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OLG Düsseldorf Beschluss vom 23.12.1987 - 1 Ws 990/87 - Anforderungen an die Bezeichnung der Tat im Strafbefehl
OLG Düsseldorf v. 23.12.1987: Zu den Anforderungen an die Bezeichnung der Tat im Strafbefehl
Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23.12.1987 - 1 Ws 990/87) hat entschieden:
Nach § 409 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist in dem Strafbefehl die Tat in gleicher Weise wie in einer Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 StPO) zu bezeichnen. Der Anklagesatz muss aus sich heraus verständlich sein. Das dem Angeklagten zur Last gelegte Tun/Unterlassen muss darin so umfassend dargestellt werden, dass alle Verfahrensbeteiligten ihr weiteres Verhalten darauf einrichten können. Die gesetzlichen Merkmale des dem Angeklagten angelasteten Straftatbestandes sind danach durch die Angabe der Umstände zu belegen, die nach der Auffassung der Anklagebehörde den gesetzlichen Tatbestand erfüllen.
Siehe auch Strafbefehl und Strafbefehlsverfahren
Gründe:
Das Amtsgericht Neuss hat gegen den Angeklagten einen Strafbefehl erlassen, in dem jenem vorgeworfen wird, gegen § 106 UrhG verstoßen zu haben, weil er Computerprogramme vervielfältigt und vertrieben habe. In der auf den Einspruch des Angeklagten anberaumten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Neuss ist dieser Strafbefehl verlesen worden. Das Amtsgericht hat den Angeklagten verurteilt, hiergegen hat er rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsstrafkammer hat mit dem angefochtenen Beschluß das Verfahren gemäß § 206 a Abs. 1 StPO eingestellt. Die hiergegen gerichtete zulässige sofortige Beschwerde der Nebenklägerin hat keinen Erfolg.
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Mit Recht hat die Strafkammer das Verfahren gemäß § 206 a Abs. 1 StPO wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt. Es fehlt an einer wirksamen Anklageschrift und einem wirksamen Eröffnungsbeschluß.
I.
In dem Strafbefehlsverfahren ersetzt der Strafbefehlsantrag die Anklage (vgl. BGHSt 23, 280; BayObLGSt 1961, 143; NJW 1957, 883; LG München II NJW 1965, 774; Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. Aufl., § 411 Rdnr. 3; Schäfer in Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 411 Rdnr. 5; Meyer-Goßner in KK, StPO, 2. Aufl., § 411 Rdnr. 8; Müller im KMR, StPO, 7. Aufl., § 411 Rdnr. 5). Die Funktion eines Eröffnungsbeschlusses, der abweichend von den allgemeinen Bestimmungen der §§ 203, 207 StPO für das vereinfachte Strafbefehlverfahren selbst nicht vorgeschrieben ist, übernimmt in diesem Verfahren nach dem Einspruch der Strafbefehl (vgl. OLG Zweibrücken MDR 1987, 164; BayObLGSt 1958, 130; LG München II a.a.O.; Meyer-Goßner a.a.O, § 408 Rdnr. 6; Schäfer a.a.O. § 408 Rdnr. 20; Kleinknecht/Meyer a.a.O. § 408 Rdnr. 14). Der in der Anklageschrift (hier: Strafbefehlsantrag) enthaltene Anklagesatz wird durch die Zulassung notwendig integrierender Bestandteil des Eröffnungsbeschlusses (hier: Strafbefehl). Mängel des Anklagesatzes sind zugleich Mängel des Eröffnungsbeschlusses (vgl. BGH GA 1973, 111; 1980, 108 und 468; NStZ 1984, 133; Kleinknecht/Meyer a.a.O. § 200 Rdnr. 26; Treier in KK a.a.O. § 200 Rdnr. 1; Rieß in Löwe-Rosenberg, 24. Aufl., § 200 Rdnr. 57).
II.
Der hier zu beurteilende Strafbefehlsantrag konkretisiert - ebenso wie der daraufhin erlassene Strafbefehl - die zu untersuchende Tat des Angeklagten nicht genügend. Er bezeichnet den Verfahrensgegenstand (§§ 264, 265 StPO) so ungenau und unvollständig, daß weder der historische Ablauf des Tatgeschehens noch Art und Umfang des Schuldvorwurfs hinreichend deutlich zu erkennen sind.
1. a) Nach § 409 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist in dem Strafbefehl u.a. die Tat in gleicher Weise wie in einer Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 StPO) zu bezeichnen. Der Anklagesatz muß aus sich heraus verständlich sein. Das dem Angeklagten zur Last gelegte Tun/Unterlassen muß darin so umfassend dargestellt werden, daß alle Verfahrensbeteiligten ihr weiteres Verhalten darauf einrichten können (vgl. Treier a.a.O:, § 200 Rdnr. 10; Paulus in KMR, a.a.O. § 200 Rdnr. 12; Rieß a.a.O., § 200 Rdnr. 3) und im Hinblick auf den Umfang der Rechtskraft Zweifel darüber, welcher tatsächliche Vorgang gemeint ist, nicht entstehen (vgl. BGH NStZ 1984, 133 und 469; 1986 275, 276; Treier a.a.O. Rdnr. 4; Paulus a.a.O Rdnrn. 3 und 12; Rieß a.a.O. Rdnr. 11). Durch welche tatsächlichen Angaben in dem Strafbefehl der Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend abgegrenzt wird, läßt sich allerdings nicht allgemein sagen. Das hängt ab von den Umständen des Einzelfalles. Je mehr aber mit weiteren gleichartigen Taten des Angeklagten zu rechnen ist, umso notwendiger ist es, die in Betracht kommenden Fälle durch tatsächliche Merkmale voneinander zu unterscheiden (vgl. BGH NStZ 1984, 229; Rieß a.a.O.; Paulus a.a.O. Rdnr. 12; Treier a.a.O.). Die gesetzlichen Merkmale des dem Angeklagten angelasteten Straftatbestandes sind danach durch die Angabe der Umstände zu belegen, die nach der Auffassung der Anklagebehörde den gesetzlichen Tatbestand erfüllen (vgl. BGH NStZ 1984, 133; Treier a.a.O. Rdnr. 5; Rieß a.a.O. Rdnr. 10). Wird - wie hier - eine fortgesetzte Tat vorgeworfen, sind, wenn auch unter sachgemäßer Zusammenfassung, bei der Tatbeschreibung neben dem Gesamtvorsatz mindestens die Einzelakte, jedenfalls ihre Mindestzahl, die bekannt gewordenen Geschädigten, der Mindestschaden, Beginn und Ende der Fortsetzungstat sowie Ort und Zeit der Tatbegehung anzugeben (vgl. BGH (D) MDR 1972, 752, 753; GA 1980, 468; NStZ 1986, 275, 276; Paulus a.a.O. Rdnr. 17; Rieß a.a.O. Rdnr. 14; Treier a.a.O. Rdnr. 6).
b) Diesen Anforderungen entspricht der Anklagesatz in dem hier zu beurteilenden Strafbefehl schon deshalb nicht, weil darin die Computerprogramme, die der Betroffene vervielfältigt und vertrieben haben soll, nicht angegeben sind. Es ist deshalb nicht ersichtlich, in welchem Umfang der Angeschuldigte gegen § 106 UrhG verstoßen haben soll. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt. Allein das Tatbestandsmerkmal "vervielfältigen" ist in dem Anklagesatz durch "kopieren" konkretisiert. Die weiteren erforderlichen Angaben fehlen.
2.) Dieser Mangel des Strafbefehls ist in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht nicht durch einen entsprechenden Hinweis an den Angeklagten, der zu protokollieren gewesen wäre, geheilt worden (vgl. BGH NStZ 1984, 133; Treier a.a.O. Rdnr. 24; Paulus a.a.O. Rdnr. 49; Rieß a.a.O. Rdnr. 59).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.