10 [Juris]). Der Geschädigte hat für einen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass sein Fahrzeug an im Einzelnen zu bezeichnenden Tagen bei bestehendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit reparaturbedingt nicht nutzbar war.
Der Kläger hat nach entsprechendem Hinweis des Senats ergänzend vorgetragen und im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 13.09.2013 ausgeführt, dass er den Pkw nach seiner Wiedergenesung zusammen mit einem bekannten Karosseriebauer in der Werkstatt in der S. Straße, bei der dieser angestellt ist, nach Betriebsschluss an mehreren Wochenenden jeweils am Freitag sowie an mehreren Samstagen reparierte, die Reparatur insgesamt 6 oder 7 Tage dauerte und das Fahrzeug bis zur Beendigung der Arbeiten in der Werkstatt verblieb. Der Senat glaubt auch im Hinblick auf die tatsächlich fachgerecht durchgeführte Reparatur den Angaben des Klägers, Das Vorbringen war nicht zurückzuweisen, nachdem die Voraussetzungen des § 531 II ZPO nicht gegeben sind, weil nach Auffassung des Senats in erster Instanz insoweit ein vorliegend erforderlicher richterlicher Hinweis unterbleib.
Zu erstatten ist daher ein Nutzungsausfall in dem Umfang, wie er sich bei Erteilung eines konkreten Reparaturauftrages an eine Fachfirma ergeben hätte, mithin 5 Tage zu je 119 €. Die Zinsen aus einem Betrag von 595 € stehen der Klagepartei erst ab schlüssiger Darlegung mit am 05.08.2013 eingegangenem Schriftsatz zu.
2. Ein weitergehender Anspruch in Höhe von 1.229,09 € nebst Zinsen wie beantragt besteht wegen der insoweit vom Sachverständigen kalkulierten weitergehenden Reparaturkosten in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt in München zu den ortsüblichen Verrechnungssätzen. Der Kläger braucht sich vorliegend nicht auf die angeblich günstigere Werkstatt in I. verweisen zu lassen.
Grundsätzlich hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Geschädigte auch bei fiktiver Abrechnung einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt in seinem Wohnbereich entstehen, wobei durchschnittliche Stundenverrechnungssätze im Hinblick auf BMW-Vertragswerkstätten im Bereich München maßgeblich sind. Zutreffend geht die Beklagte zunächst davon aus, dass auf Grund Alter und Laufleistung im Hinblick auf § 254 BGB der Geschädigte sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen lassen muss. Darum geht es vorliegend aber nicht. Der Privatsachverständige legte ausweislich seines Gutachtens mittlere ortsübliche Sätze der Region München zu Grunde. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klagepartei gemäß Schriftsatz vom 06.02.2012 handelt es sich um die Sätze der Fa. Z. Karosseriebau in der A. Straße. Es ist dem Senat bekannt, dass es sich hierbei nicht um eine markengebundene Werkstatt handelt, sondern um eine der Firmen, die sich als Eurogarant zertifizierter Betrieb zur „Reparatur Partner ...“ zusammengeschlossen haben.
Die Frage, ob sich der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung, wenn der Reparaturkalkulation mittlere ortsübliche Sätze nicht markengebundener Fachwerkstätten zu Grunde liegen, auf eine billigere Werkstatt innerhalb oder außerhalb seines Wohnortes verweisen lassen muss, verneint der Senat.
Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation. Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Doch genügt im allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Die Schadensrestitution darf nicht beschränkt werden auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache (BGH VersR 2003, 920).
Der Geschädigte ist in den durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Verbot der Bereicherung gezogenen Grenzen grundsätzlich frei in der Wahl und in der Verwendung der Mittel zur Schadensbehebung (BGH NJW 2005, 1108 [1109]). Das gilt auch bei fiktiver Abrechnung. Er ist weder dazu verpflichtet, sein Fahrzeug zu reparieren noch es zur Reparatur in eine bestimmte Werkstatt zu geben. Es bleibt ihm überlassen, ob und auf welche Weise er sein Fahrzeug tatsächlich instand setzt.
Diesen Grundsätzen widerspräche es, wenn der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung letztlich auf bestimmte Stundenverrechnungssätze der billigsten, von der Versicherung ausgesuchten Werkstatt in der Region beschränkt wäre, weil dies in die freie Dispositionsbefugnis des Geschädigten eingreift, etwa wenn er sein Fahrzeug gar nicht repariert, sondern veräußert. Der zur Schadensbeseitigung erforderliche Betrag im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB wird nicht durch die besonders günstigen Stundenverrechnungssätze einer von der Versicherung ausgesuchten Werkstatt bestimmt sondern bemisst sich auch bei fiktiver Abrechnung danach, welche Reparaturkosten anfallen und maßgeblich sind insoweit die durchschnittlichen ortsüblichen Sätze in seiner Wohngemeinde. Der Geschädigte ist nicht gehalten, die billigste Werkstatt zu wählen. Die Reparaturkostenkalkulation der Fa. Z. Karosseriebau genügt dem Wirtschaftlichkeitsgebot.
Hinzu kommt vorliegend Folgendes:
Der BGH hat zur ähnlich gelagerten Problematik bei Verweisung des Geschädigten auf eine nicht markengebunden Fachwerkstatt in der „BMW-Entscheidung“ (VersR 2010, 923) u.a. ausgeführt: „Soweit die Revision wegen der Entfernung der Firma J. vom Wohnort des Klägers (21 km) Zweifel daran äußert, dass diese Fachwerkstatt dem Kläger ohne weiteres zugänglich sei, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger in den Instanzen nicht aufgezeigt hat, dass sich eine markengebundene Fachwerkstatt in einer deutlich geringeren Entfernung zu seinem Wohnort befindet.“ Der Kläger mit Wohnort ... hat die Fa. Z. am Westkreuz als nicht markengebundene Fachwerkstatt mit deutlich geringerer Entfernung und erheblich einfacherer Erreichbarkeit zum Wohnort gegenüber der von der Beklagten am Ortsausgang ... in I. benannten Fachfirma aufgezeigt.
3. Die Kosten für die Bescheinigung des Sachverständigen über die durchgeführte Reparatur („Nachbesichtigung“) sind vorliegend schon deshalb nicht erstattungsfähig, weil sich mit der im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigung nichts nachweisen lässt. Der konkreten Bescheinigung kann weder entnommen werden, wie lange die Reparatur dauerte noch, dass die Reparatur fachgerecht entsprechend den Vorgaben des Sachverständigen vorgenommen wurde.
4. Aus dem vorgerichtlich berechtigten Gegenstandswert von 12.122,25 € (der streitige Nutzungsausfall sowie die Kosten der Reparaturbescheinigung verursachen keinen Gebührensprung) errechnen sich Anwaltsgebühren in Höhe von 837, 52 €, so dass über das Endurteil hinaus weitere 478,02 € zzgl. Zinsen zu zahlen sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGH DAR 2013, 238 kann eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Sie ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20% der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ein Ermessensspielraum zu, so dass, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 1,3, die die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle darstellt, auf eine 1,5-fache Gebühr ist aber nicht der gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Dies verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300 VV-RVG, der eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt, sondern bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war, was vorliegend auch unter Berücksichtigung der im Schriftsatz der Klagepartei vom 06.12.2012 (dort S. 4 = Bl. 19 d.A. unter 5.) aufgeführten Aspekte nicht der Fall war.
II.
Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf §§ 92 I 1 Fall 2, 91 a, 269 III ZPO und für das Berufungsverfahren auf § 92 II Nr. 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.