Das Verkehrslexikon
OLG Koblenz Urteil vom 16.07.2010 - 8 U 812/09 - Erfüllungsort für die Nacherfüllung bei Mängeln eines Kfz-Anhängers
OLG Koblenz v. 16.07.2010: Zum Erfüllungsort für die Nacherfüllung bei Mängeln eines Kfz-Anhängers
Das OLG Koblenz (Urteil vom 16.07.2010 - 8 U 812/09) hat entschieden:
Erfüllungsort für den Nacherfüllungsanspruch wegen Mängeln der Kaufsache ist der Firmensitz des Verkäufers als dem Erfüllungsort seiner kaufvertraglichen Leistungsverpflichtung. Bei Mängeln eines Kfz-Anhängers rechtfertigt die entgegen der vertraglichen Vereinbarung erfolgte Anlieferung des Anhängers durch den Verkäufer bzw. die von diesem erklärte Bereitschaft, den Anhänger zur Nachbesserung am Wohnsitz des Käufers abzuholen, noch keine Verschiebung des Leistungsorts für den Nacherfüllungsanspruch. Hat der Käufer den mangelhaften Anhänger nicht innerhalb der von ihm zur Nacherfüllung gesetzten Frist am Firmensitz des Verkäufers zur Verfügung gestellt und diesem dadurch die fristgemäße Nacherfüllung nicht ermöglicht, so ist er nicht zum Rückritt vom Vertrag berechtigt ist.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Erfüllungsort der Nacherfüllung beim Fahrzeugkauf
Gründe:
I.
Die Kläger haben nach dem Kauf eines ...-Faltanhängers bei der Beklagten die "Wandlung" des Kaufvertrages erklärt und mit der Klage die Rückzahlung des Kaufpreises von 7.370 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des ...-Faltanhängers geltend gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat den Klägern den geltend gemachten Zahlungsanspruch aus den §§ 346 Abs. 1, 433, 434, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB in Höhe von 7.320 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Faltanhängers zugesprochen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass mehrere Mängel vorhanden seien, deren Vorliegen bei Gefahrübergang gemäß § 476 BGB vermutet werde. Der Rücktritt sei nach Ablauf einer angemessenen Frist erklärt worden. Die Pflichtverletzung sei erheblich. In Höhe von 50 € sei der Anspruch der Kläger durch Aufrechnung erloschen, weil der Beklagten insoweit gemäß § 280 Abs. 1 BGB ein aufrechenbarer Gegenanspruch wegen der Kosten aus Anlass des fehlgeschlagenen Abholversuchs zugestanden habe. Das Landgericht hat den Klägern darüber hinaus gemäß §§ 280, 286 BGB i.V.m. §§ 13, 14, Nrn. 1008 und 2300 VV RVG vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 808,25 € zuerkannt.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der mit der Klage geltend gemachte Rückzahlungsanspruch wegen Rückabwicklung des Kaufvertrages über den ...-Faltanhänger besteht nicht, da die Kläger nicht wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten sind.
Dahinstehen kann, ob die Kläger wegen der gerügten Mängel gemäß § 437 Nr. 2 BGB zum Rücktritt berechtigt waren. Da sie den Anhänger nicht am Firmensitz der Beklagten zur Nachbesserung zur Verfügung gestellt haben, haben sie die Nacherfüllung nicht innerhalb der gesetzten Frist ermöglicht und damit eine Mitwirkungshandlung nicht erfüllt, die das Rücktrittsrecht voraussetzt.
Erfüllungsort für die Nacherfüllung ist hier der Firmensitz der Beklagten als dem Erfüllungsort ihrer kaufvertraglichen Leistungsverpflichtung (§ 269 Abs. 1 BGB, siehe Auftragsbestätigung vom 25. Februar 2008, Bl. 8 GA: LIEFERUNG: ab …, Selbstabholer).
Als Nacherfüllungsort kommt grundsätzlich in Betracht der ursprüngliche Leistungsort des durch den Kaufvertrag begründeten Primärleistungsanspruchs oder aber der Belegenheitsort der mangelhaften Sache im Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens. Entscheidend ist insoweit, dass der Nacherfüllungsanspruch der modifizierte Erfüllungsanspruch ist. Die Lieferung einer mangelhaften Sache führt - mangels Bewirkens der im Kaufvertrag geschuldeten Leistung - nicht zur Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB). Vielmehr verwandelt sich der ursprüngliche Lieferanspruch des Käufers in einen Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. An die Stelle des Anspruchs auf Übereignung der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) tritt das Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung (§ 439 Abs. 1 BGB). Vor diesem dogmatischen Ansatz drängt es sich auf, dem dem Erfüllungsanspruch modifiziert entsprechenden Nacherfüllungsanspruch denselben Leistungsort zuzuweisen (OLG München, Urteil vom 20. Juni 2007 - 20 U 2204/07; OLGR München 2007, 796).
Zwar können Verkehrssitte und Treu und Glauben im Einzelfall ein anderes Ergebnis fordern (OLG München, a.a.O.). Vorliegend kommt unter diesen Gesichtspunkten ein solches jedoch nicht in Betracht. Insbesondere rechtfertigt die entgegen der vertraglichen Vereinbarung offensichtlich durch die Beklagte erfolgte Anlieferung des Anhängers noch keine Verschiebung des Leistungsortes für den Nacherfüllungsanspruch. Entsprechendes gilt für die von der Beklagten dokumentierte Bereitschaft, den Anhänger zur Nachbesserung am Wohnsitz der Kläger abzuholen. Die Parteien haben jedenfalls nicht dargelegt, dass der Grund dafür in einer Vereinbarung über die Verschiebung des Leistungsortes für den Nacherfüllungsanspruch liegt. Der Umstand ist deshalb der Kostentragungspflicht nach § 439 Abs. 2 BGB zuzuordnen, die für die Bestimmung des Leistungsortes ohne Bedeutung ist (OLG München, a.a.O.).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht der dargelegten Auffassung zum Leistungsort des Nacherfüllungsanspruchs im Kaufrecht nicht entgegen. Zwar hat der 10. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zum Werkvertrag entschieden, dass als Erfüllungsort der Gewährleistung nach altem wie nach neuem Recht der Ort anzusehen ist, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Gewährleistung bestimmungsgemäß befindet (Urteil vom 8. Januar 2008 - X ZR 97/05, NJW-RR 2008, 724, Teilziffer 13). Der für das Kaufvertragsrecht zuständige 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat jedoch in einem Urteil vom 15. Juli 2008 (VIII ZR 211/07, NJW 2008, 2837, Teilziffer 27) offen gelassen, ob dies ohne Einschränkung auch für die Nacherfüllung beim Kauf beweglicher Sachen gilt.
Auch vermag der Senat insoweit nicht der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle in einem Urteil vom 10. Dezember 2009 - 11 U 32/09 (MDR 2010, 372) zu folgen. Danach ist Erfüllungsort der Nacherfüllung der Wohnsitz des Käufers, wenn bei dem Kauf eines Fahrzeuges für private Zwecke für die Durchführung der Nacherfüllung ein Ort im Vertrag nicht bestimmt und beiden Seiten bei Vertragsschluss klar war, dass das Fahrzeug bestimmungsgemäß beim Käufer sein wird. Zur Begründung hat sich das Oberlandesgericht Celle auf die nur auf das Werkvertragsrecht zugeschnittene Entscheidung des 10. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2008 bezogen, ohne jedoch auf die Bedenken des für das Kaufvertragsrecht zuständigen 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 15. Juli 2008 einzugehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Senat lässt die Revision zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Erfüllungsort für die Nacherfüllung bei einem Kaufvertrag über bewegliche Sachen ist bisher nicht ergangen.