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OLG Bamberg Beschluss vom 20.10.2011 - 3 Ss OWi 1364/11 - Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags wegen Verhinderung des Verteidigers
OLG Bamberg v. 20.10.2011: Zum notwendigen Vortrag zur Verfahrensrüge bei einer Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags wegen Verhinderung des Verteidigers
Das OLG Bamberg (Beschluss vom 20.10.2011 - 3 Ss OWi 1364/11) hat entschieden:
Wird die rechtfehlerhafte Ermessensausübung bei der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags wegen Verhinderung des Verteidigers beanstandet, ist nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO der Inhalt des Verlegungsgesuchs grundsätzlich vollständig wiederzugeben. Dies gilt erst recht dann, wenn mit dem Antrag zugleich hilfsweise für den Fall seiner Ablehnung konkrete Sacheinlassungen zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage abgegeben werden.
Siehe auch Terminsverlegung und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene am 11.07.2011 wegen einer am 08.01.2011 als Führerin eines Pkw fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt und gegen sie ein Fahrverbot von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verhängt.
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Betroffenen erweist sich als unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.
1. Soweit die antragsgemäß vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene Betroffene das Verfahren mit der Begründung beanstandet, das Gericht habe rechtsfehlerhaft dem am Vormittag des Sitzungstages eingegangenen und mit einer krankheitsbedingten Verhinderung des Verteidigers begründeten Verlegungsantrag nicht entsprochen, genügt die Verfahrensrüge, die prinzipiell unbeschadet § 228 Abs. 2 StPO die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 338 Nr. 8 StPO begründen kann, nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weshalb sie als unzulässig anzusehen ist.
a) Gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO muss der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, im Rahmen seiner Rechtsbeschwerdebegründung die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden; hierzu gehört nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung auch der Vortrag zu Anhaltspunkten, die nach den konkreten Umständen des Falles gegen das Rechtsbeschwerdevorbringen sprechen können (vgl. aus der einschlägigen Kommentarliteratur u.a. Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 344 Rn. 20 ff. und KK/Kuckein StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 ff., jeweils mit zahlr. weit. Nachw.).
b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung hier jedoch deshalb nicht, weil im Rahmen der Rechtsbeschwerderechtfertigungsschrift vom 29.08.2011 das Telefax-Schreiben des Verteidigers vom 11.07.2011 nur unvollständig wiedergegeben wird. Insbesondere teilt die Rechtsbeschwerde nicht mit, dass mit gleichem Schreiben „hilfsweise“, nämlich ausdrücklich „für den Fall, dass das Gericht trotz des vorgenannten Verlegungsantrags in die Hauptverhandlung eintritt und die vorgeworfene Zuwiderhandlung nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als erwiesen erachtet würde (...), beantragt“ wurde, „von der Verhängung eines Fahrverbots gem. § 4 Abs. 4 BKatV abzusehen“ und „für diesen Fall“ umfassend die berufliche Situation der Betroffenen und ihre Einkünfte unter Beifügung ihres Arbeitsvertrages sowie einer Gehaltsabrechnung für Januar 2011 dargestellt wurde. Das Amtsgericht hat diesen ‚schriftsätzlichen’ Vortrag der Verteidigung ausdrücklich in sein Urteil mit aufgenommen.
c) Es kann dahin stehen, ob unter diesen Umständen überhaupt von einem ‚unbedingten’ Verlegungsantrag oder vielmehr nur noch von einer entsprechenden ‚Anregung’ auszugehen ist. In jedem Fall verfehlt der Rügevortrag die Begründungsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO:
Es liegt auf der Hand, dass für die Prüfung eines Verfahrensverstoßes, insbesondere für die Feststellung einer rechtfehlerhaften Ermessensausübung bei der Ablehnung eines Terminsverlegungsgesuchs wegen Verhinderung des Verteidigers sowohl unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Fürsorgepflicht als auch des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf ein faires Verfahren gerade der zusammen mit dem Verlegungsgesuch vorgebrachte Sachvortrag vollständig zu berücksichtigen ist. Denn die Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet nur unter besonderen Umständen eine Vertagung wegen Verhinderung des Verteidigers. Ob das Gericht einem Verlegungsantrag unbeschadet des Rechts des Betroffenen, sich gemäß § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zu bedienen (vgl. auch Art. 6 Abs. 3c MRK), stattgeben muss, hängt vielmehr maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache, der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, der Lage des Verfahrens bei Eintritt des Verhinderungsfalls, dem Anlass, der Voraussehbarkeit und der voraussichtlichen Dauer der Verhinderung ab (vgl. z.B. OLG Koblenz NZV 2009, 569 f. = StraFo 2009, 523 f. = StV 2010, 476 f. und zuletzt auch OLG Hamm zfs 2010, 649 f.). In allen Fällen hat das Gericht deshalb bei der Entscheidung über den Verlegungsantrag im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Interessen der Beteiligten und das Gebot der Verfahrensbeschleunigung gegeneinander abzuwägen (OLG Braunschweig StV 2008, 293 f. sowie Beschluss vom 27.02.2009 – Ss 37/09 [bei Juris]; vgl. zuletzt auch OLG Bamberg, Beschluss vom 04.03.2011 – 2 Ss OWi 209/11 = StraFo 2011, 232 f. und schon OLG Bamberg NJW 2006, 2341 f. = StV 2006, 683 ff., jeweils m.w.N.).
Ob nach diesen Maßstäben die Verlegung des Termins hier geboten gewesen wäre bzw. deren Ablehnung auf sachfremden oder sonst nicht mehr nachvollziehbaren Gründen beruhte, kann jedoch vom Rechtsbeschwerdegericht nur dann zuverlässig beurteilt werden, wenn der vollständige zusammen mit dem Verlegungsgesuch vorgebrachte Sachvortrag in die Rügerechtfertigung Eingang findet.
2. Auch die umfassende Überprüfung des Urteils auf die (unausgeführte) Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der ihre Fahrereigenschaft einräumenden Betroffenen auf. Insbesondere ist auch der Rechtsfolgenausspruch frei von Rechtsfehlern. Im Hinblick auf die festgestellte - einschlägige - Vorahndungssituation der Betroffenen begegnet weder die Verdoppelung der an sich verwirkten Regelgeldbuße noch das gemäß §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 26 a StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.6 der Tabelle 1c zum BKat angeordnete Regelfahrverbot wegen eines groben Pflichtenverstoßes sachlich-rechtlichen Bedenken.
III.
Der Senat entscheidet durch Beschluss nach § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.