Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Beschluss vom 17.10.2000 - 5 Ss 897/00 - Einspruchsbeschränkung auf die Höhe der Tagessätze

OLG Hamm v. 17.10.2000: Zur Einspruchsbeschränkung auf die Höhe der Tagessätze


Das OLG Hamm (Beschluss vom 17.10.2000 - 5 Ss 897/00) hat entschieden:
Gemäß § 410 Abs. 2 StPO ist die Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf bestimmte Beschwerdepunkte zulässig, und zwar in demselben Maße wie die Beschränkung der Rechtsmittel gegen Urteile nach den §§ 318, 344 Abs. 1 StPO. eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch dementsprechend dann unwirksam, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp und unzulänglich sind, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruches bilden. Dies betrifft jedoch nur den Fall, dass Feststellungen zum Schuldspruch überhaupt Grundlage der Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs sein können. Das wäre dann der Fall, wenn es etwa um die Anzahl der verhängten Tagessätze ginge, jedoch dann nicht, wenn lediglich die Höhe der im Strafbefehl verhängten Tagessätze zur Überprüfung des Amtsgerichts gestellt wird. Das ist zulässig.


Siehe auch Rechtsmittel im Strafverfahren und Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen


Gründe:

I. Das Amtsgericht Dortmund hat gegen den Angeklagten mit Strafbefehl vom 20. September 1999 "wegen Nötigung in mindestens zwei Fällen" eine Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Zum Tatgeschehen heißt es in dem Strafbefehl:
"Ihnen wird zur Last gelegt, am Tattage zwischen 20.35 Uhr und 20.50 Uhr die C-​Straße in Fahrtrichtung F befahren zu haben, mit der Sattelzugmaschine DAF, amtliches Kennzeichen .... Sie fuhren hierbei zunächst bis auf wenige Meter einem blauen PKW auf und veranlassten den Fahrer hierdurch und durch Lichthupenzeichen, von dem linken auf den mittleren Fahrstreifen zu wechseln, damit Sie überholen konnten.

Gleiches geschah zumindest auch bei einem weiteren Verkehrsteilnehmer in Höhe der B-​straße."
Gegen diesen Strafbefehl hat der Angeklagte fristgerecht Einspruch eingelegt und diesen ausdrücklich auf die Höhe der verhängten Tagessätze beschränkt.

Das Amtsgericht, das die Beschränkung des Einspruchs für zulässig erachtet hat, hat den Angeklagten am 21. Dezember 1999 wegen Nötigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,00 DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Hiergegen hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er – ungeachtet der Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe – die Verurteilung wegen nur einer Tat der Nötigung und das Entfallen des Fahrverbots erstrebt hat. Das Landgericht hat die Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl für unwirksam gehalten. Dazu heißt es in dem angefochtenen Urteil:
"Die Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf die Höhe der verhängten Tagessätze war unwirksam, so dass die tatsächlichen Feststellungen in dem Strafbefehl und deren rechtliche Würdigung nicht in Rechtskraft erwachsen sind. Die Unwirksamkeit der Einspruchsbeschränkung ergibt sich bereits aus Folgendem:

In dem Strafbefehl wird lediglich ausgeführt, der Angeklagte sei "bis auf wenige Meter" auf die Fahrzeuge vorausfahrender Verkehrsteilnehmer aufgefahren. Welcher Abstand zu den vorausfahrenden Fahrzeugen bestanden hat und über welche Fahrstrecke dieses Auffahren erfolgt ist, wird in keiner Weise konkretisiert. Die Tatvorwürfe sind daher so knapp, unvollständig und unklar dargelegt, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Erfüllung des Straftatbestandes der Nötigung nach § 240 StGB und demnach für die bloße Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bieten. Hierüber hat in der Berufungshauptverhandlung zwischen sämtlichen Verfahrensbeteiligten Übereinstimmung bestanden."
Demzufolge hat die Strafkammer eigene Feststellungen sowohl zum Schuldspruch als auch zum Rechtsfolgenausspruch insgesamt getroffen und die Berufung nach durchgeführter Beweisaufnahme verworfen.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.


II.

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Die Berufung des Angeklagten ist im Ergebnis zu Recht als unbegründet verworfen worden.

Zwar geht die Strafkammer in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht von der Unwirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze aus. Die Beschränkung des Einspruchs war nämlich wirksam und der Strafbefehl infolgedessen, bis auf die Höhe der mit ihm festgesetzten Tagessätze, in Rechtskraft erwachsen und damit in diesem Umfang einer weiteren gerichtlichen Überprüfung entzogen.

Gemäß § 410 Abs. 2 StPO ist die Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf bestimmte Beschwerdepunkte zulässig, und zwar in demselben Maße wie die Beschränkung der Rechtsmittel gegen Urteile nach den §§ 318, 344 Abs. 1 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-​Goßner, StPO, 44. Aufl., § 410 Rdnr. 4). Wie von der Strafkammer zutreffend ausgeführt, ist eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch dementsprechend dann unwirksam, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp und unzulänglich sind, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruches bilden. Dies betrifft jedoch nur den Fall, dass Feststellungen zum Schuldspruch überhaupt Grundlage der Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs sein können. Das wäre – bezogen auf die vorliegende Sache – dann der Fall, wenn es etwa um die Anzahl der verhängten Tagessätze ginge.

Denn darin würde sich das Ausmaß der festgestellten Schuld widerspiegeln. Vorliegend wollte der Angeklagte mit der Einlegung des Einspruchs jedoch nicht den gesamten Rechtsfolgenausspruch, d.h. auch die Anzahl der Tagessätze, sondern lediglich die Höhe der im Strafbefehl verhängten Tagessätze zur Überprüfung des Amtsgerichts stellen. Das ist zulässig. Denn ebenso wie es der Disposition eines Beschuldigten unterliegt, einen Strafbefehl trotz unzureichender Feststellungen in Gänze zu akzeptieren und ihn so in Rechtskraft erwachsen zu lassen, unterliegt es seiner Disposition, den Schuldspruch trotz unzureichender Feststellungen zur Tat zu akzeptieren und nur die Höhe der verhängten Tagessätze anzugreifen. Das Rechtsmittelgericht ist dadurch an einer Überprüfung des – nur so angefochtenen – Rechtsfolgenausspruchs nicht gehindert, denn für die Bestimmung der Höhe eines Tagessatzes sind nicht die Feststellungen im Strafbefehl zum Schuldspruch, sondern allein die aktuellen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Täters maßgeblich. Die Höhe eines Tagessatzes lässt sich isoliert von dem Schuldspruch festsetzen.

Damit ist der Strafbefehl, soweit gegen den Angeklagten wegen Nötigung in mindestens zwei Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden ist, in Rechtskraft erwachsen.

Der Strafkammer war es deswegen verwehrt, eigene neue Feststellungen zum Schuldspruch, zur Anzahl der Tagessätze und zum Fahrverbot zu treffen. Daran änderte nichts, dass der Angeklagte die Berufung mit dem Ziel eingelegt hat, die Verurteilung wegen nur einer Tat der Nötigung und das Entfallen des Fahrverbots zu erreichen und deshalb offensichtlich selbst an der Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl nicht festhalten wollte. Der Angeklagte konnte die bereits eingetretene Rechtskraft nachträglich nicht mehr beseitigen.

Dass die Strafkammer gleichwohl Feststellungen zur Sache und zur Strafzumessung getroffen hat, führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Denn im Ergebnis ergibt sich durch die Verwerfung der Berufung keine Abweichung von dem Strafbefehl, soweit dieser bereits in Rechtskraft erwachsen ist.

Die dem Senat auf die Sachrüge allein noch obliegende Überprüfung der Höhe der Tagessätze hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, § 349 Abs. 2 StPO. Die Festsetzung der Tagessatzhöhe auf 25,00 DM entspricht – angesichts eines monatlichen Nettoeinkommens des Angeklagten von 2.700,00 DM, einer Erwerbsunfähigkeitsrente seiner Ehefrau von monatlich 1.200,00 DM und Unterhaltsverpflichtungen für vier Kinder in Höhe von monatlich insgesamt 1.160,00 DM – den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Angeklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.