Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil vom 24.01.2006 - Au 3 K 05.1068 - Beginn der Tilgungsfrist bei Einspruch gegen Strafbefehl

VG Augsburg v. 24.01.2006: Beginn der Tilgungsfrist mit dem Urteil bei Einspruch gegen den Strafbefehl


Das Verwaltungsgericht Augsburg (Urteil vom 24.01.2006 - Au 3 K 05.1068) hat entschieden:
Wird gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt, so ist das darauf ergehende Urteil maßgeblich für den Beginn der Tilgungsfrist.


Siehe auch Strafbefehl und Strafbefehlsverfahren und Tilgungsfristen für die Eintragungen im Verkehrszentralregister


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Entzug der Fahrerlaubnis des Klägers.

1. Der am ... geborene Kläger war seit 23. Oktober 1979 im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 (alte Klasseneinteilung).

Bereits am 21. April 1988 wurde er bei einem Stand von 14 Punkten im Verkehrszentralregister verwarnt und aufgefordert, einen Nachweis über die theoretischen Kenntnisse der Verkehrsvorschriften beizubringen; dem kam der Kläger nach. Am 16. Dezember 1996 wurde der Kläger bei einem Punktestand von 13 Punkten verwarnt. Am 25. Januar 2000 wurde er bei einem Stand von 19 Punkten darauf hingewiesen, dass er freiwillig an einem Aufbauseminar teilnehmen könne. Da aber bisher noch keine Maßnahmen gegen ihn ergriffen worden seien, sei er so zu stellen, als habe er 9 Punkte im Verkehrszentralregister. Er legte eine Teilnahmebestätigung über ein Aufbauseminar vom 13. Juli 2001 vor.

Der Kläger wurde wegen zweier Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 23. November 1999 verurteilt. Ein erneutes Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 10. Juni 1999 wurde mit Strafbefehl vom 16. November 1999 geahndet, gegen den der Kläger Einspruch erhob. Darauf erfolgte eine Ahndung der Tat mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 20. Dezember 2000.

Am 7. November 2001 wurde der Kläger bei einem Stand von 28 Punkten im Verkehrszentralregister erneut verwarnt und darauf hingewiesen, dass er an einer verkehrspsychologischen Beratung teilnehmen könne. Da bislang außer Verwarnungen keine weiteren Maßnahmen ergriffen worden seien, sei der Kläger so zu stellen, als habe er 17 Punkte erreicht. Beim Erreichen von 18 Punkten werde die Fahrerlaubnis entzogen. Er legte eine Teilnahmebestätigung vom 22. Februar 2002 über eine verkehrspsychologische Beratung vor.

Das Kraftfahrtbundesamt teilte am 16. März 2005 mit, dass der Kläger nunmehr 18 Punkte im Verkehrszentralregister erreicht habe.

Nach Anhörung entzog der Beklagte mit Bescheid vom 9. Juni 2005 dem Kläger sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn, den Führerschein innerhalb von sieben Tagen abzuliefern, ansonsten werde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,-- € fällig. Dem Kläger sei bei einem Punktestand von 18 Punkten im Verkehrszentralregister die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.

Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 9. September 2005 zurückgewiesen.

2. Der Kläger beantragt ,
den Bescheid des Landratsamtes Augsburg vom 9. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Schwaben vom 9. September 2005 aufzuheben.
Der Punktestand des Klägers habe im Zeitpunkt des Entzugs der Fahrerlaubnis nicht 18 Punkte betragen. Die Punkte für die drei Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis seien getilgt, da fünf Jahre seit Erlass des die letzte Tat ahndenden Strafbefehls vergangen seien. Bei der Ahndung der Tat vom 10. Juni 1999 sei auf das Datum des Erlasses des Strafbefehls abzustellen, nicht auf die Rechtskraft und auch nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Urteils, das nach Einspruch gegen den Strafbefehl ergangen sei. Das folge daraus, dass der maßgebliche Zeitpunkt differenziert zwischen Bußgeldbescheid und Strafurteil geregelt sei. Werde der Einspruch gegen einen Strafbefehl zurückgenommen, so ergebe sich ein anderer Fristbeginn gegenüber dem Fall, dass der Strafbefehl ohne Einspruch rechtskräftig werde. Das sei gleichheitswidrig. Es sei nicht gerechtfertigt, die Vorschriften des Bundeszentralregister-Gesetzes für den Lauf der Tilgungsfrist für Eintragungen im Bundeszentralregister entsprechend anzuwenden.

3. Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
4. Ein Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung, den Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern, wurde mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 (Au 3 S 05.1104) abgelehnt. Dieser Beschluss wurde rechtskräftig.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die als Anfechtungsklage erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes vom 9. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).

1. Das Landratsamt hat dem Kläger die Fahrerlaubnis zurecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) entzogen, da die für den Kläger im Verkehrszentralregister eingetragenen und verwertbaren Verkehrszuwiderhandlungen derzeit mit 18 Punkten zu bewerten sind. Bei diesem Punktestand ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.

a) Es kann offen bleiben, ob das Landratsamt für den Erlass des angefochtenen Bescheids örtlich zuständig war. Der Kläger ist bereits seit 13. Mai 2005 nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes mit Hauptwohnsitz wohnhaft, weshalb die Behörde ihre örtliche Zuständigkeit nicht aus § 73 Abs. 2 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) herleiten kann. Die örtliche Zuständigkeit könnte allenfalls aus § 73 Abs. 2 Satz 4 FeV für den Fall abgeleitet werden, dass die Verkehrssicherheit ein sofortiges Eingreifen erfordert; in einem solchen Fall kann anstelle der örtlich zuständigen Behörde jede gleichgeordnete Behörde Maßnahmen vorläufig treffen. Da der Entzug der Fahrerlaubnis beim Erreichen von 18 Punkten nach § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, spricht einiges für ein sofortiges Eingreifen des Landratsamtes unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit.

Ob die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit eingehalten wurden, ist aber für die Entscheidung unerheblich. Nach Art. 46 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) ist die Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der Entzug der Fahrerlaubnis bei einem Stand von 18 Punkten im Verkehrszentralregister ist nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG zwingend anzuordnen; der Erlass eines rechtmäßigen Entzugsbescheids durch eine örtlich unzuständige Behörde kann auf die Entscheidung in der Sache keinen Einfluss haben.

b) Die Straßenverkehrsbehörde hat den Punktestand des Klägers zu recht mit 18 Punkten bewertet. Dieser Stand ergab sich auch noch in dem für den Entzug einer Fahrerlaubnis maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG vom 27.9.1995, BVerwGE 99, 249), hier des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 9. September 2005.

aa) Die Bewertung der für den Kläger im Verkehrszentralregister eingetragenen Zuwiderhandlungen erfolgte ordnungsgemäß nach dem in der Anlage 13 zur FeV festgelegten Punktekatalog.

Die Punktereduzierung am 25. Januar 2000 auf 9 Punkte erfolgte zu Recht, da für den Kläger durch die beiden Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 6. November 1998 und 20. Februar 1999 insgesamt 12 zusätzliche Punkte eingetragen wurden. Die Fahrerlaubnisbehörde hatte die damals geltende Fassung von § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG zugrunde zu legen, nach der der Betroffene bei Erreichen oder Überschreiten von 14 oder 18 Punkten so gestellt wurde - ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde zuvor die Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG ergriffen hat, als ob er 9 Punkte hätte. Die nunmehr geltende Fassung dieser Vorschrift, die eine Reduzierung auf lediglich 13 Punkte vorsieht, trat erst mit Wirkung zum 1. April 2001 in Kraft (Art. 1 Nr. 3 lit. b des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 19. März 2001, BGBl I S. 386).

Ebenso ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Behörde am 7. November 2001 den Kläger nach § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG bei Erreichen von 28 Punkten so gestellt hat, als habe er 17 Punkte. Zum damaligen Zeitpunkt ergab sich für ihn unter Berücksichtigung der Punktereduzierung für die Teilnahme an einem Aufbauseminar ein Stand von 28 Punkten. Durch die weiteren im Verkehrszentralregister eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen wurden 18 Punkte überschritten, ohne dass die Behörde zuvor die Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG ergriffen hatte. Diese im Straßenverkehrsgesetz vorgesehene Punktereduzierung ist der Ausdruck des Gedankens, dass der Gesetzgeber einerseits im Rahmen der Neuregelung des Gesetzes zum 1. Januar 1999 den regelmäßigem Entzug seiner Fahrerlaubnis bei Erreichen von 18 Punkten vorgesehen hat. Andererseits hat er die Möglichkeit eines Punkterabatts und die Erweiterung der Hilfestellungen durch Aufbauseminare oder verkehrspsychologische Beratung eingeführt und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass vor einem regelmäßigen Entzug der Fahrerlaubnis der Maßnahmenkatalog an Hilfestellungen - mindestens - hinsichtlich der Belehrungen in § 4 Abs. 3 Nr. 2 StVG zu durchlaufen ist (OVG Hamburg vom 25.11.1999, NJW 2000, 1353; VG Augsburg vom 30.5.2001, VwRR BY 2001, 424).

Die weitere Punktereduzierung um 2 Punkte am 22. Februar 2002 nach § 4 Satz 2 StVG auf Grund der Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung bis zum Erreichen von 18 Punkten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Durch die Geschwindigkeitsüberschreitung am 18. Januar 2004, die am 19. Januar 2005 rechtskräftig geahndet wurde und mit drei Punkten zu bewerten ist, hat der Kläger einen Stand von 18 Punkten erreicht.

bb) Insbesondere ist es rechtlich einwandfrei, dass die drei Zuwiderhandlungen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 6. November 1998, 20. Februar 1999 und 10. Juni 1999 bei der Punktebewertung zugrunde gelegt wurden. Die fünfjährige Frist für die Tilgung der Eintragungen der strafgerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich der Zuwiderhandlungen war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids noch nicht abgelaufen. Hierbei kommt es maßgeblich auf die Frage an, ob die Ahndung der Tat vom 10. Juni 1999 noch verwertbar ist. Da nach § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG die Tilgung einer Eintragung erst dann zulässig ist, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen, hindert die Eintragung der Ahnung der Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom 10. Juni 1999 die Tilgung der Eintragung der früheren strafgerichtlichen Ahndungen. Denn im weiteren Verlauf wurden keine Entscheidungen wegen weiterer Straftaten im Verkehrszentralregister eingetragen, es kamen nur Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten hinzu. Nach § 29 Abs. 6 Satz 3 StVG hindern Eintragungen von Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten aber nur die Tilgung von Entscheidungen wegen anderer Ordnungswidrigkeiten.

Die Tat vom 10. Juni 1999 wurde zunächst mit Strafbefehl vom 16. November 1999 geahndet, gegen den der Kläger Einspruch erhob. Darauf erging wegen der Tat ein Urteil des Amtsgerichts vom 20. Dezember 2000. Im Kern des Rechtsstreits geht es um die Frage, ob der Beginn der fünfjährigen Tilgungsfrist der Eintragung wegen der Straftat (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a StVG) mit dem Tag des ersten Strafurteils oder mit dem Tag der Unterzeichnung des Strafbefehls durch den Richter beginnt. Sie ist dahingehende zu beantworten, dass nach Einspruch gegen einen Strafbefehl der Lauf der Tilgungsfrist mit dem darauf ergehenden Urteil beginnt.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG beginnt die Tilgungsfrist bei strafgerichtlichen Verurteilungen mit dem Tag des ersten Urteils und bei Strafbefehlen mit dem Tag der Unterzeichnung durch den Richter. Der Wortlaut ist für den vorliegenden Fall nicht eindeutig. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist in den Fällen, in denen auf einen Einspruch gegen einen Strafbefehl (§ 410 Abs. 1 Strafprozessordnung - StPO) ein Strafurteil ergeht, für den Beginn der Tilgungsfrist der Tag des Ergehens des ersten Urteils maßgeblich. Die Regelung des § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG ist dahingehend zu verstehen, dass für den Beginn der Tilgungsfrist auf die erstinstanzliche Ahndung einer Straftat abzustellen ist. Das folgt zum einen aus der Überlegung, dass nach § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG die Fahrerlaubnisbehörde bei den Maßnahmen im Rahmen des Punktesystems an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden ist. Die Entscheidung, die wegen einer Straftat in Rechtskraft erwachsen ist, ist in solchen Fällen aber nicht der Strafbefehl, sondern das Strafurteil. Nur für den Fall, dass ein Strafbefehl rechtskräftig wird, ist der Tag der Unterzeichnung des Strafbefehls maßgeblich. Der Strafbefehl steht nach der ausdrücklichen Regelung in § 410 Abs. 3 StPO nur dann einem Urteil gleich, wenn gegen ihn nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist. Wird andererseits gegen einen Strafbefehl rechtzeitig Einspruch erhoben, so muss ein erstinstanzliches Strafurteil ergehen; dies ergibt sich aus der Regelung in § 411 StPO. Aus den genannten Vorschriften folgt, dass allein auf den Strafbefehl als maßgeblichen Umstand für den Beginn des Laufs der Tilgungsfrist in § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG abzustellen ist, wenn dieser rechtskräftig wird; ansonsten bleibt es bei der Regelung, dass es dabei auf den Erlass des ersten Urteils ankommt. Das wird durch den in § 5 Abs. 1 Nr. 4 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) enthaltene Regelung unterstrichen. Dort ist ausdrücklich für den Fall, dass gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt worden ist, als der in das Register einzutragende "Tag des ersten Urteils" der Tag des Ergehens des Urteils nach dem Einspruch geregelt. Wegen des Fehlens einer solchen klarstellenden Vorschrift für den Beginn der Tilgungsfrist in § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG kann der Gedanke, der der Regelung für die Eintragung in das Zentralregister zugrunde liegt, entsprechend für die lückenhafte Regelung des Beginns des Laufs der Tilgungsfrist im Verkehrszentralregister übertragen werden (vgl. VG Ansbach vom 29.8.2003, AN 10 K 03.778, Juris-Dokument: BYRE031145432 ).

Der Lauf der fünfjährigen Tilgungsfrist für die Eintragung wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 10. Juni 1999 begann mit Ergehen des Urteils wegen dieser Tat am 20. Dezember 2000. Im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 9. September 2005 war die Tilgungsfrist noch nicht abgelaufen.

cc) Dieses Verständnis von § 29 Abs. 4 Satz 1 StVG ist nicht gleichheitswidrig. Die zum Beleg für dieses Argument herangezogene Differenzierung des Gesetzes für den Beginn der Tilgungsfrist bei strafgerichtlichen Verurteilungen mit dem Tag des ersten Urteils bzw. dem Tag der Unterzeichnung des Strafbefehls durch den Richter gegenüber der Rechtskraft bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen greift vorliegend nicht. Die unterschiedliche Behandlung von Strafentscheidungen gegenüber Bußgeldentscheidungen beruht darauf, dass Bußgeldentscheidungen einer relativ kurzen Tilgungsfrist von zwei Jahren unterliegen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG), während Eintragungen wegen strafgerichtlicher Urteile eine Tilgungsfrist von mindestens fünf Jahren angeordnet ist (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StVG). Ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Bußgeldbescheides oder des darauf ergehenden ersten Urteils hätte zur Folge, dass Bußgeldentscheidungen bei längerer Verfahrensdauer nur kurz oder gar nicht ins Register kämen. Dies hätte einen Anreiz zur Einlegung von Rechtsmitteln nur zum Zweck der Verfahrensverschleppung geschaffen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage 2005, RdNr. 7 zu § 29 StVG). Dem gegenüber ist wegen der deutlichen längeren Tilgungsfrist bei Straftaten grundsätzlich die erstinstanzliche strafgerichtliche Ahndung maßgeblich. Vorliegend geht es um den Beginn der Tilgungsfrist bei aufeinander folgenden Ahndungen im Strafverfahren. Der Blick auf die Regelung für Bußgeldentscheidungen führt - bedenkt man den Grund für die differenzierte Behandlung beim Beginn der Tilgungsfrist - hier nicht weiter.

Der sachliche Grund, nur den rechtskräftigen Strafbefehl als ausschlaggebend für den Beginn der Tilgungsfrist anzuerkennen, liegt im vorläufigen Charakter des Strafbefehlsverfahrens begründet. Das Strafbefehlsverfahren ist ein summarisches Strafverfahren, das eine einseitige Straffestsetzung ohne Hauptverhandlung und Urteil ermöglicht (Meyer/Goßner, StPO, 46. Auflage 2003, RdNr. 1 vor § 407). Der Strafbefehl ist - wie § 407 Abs. 2 StPO zeigt - nur für bestimmte Fälle des Strafausspruchs zulässig. Nach § 410 Abs. 3 StPO steht nur der Strafbefehl einer strafgerichtlichen Verurteilung gleich, gegen den nicht rechtzeitig Einspruch erhoben wurde. Dem steht nicht entgegen, dass es der Betroffene damit in der Hand hat, den Beginn des Laufs der Tilgungsfrist durch die Einlegung von Rechtsmitteln zu bestimmen. Dieser Gedanke ist - wie beschrieben - für die Bestimmung des Laufs der Tilgungsfrist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht fremd. Im vorliegenden Fall folgt das aus dem dargestellten vorläufigen Charakter des Strafbefehls. Wird durch einen Einspruch des Betroffenen gegen einen Strafbefehl der Beginn der Tilgungsfrist hinausgeschoben, so folgt dies aus den dargestellten gesetzlichen Wertungen; es ist auch nicht ersichtlich, dass dadurch der Betroffene unangemessen benachteiligt würde.

2. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Die Androhung eines Zwangsgeldes in Form eines aufschiebend bedingten Leistungsbescheides bei nicht fristgerechter Ablieferung ist nicht zu beanstanden, da dies gerade unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten das statthafte Zwangsmittel ist (Art. 31 und 34 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes).

3. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.