Das Verkehrslexikon

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OVG Münster Beschluss vom 23.01.2014 - 16 B 56/14 - Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem

OVG Münster v. 23.01.2014: Zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem


Das OVG Münster (Beschluss vom 23.01.2014 - 16 B 56/14) hat entschieden:
Den Maßnahmen, die die Fahrerlaubnisbehörde gegen Mehrfachtäter zu ergreifen hat, können nur rechtskräftig geahndete und insofern im Verkehrszentralregister eintragungsfähige Verkehrsverstöße zugrunde gelegt werden.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein und Das Punktsystem


Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die für die Prüfung durch das Oberverwaltungsgericht maßgeblichen Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt hat.

Das Verwaltungsgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach dem Erreichen von 18 Punkten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG zu entziehen war. Mit der Beschwerde ist nichts vorgetragen, was die Richtigkeit dieser Annahme durchgreifend in Frage stellt. Der Antragsteller bestreitet nicht, dass der Antragsgegner ihn beim Stand von 17 Punkten zur Teilnahme an einem Aufbauseminar aufgefordert hat (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG). Soweit er meint, die Aufforderung hätte früher, nämlich unmittelbar nach Begehung der zum Erreichen bzw. Überschreiten von 14 Punkten führenden Verkehrsordnungswidrigkeit vom 13. März 2012 erfolgen müssen, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller übersieht ungeachtet der Frage der rechtlichen Relevanz seines Einwands im Übrigen, dass der den Verstoß ahndende Bußgeldbescheid erst am 15. November 2012 rechtskräftig geworden ist. Den Maßnahmen, die die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 StVG gegen Mehrfachtäter zu ergreifen hat, können aber nur rechtskräftig geahndete und erst insofern im Verkehrszentralregister eintragungsfähige Verkehrsverstöße zugrunde gelegt werden.
Vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 3.07 -, juris, Rdnr. 19 ff. (= BVerwGE 132, 48).
Der Antragsgegner hat den Antragsteller auch ordnungsgemäß nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV verwarnt. Der zeitliche Abstand zwischen Verwarnung und Aufforderung zur Teilnahme an einem Aufbau ist für sich genommen unerheblich, solange die Maßnahme der ersten Eingriffsstufe nicht erneut ergriffen werden musste. Das war hier nicht der Fall.

Richtigerweise hat das Verwaltungsgericht der zum 1. Mai 2014 in Kraft tretenden "Punktereform" keine Bedeutung beigemessen, da sich die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entziehungsverfügung allein nach geltender Rechtslage beurteilt. Davon abgesehen irrt der Antragsteller, wenn er glaubt, drei mit insgesamt fünf Punkten bewertete Bußgeldentscheidungen würden zum 1. Mai 2014 deswegen gelöscht, weil die insoweit festgesetzten Geldbußen jeweils die neue Eintragungsgrenze von 60 Euro (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb StVG n. F.) unterschreiten. Zwar sieht § 65 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 StVG n. F. vor, dass Entscheidungen, die nach bisherigem Recht im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und danach aufgrund der geänderten Rechtslage nicht mehr zu speichern wären, am 1. Mai 2014 gelöscht werden. Für die Feststellung, ob eine Entscheidung nach neuem Recht nicht mehr zu speichern wäre, bleibt nach Satz 2 der Vorschrift die Höhe der festgesetzten Geldbuße jedoch ausdrücklich außer Betracht.

Schließlich begegnet die vom Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung getroffene Interessenabwägung keinen Bedenken. Mit dem gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG) hat der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet. Es bedürfte daher vorliegend besonderer Umstände, um hiervon abzuweichen. Derartige Umstände sind aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Berufliche und private Einschränkungen gehören zu den typischen Folgen der Fahrerlaubnisentziehung, die als solche schon in der gesetzgeberischen Grundentscheidung Berücksichtigung gefunden haben. Sie sind von den Betroffenen hinzunehmen angesichts des besonderen Risikos, das von Fahrerlaubnisinhabern ausgeht, die - wie der Antragsteller - trotz aller im Punktsystem vorgesehenen Warnhinweise und Hilfestellungen 18 oder mehr Punkte erreichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



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