Das Verkehrslexikon

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OVG Bautzen Beschluss vom 31.07.2014 - 3 B 152/14 - Rechtsfragen bei der Überführung von Punkten aus dem Verkehrszentralregister in das Fahreignungsregister

OVG Bautzen v. 31.07.2014: Rechtsfragen bei der Überführung von Punkten aus dem Verkehrszentralregister in das Fahreignungsregister


Das OVG Bautzen (Beschluss vom 31.07.2014 - 3 B 152/14) hat entschieden:
Es ist offen, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens von 18 Punkten am Tag der letzten punktbewehrten Verkehrszuwiderhandlung in Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, zusätzlich nach neuer Rechtslage zu beurteilen ist und nur nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des § 65 Abs 3 StVG betreffend die Überführung von Punkten aus dem Verkehrszentralregister in das seit 1. Mai 2014 geltende Regime von Fahreignungsregister und Fahreignungs-Bewertungssystem in Betracht kommt (Vergleiche: VGH Mannheim, 2014–06–03, 10 S 744/14; Entgegen: VG Leipzig, 2014–06–16, 1 L 298/14). Fraglich ist insbesondere, ob die auf Verurteilungen wegen Verstößen gegen § 6 Abs 1 PflVersG (PflVG) beruhenden Eintragungen überführbar sind, da sie in der neuen Anlage 13 (zu § 40 FeV) - im Unterschied zu Anlage 13 zu § 40 FeV in der bis zum 23. April 2014 gültigen Fassung - nicht mehr als berücksichtigungsfähig aufgeführt werden.


Siehe auch Das Punktsystem - Fahreignungs-Bewertungssystem und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts für ein beabsichtigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis abgelehnt wurde, hat Erfolg.

Nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller ist als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II bedürftig. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat aus den nachfolgenden Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Prozesskostenhilfe soll das Gebot der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG) verwirklichen, in dem Bemittelte und Unbemittelte in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung gleichgestellt werden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn die Sach- und Rechtslage bei summarischer Prüfung zumindest als offen erscheint, wobei die Anforderungen im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) und die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 38 Satz 1 SächsVerf) nicht überspannt werden dürfen. Die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten i. S. v. § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Insbesondere darf das Bewilligungsverfahren nicht dazu benutzt werden, die Klärung streitiger Rechts- und Tatsachenfragen im Hauptsacheverfahren zu verhindern (BVerfG, Beschl. v. 14. Oktober 2003, NVwZ 2004, 334 m. w. N.). Ein Erfolg des Rechtsbehelfs muss nicht gewiss sein; vielmehr reicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit aus, die bereits gegeben ist, wenn im Zeitpunkt der Bewilligungsreife (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 166 Rn. 14a) ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen.

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab stellen sich die Erfolgsaussichten eines nachfolgenden Verfahrens auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2014 als offen dar, mit dem ihm seine Fahrerlaubnis unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit entzogen wurde.

Zwar ist das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss auf einer ersten Prüfungsstufe zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Entzug der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG a. F. am 30. September 2013, dem Tatzeitpunkt der letzten Verkehrswidrigkeit, an dem sich im Verkehrszentralregister 18 Punkte ergaben, nach dem Tattagprinzip (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. September 2008 - 3 C 21.07 -, juris Rn. 9) vorlagen und der Antragsgegner dem Antragsteller daher am 27. Februar 2014 zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen hat.

Der Ausgang des beabsichtigten Rechtsschutzverfahrens stellt sich gleichwohl als offen dar. Denn es wird dort zu klären sein, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis in Fällen, in denen - wie hier - das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zusätzlich - auf einer zweiten Stufe - nach neuer Rechtslage zu beurteilen ist und nur nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des § 65 Abs. 3 StVG betreffend die Überführung von Punkten aus dem Verkehrszentralregister in das seit 1. Mai 2014 geltende Regime von Fahreignungsregister und Fahreignungs-Bewertungssystem in Betracht kommt (so VGH BW, Beschl. v. 3. Juni 2014 - 10 S 744/14 -, juris; a. A. VG Leipzig, Beschl. v. 16. Juni 2014 - 1 L 298/14 -, juris). Dann wäre zu prüfen, ob die im Einzelnen vom Verkehrszentralregister in das Fahreignungsregister zu überführenden Eintragungen zu einem Punktestand von acht Punkten (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG) im Fahreignungsregister führen, was nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG ebenfalls zur Nichteignung und zwingend zum Entzug der Fahrerlaubnis führt. Insbesondere ist hierbei fraglich, ob auch die auf Verurteilungen wegen Verstößen gegen § 6 Abs. 1 PflVersG beruhenden Eintragungen überführbar sind, da sie in der neuen Anlage 13 (zu § 40 FeV) - im Unterschied zu Anlage 13 zu § 40 FeV in der bis zum 23. April 2014 gültigen Fassung - nicht mehr als berücksichtigungsfähig aufgeführt werden.

Das summarische Prozesskostenhilfeverfahren ist nicht geeignet, solche Rechtsfragen zu klären.

Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beruht auf § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



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