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OLG Brandenburg Urteil vom 11.10.1995 - 7 U 60/95 - Fabrikneuheit als zugesicherte Eigenschaft eines Lkws
OLG Brandenburg v. 11.10.1995: Zur Fabrikneuheit als zugesicherte Eigenschaft eines Lkws
Das OLG Brandenburg (Urteil vom 11.10.1995 - 7 U 60/95) hat entschieden:
Die für die Annahme der Fabrikneuheit eines Pkw geltenden Grundsätze können ohne weiteres auch für den Verkauf von Lkw übernommen werden, weil die Interessenlage der beteiligten Verkehrskreise die gleiche ist.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Neuwagenkauf
Tatbestand:
Mit Kaufvertrag vom 8.10.1993 kaufte der Kläger beim Beklagten einen Lastkraftwagen von Typ T. ... zum Preise von 102 005 DM inklusive MwSt; unstreitig sollte es sich um einen fabrikneuen Lkw in der Form eines Drei-Seiten-Kippers handeln, der als Zusatzausstattung eine R.-Anhängerkupplung erhalten sollte und den der Beklagte nicht vorrätig hatte. Die Übergabe des Fahrzeugs fand am 20.10.1993 statt. Am selben Tage wurde der Kaufpreis an den Beklagten durch die Firma U.-Leasing GmbH überwiesen, mit der der Kläger unter dem 7.10.1993 einen sog. Mietkaufvertrag abgeschlossen hatte. Vereinbarungsgemäß erwarb die Firma U.-Leasing das Fahrzeug zu Eigentum, vermietete es an den Kläger und trat diesem u.a. gem. Nr. 4.2 der Mietkaufbedingungen ihre Gewährleistungsgarantieansprüche einschließlich der Wandelungsbefugnis ab. In dem dem Kläger ausgehändigten deutschen Kfz-Fahrzeugbrief befand sich keine Eintragung über einen Vorbesitzer.
Am 11.4.1994 erlitt ein Fahrer des Klägers mit dem erworbenen Lkw infolge Bremsenversagens einen Verkehrsunfall ohne Fremdbeteiligung. Da der Beklagte das Vorliegen von Gewährleistungsmängeln verneinte, verbrachte der Kläger den Lkw zur Überprüfung und eventuellen Reparatur in die Werkstatt der F. GmbH. Wegen der dort festgestellten Mängel und des Prüfergebnisses bezüglich der Fahrzeugidentität verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages unter gleichzeitiger Erklärung der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und vorsätzlichen Verschweigens nicht vorhandener Eigenschaften. Der Kläger hat mit dem seit Anfang des Jahres 1995 stillgelegten Fahrzeug eine Fahrstrecke von 45 000 km zurückgelegt. Im Anschluss an die erstinstanzliche Beweisaufnahme ist zweitinstanzlich zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass der streitbefangene Lkw unter dem 15.12.1992 vom Herstellerwerk an eine tschechische Firma, und zwar einen Lkw-Händler, veräußert und auf diesen zugelassen wurde.
Der Kläger hat vorgetragen:
Der Lkw sei entsprechend der Bescheinigung der F. GmbH im Januar 1991 als Sattelzugmaschine gebaut, am 15.12.1992 vom Werk an eine tschechische Firma veräußert und auf diese zugelassen worden. Er sei nachträglich zum Drei-Seiten-Kipper umgebaut worden und - insoweit unstreitig - erst 1994 vom Beklagten in Tschechien erworben worden. Bereits deswegen handele es sich nicht um ein fabrikneues Fahrzeug, abgesehen davon, dass die Überprüfungen der Firma F. erhebliche Mängel ergeben hätten, die nicht lediglich auf den zwischenzeitlichen Gebrauch durch ihn zurückzuführen seien. Der Beklagte sei jedenfalls wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verpflichtet.
Das LG hat dem Rückzahlungsbegehren Zug um Zug gegen Rückgabe des Lkw im wesentlichen stattgegeben, dabei jedoch eine Nutzungsvergütung abgezogen.
Die Berufung des Beklagten hatte nur wegen eines geringfügigen Teils der anzurechnenden Nutzungsvergütung Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
... Für den Bereich des Kaufes von Pkw ist der Begriff der Fabrikneuheit dahingehend umschrieben worden, dass ein - abgesehen von der Überführung - nicht benutztes Kfz, das mithin noch nicht seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch als Verkehrsmittel zugeführt worden war, grundsätzlich fabrikneu ist, wenn und solange das Modell des Kfz unverändert weitergebaut wird, also keinerlei Änderungen in der Technik und der Ausstattung aufweist, durch das Stehen keine Mängel entstanden sind und nach Verlassen des Herstellerwerkes keine (erheblichen) Beschädigungen eingetreten sind, die vor Auslieferung an den Käufer nachgebessert wurden (BGH NJW 1980, 1097, 1098; BGH DB 1980, 1836). Ob eine derartige Bestimmung des Begriffs der Fabrikneuheit auch auf den hier interessierenden Bereich der Neufahrzeuge im allgemeinen übertragbar ist, ist - soweit anhand von Entscheidungsveröffentlichungen ersichtlich - in der höchst- und obergerichtlichen Rspr. bislang noch nicht entschieden (vgl. hierzu die Hinweise bei Kreutzig, Recht des Autokaufs, 3. Aufl., Nr. 1.1.2.10). Der Senat hat keine Bedenken, die für Pkw entwickelten Kriterien zur Bestimmung des Begriffs der Fabrikneuheit grundsätzlich auch auf Lkw zu übertragen, weil aus der Sicht des davon betroffenen Kreises der Neuwagenkäufer nach der Verkehrsauffassung, insbesondere der Interessenlage, keine geringeren Anforderungen an diese Eigenschaft zu stellen sind. Indessen nötigt der vorliegende Fall nicht zu einer abschließenden Festlegung und Erörterung der erwähnten Kriterien. Denn der Begriff der Fabrikneuheit besagt bereits seinem Wortsinn nach, dass die Sache nicht nur neu - aus neuen Materialien - hergestellt wurde und unbenutzt ist (vgl. hierzu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 5. Aufl., Rn. 446), sondern dass sie darüber hinaus in der vertraglich vereinbarten Form in der Fabrik (des Herstellers) hergestellt wurde; dies gilt jedenfalls für - wie hier - erst zu bestellende, d.h. also nicht vorrätige Fahrzeuge eines fabrikmäßigen Herstellers, und zwar bei Pkw nicht anders als bei Lkw.
An dieser Grund- bzw. Mindestvoraussetzung der Eigenschaft der Fabrikneuheit fehlt es dem an den Kläger gelieferten Lkw T. (Wird ausgeführt.)
Damit steht für den Senat fest, dass entgegen der Zusicherung des Beklagten das vom Kläger erworbene Fahrzeug nicht als Drei-Seiten-Kipper fabrikneu im Herstellerwerk der T. in Tschechien gebaut, sondern als Sattelzugmaschine an eine tschechische Firma (möglicherweise einen Fahrzeughändler) vom Werk verkauft worden ist; außerhalb des Werks wurde sodann von unbekannter Seite der Umbau in einen Drei-Seiten-Kipper vorgenommen, der eine Verlängerung des Rahmens durch Einsetzen eines Zwischenstücks und Schweißstellen zur Folge hatte, die im Zeitpunkt der Besichtigung durch den Zeugen S. gerissen waren. Derartige nachträgliche Veränderungen an einem Fahrzeug durch nicht werksseitige Umbauten von dritter Seite, die zudem ein höheres Risiko nicht fachgerechter Ausführung in sich tragen, will der redliche Erwerber auf keinen Fall auf sich nehmen, wenn er - wie hier - sich die fabrikneue Herstellung eines bestimmten Fahrzeugtyps zusichern lässt. ...
Von dem danach aufgrund der berechtigten Wandlung grundsätzlich bestehenden Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises von 105 005 DM sind als Nutzungsvergütung über den vom LG auf der Grundlage des damaligen Sach- und Streitstandes zutreffend abgesetzten Betrag von - gerundet - 29 000 DM hinaus weitere 1 754,35 DM abzuziehen. ...
In Anwendung des vom LG herangezogenen Grundsatzes, dass bei gewerblich genutzten Lkw ein Betrag von 0,67 % des Kaufpreises pro gefahrenen 1 000 km angemessen ist (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 1991, 493), ergibt dies auf der Grundlage des Bruttokaufpreises und der korrigierten Fahrleistung von 45 000 km den Betrag von 30 754,35 DM. ...