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OLG Naumburg Urteil vom 21.01.2013 - 1 U 90/12 - Schmerzensgeld bei Schädelkontusion und HWS-Distorsionsverletzung nach Erdmann Grad
OLG Naumburg v. 21.01.2013: Zur Schmerzensgeldbemessung bei Schädelkontusion und HWS-Distorsionsverletzung nach Erdmann Grad
Das OLG Naumburg (Urteil vom 21.01.2013 - 1 U 90/12) hat entschieden:
Bei einer unfallbedingten Verletzung mit einer massiven Schädelkontusion, einer HWS-Distorsionsverletzung nach Erdmann Grad I sowie oberflächlichen Glassplitterverletzungen in Gesicht und Auge ohne stationäre Behandlung ist ein Schmerzensgeld von 3.000,00 € angemessen.
Siehe auch Schmerzensgeld und Halswirbelschleudertrauma - Lendenwirbelschleudertrauma - unfallbedingte Wirbelsäulenverletzungen
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall.
Er befuhr am 21.10.2008 mit einem Sattelzug vom Typ DAF, amtliches Kennzeichen ..., die B ...von G. aus in Richtung M.. Der Beklagte zu 1) kam ihm aus der Gegenrichtung mit dem von ihm geführten Sattelzug mit dem amtlichen Kennzeichen ... , welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, entgegen. Der Beklagte zu 1) kam etwa in Höhe von Kilometer 9,5, Abschnitt 058, beim Durchfahren der sich dort befindlichen Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab und streifte mit der linken Fahrzeugseite den von dem Kläger geführten LKW und dessen Auflieger.
Der Kläger wurde durch den Unfall erheblich verletzt, erlitt insbesondere eine massive Schädelkontusion, eine HWS Distorsion mit rechts ausstrahlenden Schmerzen sowie Glassplitterverletzungen im Gesicht und im linken Auge. Er wurde zunächst in der A.-Klinikum gGmbH in G. ambulant behandelt und stellte sich am 23.10.2008 zur ambulanten Behandlung im Kreiskrankenhaus Z. vor. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte - jedenfalls zunächst - bis zum 09.11.2008; am 10.11.2008 nahm er zunächst seine Arbeit als LKW-Fahrer wieder auf.
Nachdem der Kläger mehrfach die Beklagten unter Fristsetzung zur Zahlung eines Schmerzensgeldvorschusses aufgefordert hatte, zahlte die Beklagte zu 2) unter dem 10.02.2009 einen Schmerzensgeldvorschuss in Höhe von 1.000,00 € und kündigte mit Schreiben vom 18.03.2009 die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldvorschusses in Höhe von 500,00 € an, zahlte also insgesamt 1.500,00 € an den Kläger.
Der Kläger ist spätestens seit Mitte August 2009 wieder als LKW-Fahrer im Nahverkehr tätig.
Er hat die Ansicht vertreten, der Beklagte zu 1) sei allein für den Unfall verantwortlich. Jedenfalls liege hinsichtlich des Beklagten zu 1) ein derart grober Verkehrsverstoß vor, dass der Verursachungsbeitrag des Klägers zurückgedrängt werde.
Der Kläger hat ferner behauptet, er habe am 10.11.2008 lediglich einen Arbeitsversuch unternommen, obwohl noch massive Beschwerden wie erhebliche Kopf- und Nackenschmerzen, ein massiver Kopfdruck sowie ausstrahlende Schmerzen in Oberarme und Schulter, vor allem rechtsseitig, vorhanden gewesen seien.
Des Weiteren habe er Schmerzen im linken Auge, insbesondere ein Reibegefühl und schnelle Überanstrengungserscheinungen gehabt. Wegen der anhaltenden Beschwerden und einer nunmehr unfallbedingt eingetretenen posttraumatischen Belastungsstörung sei der Kläger erneut vom 13.01.2009 bis zum 15.03.2009 arbeitsunfähig gewesen. Er habe dann versucht, seit dem 16.03.2009 erneut seiner Arbeit als LKW-Fahrer nachzugehen. Allerdings, so hat der Kläger weiter vorgetragen, leide er an einem chronisch rechts betonten Kopfschmerzsyndrom nach HWS-Distorsion, chronischen Nackenschmerzen, die bis in die Oberarme und Schulter ausstrahlten, an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Einfärbung des Affekts, hohem psychovegetativen Anspannungsniveau, Reizbarkeit, phasenweise ausgeprägten Schlafstörungen, Vermeidung angstbesetzter Situationen und „Wiedererleben“ der Unfallszenen. Zudem sei eine anhaltende Steilstellung der Halswirbelsäule und der oberen Brustwirbelsäule im Liegen sowie ein Invaliditätsgrad von 20 % festgestellt worden. Der Kläger sei seit dem 30.06.2009 erneut unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen. Letztlich sei nicht auszuschließen, dass künftig wegen der vorhandenen Beschwerden ein Krankenhausaufenthalt erforderlich werde oder dass der Kläger seinem Beruf wegen unfallbedingter Spätfolgen nur noch vermindert nachgehen könne.
Nachdem der Kläger Klage zunächst beim Amtsgericht Stendal erhoben hatte - die Klage ist dem Beklagten zu 1) am 04.06.2009 und der Beklagten zu 2) am 09.06.2009 zugestellt worden - und diese wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht Gardelegen verwiesen worden war, hat er auf Grund all dieser geltend gemachten Schäden letztendlich ein Schmerzensgeld von mindestens 10.500,00 € sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm auch sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen. Auf Antrag des Klägers ist die Klage schließlich an das Landgericht Stendal verwiesen worden.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten; sie bestreiten eine vollumfängliche Haftung sowie jedwede Arbeitsunfähigkeit nach dem 10.11.2008, denn die weiteren Folgen seien sämtlich nicht unfallbedingt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, wobei die dortige Darstellung des Antrags des Klägers dahingehend zu korrigieren ist, dass ein Schmerzensgeld von mindestens 10.500,00 € begehrt worden ist. Außerdem fehlt im erstinstanzlichen Tenor, mit dem die Einzelrichterin der Klage nur teilweise stattgab, ein Ausspruch zur Abweisung der Klage im Übrigen.
Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 04.03.2010 Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Zum Beweisergebnis wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Dr. M. vom 13.07.2010, dessen ergänzende Stellungnahmen vom 19.10.2010, 04.01.2011, 21.10.2011, 08.02.2012 und 04.05.2012, das Sachverständigengutachten des Zusatzgutachters Dr. S. vom 22.09.2010, dessen ergänzende Stellungnahmen vom 01.06.2011, 22.08.2011, 30.01.2011 und 20.04.2011, sowie auf die Gutachten der Zusatzgutachter Prof. Dr. F. vom 02.07.2010, Prof. Dr. St. vom 08.12.2010 und Dr. H. vom 27.09.2010 verwiesen. Ferner sind die Ermittlungsakten 524 Js 19199/08 der Staatsanwaltschaft Stendal beigezogen worden.
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2009 zu zahlen und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Wegen des groben Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 1) träten jedenfalls eine etwaige Haftung des Klägers sowie die Betriebsgefahr des von dem Kläger geführten Sattelzuges hinter die vollumfängliche Haftung der Beklagten zurück. Unter Berücksichtigung sämtlicher Verletzungsfolgen beim Kläger sei im Ergebnis ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.500,00 € angemessen, da nicht nur die unmittelbar dem Unfall nachfolgenden Schmerzen und Beschwerden unfallbedingt seien, sondern auch die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch bestehenden, chronischen Kopf- und Schulterschmerzen ihre Ursache in dem Unfall hätten. Deshalb sei auch der Feststellungsantrag zulässig und begründet, da weitere diesbezügliche Behandlungen in der Zukunft möglich schienen. Die weiteren geltend gemachten Beschwerden und vermeintlichen Folgeschäden indes seien nicht vom Kläger bewiesen worden.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung, mit der sie schwerpunktmäßig die Bejahung unfallbedingter chronischer Folgeschäden rügen. Sämtliche Folgeschäden, so sie das Landgericht angenommen habe, seien zurückzuführen auf schon vor dem Unfall bestandene degenerative Veränderungen, die es als ausgeschlossen erscheinen ließen, die jetzigen Beschwerden noch als unfallbedingt anzusehen. Deshalb könne auch der Feststellungsantrag nicht begründet sein.
Die Beklagten beantragen sinngemäß,
das am 29.06.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal - 21 O 274/09 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat vom Sachverständigen Dr. S. eine ergänzende schriftliche Stellungnahme eingeholt. Auf den Inhalt dieser Stellungnahme vom 06.11.2012 wird ebenfalls Bezug genommen.
Nach Zustimmung der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 29.11.2012 das schriftliche Verfahren angeordnet.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat überwiegend Erfolg.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht zwar eine vollumfängliche Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner bejaht. Es begegnet keinen Bedenken - und wird im Übrigen auch von der Berufung nicht gerügt -, dass das Landgericht auf Grund der unstreitigen Tatsachen von einem derartig groben Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) ausgegangen ist, dass demgegenüber eine Haftung des Klägers, auch unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr des von dem Kläger geführten Sattelzugs, zurücktritt.
2. Allerdings ist die Höhe des dem Kläger erstinstanzlich vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes übersetzt. Statt eines Schmerzensgeldes in Höhe von 9.500,00 € erachtet der Senat einen Betrag von 3.000,00 € als angemessen, wobei in Höhe von 1.500,00 € daraus wegen der von der Beklagten zu 2) geleisteten Vorauszahlungen bereits Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) eingetreten ist. Der Kläger hat nicht jede Schadensposition zu beweisen vermocht, die das Landgericht zur Grundlage seiner Bemessung gemacht hat, weshalb ein geringerer Betrag anzusetzen war.
a) Nach den allgemeinen Beweisregeln obliegt dem Kläger, der Schmerzensgeld fordert, der Nachweis, dass er durch den Verkehrsunfall Verletzungen erlitten hat. Da diese Primärverletzungen die Voraussetzung des Haftungsgrundes sind, gelten diesbezüglich die strengen Anforderungen des Vollbeweises nach § 286 ZPO. Überdies ist der Kläger beweisbelastet für den Umfang und die Unfallkausalität auch der von ihm behaupteten und bestrittenen Sekundärverletzungen, also dahingehend, ob über die Primärverletzung hinaus der Unfall auch für weitere körperliche und psychische (Folge-) Beschwerden ursächlich ist. Es ist dies indes eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die gem. § 287 ZPO beurteilt wird. Demgemäß werden im Rahmen der Beweiswürdigung geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts gestellt. Es genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung. Gleichwohl entbindet § 287 ZPO nicht vollständig von der grundsätzlichen Beweislastverteilung und erlaubt es nicht, zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn die Ursächlichkeit nach den festgestellten Einzeltatsachen offen bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt. Insbesondere die bloße zeitliche Nähe zwischen einem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende subjektive Wertung, beide Ereignisse müssten irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, ist nicht ausreichend. Als Mindestmaß für die Beweisführung ist zu fordern, dass die unfallbedingte Entstehung der behaupteten Beschwerden wahrscheinlicher ist als ihre unfallunabhängige Entstehung. (Vgl. zum Ganzen nur BGH, VersR 2003, 474; OLG München, Urt. v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06, Rdn. 118 ff., zit. nach juris; OLG Karlsruhe, NZV 2001, 511, 512; jeweils m. w. N.).
b) Das Landgericht ist im Rahmen der somit gebotenen Tatsachenfeststellung über den Umfang der bei dem Unfall erlittenen Primärverletzungen zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger unfallbedingt eine massive Schädelkontusion, eine HWS-Distorsionsverletzung nach Erdmann Grad I sowie Glassplitterverletzungen in Gesicht und Auge entstanden sind. Ferner hat das Landgericht unter Bezugnahme insbesondere auf das Sachverständigengutachten des Dr. S. vom 22.09.2010 (Bd. I, Bl. 194 f. d. A.) und dessen ergänzende Stellungnahme vom 20.04.2012 (Bd. III, Bl. 76 d. A.) die bei dem Kläger im zeitlichen Unfallzusammenhang aufgetretenen Kopf- und Nackenschmerzen, die sich auch in die Schulter und Oberarme beidseits ausbreiteten, als kausal auf den Unfall zurückgehende und damit schmerzensgeldrelevante Sekundärschädigungen eingeordnet. Gleiches gilt im Ergebnis für eine vorübergehende Anpassungsstörung sowie geringe Schlafstörungen. Diese Feststellungen werden von der Berufung im Übrigen auch nicht gerügt, weshalb es näherer Erörterungen hierzu nicht bedarf.
c) Entgegen der Ansicht des Landgerichts bejaht der Senat indes die Kausalität zwischen dem Unfall und den zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch bestehenden Kopf- und Schulterschmerzen bei dem Kläger nicht. Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes haben diese körperlichen Beschwerden demzufolge außer Acht zu bleiben.
aa) Das Landgericht hat übersehen, dass der Sachverständige Dr. S. ausdrücklich erklärt hat, eine unfallbedingte Dauerschädigung liege aus neurologisch-psychiatrischer Sicht gerade nicht vor (Bd. I, Bl. 198 d. A.). Vielmehr handele es sich bei der Schmerzsymptomatik um eine nur vorübergehende, nicht richtunggebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, die einzig für einen begrenzten Zeitraum eine Zunahme des Krankheitswertes zeitige (Bd. I, Bl. 195 d. A.; vgl. zu einem ähnlichen Fall schon LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung v. 02.03.1999 - 4 O 8953/98, zit. nach Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeld Beträge, 30. Aufl. 2012, lfd. Nr. 323). Dies hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.11.2012 wiederholt und ausgeführt, dass sich aus einer etwaigen Chronifizierung von Schmerzen nicht ableiten lasse, dass eine noch immer beklagte Beschwerdesymptomatik auf den Unfall zurückzuführen sei (Bd. III, Bl. 197 f. d. A.). Zum selben Ergebnis gelangte letztlich auch der Sachverständige Dr. M. (Bd. II, Bl. 166 f. d. A.).
bb) Wenn das Landgericht demgegenüber meint, es stehe nach Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass die vorhandenen degenerativen Veränderungen des Klägers ohne das Unfallereignis bis dato überhaupt eine Beschwerdesymptomatik ausgelöst hätten, und darauf seine Entscheidung stützt, so verkennt es die Beweislast. Dem Kläger oblag der Beweis dafür, dass die unfallbedingte Entstehung der anhaltenden Schmerzen wahrscheinlicher ist als ihre unfallunabhängige Entstehung. Der Sachverständige Dr. S. aber hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.04.2012 (Bd. III, Bl. 76 d. A.) ausgeführt, dass es auch ohne das Unfalltrauma schon heute zu diesen Schmerzen hätte kommen können, obgleich er jedoch über den prognostischen Zeitraum keine eindeutige Aussage treffen konnte. Dies heißt letztendlich nichts anderes, als dass zumindest offen bleiben muss, ob auch ohne den Unfall die Schmerzen aufträten. Der Beweis, dass die Schmerzen einzig auf den Unfall zurückzuführen seien, aber hat der Kläger damit nicht erbracht.
Selbst wenn man es also als denkbar ansieht, dass diese Beschwerden in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehen, so besteht auf der anderen Seite aber mit mindestens der gleichen Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit, dass die Beschwerden des Klägers auf einer schicksalhaften Entwicklung beruhen, die, bedingt durch die degenerativen Veränderungen, auch ohne das Unfallgeschehen zeitnah eingetreten wären.
d) Da überdies keine bleibenden psychischen Schäden, keine aktuelle Steilstellung der Halswirbelsäule, kein cervicobrachiales Syndrom, keine anhaltende Invalidität oder Minderung der Erwerbsfähigkeit nachgewiesen sind und auch keine gegenwärtigen auf den Unfall zurückzuführenden Augenverletzungen bei dem Kläger vorliegen, mithin der Unfall keine bleibenden, chronischen Schäden gezeitigt hat, kann das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 9.500,00 € nicht bestehen bleiben.
aa) Der Sachverständige Dr. S. hat eine Gesamt-MdE von 20 % für einen Zeitraum von einem Jahr seit dem Unfallereignis für adäquat erachtet, was der Sachverständige Dr. M. dahingehend korrigiert hat, dass für einen Zeitraum von sechs Wochen unmittelbar nach dem Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaße von 50 % vorgelegen haben kann, für die weiteren neun Monate und sechs Wochen von 20 % (Bd. III, Bl. 27 d. A.) und evtl. für einen Zeitraum weiterer sechs Monate von 10 % (Bd. II, Bl. 8 d. A.). Stationäre Behandlungen im Krankenhaus waren nicht notwendig, die Spliterverletzungen in Auge und Gesicht sämtlich oberflächlich. Ferner lag eine massive Schädelkontusion vor. Zudem waren bereits degenerative Veränderungen beim Kläger gegeben, die durch den Unfall aus der Latenz gehoben wurden, die weiteren unfallbedingten Folgen also begünstigt haben.
bb) Angesichts dieser Unfallfolgen erachtet der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € als angemessen, wobei sich das Gericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes an vergleichbaren, in der Rechtssprechung entschiedenen Fällen orientiert.
(1) Ein Schmerzensgeldbetrag von insgesamt nur 1.500,00 €, wie ihn die Beklagten für angemessen erachten, ist indes zu gering. So hat das Landgericht Berlin im Jahre 2009 für eine HWS-Distorsion ersten Grades, eine leichte Thoraxprellung, leichte Prellungen des linken Hüftgelenks und erhebliche Zahnschäden ein Schmerzensgeld von 1.500,00 € zugesprochen (LG Berlin, Entscheidung v. 04.08.2009 - 24 O 269/06, zit. nach Hacks/Wellner/ Häcker, a. a. O., lfd. Nr. 304). Das LG Ravensburg hat 2008 nach einer HWS-Distorsion, die für einen Zeitraum von drei Monaten erhebliche Einschränkungen hervorrief und Schmerzmittel nötig machte, ebenfalls auf ein Schmerzensgeld von 1.500,00 € erkannt (LG Ravensburg, Entscheidung v. 27.03.2008 - 1 S 216/07, zit. nach Hacks/Wellner/Häcker, a. a. O., lfd. Nr. 326). Im Jahre 1999 hat das AG Stuttgart nach einer HWS-Distorsion und BWS-Kontusion, die Arzt- und Therapiebesuche wegen lang anhaltender Kopfschmerzen für einen Zeitraum von 16 Monaten notwendig machten und die Betroffene für diesen Zeitraum in ihrer Leistungsfähigkeit einschränkten, 3.000,00 DM zuerkannt (AG Stuttgart, Entscheidung v. 20.12.1999 - 40 C 7853/98, zit. nach Hacks/Wellner/Häcker, a. a. O., lfd. Nr. 296).
Die ersten beiden zitierten Entscheidungen unterscheiden sich dahingehend von dem hiesigen Fall, dass vorliegend für einen Zeitraum von einem Jahr ab Unfallgeschehen noch kausale spürbare Schäden vorliegen, wohingegen von derart lange anhaltenden Schäden dort nicht die Rede war. Die Schmerzensgeldfestsetzung des Amtsgerichts Stuttgart indes ist auf Grund des vorzunehmenden Inflationsausgleichs für 13 Jahre nicht 1:1 zu übernehmen.
(2) Ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.500,00 €, wie es das Landgericht zuerkannte, ist andererseits zu hoch. Zum Vergleich hierzu sei nur auf eine Entscheidung des Landgerichts Stendal von 2009 verwiesen, in der ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 € für angemessen erachtet wurde nach einer BWS/LWS- und HWS-Distorsion mit einem nachfolgenden schwierigen Heilungsverlauf sowie jahrelangen behandlungsbedürftigen Beschwerden, einer 16-tägigen stationären Heilbehandlung in einer neurochirurgischen Klinik nach zweieinhalb Jahren und 20-wöchiger Arbeitsunfähigkeit (LG Stendal, Entscheidung v. 30.09.2009 - 23 O 334/07, zit. nach Hacks/Wellner/Häcker, a. a. O., lfd. Nr. 1268). Schon wegen des Zeitraums, aber auch angesichts dessen, dass der Kläger nur anfänglich ambulanter Behandlungen und einer geringen Medikation bedurfte, ist der hiesige Fall unterhalb der dem obigen Fall zugrundeliegenden Intensität der Folgeschäden einzuordnen.
(3) Einen vergleichbaren Fall meint der Senat in einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin von 2010 zu erkennen. Es hat bei einer HWS-Distorsion ersten Grades und weiteren, folgenlos ausgeheilten Verletzungen (Thoraxprellung, posttraumatisches Belastungssyndrom) bei grob fahrlässiger Fahrweise des Unfallgegners auf ein Schmerzensgeld von 3.000,00 € erkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es erachte regelmäßig ein Schmerzensgeld im Bereich von 1.000,00 € pro Monat der Erwerbsunfähigkeit als angemessen, solange letztere wenigstens 50 % betragen hat (KG Berlin, Beschl. v. 21.06.2010 - 12 U 20/10, Rn. 36, zit. nach juris = Hacks/Wellner/Häcker, a. a. O., lfd. Nr. 761).
Angesichts der zunächst sechswöchigen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % im Falle des Klägers, der massiven Schädelkontusion und der Glassplitterverletzungen in Gesicht und Auge, der vorübergehenden Anpassungsstörung sowie der geringen Schlafstörungen und eingedenk auch des vollumfänglichen Verursachungsanteils des Beklagten zu 1) hinsichtlich des schweren Unfalls erkennt der Senat - unter Berücksichtigung obiger Entscheidungen sowie eines ggf. vorzunehmenden Inflationsausgleiches - dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € zu, das die Beklagten zur Hälfte bereits gezahlt haben. Die vom Sachverständigen für die Folgezeit angegebenen Werte der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % und 10 % wirken sich nicht mehr erhöhend auf das angemessene Schmerzensgeld aus, weil sie nicht 50 % erreichen; gleichwohl ist ein Unterschied zu solchen Konstellationen herauszustellen, in denen gar keine andauernden Schäden vorliegen (vgl. oben LG Berlin, Entscheidung v. 04.08.2009 - 24 O 269/06, zit. nach Hacks/ Wellner/Häcker, a. a. O., lfd. Nr. 304; LG Ravensburg, Entscheidung v. 27.03.2008 - 1 S 216/07, zit. nach Hacks/Wellner/Häcker, a. a. O., lfd. Nr. 326). Im Hinblick auf die teilweise Minderung der Erwerbsfähigkeit sei betont, dass ein hierfür zu bemessendes Schmerzensgeld nicht als Ausgleich etwaiger hieraus sich ergebender materieller Einbußen dienen kann, sondern nur den immateriellen Schaden erfasst.
cc) Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen zögerlichen Regulierungsverhaltens der Beklagten zu 2) hat das Landgericht zu Recht nicht vorgenommen.
3. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Klage unbegründet.
a) Das für eine Feststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist stets dann gegeben, wenn der Anspruchsgegner seine Einstandspflicht bestreitet, einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll und der Eintritt zukünftiger Schäden nicht ausgeschlossen ist. Dabei ist der Kläger darzulegen verpflichtet, dass eine künftige Schadensfolge möglich ist, jedoch ihre Art und ihr Umfang sowie ihr Eintritt derzeit noch ungewiss sind. Soweit im Rahmen eines solchen Feststellungsantrags der klagende Patient den Eintritt späterer Schadensfolgen behauptet, dürfen an die Darlegung der erforderlichen Wahrscheinlichkeit des Eintritts solcher Spätfolgen nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Es genügt insofern, dass der Kläger die aus seiner Sicht bei verständiger Würdigung nicht eben fern liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Folgeschäden aufzeigt(vgl. BGH, VersR 1991, 779; FAKomm-MedR/H. Prütting, 2. Aufl., Köln 2012, § 256 ZPO, Rdn. 2 f.); nur dann, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben sein kann, mit dem Eintritt von (Spät-) Schäden zu rechnen, ist eine solche Feststellungsklage nicht zuzulassen (vgl. BGH, VersR 1991, 704, 705; Wenzel/Hensen, Der Arzthaftungsprozess, Köln 2012, Kap.2, Rdn. 2627). Aus der Sicht des Klägers und auf der - bestrittenen - Grundlage seines Vortrages, wonach die noch bestehenden Beschwerden unfallbedingt seien, kann der Feststellungsantrag nicht als unzulässig abgewiesen werden.
b) Er ist aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht begründet.
Dass hier mit Spätschäden zu rechnen ist, die auf dem Unfall beruhen, kann der Senat nicht erkennen. Wenn das Landgericht die Begründetheit des Feststellungsantrags deshalb bejaht, weil etwa die gegenwärtig noch bestehenden Nacken- und Schultergürtelverspannungen weitere Behandlungen erforderlich machen könnten, so ist dies auf Grundlage der vorherigen Feststellungen des Landgerichts folgerichtig, im Ergebnis jedoch falsch.
Denn zu Unrecht hat es eine Kausalität zwischen Unfall und den aktuellen Beschwerden bejaht. Nach den obigen Ausführungen können sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht (mehr) dem Unfallgeschehen zugeordnet werden. Wenn aber die anhaltenden Beschwerden nicht Folge des Unfalls sind, dann gilt selbiges auch für künftige Schäden, die sich daraus noch ergeben könnten. Sonstige gegenwärtige Schäden oder mögliche Spätschäden in der Zukunft, die unfallbedingt sind und eine weitere Behandlungsbedürftigkeit nach sich ziehen könnten, sind nicht dargetan.
4. Da die Beklagten wegen §§ 115, 116 VVG notwendige Streitgenossen sind, waren die Zinsen erst ab dem Datum der letzten Zustellung zu gewähren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 100 Abs. 3, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO und die weiteren Nebenentscheidungen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 543, 544 Abs. 1 ZPO. Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 45 Abs. 3, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO, wobei der Senat für das Feststellungsbegehren 3.000 € in Ansatz gebracht hat (8.000. + 3.000 = 11.000).