Das Verkehrslexikon

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OLG Oldenburg Beschluss vom 27.09.2012 - 2 SsBs 209/12 - Verwerfung des Einspruchs wegen Nichterscheinens des Betroffenen trotz Zusage der Terminsverlegung

OLG Oldenburg v. 27.09.2012: Keine Verwerfung des Einspruchs wegen Nichterscheinens des Betroffenen trotz Zusage der Terminsverlegung


Das OLG Oldenburg (Beschluss vom 27.09.2012 - 2 SsBs 209/12) hat entschieden:
Die Säumnis des Betroffenen in der Hauptverhandlung ist hinreichend entschuldigt, wenn er auf Grund einer telefonischen Mitteilung des Amtsgerichts gegenüber seinem Verteidiger davon ausgehen durfte, dass auf der Grundlage des von ihm vorgelegten Schreibens eine Terminsverlegung erfolgen werde.


Siehe auch Terminsverlegung und Säumnis des Betroffenen bzw. Angeschuldigten in der Hauptverhandlung im OWi- oder Strafverfahren


Gründe:

Der Betroffene wendet sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg, mit welchem sein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid des Landkreises Osnabrück vom 06.01.2012, mit dem eine Geldbuße von 96 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot gegen ihn festgesetzt worden sind, verworfen worden ist.

Der Betroffene ist dem anberaumten Termin zur Hauptverhandlung ferngeblieben. Nach Erhalt der Ladung hatte er durch seinen Verteidiger bei der zuständigen Richterin anfragen lassen, ob eine Verlegung des Gerichtstermins wegen beruflicher Verhinderung des Betroffenen möglich sei. Diese erklärte, dass der Termin bei beruflicher Verhinderung verlegt werden könne, wenn schriftliche Belege eingereicht würden, aus welchen hervorgehe, dass der Betroffene einen wichtigen beruflichen Termin wahrzunehmen habe, der vor Erhalt der Ladung bereits geplant gewesen sei. Am Terminstage beantragte der Verteidiger für den Betroffenen eine Terminsverlegung, weil sich sein Mandant in der Schweiz befinde, um sehr wichtige Besprechungstermine mit Schweizer Großkunden zu führen. Zum Nachweis legte er eine Mitteilung der ... vom 21.05.2012, gerichtet an den Betroffenen unter der Anschrift der ... D ... GmbH, vor.

Das Schreiben hat folgenden Inhalt:
"Terminbestätigung Projekt Kundenbetreuung Schweiz

Sehr geehrter Herr H.,

hiermit bestätige ich Ihnen die bereits mit Herrn ... besprochenen Termine mit den Schweizer Großkunden: ... (#32340) für den 04.07.2012 um 14.00 Uhr in deren Geschäftsstelle in Basel und mit ... S ... (#10110) für den 05.07.2012 um 13.00 Uhr in deren Geschäftsstelle in 8047 Zürich. Herr ... würde die beiden Termine gerne in einem gemeinsamen Termin mit Ihnen vorbereiten und bietet Ihnen an, Ende Juni in Freiburg vorbeizukommen. Bezüglich einer genauen Termindefinition zur Vorbereitung werden wir uns in Kürze telefonisch mit Ihnen in Verbindung setzen".
Mit Urteil vom 05.07.2012 hat das Amtsgericht Bad Iburg den Einspruch verworfen. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, dass der Betroffene der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Die von ihm vorgetragenen Gründe seien unzureichend, weil aus dem Schreiben vom 21.05.2012 nicht ersichtlich sei, ob seine persönliche Teilnahme an dem Termin in der Schweiz eingeplant und ggf. auch notwendig gewesen sei, mithin er weder vertreten noch der Termin unproblematisch hätte verlegt werden können. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Termin zwischenzeitlich aufgehoben oder verlegt worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er rügt, dass das Amtsgericht von einer hinreichenden Entschuldigung des Fernbleibens habe ausgehen müssen und die Voraussetzungen für den Erlass eines Verwerfungsurteils mithin nicht gegeben gewesen seien.

Die Generalstaatsanwaltschaft sieht die Rechtsbeschwerde als unzulässig an. Sie ist der Auffassung, dass Amtsgericht habe sich im Verwerfungsurteil vollständig und rechtsfehlerfrei mit den mit der Verfahrensrüge vorgetragenen Umständen auseinander gesetzt. Der Betroffene habe durch das eingereichte Schreiben nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass berufliche Angelegenheiten ausnahmsweise eine Terminsverlegung erforderlich erscheinen ließen.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und auch in der Sache selbst erfolgreich.

Der Betroffene war hinreichend entschuldigt, da er aufgrund der telefonischen Mitteilung der Amtsrichterin gegenüber seinem Verteidiger davon ausgehen durfte, dass auf der Grundlage des von ihm vorgelegten Schreibens der ... eine Terminsverlegung erfolgen werde.

Soweit das Amtsgericht beanstandet, dass sich dem Schreiben nicht eindeutig entnehmen lasse, ob eine persönliche Teilnahme des Betroffenen an den in der Schweiz anberaumtem Termin eingeplant gewesen sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Angesichts des Umstandes, dass das Schreiben an den Betroffenen persönlich gerichtet war und eine Vorbereitung des Termins zwischen dem Betroffenen und Herrn ... angeregt wurde, stellt sich die Vermutung, der Betroffene selbst habe bei dem Termin gar nicht zugegen sein sollen, als fernliegend dar.

Auch der Umstand, dass der Betroffene nicht glaubhaft gemacht hat, dass eine Vertretung nicht möglich war und der Termin auch nicht hätte verlegt werden können, vermag im vorliegenden Falle eine hinreichende Entschuldigung nicht in Zweifel zu ziehen. Grundsätzlich haben berufliche Verpflichtungen gegenüber der Pflicht, gerichtlichen Ladungen Folge zu leisten, allerdings zurück zu treten. Die Wahrnehmung beruflicher Pflichten entschuldigt nur dann, wenn sie unaufschiebbar und derart gewichtig sind, dass dem Betroffenen ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann. Da die näheren Umstände, die das Ausbleiben entschuldigen sollen, nur der Betroffene kennt, hat er sein Entschuldigungsvorbringen soweit als möglich zu konkretisieren und zu substantiieren (vgl. OLG Oldenburg, Az.: 2 SsBs 28/09, m.w.N.). Zwar mag das Vorbringen des Betroffenen diesen engen Erfordernissen nicht gerecht werden, doch hatte das Amtsgericht durch die telefonische Auskunft den Eindruck erweckt, eine Terminsverlegung werde bereits bei Nachweis eines vor Erhalt der Ladung bestimmten wichtigen beruflichen Termin erfolgen, ohne dass es der Darlegung weitergehender Umstände oder einer entsprechenden Glaubhaftmachung bedürfe. Ein derartiger Nachweis wurde durch das vorgelegte Schreiben in hinreichender Weise erbracht. Von weitergehenden Anforderungen durfte das Amtsgericht die Terminsverlegung auf diesem Hintergrund nicht abhängig machen, auch wenn nicht nachvollziehbar ist, warum das Schreiben vom 21.05.2012 dem Gericht nicht frühzeitiger bekanntgegeben wurde, und die Vorgehensweise des Amtsgerichts angesichts dessen durchaus nachvollziehbar ist.

Das amtsgerichtliche Urteil war mithin aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurück zu verweisen. Anlass zur Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht nicht.