Das Verkehrslexikon
OLG Düsseldorf Beschluss vom 25.02.2011 - IV-1 RBs 12/11 - 5 Ss-OWi 230/10 - Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes
OLG Düsseldorf v. 25.02.2011: Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes durch ein standardisiertes Messverfahren
Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.02.2011 - IV-1 RBs 12/11 - 5 Ss-OWi 230/10) hat entschieden:
Sollte die ordnungsbehördliche Feststellung im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens getroffen worden sein, ist es ausreichend, aber auch erforderlich, das Messverfahren und - je nach Messverfahren - den ggf. berücksichtigten Toleranzwert im Urteil mitzuteilen. Die Angabe des eingesetzten Messverfahrens ist bereits deshalb unentbehrlich, weil ohne diese Angabe nicht überprüft werden kann, ob der im Urteil berücksichtigte Toleranzwert korrekt bemessen ist. Die Mitteilung des Messverfahrens kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich dieses aus sonstigen Feststellungen und Erkenntnissen zweifelsfrei ergibt.
Siehe auch Standardisierte Messverfahren und Der qualifizierte Rotlichtverstoß
Gründe:
Das Amtsgericht Düsseldorf gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens eine Geldbuße von 280 Euro verhängt und ferner - unter Einräumung der in § 25 Abs. 2a StVG vorgesehenen Vergünstigung - ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt und frist- und formgerecht begründet worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Das Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am ... um ... Uhr mit einem PKW in D. die Überfahrt ... in Fahrtrichtung ... . Dort missachtete er die schon länger als eine Sekunde (1,69 s) andauernde Rotphase eines Wechsellichtzeichens. Der Betroffene hat "nicht bestritten", zum Tatzeitpunkt Fahrer des fraglichen Fahrzeuges gewesen zu sein.
II.
Das Urteil ist schon auf die Sachrüge aufzuheben.
1. Das angefochtene Urteil unterliegt aufgrund der Sachrüge der Aufhebung, weil dem Senat nicht die Möglichkeit eröffnet ist zu überprüfen, ob das Amtsgericht die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit materiellrechtlich fehlerfrei festgestellt und die Rechtsfolgen rechtsfehlerfrei festgesetzt hat. Auch wenn die Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldverfahren keinen hohen Anforderungen unterliegen, muss die Beweiswürdigung so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung ermöglicht wird. Grundlage dieser revisionsgerichtlichen Beweiswürdigung ist das schriftliche Urteil, mit dem der Tatrichter darüber Rechenschaft gibt, auf welchem Wege er von den Beweismittelergebnissen zum festgestellten Sachverhalt gelangt ist (vgl. BGH, NStZ 1985, 184). Dabei muss die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung in sich logisch, geschlossen, klar und insbesondere lückenfrei sein. Sie muss wenigstens die Grundzüge der Überlegungen des Tatrichters und die Möglichkeit des gefundenen Ergebnisses sowie die Vertretbarkeit des Unterlassens einer weiteren Würdigung aufzeigen. Es müssen alle aus dem Urteil ersichtlichen Tatsachen und Umstände, die Schlüsse zugunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen zulassen, ausdrücklich erörtert werden (OLG Hamm, VRR 2007, 33).
2. Das angefochtene Urteil beachtet diese Anforderungen nicht hinreichend. Die Feststellungen zum objektiven Tatbestand tragen den Schuldspruch nicht, da sie hinsichtlich des festgestellten Messergebnisses lückenhaft sind. Denn das Urteil teilt das angewandte Messverfahren nicht mit. Sollte die ordnungsbehördliche Feststellung im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens getroffen worden sein, ist es ausreichend, aber auch erforderlich, das Messverfahren und - je nach Messverfahren - den ggf. berücksichtigten Toleranzwert im Urteil mitzuteilen (BGHSt 46, 358; vgl. Burhoff Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren Rn. 1882 m.w.N.; Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., § 37 StVO Rn. 30c, 30d). Die Angabe des eingesetzten Messverfahrens ist bereits deshalb unentbehrlich, weil ohne diese Angabe nicht überprüft werden kann, ob der im Urteil berücksichtigte Toleranzwert korrekt bemessen ist. Die Mitteilung des Messverfahrens kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich dieses aus sonstigen Feststellungen und Erkenntnissen zweifelsfrei ergibt (OLG Bamberg, NZV 2008, 211). Zwar sprechen die im Urteil mitgeteilten Messdaten für eine automatisierte Erfassung des dem Betroffenen zur Last gelegten Vorfalles. Daraus kann aber noch kein zweifelsfreier Schluss auf das eingesetzte Messverfahren gezogen werden. Die verwendeten Messfotos, die unter Umständen Rückschlüsse auf die hier verwendete Messanlage zugelassen hätten, wurden nicht durch eine prozessökonomische ausdrückliche Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO zum Urteilsbestandteil gemacht und können deshalb vom Senat nicht eingesehen werden.
Wegen dieses Mangels ist das angefochtene Urteil nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Feststellungen zu der vom Amtsgericht vorgenommenen Erhöhung der Geldbuße von der gemäß Nr. 132.3 BKatV vorgesehenen Regelbuße von 200 Euro auf 280 Euro wegen des Vorliegens von Vorbelastungen unvollständig sind. Das Gericht hat hierzu lediglich festgestellt, dass für den Betroffenen im Verkehrszentralregister drei Voreintragungen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verzeichnet sind. Weitere Feststellungen dazu finden sich im Urteil nicht. Für die Verwertung von Voreintragungen gilt jedoch ähnliches wie bei der Berücksichtigung von Vorstrafen. Sollen sie erschwerend herangezogen werden, ist neben ihrer etwaigen Tilgungsreife (vgl. OLG Hamm, ZfSch 2003, 521, PVR 2001, 119) zu prüfen, ob die Tatumstände der Vortaten geeignet sind, dem neuen Verstoß ein besonderes Gewicht zu geben. Dies ist gegebenenfalls darzulegen. Ebenso unterliegen auch verschiedenartige Verstöße diesen vermehrten Anforderungen an die Begründung (OLG Celle, NdsRpfl 1995, 272). Das Urteil muss deshalb Tatzeit, -ort, -handlung und -mittel mitteilen (vgl. Senat, NZV 1998, 257). Ferner muss mitgeteilt werden, wann die Vorentscheidungen rechtskräftig geworden sind. Nur auf der Grundlage dieser Angaben kann das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen, ob einerseits die Vorbelastungen noch verwertbar waren oder ob eine Verwertung wegen Tilgungsreife ausgeschlossen war, und ob andererseits die Erhöhung der Regelbuße ermessensgerecht vorgenommen wurde.