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OLG Hamburg Urteil vom 29.08.2013 - 14 U 57/13 - Abgrenzung von Vorschaden und Neuschaden

OLG Hamburg v. 29.08.2013: Zur Beweislast bei der Abgrenzung von Vorschaden und Neuschaden


Das OLG Hamburg (Urteil vom 29.08.2013 - 14 U 57/13) hat entschieden:
Liegt ein Vorschaden in dem Bereich vor, in dem das Fahrzeug erneut durch einen Verkehrsunfall beschädigt worden ist, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Vorschaden im Unfallzeitpunkt ordnungsgemäß beseitigt war, bei dem geschädigten Anspruchsteller.


Siehe auch Alt- bzw. Vorschäden am Fahrzeug


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 24.9.2010 in Hamburg auf der Straße Landwehr ereignete. Der Beklagte zu 1) wollte auf der Kreuzung Hasselbrookstraße/Landwehr von der Hasselbrookstraße nach links in die Straße Landwehr einbiegen. Er fuhr bei grün in diese Kreuzung ein, musste aber einen Moment warten, weil er entgegenkommenden Verkehr durchfahren lassen musste.

Der Zeuge ... befuhr mit dem klägerischen Fahrzeug die Straße Landwehr in Richtung Sievekingsallee. Diese Straße ist zweispurig für die von dem Zeugen gewählte Fahrtrichtung, er fuhr auf der rechten Fahrspur bei für ihn grünem Ampellicht in die Kreuzung ein. In der Folge kam es zur Kollision zwischen beiden Fahrzeugen, diese Kollision ereignete sich nach dem Fußgängerüberweg am Ausgang der Kreuzung, als der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug sich in die rechte Fahrspur einordnen wollte. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers an der linken Seite beschädigt, das des Beklagten zu 1) an der rechten. Das Fahrzeug des Klägers hatte einen Vorschaden, von dem streitig ist, ob er ordnungsgemäß repariert worden ist.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme eine Quote von 60 zu 40 zugunsten des Klägers gebildet und hat auf dieser Basis der Klage nach Kürzung einiger Schadenspositionen teilweise stattgegeben. Auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen. Mit ihren form- und fristgerecht eingelegten Berufungen verfolgen beide Parteien ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Der Kläger möchte eine volle Haftung der Beklagten erreichen, die Beklagten meinen, schon dem Grunde nach sei die Klage abzuweisen, im Übrigen sei der Schaden nicht schlüssig dargelegt, weil nicht feststünde, ob und in welchem Umfang ein bestehender Vorschaden repariert worden sei.

Der Kläger macht geltend, der vorgerichtlich tätige Sachverständige ... habe das klägerische Fahrzeug vor dem Unfall untersucht und dabei festgestellt, dass die Teile, die bei dem streitigen Unfall beschädigt worden seien, sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden hätten.

Der Kläger beantragt,
  1. unter Abänderung des am 4.3.2013 verkündeten Urteil des Landgerichts Hamburg, Az. 331 O 74/11, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 8.420,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
  1. unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hamburg die Klage kostenpflichtig abzuweisen,

  2. die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie machen neben Einwendungen zum Grund des Anspruchs insbesondere geltend, dass das Landgericht zu Unrecht von der ordnungsgemäßen Reparatur des Vorschadens ausgegangen sei.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird verwiesen auf den Inhalt der bei Gericht eingereichten Schriftsätze.


II.

Auf die Berufung der Beklagten war das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen. Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten nicht zu. Wie bereits im Hinweis vom 5.7.2013 ausgeführt, ist dem Kläger die Darlegung einer ordnungsgemäßen und fachgerechten Reparatur des Vorschadens nicht gelungen. Aus den Angaben des Zeugen ..., der vorgerichtlich als Sachverständiger tätig war, ergibt sich, dass das Fahrzeug einen massiven Vorschaden gehabt haben muss, der insbesondere auch die linke Seite betroffen haben muss. Hinsichtlich dieses Vorschadens hat der Zeuge ... auch noch ganz erhebliche Restspuren festgestellt, nämlich eine Veränderung von Spaltmaßen und Wellen im Bodenblech auf der Fahrerseite. Dass bei einem derartigen Befund von einer ordnungsgemäßen Reparatur des Vorschadens nicht die Rede sein kann, liegt auf der Hand. Ob und in welchem Umfang weitere Teile des Fahrzeugs, die jetzt bei dem streitigen Unfall beschädigt worden sind, vorgeschädigt waren und ob und in welchem Umfang sie für diesen Fall vor dem streitigen Unfall ordnungsgemäß in Stand gesetzt worden sind, bleibt offen. Was im Einzelnen im Rahmen des Vorschadens an dem klägerischen Fahrzeug ursprünglich beschädigt worden war, bleibt dunkel. Aus dem Kaufvertrag K 4 ergibt sich nur, dass ursprünglich ein Totalschaden bestand. Einzelheiten dazu sind nicht bekannt. Jedenfalls muss die linke Seite des Fahrzeugs massiv geschädigt worden sein, dies zeigen die noch unstreitig vorhanden Restspuren in den Spaltmaßen und vor allem in dem Bodenblech auf der Fahrerseite. Der Zeuge ... hat bei seiner Besichtigung vor dem streitigen Unfall lediglich eine äußere Beschau vorgenommen. Er hat das Fahrzeug für seine Untersuchung nicht demontiert und konnte auch nichts dazu sagen, wer den Vorschaden instand gesetzt und wie diese Reparatur ausgeführt worden ist. Nicht einmal Schichtstärkenmessungen an den äußerlich ordnungsgemäßen Blechteilen sind durchgeführt worden. Mit diesen Befund lässt sich nicht beweisen, dass ein vorbestehender Schaden ordnungsgemäß repariert worden ist. Es besteht die Möglichkeit, dass der Zustand des Fahrzeugs schlechter war als der Zustand, den der Kläger jetzt zur Grundlage seiner Schadensabrechnung gemacht hat. Die Darlegungs- und Beweislast für den Schaden trägt der Kläger. Da ihm ein Schadenersatzanspruch aufgrund seiner eigenen Darlegung nicht zusteht, war die Klage insgesamt abzuweisen. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Berufung des Klägers, der eine volle Regulierung des von ihm behaupteten Schadens erstrebte, zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.