Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Berlin Urteil vom 09.01.2013 - 42 O 397/11 - Zurücklassen des Fahrzeugschlüssels in einer unverschlossenen Umkleidekabine

LG Berlin v. 09.01.2013: Obliegenheitsverletzung durch Zurücklassen des Fahrzeugschlüssels in einer unverschlossenen Umkleidekabine


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 09.01.2013 - 42 O 397/11) hat entschieden:
Dem Versicherungsnehmer ist eine grob fahrlässige Herbeiführung des Kraftfahrzeugdiebstahls vorzuwerfen, wenn er den Fahrzeugschlüssel während eines Sportkurses in einer Sporttasche in einer nicht verschlossenen Umkleidekabine zurücklässt, wo sie entwendet werden. Das grob fahrlässige Verhalten des Versicherungsnehmers führt gemäß § 81 Abs. 2 VVG zu einer Kürzung der Versicherungsleistung um 25 %.


Siehe auch Fahrzeugschlüssel und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Kraftfahrtversicherung nach Maßgabe der AKB (Stand 09/2008) mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 € und macht vorliegend Ansprüche aus Anlass eines behaupteten Fahrzeugdiebstahls vom 27. April 2011 geltend. An diesem Tage stellte der Kläger seinen Pkw Audi A 5 1.8 mit dem amtlichen Kennzeichen B-​... gegen 19:50 Uhr vor dem Grundstück der R Grundschule in der ... in ... Berlin ab. Sodann begab er sich zu der dort befindlichen Sporthalle und nahm an einem Sportkurs teil. In der zur Sporthalle zugehörigen Umkleidekabine beließ er in einer Sporttasche die Fahrzeugschlüssel. Gegen 21:45 Uhr meldete der Kläger den Audi bei der Polizei als gestohlen und gab dies auch gegenüber der Beklagten an, um bei dieser den Wiederbeschaffungswert geltend zu machen. Dieser betrug zum Diebstahlszeitpunkt 29.365,85 € netto. Der Kläger hat der Beklagten einen Fahrzeugschlüssel übergeben.

Die Beklagte lehnte eine Schadensregulierung ab.

Der Kläger behauptet, der Audi sei gestohlen worden. Er habe den Diebstahl nicht grob fahrlässig herbeigeführt, auch wenn er die Tasche in der Umkleidekabine abgestellt habe. Es habe sich aber noch Reinigungspersonal in dem Gebäudekomplex befunden, als er den Pkw geparkt habe. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Halle von den Reinigungskräften verlassen und die Türen von diesen auch abgeschlossen worden seien - und zwar bis um 20:30 Uhr - seien stets Personen in der Umkleidekabine gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei ein Diebstahl daher nicht möglich gewesen. Vielmehr könne sich dieser erst ereignet haben, nachdem die Halle um 20:30 Uhr von den Reinigungskräften verlassen und verschlossen worden sei. Möglicherweise sei der Täter schon vorher in der Halle gewesen und habe sich einschließen lassen. Nach dem Diebstahl sei festgestellt worden, dass ein Kippfenster im Duschraum aus der Arretierung geöffnet worden sei. Möglicherweise habe der Täter versucht, durch dieses Kippfenster das Gebäude zu verlassen. Dies sei ihm aber wohl nicht gelungen, da die Polizei festgestellt habe, dass die verschlossene Flügeltür (Eingangstür) von innen durch Betätigen der Verriegelung des passiv verschlossenen Türflügels geöffnet worden sei. Deshalb habe der Täter das Gebäude wohl eher durch diese Flügeltür verlassen.

Der Kläger meint, er habe den Versicherungsfall nicht durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt. Während er und die benannten Zeugen in der Sporthalle dem Kendo Sport nachgegangen seien, sei der Zugang zur Halle jederzeit durch die davor befindlichen Glastüren sichtbar gewesen. Der Täter müsse einen kurzen Moment genutzt haben, um die Halle zu verlassen, als keiner der Sportler den Zugang gesehen habe.

Zu den Schlüsselverhältnissen trägt er vor, es sei ihm nicht mehr erinnerlich gewesen, beim Kauf drei Schlüssel erhalten zu haben. Es seien jeweils nur die beiden Hauptschlüssel benutzt worden und zwar von ihm und seiner Ehefrau. Der Notschlüssel sei abhanden gekommen, da er ihn trotz Suchens in der Wohnung nicht mehr habe finden können. Der zweite Hauptschlüssel sei anlässlich des streitigen Diebstahlereignisses gestohlen worden.

Der Kläger beantragt,
  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.215,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 08. Oktober 2011 zu zahlen;

  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebührenforderung seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.196,43 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, dass der Audi von unbekannten Dritten entwendet worden ist. Selbst wenn dies zuträfe, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen, weil er durch das Aufbewahren des Schlüssels in der unbewachten und für jedermann zugänglichen Umkleidekabine die Entwendung grob fahrlässig ermöglicht habe.

Darüber hinaus sei sie auch deshalb leistungsfrei, weil der Kläger ihr gegenüber angegeben habe, dass er beim Kauf des Fahrzeugs lediglich zwei Fahrzeugschlüssel erhalten habe, obwohl er tatsächlich insgesamt drei Schlüssel bekommen hat.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Linz und Lamprecht. Außerdem ist der Kläger gemäß §§ 141, 278 Abs. 2 ZPO persönlich angehört worden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05. Dezember 2012 (Bl. 85 – 93 d. A.) verwiesen.

Die Akten 212 Js 10299/11 der Staatsanwaltschaft Berlin lagen vor.


Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist aufgrund des Teilkaskoversicherungsertrages der Parteien verpflichtet, dem Kläger für den Diebstahl seines Fahrzeugs am 27. April 2011 grundsätzlich Schadensersatz zu leisten. Eine Kürzung auf 75 % gemäß Abschnitt A.2.18.1 der AKB 2008 ist nach den Gesamtumständen hier aber gerechtfertigt.

Grundsätzlich steht dem Kläger ein Anspruch auf Versicherungsleistung gemäß A.2.1.1 und A.2.6 AKB i.V.m. §§ 1 Satz 1, 88 VVG zu, nachdem er den Nachweis hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalls führen konnte und eine Leistungsfreiheit gemäß § 28 VVG – wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung – nicht festgestellt werden kann.

Der Kläger hat den Nachweis der bedingungsgemäßen Entwendung des Pkw Audi A 5 mit dem amtlichen Kennzeichen B-​... in der Zeit zwischen 19:50 Uhr und 21:35 Uhr des 27. April 2011 zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts erbracht.

Auch wenn ihm für den eigentlichen Entwendungsvorgang kein Beweismittel zur Verfügung steht, ist dies hier unerheblich. Denn die Rechtsprechung billigt dem für den Eintritt des Versicherungsfalls beweisbelasteten Versicherungsnehmer, der sich in Entwendungsfällen regelmäßig in Beweisnot befindet, weil Fahrzeugdiebstähle in Abwesenheit des Versicherungsnehmers oder sonstiger Zeugen begangen werden, Beweiserleichterungen zu (vgl. Kohlhosser, Beweiserleichterungen bei Entwendungsversicherungen, NJW 1997, 969, 970; Römer, Der Kraftfahrzeugdiebstahl als Versicherungsfall Voraussetzungen und Beweis eines Anspruchs aus der Kaskoversicherung, NJW 1996, 2329, 2331 jeweils m.w.N.). So ist es ausreichend, aber auch notwendig, dass der Versicherungsnehmer den Beweis für das sogenannte "äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung" erbringt. Dazu genügt es, dass er ein Mindestmaß an Tatsachen darlegt und beweist, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Wegnahme gegen den Willen des Berechtigten zulassen (BGH VersR 1996, 319 und 575; NJW 1995, 2169). Zu diesem Mindestmaß an Tatsachen gehören das Abstellen des versicherten Fahrzeugs an einem bestimmten Ort einerseits und das spätere Nicht-​Wiederauffinden gegen den Willen des Versicherungsnehmers andererseits; nur hinsichtlich dieser Tatsachen muss der Versicherungsnehmer den Vollbeweis führen (vgl. im Einzelnen BGH VersR 1997, 733, 734; VersR 1993, 571).

Der Kläger selbst hat glaubhaft angegeben, dass er das Fahrzeug am Abend des 27. April 2011 gegen 19:50 Uhr auf der Straße vor dem Gebäude der ... Grundschule abgestellt habe, um dort an einem Sporttraining teilzunehmen. Nach dem Training habe er bemerkt, dass aus seiner Tasche in der Umkleidekabine die Fahrzeug- sowie Haustürschlüssel und eine Armbanduhr entwendet worden seien. Als er daraufhin nachgesehen habe, ob das Auto noch auf seinem Parkplatz steht, sei dieses weg gewesen.

Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass diese Angaben des Klägers zutreffen. Eine Unredlichkeit des Klägers kann nicht festgestellt werden.

Abgeleitet aus der im Strafverfahren geltenden Unschuldsvermutung (vgl. auch Art 6 Abs. 2 MRK) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer im Regelfall redlich und damit glaubwürdig ist (st. Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1996, 1348; KG, Urteil vom 10. September 2010 – 6 U 18/10 -). Etwas anderes gilt erst, wenn sich aus dem sonstigen Sachverhalt konkrete Tatsachen ergeben, die geeignet sind, den Versicherungsnehmer als nicht (mehr) glaubwürdig erscheinen zu lassen oder jedenfalls schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung der Entwendung aufdrängen (BGH NJW-​RR 1997, 598, 599; BGH VersR 1996, 575; Kollhosser a.a.O. S. 972). Solche Anhaltspunkte, die die Glaubwürdigkeit des Klägers in Frage stellen könnten, sind jedoch vorliegend weder aus dem Akteninhalt noch sonst ersichtlich. Auch die Beklagte hat diesbezüglich keine hinreichenden Indizien für eine Unredlichkeit des Klägers vorgetragen. Aus der Tatsache, dass zwei der beim Kauf erhaltenen drei Schlüssel nicht vorgelegt werden konnten, ergeben sich keine erheblichen Bedenken hinsichtlich des Sachvortrags des Klägers. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn weitere Ungereimtheiten hinzukämen, die die Nichtangabe des dritten (Not-​)Schlüssels in einem anderen Licht erscheinen ließen. Vorliegend ist dem Kläger jedoch nicht zu widerlegen, dass er den Erhalt des Notschlüssels schlicht vergessen hatte. Eine solche Fehlleistung ist menschlich nachvollziehbar und begründet noch kein Misstrauen gegenüber dem Kläger. Die Nichtvorlage des zweiten Hauptschlüssels erklärt sich damit, dass dieser bei dem streitigen Vorfall entwendet worden ist.

Zudem haben die Zeugen ... und ... übereinstimmend die Angaben des Klägers zum Geschehen am Abend des 27. April 2011 bestätigt. Der Zeuge ... hat ausgesagt, dass er gegen 20:10 Uhr zur Schule gekommen sei und bei der Suche nach einem Parkplatz für sein Fahrzeug das unmittelbar vor dem Gebäude geparkte Klägerfahrzeug gesehen habe. Später, nach Abschluss des Trainings, sei festgestellt worden, dass die Tasche des Klägers durchwühlt worden sei und die Schlüssel gefehlt hätten. Beim Herausgehen aus dem Schulgebäude habe man bemerkt, dass das Auto nicht mehr auf seinem Parkplatz gestanden habe. Der Zeuge ... hat ebenfalls ausgesagt, dass der Kläger nach dem Training Gegenstände vermisst gehabt habe, er deshalb aufgeregt gewesen sei und später bemerkt habe, dass sein Auto weg gewesen sei.

Nach der Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das Gericht deshalb mit der für § 286 ZPO notwendigen Sicherheit (vgl. dazu Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Auflage § 286 Rdnr. 17 – 20) davon überzeugt, dass das Auto des Klägers tatsächlich gestohlen worden ist. Nach § 286 Abs. 1 ZPO ist die Entscheidung, ob eine tatsächliche Parteibehauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu treffen, wobei eine absolute, über jeden Zweifel erhabene Gewissheit von der Wahrheit in diesem Zusammenhang nicht erwartet werden darf - denn dies würde die Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit unbeachtet lassen (vgl. BGH NJW 1970, 946; BGH NJW 1993, 935, 937). Es genügt vielmehr eine subjektive Überzeugung von der Wahrheit der behaupteten Tatsache, die verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Dies ist hier der Fall. Das Gericht zweifelt nicht daran, dass der Kläger tatsächlich Opfer eines Fahrzeugdiebstahls geworden ist und diesen nicht etwa nur vortäuscht, zumal das Fahrzeug mittlerweile auch unstreitig im Ausland wieder aufgefunden worden ist.

Die Beklagte ist auch nicht etwa gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG in Verbindung mit E.6 AKB von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kläger mindestens grob fahrlässig oder aber vorsätzlich seine Aufklärungspflicht verletzt hat, indem er falsche Angaben gemacht hat. Dabei ist der objektive Tatbestand der Verletzung einer Obliegenheit von der Beklagten als Versicherer zu beweisen (BGH VersR 2007, 389; Stiefel/Maier AKB, 18. Auflage AKB E.1 Rn. 16; KG Beschluss vom 6.7.2010 – 6 W 6/10 -). Nach § 28 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 VVG trägt der Versicherungsnehmer dagegen die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit. Hier vorliegend kann dem Kläger seine Einlassung, er habe nicht mehr in Erinnerung gehabt, zusätzlich zu den beiden Originalschlüsseln einen Notschlüssel erhalten zu haben, nicht widerlegt werden. Die Anzahl der beim Kauf ausgehändigten Schlüssel stellt kein ungewöhnliches, sich ins Gedächtnis einprägendes Ereignis dar, so dass man dem Kläger ohne weiteres glauben kann, dass er den Notschlüssel unabsichtlich unerwähnt gelassen hat. Zudem hat die Beklagte nicht dargelegt, dass der Kläger über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung ordnungsgemäß belehrt worden ist. Gemäß § 28 Abs. 4 VVG 2008 muss jedoch anlässlich des konkreten Schadensereignisses eine Belehrung erfolgen, die die betreffende Obliegenheit des Versicherungsnehmers entstehen lässt (Pohlmann in Looschelders/Pohlmann VVG, § 28 VVG Rn. 129; Prölls in Prölls/Martin, VVG 28. Auflage 2010, § 28 VVG Rn. 153). Nur bei arglistigem Verhalten ist eine vorherige Belehrung nicht erforderlich. Ein von dem Kläger ausgefülltes Schadensmeldungsformular der Beklagten, welches einen entsprechenden Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit einem Diebstahlsereignis entstehenden Obliegenheiten enthält, hat die Beklagte nicht vorgelegt. Für ein arglistiges Verschweigen des Notschlüssels sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - und an sich auch bereits nach dem klägerischen Sachvortrag - steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Versicherungsfall von dem Kläger grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Der Versicherungsnehmer fördert den Eintritt des Versicherungsfalles dann grob fahrlässig, wenn er die verkehrserforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht lässt und das Nächstliegende, das jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet (BGH, r+s 1989, S. 62). Der subjektive Risikoausschluss des § 61 VVG a.F. betrifft mithin ein Verhalten, bei dem sich schon bei einfachen und nahe liegenden Überlegungen die erhöhte Schadenswahrscheinlichkeit und die Notwendigkeit, ein anderes als das geübte Verhalten in Betracht zu ziehen, aufdrängt (OLG Hamm, r+s 1991, S. 332). Ein typischer Fall für grob fahrlässiges Verhalten im Zusammenhang mit der Entwendung eines Fahrzeugs kann die mangelnde Sicherung des Kfz, auch in Form unzureichender Sicherung der Kfz-​Schlüssel, gegen den Zugriff beliebiger fremder Dritter ergeben (OLG Köln, r + s 1996, S. 392). Zu den von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu erwartenden Sicherheitsvorkehrungen gegen den Diebstahl eines Kfz gehört es nämlich, die Kfz-​Schlüssel so aufzubewahren, dass sie vor dem unbefugten Zugriff beliebiger Dritter geschützt sind. Im Fall des Verbleibens von Kfz-​Schlüsseln in den Taschen eines abgelegten Kleidungs- oder Gepäckstückes ist stets im Einzelfall maßgeblich, in welchem Grad sich der Gewahrsamsinhaber des Einflusses auf die Schlüssel begibt und zugleich Fremde Zugriff auf die Schlüssel nehmen können. Bei Umkleideräumen von Sportanlagen - wie im vorliegenden Fall - ist allgemein bekannt, dass dort besondere Vorsicht im Hinblick auf mitgebrachte Wertgegenstände angezeigt ist, weil es immer wieder zu Diebstählen aus zurückgelassenen Taschen oder Kleidungsstücken kommt (vgl. OLG Köln, a.a.O., S. 392). Der Bejahung einer erhöhten Diebstahlsgefahr steht nicht entgegen, dass die Sportanlage nicht zur Benutzung durch die Allgemeinheit zugänglich ist (vgl. OLG Stuttgart, r+s 1996, S. 393). Die Umkleideräume von Sportstätten üben - wie allgemein bekannt - eine erhebliche Anziehungskraft auf Diebe aus. Ein grob fahrlässiges Verhalten ist daher bei Zurücklassen der Fahrzeugschlüssel bzw. Wertsachen in der unbeaufsichtigten und unverschlossenen Umkleide bzw. in sonstigen in bestimmter Weise zugänglichen Räumlichkeiten unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls zu bejahen (vgl. OLG Hamburg, VersR 1995, S. 1347 ff.; OLG Stuttgart, VersR 1993, S. 604 ff.; r + s 1996, S. 393 f.; OLG Koblenz, VersR 2000, S. 224; AG München, VersR 1984, S. 650; AG Charlottenburg, Schaden-​Praxis 2008, S. 157 ff.: Umkleide; LG Offenburg, VersR 2005, S. 1683: Gaststätte; OLG Köln, RuS 1996, S. 392 ff.; OLG Köln, a.a.O., S. 392: Reiterhof).

Auch in dem hier zu entscheidenden Fall war eine Situation gegeben, die zu besonderer Vorsicht beim Zurücklassen von Wertgegenständen in der unstreitig unverschlossenen Umkleidekabine mahnen musste. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers nimmt eine unterschiedliche Anzahl von Personen an dem Sportkurs teil. Dabei ist die Umkleidekabine selbst zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen. Auch das Gebäude wird erst dann geschlossen, wenn alle Teilnehmer anwesend sind. Bis dahin bleibt das Schulgebäude geöffnet. Dies ist nach der Aussage der vernommenen Zeugen zumindest noch für 15 bis 20 Minuten nach Beginn des Sportkurses der Fall. Zudem befand sich nach dem Sachvortrag des Klägers zunächst auch noch Reinigungspersonal in dem Gebäude. Somit hatte eine nicht ganz unerhebliche Anzahl von Personen Zugang zu der Herrenumkleide und somit zu der frei zugänglichen Tasche mit den Schlüsseln. Unstreitig ist die Herrenumkleide durch eine unverschlossene Tür zugänglich. Auch wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass ihm die in seinem eigenen Kurs teilnehmenden Personen bekannt waren und daher ein gewisses Vertrauen herrschte, so kann dies jedoch nicht in gleichem Maße für das ebenfalls im Gebäude anwesende Reinigungspersonal gelten, zumal dieses nach Aussage des Zeugen Linz den Sportteilnehmern unbekannt ist. Hinzu kommt, dass nicht auszuschließen ist, dass sich noch andere Personen aufgrund von anderen Veranstaltungen (Elternversammlung u.ä.) in dem Gebäude aufhalten, das bis ca. 20:30 Uhr frei zugänglich ist. Eine unbeobachtete Wegnahme der Schlüssel war daher ohne weiteres denkbar. Darüber hinaus kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Eingangsbereich zur Umkleidekabine – so der Klägervortrag – von der Sporthalle aus wegen der Glastür überwacht werden konnte. Vielmehr hat der Zeuge Linz ausgesagt, dass eine Kontrolle des Eingangsbereichs während des Trainings nicht möglich sei. Trotz der Glastür sei für die Sportler das Beobachten des Zugangs zur Umkleidekabine nicht möglich. Denn die Konzentration der Sportler sei auf ihre Übungen gerichtet und es würde dabei niemand wirklich auf den Eingangsbereich achten. Zudem sei insbesondere beim Kendo-​Sport das Gesichtsfeld der Sportler wegen der Gesichtsmasken, die diese tragen würden, eingeschränkt.

Weiterhin ist das Gericht der Überzeugung, dass auch eine hinreichende Kontrolle durch den Hausmeister nicht gewährleistet ist. Zwar befindet sich dieser nach der Aussage des Zeugen ... am Hauseingang in einer Glaskabine. Dort sei er aber nach der Angabe des Zeugen mit seinem Computer beschäftigt. Mithin beobachtet der Hausmeister den Eingang gerade nicht, da es als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, dass die Beschäftigung am Computer - sei es mit Spielen, mit Internetsurfen oder mit beruflichen Dingen – die Aufmerksamkeit derart beanspruchen kann, dass Vorgänge in der Umgebung weitgehend unbemerkt bleiben können.

Deshalb steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Eingangstüre nicht nur vor Beginn des Kurses, an dem der Kläger teilgenommen hat, sondern auch einige Zeit danach geöffnet war, so dass es unbefugten Dritten ohne weiteres möglich gewesen ist, die unverschlossene Herrenumkleide zu betreten. So hat der Zeuge ... ausgesagt, dass er selbst seine Wertgegenstände regelmäßig mit in die Sporthalle genommen und nicht in der Umkleidekabine gelassen habe. Eine entsprechende Empfehlung habe er als Sportwart auch seinen Teilnehmern gegenüber erteilt, wenn er auch nicht genau angeben könne, ob der Kläger dies mitbekommen habe. Es war somit dem Zeugen ... bewusst, dass es unbefugten Dritten ohne weiteres möglich gewesen ist, vor Beginn des Kurses in das Schulgebäude zu gelangen und nach dem Beginn unerkannt die Herrenumkleide zu betreten. Auch bestand aufgrund der räumlichen Gegebenheiten jederzeit die Möglichkeit, das Schulgebäude zu einem früheren Zeitpunkt zu betreten und sich dort zu verstecken, um später während des laufenden Kurses unbemerkt in die Umkleide zu gelangen. So hat der Kläger das Zustandekommen des Schlüsseldiebstahls auch selbst erklärt.

Aufgrund dieser Gegebenheiten ist von einer groben Fahrlässigkeit des Klägers auszugehen. Auch wenn der Diebstahl eines Kfz grundsätzlich eine höhere kriminelle Energie als der bloße Diebstahl von sonstigen Wertsachen erfordert, so musste der Kläger doch insbesondere damit rechnen, dass durch das Zurücklassen der Schlüssel die - sich im vorliegenden Fall offenbar auch realisierte - Gefahr einer Wegnahme des in unmittelbarer Nähe geparkten Fahrzeugs bestand. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung scheidet dagegen aus.

Das grob fahrlässige Verhalten des Klägers führt gemäß § 81 Abs. 1 VVG zu einer Kürzung der Versicherungsleistung um 25 %. Nach E.6.1 und 6.2 AKB 2008 hat eine Verletzung der in E.1.3 geregelten Obliegenheit Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung im gesetzlichen Rahmen des § 28 VVG zur Folge. Nach § 28 Abs. 2 VVG führt ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit zur Leistungsfreiheit des Versicherers und ein grob fahrlässiger Verstoß zu einer Leistungsverkürzung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis. Ausgangspunkt für die Quotenbildung ist das objektiv festzustellende Verschulden, welches durch subjektive Umstände verringert oder gesteigert werden kann. Nach dem Goslarer Orientierungsrahmen sind dabei z. B. normative Vorprägungen aus anderen Rechtsgebieten, wie die Frage, ob der Geschädigte seinerseits eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat begangen hat, zu berücksichtigen (vgl. Nugel, Quotenbildung nach dem neuen VVG, MDR 2010, 597 f ). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verhalten des Klägers stellt sich in der gegebenen Situation vielmehr subjektiv als Fehlverhalten dar, welches den Gesetzgeber mit dazu veranlasst hat, die vormals gültige restriktive Rechtsfolge des vollständigen Verlustes der Versicherungsleistung zu ändern, da diese zunehmend als "ungerecht" empfunden wurde. Der Kläger hat durch sein Verhalten keine dritte Person geschädigt oder gefährdet, er hat keine Vorschriften verletzt und auch keine Mehrfachpflichtverletzungen begangen. Es handelt sich "lediglich" um einen gefahrgeneigten Umgang mit den Fahrzeugschlüsseln. Dies rechtfertigt eine Leistungskürzung um nicht mehr als 25 % (vgl. auch Pressemitteilung in zfs 2010, S. 12 ).

Der Wiederbeschaffungswert in Höhe von 29.365,85 € netto ist zwischen den Parteien unstreitig, so dass dem Kläger 75 % davon, mithin 22.024,39 € abzüglich 150,00 € Selbstbeteiligung zustehen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Ziffer 3, 288 Abs.1 BGB. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass sie mit Schreiben vom 07. September 2011 die Forderung des Klägers abgelehnt hat. Mithin ist der Verzug der Beklagten mit diesem Schreiben eingetreten. Daraus folgt, dass der Kläger auch Anspruch auf Freistellung der Rechtsanwaltskosten hat, da sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers erstmals mit Schreiben vom 22. September 2011 bei der Beklagten gemeldet hat und somit nach Verzugseintritt beauftragt worden ist. Diese Beauftragung stellt sich deshalb als Verzugsschaden des Klägers dar. Allerdings sind die Rechtsanwaltskosten nur nach einem Geschäftswert von bis zu 22.000,00 €, also in Höhe von 1.023,16 € gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 und 709 ZPO.