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BGH Beschluss vom 03.07.2007 - VI ZB 21/06 - Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren

BGH v. 03.07.2007: Zur Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren bei Stellung des Zurückweisungsantrags vor Zustellung der Berufungsbegründung


Der BGH (Beschluss vom 03.07.2007 - VI ZB 21/06) hat entschieden:
Wird der Zurückweisungsantrag vor Zustellung der Berufungsbegründung gestellt, fällt grundsätzlich nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG an.


Siehe auch Kostenerstattung für Antrag auf Zurückweisung eines Rechtsmittels und Kostenfestsetzung - Kostenfestsetzungsverfahren


Gründe:

I.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6. Juni 2005 gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Am 21. Juni 2005 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und kündigte den Antrag an, die Berufung zurückzuweisen. Nach Eingang der Berufungsbegründung am 24. August 2005 hat das Oberlandesgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen. Daraufhin hat die Beklagte die Berufung zurückgenommen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat beantragt, die Kosten gemäß § 104 ZPO mit einer 1,6 - Verfahrensgebühr der Nr. 3200 VV RVG festzusetzen. Das Landgericht hat nur eine 1,1 - Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG anerkannt, weil der Antrag auf Zurückweisung der Berufung vor Begründung der Berufung nicht notwendig im Sinne des § 91 ZPO gewesen sei. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


II.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin stehe nur eine 1,1 - Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG zu. Er habe zwar mit Schriftsatz vom 21. Mai 2005 einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten angekündigt. Dieser vor Eingang der Berufungsbegründung gestellte Sachantrag sei jedoch weder sachdienlich noch notwendig gewesen. Ein vor Zustellung der Berufungsbegründung gestellter Zurückweisungsantrag sei nicht geeignet, das Verfahren zu fördern. Ein solcher Sachantrag könne auch nicht allein durch den späteren Eingang der Berufungsbegründung die volle Gebühr Nr. 3200 VV RVG auslösen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 567 Abs. 2, 575 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Bei der Zuerkennung einer 1,1 - Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG sind die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass die Klägerin nach Einlegung der Berufung durch die Beklagte ihrerseits anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen konnte und nach Rücknahme der Berufung grundsätzlich Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten beanspruchen kann. Das entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02 - NJW 2003, 756 f. und - X ZB 27/02 - NJW 2003, 1324; vom 3. Juni 2003 - VIII ZB 19/03 - NJW 2003, 2992).

Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist aber die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen der bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf, insbesondere ob die erst bei Stellung eines Sachantrags nach Nr. 3200, 3201 VV RVG anfallende volle Verfahrensgebühr auch dann in dieser Höhe erstattungsfähig ist, wenn der Antrag gestellt wird, bevor feststeht, dass das Rechtsmittel tatsächlich durchgeführt wird. Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verneinen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2002 - X ZB 27/02 - NJW 2003, 1324 f.; vom 3. Juni 2003 - VIII ZB 19/03 - NJW 2003, 2992, 2993; vom 9. Oktober 2003 - VII ZB 17/03 - NJW 2004, 73; BAG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 2 AZB 50/02 - NJW 2003, 3796 f.).

Zwar kommt es für die Entstehung einer Gebühr nicht darauf an, ob die den gesetzlichen Gebührentatbestand ausfüllenden Maßnahmen erforderlich waren. Die Erstattungsfähigkeit nach § 91 ZPO ist jedoch grundsätzlich von der Notwendigkeit der Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung abhängig. Die Erstattung der aufgewandten Kosten kann eine Partei nur insoweit erwarten, als sie der ihr aus dem Prozessrechtsverhältnis obliegenden Pflicht nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten. Insoweit stellt die oben zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung, der sich der entscheidende Senat anschließt, darauf ab, dass im Normalfall kein Anlass für den Berufungsgegner besteht, mit der Verteidigungsanzeige seines Prozessbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung anzukündigen. Der Berufungsbeklagte kann sich nämlich erst nach Vorliegen der Berufungsbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf das erstinstanzliche Urteil sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern. Es ist nicht ersichtlich, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausgehen könnte, solange mangels einer Berufungsbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 - VIII ZB 19/03 - aaO; BAG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 2 AZB 50/02 - aaO). Dies gilt unabhängig davon, ob die Berufung ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt wurde oder nicht (BAG, aaO, 3797).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.



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