Das Verkehrslexikon

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OLG Dresden Beschluss vom 09.07.2013 - OLG 24 Ss 427/13 (B) - Annahme von Vorsatz bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung

OLG Dresden v. 09.07.2013: Zur Annahme von Vorsatz bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung


Das OLG Dresden (Beschluss vom 09.07.2013 - OLG 24 Ss 427/13 (B)) hat entschieden:
Allein der Umstand, dass der Betroffene mit den allgemeinen örtlichen Verkehrsgegebenheiten vertraut ist, lässt nicht den Schluss zu, dass er auch am "Tatort" ortskundig gewesen ist. Der weitere Umstand, dass ein Tempo 30-Zone-Schild gut sichtbar aufgestellt war, bedeutet ebenfalls nicht zwingend, dass der Betroffene es wahrgenommen hat. Es gibt gerade keinen Erfahrungssatz dahin, dass gut sichtbar aufgestellte Schilder immer gesehen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das Vorhandensein einer Tempo 30-Zone auch nicht aufgrund der konkreten Örtlichkeit ohne weiteres aufdrängte.


Siehe auch Zur Annahme von Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und Geschwindigkeitsverstöße im Ordnungswidrigkeitenrecht


Gründe:

I.

Mit Urteil vom 15. März 2013 hat das Amtsgericht Dresden den Betroffenen wegen vorsätzlicher Missachtung des innerorts durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 640,00 € verurteilt; von der Verhängung eines Fahrverbotes hat es gegen Erhöhung der Geldbuße abgesehen.

Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Verfahrens- sowie der Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.


II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat bereits mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Der Schuldspruch wegen vorsätzlichen Missachtens der innerorts durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die ihm zugrundeliegende Beweiswürdigung lückenhaft ist.

Zwar ist die Würdigung der Beweise Sache des Tatrichters, das Rechtsbeschwerdegericht hat aber auf die Sachrüge zu prüfen, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Die Schlussfolgerungen des Tatrichters müssen zwar nicht zwingend sein, es genügt grundsätzlich, dass sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Das Gericht muss jedoch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Erfahrungssätze des täglichen Lebens und die Gesetze der Logik beachten. Um dem Rechtsbeschwerdegericht diese Nachprüfung zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe daher erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen - wenn auch möglicherweise schwerwiegenden - Verdacht zu begründen vermag.

Der Tatrichter geht vorliegend davon aus, dass der Betroffene das geschwindigkeitsbegrenzende Tempo 30 Zone Schild auf der ...straße wahrgenommen hat und um des schnelleren Fortkommens Willen die deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung bewusst in Kauf genommen hat. Diesen Schluss zieht er aus den "äußeren Tatumständen". Der Betroffene sei aus beruflichen Gründen ein sehr erfahrener Kraftfahrer, er sei in ... wohnhaft und mit den allgemeinen örtlichen Verkehrsgegebenheiten vertraut, zudem sei das Tempo 30 Zone Schild gut zu erkennen gewesen und es sei erkennbar, dass es sich um ein Wohngebiet handelt.

Die Beweiswürdigung erweist sich vorliegend als lückenhaft. Allein der Umstand, dass der Betroffene in … wohnhaft und mit den allgemeinen örtlichen Verkehrsgegebenheiten vertraut ist, lässt nicht den Schluss zu, dass er auch am "Tatort" ortskundig gewesen ist. Der weitere Umstand, dass das Tempo 30 Zone Schild gut sichtbar aufgestellt war, bedeutet ebenfalls nicht zwingend, dass der Betroffene es wahrgenommen hat. Es gibt gerade keinen Erfahrungssatz dahin, dass gut sichtbar aufgestellte Schilder immer gesehen werden (vgl. OLG Stuttgart, DAR 2010, 402). Des Weiteren drängt sich nach Auffassung des Senats das Vorhandensein einer Tempo 30 Zone auch nicht aufgrund der konkreten Örtlichkeit auf. Da der Tatrichter gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die auf Bl. 52 bis 75 d. A. befindlichen Bildaufnahmen Bezug genommen hat, stehen diese dem Senat zur eigenen Anschauung zur Verfügung.

Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei Geldbußen über 500,00 €, die nicht Regelgeldbußen sind, Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen erforderlich sind. Äußert sich der Betroffene hierzu nicht, kann der Tatrichter gegebenenfalls eine Schätzung vornehmen.



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