Das Verkehrslexikon
OLG München Urteil vom 12.10.2005 - 15 U 2190/05 - Erfüllungsort der Nacherfüllung beim Kauf eines Fahrzeugs
OLG München v. 12.10.2005: Zum Erfüllungsort der Nacherfüllung beim Kauf eines Fahrzeugs
Das OLG München (Urteil vom 12.10.2005 - 15 U 2190/05) hat entschieden:
Ist bei dem Kauf eines Fahrzeugs für private Zwecke für die Durchführung der Nacherfüllung ein Ort im Vertrag nicht bestimmt und war beiden Seiten bei Vertragsschluss klar, dass das Fahrzeug bestimmungsgemäß beim Käufer sein wird, ist Erfüllungsort der Nacherfüllung der Wohnsitz des Käufers.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Erfüllungsort der Nacherfüllung beim Fahrzeugkauf
Gründe:
I.
Der Kläger hat im Wege des Verbrauchsgüterkaufs am 13.02.2003 bei der Beklagten in C... einen gebrauchten Pkw ..., amtliches Kennzeichen ...erworben und begehrt vorliegend wegen eines behaupteten Mangels des Fahrzeugs im Wege von Rücktritt und Schadensersatz den Betrag von Euro 24.368,33 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe dieses Fahrzeugs, sowie Feststellung des Annahmeverzugs.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, sowie auf das zum Gegenstand des Verfahrens gemachte Beweissicherungsverfahren 13 OH 6025/03 Bezug genommen.
Erstinstanzlich wurde beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger Euro 24.368,33 zu bezahlen nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus Euro 14.250,- seit 14.02.2003 und 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus Euro 10.118,33 seit 30.03.2004, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs..., amtliches Kennzeichen ..., Fahrzeug-Ident-Nr.: VSA ...
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs, amtliches Kennzeichen ..., ..., Fahrzeug-Ident-Nr.: VSA... in Verzug ist.
Hilfsweise:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 7.368,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.03.2004 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von EUR 21.382,53 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe stattgegeben und die beantragte Feststellung des Annahmeverzugs getroffen. In Höhe eines Teils des begehrten Nutzungsersatzes (statt vom 17.12.2003 bis 26.01.2004 nur für 07.01.2004 bis 23.01.2004) hat es die Klage abgewiesen. Auf das Ersturteil wird Bezug genommen.
Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, die Voraussetzungen für Rücktritt und Schadensersatz hätten entgegen dem Landgericht nicht vorgelegen: Die Beklagte habe über ihren Geschäftsführer S. klargestellt, dass das Fahrzeug nach C. verbracht werden und dort untersucht und ggf. repariert werden könne (Blatt 94). Ein Mangel habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe Mängel behauptet, die aber im Sachverständigengutachten im Beweissicherungsverfahren nicht bestätigt worden seien. Der Mangel der jetzt vorliegen möge, müsse nach Übergabe beim Kläger entstanden sein.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
Die Beklagte hat beantragt,
in Abänderung des Endurteils des Landgerichts München II vom 16.02.2005 die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 01.04.2005 Bezug genommen.
Der Kläger hat seinerseits Berufung eingelegt, die sich gegen die Teilabweisung hinsichtlich des Nutzungsausfalls richtet.
Er trägt vor, das Fahrzeug deshalb schon vor Weihnachten, nämlich am 17.12.2003 zur Begutachtungsstelle gebracht zu haben, weil der Gutachter Sc. erklärt habe, der Pkw solle sofort dort hingebracht werden, weil dies die einzige Stelle sei, die noch vor Weihnachten die zur Begutachtung notwendigen Vorarbeiten machen könne.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 01.04.2005 Bezug genommen (Blatt 109/116 d.A.).
Der Kläger hat zunächst Verurteilung der Beklagten von EUR 23.582,53 gefordert, jedoch nach Hinweis des Senats wegen eines offenkundigen Additionsfehlers um 1.000,00 EUR ermäßigt. Er hat zuletzt beantragt zu erkennen:
Das Urteil des Landgerichts München II vom 16.02.2005 wird wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.582,53 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.03.2004 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs ..., amtliches Kennzeichen ..., Fahrzeug-Identitäts-Nr.: VSA ...
Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs, amtliches Kennzeichen ..., ..., Fahrzeug-Identitäts-Nr.: VSA... in Verzug ist.
Die Beklagte hat Zurückweisung der klägerischen Berufung beantragt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 02.03.2005 und vom 13.04.2005 Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben zur Frage, ob Reparaturen, Wartungs- oder Veränderungsarbeiten am Motor während der Besitzzeit des Klägers vorgenommen wurden durch uneidliche Vernehmung von E. K, Ehefrau des Klägers. Auf die Niederschrift vom 12.10.2005 wird Bezug genommen.
II.
1. Berufung der Beklagten:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Anspruch des Klägers aus Rücktritt und auf Schadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 2, 323, 346 ff. BGB und (§ 325 BGB) §§ 437 Nr. 3, 281 BGB ist begründet:
a) Die Gewährleistung aus § 437 BGB ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Zwar enthält der Formularvertrag (K 1) den formularmäßigen Ausschluss der Sachmängelhaftung, jedoch haben die Parteien davon abweichend durch Individualvereinbarung Gewährleistung für ein Jahr vereinbart, was unstreitig und durch das Schreiben der Beklagten vom 14.02.2003 (K 4) belegt ist.
b) Nacherfüllung:
Der Kläger hat zwar ursprünglich - statt die Nacherfüllung vorzuschalten - den Rücktritt angekündigt (Schreiben 06.04.2003, K 3), dann aber mit Schriftsatz vom 23.04.2003 (K 5) gefordert, dass die Beklagte die Nachbesserung zusichere. Mit Schreiben vom 27.06.2003 (K 6a) hat der Kläger die Beklagte unter Festsetzung bis 07.07.2003 aufgefordert, den Sachmangel anzuerkennen und reparieren zu lassen. Die vom Gesetz geforderte Nacherfüllung wurde daher geltend gemacht. Zu einer Nacherfüllung durch die Beklagte ist es nicht gekommen. Möglicherweise hat unter den Parteien Unklarheit bestanden, an welchem Ort und auf wessen Kosten die Nacherfüllung durchzuführen ist. Der Nacherfüllungsanspruch ist der sog. modifizierte Erfüllungsanspruch. Der Erfüllungsort ist nicht notwendig identisch mit dem Verkaufsort (C.). Maßgebend ist § 269 BGB. Für die Durchführung der Nacherfüllung war ein Ort im Vertrag nicht bestimmt. Jedoch ist aus den Umständen und der Natur des Schuldverhältnisses als Leistungsort der Wohnsitz des Käufers anzunehmen. Dem Käufer wie der Verkäuferin war klar, dass das Fahrzeug zum Gebrauch des Käufers bestimmt war und ein solches bestimmungsgemäß beim Käufer sein wird, im Falle eines Firmenfahrzeugs beim Firmenort, bei einem Kauf - wie hier - für private Zwecke beim Wohnsitz des Käufers. Beiden Seiten war bei Vertragsabschluss klar, dass das Fahrzeug dort sein werde. Dort schuldet der Verkäufer die noch nicht vollständig erbrachte Erfüllung. § 439 II BGB macht dies überdies hinsichtlich der Kostenpflicht vollends klar: Nach der Gesetzesbegründung und dem Wortlaut der Vorschrift sollen dem Käufer keine weiteren „Aufwendungen“ entstehen, der Verkäufer soll alle Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten tragen. Erfüllungsort der Nacherfüllung (§ 269 BGB) ist daher der Ort, wo sich die Sache jetzt (Nacherfüllung) befindet, hier also der Wohnsitz des Verkäufers (vgl. Staudinger-Matusche-Beckmann (2004) Rn 9; Erman-Grunewald (11. Aufl.) 3; Müko-Westermann (4. Aufl.) 7; Bamberger-Roth-Faust 13; Jauernig-Berger (11. Aufl.) 7 je zu § 439).
Demnach hatte die Beklagte als Verkäuferin die Nacherfüllung am Wohnort des Käufers in I. zu leisten, dort also das Fahrzeug auf die behaupteten Mängel durchzusehen und reparieren zu lassen bzw. das Fahrzeug dort auf ihre Kosten abzuholen und auf eigene Gefahr nach C. zur Durchsicht und Reparatur zu verbringen und auf eigene Kosten und Gefahr wieder nach I. zurückzubringen.
Dies alles ist nicht geschehen. Nach vergeblicher Fristsetzung im Schreiben vom 27.06.2003 hat der Kläger mit Schreiben vom 11.07.2003 ein Beweissicherungsverfahren beantragt, zumal die Beklagte auch Existenz und Verantwortung für die behaupteten Mängel bestritten hatte. Mit Schriftsatz vom 07.08.2003 in diesem Beweissicherungsverfahren (13 OH 6025/03) hat die Beklagte jede Verpflichtung zur Gewährleistung abgelehnt, was auch die Ablehnung der Nacherfüllung mit einschließt. Dort hat sich die Beklagte auf den Ausschluss der Gewährleistung berufen, die für das Jahr nach dem Kauf gleichwohl bestanden hat. Mängel hätten nicht vorgelegen, für sie sei - dies wird erneut betont - auch jede Gewährleistung ausgeschlossen. Wenn der Antragsteller ein solches Risiko nicht habe tragen wollen, so hätte er ein Neufahrzeug mit Gewährleistung erwerben müssen (Schriftsatz vom 07.08.2003, Seite 3 im Beweissicherungsverfahren). Mit diesem Verhalten wurde konkludent auch jede Nacherfüllung abgelehnt, abgesehen davon, dass die gesetzte Frist zur Nacherfüllung zum 07.07.2003 ohnehin bereits abgelaufen war.
Zusammengefasst:
Die Nacherfüllung wurde gefordert. Eine Frist wurde erfolglos gesetzt und die Nacherfüllung darüber hinaus spätestens im Beweissicherungsverfahren auch konkludent abgelehnt.
c) Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (Übertragung des Besitzers, § 446 BGB) war das Fahrzeug auch mangelhaft im Sinne von § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB.
Nach dem im Beweissicherungsverfahren erholten Sachverständigengutachten und den Feststellungen des Landgerichts (§ 529 ZPO) lag ein Motorschaden vor. Der Zylinderkopf war nicht geplant angepasst und die Injektoren ohne Montagepaste verbaut. Wird ein Zylinderkopf demontiert und vor dem Zusammenbau nicht nachgearbeitet, ist mit Undichtigkeiten bei hohem Verbrennungsdruck zu rechnen. Auf die Feststellungen des Landgerichts auf Seiten 10 - 12 der Gründe wird gemäß § 529 ZPO Bezug genommen. Das Sachverständigengutachten wurde vom Senat für gut nachvollziehbar und schlüssig beurteilt, Anhaltspunkte im Sinne von § 529 ZPO zur Ergänzung etc. lagen nicht vor.
Dieser Mangel lag auch zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor: Da der Kläger für den privaten Bedarf erworben hat, war er Verbraucher, die Beklagte unstreitig Unternehmerin. Es lag daher ein Verbrauchsgüterkauf nach §§ 474 f. BGB vor. Nach § 476 BGB wird hierbei vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, wenn er sich innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang zeigte. Der Kläger hat bereits mit Schreiben vom 06.04.2003 (K 3) den später bestätigten Mangel gerügt, weshalb die Zeitgrenze gemäß § 476 BGB eingehalten ist. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht zu entkräften vermocht, insbesondere auch diesbezüglich keinen Beweis angetreten. Der Senat hat zur Abklärung die vom Kläger benannte Zeugin E. K., die Ehefrau des Klägers, dazu vernommen, ob in der Besitzzeit des Klägers Arbeiten am Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommen worden sind, was die Zeugin glaubhaft verneint hat. Die Zeugin führte u.a. aus, dass sie zu dieser Aussage vor allem deshalb im Stande sei, weil wegen der 6 Kinder gerade sie als Mutter auf dieses große Fahrzeug ständig angewiesen gewesen sei und dieses gefahren habe. Die Zeugin machte auch einen glaubwürdigen Eindruck.
d) Höhe der Forderung:
Insoweit wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils (Seite 14 f. d.A.). Im Berufungsrechtszug wurden die zugesprochenen Positionen nicht angegriffen.
2. Berufung des Klägers:
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache begründet.
Der Kläger hat überzeugend dargelegt, dass er bereits deshalb schon vor Weihnachten des Jahres 2003, nämlich am 17.12.2003 das Fahrzeug zur Begutachtungsstelle gebracht hat, weil der Gutachter Sc. dazu aufgefordert hatte, da diese Werkstatt die einzige Stelle gewesen sei, die noch vor Weihnachten die zur Begutachtung notwendigen Vorarbeiten machen könne. Diese Tatsachenbehauptung blieb unstreitig, weshalb dem Kläger aus dem vermeintlich frühen Einliefern des Fahrzeugs und Beginn des Nutzungsausfalls kein Vorwurf zu machen ist. Dem Kläger steht daher der geforderte Nutzungsausfall in vollem Umfang zu, so dass die weiteren geforderten 1.200,00 EUR zuzusprechen waren.
3. Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 91 ZPO. Die im Berufungsrechtszug korrigierte Mehrforderung in Höhe von EUR 1.000,-- hat der Senat als Additionsfehler und Fall der Berichtigung gewertet. Müsste man sie als Teilrücknahme behandeln, würde dies an der Kostenentscheidung nichts ändern, da dann § 92 II Nr. 1 ZPO hinsichtlich der geringfügigen Mehrforderung anzuwenden wäre.
4. Zulassung der Revision:
Da die Frage nach dem Erfüllungsort für den Nacherfüllungsanspruch entscheidungserheblich und diese für das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, wird die Revision gemäß § 543 II ZPO zugelassen.