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BGH Urteil vom 16.06.1982 - VIII ZR 89/81 - Zur Wirksamkeit von Schadenspauschalierungsklauseln in AGB

BGH v. 16.06.1982: Zur Wirksamkeit von Schadenspauschalierungsklauseln in AGB


Der BGH (Urteil vom 16.06.1982 - VIII ZR 89/81) hat entschieden:
Lässt eine in AGB enthaltene Schadenspauschalierungsklausel dem Vertragspartner nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Sinn die Möglichkeit offen, im konkreten Falle nachzuweisen, dass ein geringerer Schaden entstanden ist, so ist die Klausel wirksam.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Autokauf - Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen


Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug in Anspruch. Am 29. November 1978 kaufte der Beklagte bei der Klägerin einen Pkw, Marke M, zum Preise von 22 000 DM zuzüglich Überführungskosten, wobei eine zulässige Preisabweichung von 10 % mehr oder weniger vereinbart wurde.

Dem Vertrag lagen die Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde. Dort heißt es unter Nr. IV Abs. 4 Satz 6 und 7 wie folgt:
"Bleibt der Käufer nach Anzeige der Bereitstellung mit der Abnahme des Fahrzeugs oder der Erteilung der Versand-Vorschrift oder der Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen oder der Erstellung der vereinbarten Sicherheit länger als 14 Tage in Rückstand, so ist der Verkäufer nach Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen berechtigt, auf Abnahme zu klagen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten. Im zweiten Fall kann der Verkäufer unbeschadet der Möglichkeit einen höheren tatsächlichen Schaden geltend zu machen, 15 % des Verkaufspreises als Entschädigung ohne Nachweis fordern."
Mit Schreiben vom 10. Juli 1979 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, das bestellte Fahrzeug stehe ab 13. Juli 1979 für ihn bereit. Der Beklagte nahm das Fahrzeug nicht ab. Die Klägerin verlangt von ihm Schadensersatz in Höhe von 15 % des Kaufpreises, insgesamt 3 409,50 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.

Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht stellt fest, der Beklagte habe nach einigem Hin und Her die Abnahme des Fahrzeugs abgelehnt. Hierzu, so führt es aus, sei er nicht berechtigt gewesen. Die Klägerin könne daher die in Nr. IV Abs. 4 ihrer Geschäftsbedingungen ausbedungene Schadenspauschale geltend machen. Diese sei im Neuwagengeschäft der Höhe nach angemessen. Die Klausel sei nicht gemäß § 11 Nr. 5 b AGBG unwirksam, weil sie dem Käufer nicht den Nachweis abschneide, es sei kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden. § 11 Nr. 5 b AGBG verlange nicht, dass der Verwender den Vertragsgegner ausdrücklich auf das Recht zum Gegenbeweis hinweise. Der Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die Klägerin keinen oder nur einen geringeren Schaden als den geltend gemachten erlitten habe.


II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Schadensersatzforderung der Klägerin gegen den Beklagten ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Beklagte ist der Klägerin wegen positiver Vertragsverletzung durch unberechtigte Erfüllungsverweigerung (vgl. BGH Urteil vom 15. November 1967 - VIII ZR 150/65 = BGHZ 49, 56, 59; Emmerich in MünchKomm vor § 275 Rdn. 22 m.w.Nachw.) zum Schadensersatz verpflichtet.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und des Landgerichts, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, hat der Beklagte nach einigem Hin und Her die Abnahme des gekauften Wagens endgültig abgelehnt. Dies hat er auch in seinem Schriftsatz vom 23. April 1980 (GA Bl. 33) vorgetragen.

Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision nicht.

b) Die Revision weist darauf hin, dass die Klägerin dem Beklagten keine Nachfrist zur Abholung des Fahrzeugs gesetzt habe. Dieser Umstand steht jedoch dem Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht entgegen.

Auch bei positiver Vertragsverletzung bedarf das Vorgehen des Vertragsgegners nach § 326 BGB grundsätzlich der mit der Ablehnungsandrohung verbundenen Fristsetzung, um dem Schuldner die Folgen seiner Vertragsverletzung vor Augen zu führen (Senatsurteil vom 28. März 1979 - VIII ZR 15/78 = WM 1979, 674). Hier hat sich die Klägerin in Nr. IV Abs. 4 Satz 6 ihrer Geschäftsbedingungen überdies selbst die Pflicht auferlegt, bei Abnahmeverweigerung oder Verzug des Käufers mit der Abnahme des Fahrzeugs diesem eine Nachfrist einzuräumen.

Gleichwohl ist es unschädlich, dass die Klägerin dem Beklagten keine Nachfrist gesetzt hat, denn er hat ernsthaft und endgültig die Erfüllung des Kaufvertrages verweigert. In einem solchen Falle wäre es eine überflüssige Förmelei, wenn der Gläubiger dem unwilligen Schuldner nochmals eine Frist zur Erfüllung des Vertrages einräumen müsste (vgl. BGH Urteil vom 15. November 1967 aaO; Urteil vom 13. Januar 1982 - VIII ZR 186/80 = WM 1982, 333, 334). Dies gilt auch dann, wenn sich der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst die Pflicht auferlegt, bei Verzug oder Abnahmeverweigerung seinem Vertragspartner eine Nachfrist zur Vertragserfüllung einzuräumen.

2. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, dass der Beklagte zur Zahlung der in Nr. IV Abs. 4 Satz 7 der Geschäftsbedingungen der Klägerin ausbedungenen Schadenspauschale verpflichtet ist. Die von der Klägerin verwendete Klausel verstößt nicht gegen § 11 Nr. 5 b AGBG.

a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Schadenspauschalierungsabrede unwirksam ist, wenn der Verwender dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich den Nachweis vorbehält, es sei kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden.

aa) Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 14. Januar 1976 - VIII ZR 203/73 = WM 1976, 210 = BB 1976, 571 = DB 1976, 381) hat vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgesprochen, dass nach § 242 BGB dem Schädiger zumindest nicht der Nachweis abgeschnitten werden dürfe, er habe im konkreten Fall einen geringeren Schaden verursacht.

bb) Für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird überwiegend angenommen, es sei nicht erforderlich, dem Vertragsgegner ausdrücklich die Möglichkeit des Gegenbeweises vorzubehalten, vielmehr dürfe dieser Nachweis nur nicht abgeschnitten werden (vgl. BayObLG DB 1981, 1616 = BB 1981, 1418; Dietlein/Rebmann, AGB aktuell § 11 Nr. 5 Rdn. 3; Dittmann/ Stahl, AGB, § 11 Nr. 5 Rdn. 393; Koch/Stübing, Allgemeine Geschäftsbedingungen, § 11 Nr. 5 Rdn. 15; Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, AGBG, § 11 Nr. 5 Rdn. 12; Ulmer/Brandner/ Hensen, AGBG, 3. Aufl. § 11 Nr. 5 Rdn. 18; Kötz in MünchKomm § 11 AGBG Rdn. 43; Palandt/Heinrichs, BGB, 41. Aufl. § 11 AGBG Anm. 5 a bb; Frank/Werner,DB 1977, 2171, 2172). Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, nicht nur ein ausdrückliches Abschneiden des Rechts zum Gegenbeweis führe zur Unwirksamkeit einer Schadenspauschalierungsklausel, vielmehr sei dies schon dann anzunehmen, wenn die Auslegung der Klausel aus der Sicht des Vertragsgegners ergebe, dass ihm der Gegenbeweis verwehrt sei (vgl. OLG Hamburg DB 1981, 1718, 1719; OLG Koblenz ZIP 1981, 509, 511; OLG Stuttgart DB 1979, 1468 und NJW 1981, 1105, 1106; Dittmann/Stahl aaO; Palandt/Heinrichs aaO).

Nach der Gegenansicht (Coester-​Waltjen in Schlosser/Coester- Waltjen/Graba, AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 39; Staudinger/Schlosser, BGB, 12. Aufl. § 11 Nr. 5 AGBG Rdn. 19; Stein, AGBG, § 11 Rdn. 37; Stürner BWNotZ 1977, 106, 109) ist es unerlässlich, dass der Verwender dem anderen Vertragsteil ausdrücklich den Nachweis vorbehält, ein Schaden sei nicht oder nur in geringerer Höhe eingetreten.

Kötz (NJW 1979, 785, 788) ist schließlich der Ansicht, das Abschneiden des Rechts zum Gegenbeweis führe allenfalls zur Unwirksamkeit dieses Teils der Klausel, lasse im übrigen aber die Wirksamkeit der Schadenspauschalierungsklausel unberührt.

b) Die im vorliegenden Falle vereinbarte Schadenspauschalierungsklausel, die keinen ausdrücklichen Vorbehalt des Rechts zum Gegenbeweis enthält, ist wirksam.

aa) Der Wortlaut des § 11 Nr. 5 b AGBG lässt keine Zweifel aufkommen. Er verbietet dem Verwender lediglich, dem anderen Vertragsteil das Recht zum Gegenbeweis abzuschneiden, ohne ihm die Verpflichtung aufzuerlegen, den Vertragsgegner auf dessen Rechte hinzuweisen.

Wenn Coester-​Waltjen (aaO) demgegenüber unter Berufung auf § 5 AGBG meint, der Vertragsgegner müsse seine Rechte aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst entnehmen können, so steht dem entgegen, dass das Gesetz dem Verwender nur in Ausnahmefällen, etwa in § 2 Abs. 1 AGBG und in § 11 Nr. 10 b AGBG, Hinweis- und Belehrungspflichten auferlegt (vgl. Kötz aaO), die nicht durch eine extensive Anwendung der Unklarheitenregelung erweitert werden können.

bb) Die Entstehungsgeschichte des § 11 Nr. 5 AGBG lässt gleichfalls erkennen, dass der Verwender dem anderen Vertragsteil das Recht zum Gegenbeweis nicht ausdrücklich vorzubehalten braucht. Eine solche Verpflichtung sah der Referentenentwurf (DB 1974, Beilage Nr. 18/74) in § 8 Nr. 5 vor. Hiervon abweichend verzichtete der Regierungsentwurf zum AGBG (BT-​Drucks. 7/3919 S. 5) in § 9 Nr. 5 b, der als § 11 Nr. 5 b Gesetz wurde, darauf, dem Verwender eine Hinweispflicht aufzuerlegen, während die im Referentenentwurf (dort § 8 Nr. 9 b) vorgesehene Pflicht des Verwenders, bei Beschränkung von Gewährleistungsansprüchen auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung dem Kunden ausdrücklich das Recht vorzubehalten, bei Fehlschlagen der Nachbesserung oder Ersatzlieferung Herabsetzung der Vergütung oder Rückgängigmachung des Vertrages zu verlangen, in das Gesetz (§ 11 Nr. 10 b AGBG) übernommen wurde.

cc) Der Schutzzweck des § 11 Nr. 5 AGBG gebietet es nicht, den Anwendungsbereich der Vorschrift so weit auszudehnen, dass eine Schadenspauschalierung schon dann unwirksam ist, wenn ein ausdrücklicher Vorbehalt des Rechts zum Gegenbeweis fehlt. Die Ansicht von Schlosser (aaO), bei Fehlen eines ausdrücklichen Vorbehalts zugunsten des Vertragspartners sei das Recht zum Gegenbeweis der Sache nach abgeschnitten, trifft nicht zu.

Sinn einer Schadenspauschalierung ist es, im Falle einer Vertragsverletzung den Streit über die Höhe des Schadens zu vereinfachen. Es besteht ein praktisches Bedürfnis dafür, die Beweislage des Gläubigers zu verbessern (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 1969 - VIII ZR 20/68 = NJW 1970, 29, 32; Hensen DB 1977, 1689, 1690). Die erleichterte und vereinfachte Schadensermittlung durch Pauschalierungsabsprachen reduziert überdies im Streitfalle das Kostenrisiko des Schuldners und liegt deshalb auch in seinem wirtschaftlichen Interesse. Durch die Regelung in § 11 Nr. 5 AGBG ist der Gläubiger gehindert, die Pauschale höher zu bemessen, als den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden.

Die hier in Rede stehende Klausel hält sich in den Grenzen sachgerechter Pauschalierung. Dass der Gläubiger sich darin die Möglichkeit offen gehalten hat, im Einzelfall einen höheren Schaden, welcher nachzuweisen wäre, geltend zu machen, ist unschädlich, denn dieses Recht steht ihm nach allgemeiner gesetzlicher Regel ohnehin zu. Die Formulierung, "15 % des Verkaufspreises als Entschädigung ohne Nachweis" fordern zu können, legt den Schuldner nicht in dem Sinne fest, als habe der diesen Betrag "mindestens" oder "auf jeden Fall" zu leisten, was allerdings unzulässig wäre. Sie lässt ihm vielmehr nach ihrem erkennbaren Sinn die Möglichkeit offen, dem Gläubiger mit dem Einwand zu begegnen, im konkreten Fall sei ein geringerer Schaden erwachsen. Damit ist dem Willen des Gesetzes Genüge getan.

Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, eine Schadenspauschale in Höhe von 15 % des Kaufpreises sei im Neuwagengeschäft angemessen (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt DB 1981, 2605). Hiergegen wendet sich die Revision nicht.

Nach allem ist die von der Klägerin verwendete Schadenspauschalierungsklausel wirksam, so dass der Beklagte verpflichtet ist, Schadensersatz in Höhe von 15 % des vereinbarten Kaufpreises zu leisten.