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BGH Urteil vom 15.04.1992 - IV ZR 198/91 - Meldefrist in der Rechtsschutzversicherung als Ausschlussfrist

BGH v. 15.04.1992: Zur Nachmeldung - Meldefrist in der Rechtsschutzversicherung als Ausschlussfrist


Der BGH (Urteil vom 15.04.1992 - IV ZR 198/91) hat entschieden:
  1. Die Meldefrist des ARB § 4 Abs 4 ist eine Ausschlussfrist. Der Versicherer kann sich auf ihre Versäumung nicht berufen, wenn den Versicherungsnehmer, was dieser zu beweisen hat, daran kein Verschulden trifft.

  2. Eine Meldung im Sinne des ARB § 4 Abs 4 bedeutet nicht bereits das Verlangen von Rechtsschutzleistungen und die Begründung eines Schadensersatzanspruches, sondern nur eine Mitteilung, die dem Versicherer Kenntnis davon verschafft, dass noch Forderungen auf ihn zukommen können.

Siehe auch Rechtsschutzversicherung


Tatbestand:

Der Kläger schloss bei der Beklagten 1976 eine Familien-​Rechtsschutzversicherung nach Maßgabe der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung - 1975 (ARB) ab. Das Vertragsverhältnis endete am 13. August 1985.

Der Kläger und seine Ehefrau hatten ihrer am 26. März 1981 geborenen Tochter Swantje bis 1984 Instant-​Tee der M. AG und der H. KG gegeben. Im Frühjahr 1983 traten bei ihr Karies-​Zahnschäden auf, die zu einer weitgehenden Zerstörung des Milchzahngebisses führten. Durch eine Fernsehsendung am 5. Februar 1987 erfuhren die Eltern davon, dass das Dauernuckeln von Säuglings- und Kleinkindertees Karies der Milchzähne hervorrufen kann (baby-​bottle-​Syndrom).

Mit Schreiben vom 26. April 1988 erbat der Kläger von der Beklagten Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen seiner Tochter gegen die beiden Hersteller der Teeprodukte. Deren Genuss habe zu schweren Gebissstörungen geführt; die Hersteller hafteten seiner Tochter wegen Verletzung der ihnen als Produzenten obliegenden Pflichten.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 24. Mai 1988 Versicherungsleistungen unter Berufung auf § 4 Abs. 4 ARB ab; der Schadensfall sei ihr später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages gemeldet worden. Auf fehlendes Verschulden an der Fristversäumung könne sich der Kläger nicht berufen.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner zugelassenen Revision.


Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Das Berufungsgericht hält die Beklagte gemäß § 4 Abs. 4 ARB für leistungsfrei, weil der Kläger der Beklagten den Versicherungsfall erst mit Schreiben vom 26. April 1988 und damit später als zwei Jahre nach der am 13. August 1985 eingetretenen Beendigung des Versicherungsvertrages gemeldet hat. Es führt aus, die in § 4 Abs. 4 ARB bestimmte Frist zur Meldung von Versicherungsfällen sei eine Ausschlussfrist. Ihr Beginn werde mit dem Tag der Beendigung des Versicherungsvertrages festgelegt. Gerade weil § 4 Abs. 4 ARB eine Ausschlussfrist festlege und keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers begründe, stelle sich die Zuordnung dieser Regelung zu den in § 4 ARB weiterhin behandelten Risikoausschlüssen nicht als überraschend im Sinne des § 3 AGBG dar. Die Bestimmung halte auch inhaltlich einer Prüfung an §§ 3, 9 AGBG stand. 2. Diese Ausführungen sind rechtsfehlerfrei.

a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass § 4 Abs. 4 ARB keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers begründet, sondern eine Ausschlussfrist bestimmt. Die Klausel lautet:
"Für Versicherungsfälle, die dem Versicherer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis gemeldet werden, besteht kein Versicherungsschutz."
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, die von ihm nach Eintritt des Versicherungsfalles ein bestimmtes Verhalten zur Aufklärung des Sachverhalts verlangen, unterscheiden sich von der Befristung versicherungsrechtlicher Ansprüche. Im letztgenannten Falle bezwecken die Versicherungsbedingungen nämlich grundsätzlich objektiv eine zeitliche Begrenzung der Leistungspflicht des Versicherers (BGH, Urteil vom 24. März 1982 - IVa ZR 226/80 - VersR 1982, 567). Diesem Zweck dient auch die Bestimmung des § 4 Abs. 4 ARB. Sie will eine objektive zeitliche Begrenzung der Eintrittspflicht des Versicherers schaffen, indem sie den Versicherungsschutz für solche Versicherungsfälle ausschließt, die zwar innerhalb des versicherten Zeitraums eingetreten sind, bei denen die Frist zu ihrer Meldung nach Beendigung des Vertrages aber abgelaufen ist. Mit dieser Festlegung einer vom Versicherungsnehmer zu wahrenden Frist zielt die Regelung darauf, die nach Fristablauf schwerer aufklärbaren und übersehbaren Schadensfälle von der Deckung auszunehmen (vgl. Harbauer, Rechtsschutzversicherung 4. Aufl. § 4 Rdn. 216; BGH, Urteil vom 24. März 1982 - IVa ZR 226/80 - aaO). § 4 Abs. 4 ARB bestimmt deshalb eine Ausschlussfrist für die Meldung von Versicherungsfällen (vgl. Harbauer, aaO; Böhme, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 4 Rdn. 65; OLG Köln, r + s 1989, 362) und regelt zugleich, dass diese Frist in dem Zeitpunkt in Lauf gesetzt wird, in dem der Versicherungsvertrag für das betroffene Wagnis endet.

Auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Versicherungsfall kommt es für den Fristbeginn danach nicht an. Für eine entsprechende Anwendung der Verjährungsvorschrift des § 852 BGB ist in diesem Rahmen - entgegen der Auffassung der Revision - kein Raum. Allerdings hält der Bundesgerichtshof die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, wie der §§ 203, 206, 207 BGB auf - gesetzliche - Ausschlussfristen für zulässig, wobei er auf die Umstände des Einzelfalles und den Sinn und Zweck der in Betracht kommenden Ausschlussfrist abstellt (BGHZ 112, 95, 101 m.w.N.). Jedoch widerstreiten hier schon Sinn und Zweck der Fristbestimmung in § 4 Abs. 4 ARB einer Anknüpfung des Fristbeginns an die Kenntnis des Versicherungsnehmers über die tatsächlichen Voraussetzungen des Vorliegens eines Versicherungsfalls. Wenn § 4 Abs. 4 ARB den Fristbeginn an die Beendigung des Vertrages bindet, so trägt das erkennbar dem Zweck Rechnung, eine klare zeitliche Begrenzung der Leistungspflicht des Versicherers zu schaffen, die durch ein objektives Anknüpfungskriterium - das Vertragsende - bestimmt wird. Käme es für den Fristbeginn dagegen allein auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Versicherungsfall an, würde dieser Zweck verfehlt; die beabsichtigte Wirkung der Ausschlussfrist entfiele.

b) Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die Regelung des § 4 Abs. 4 ARB einer Kontrolle gemessen an §§ 3 und 9 AGBG standhält.

Sie stellt sich nicht als überraschend im Sinne des § 3 AGBG dar. Zwar kann auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Klausel, ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle, die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BGHZ 84, 109, 113). Das ist bei § 4 Abs. 4 ARB jedoch nicht der Fall. Ihr Regelungsgehalt steht ihrer Einordnung in eine Bestimmung, die allgemeine Risikoausschlüsse des Versicherers auflistet, nicht entgegen. Denn die Ausschlussfrist bewirkt materiell eine Risikobegrenzung und schließt, soweit die Meldung des Versicherungsfalles nicht innerhalb der Frist erfolgt ist, grundsätzlich die Gewährung von Versicherungsleistungen aus. Die Zuordnung dieser Ausschlussregelung zu anderen Risikoausschlüssen - wenngleich diese auf anderer sachlicher Grundlage beruhen - ist schon unter diesem Blickwinkel nicht ungewöhnlich. Zutreffend weist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass eine Eingliederung der Ausschlussfrist in die Regelung des § 15 ARB, der Obliegenheiten des Versicherungsnehmers nach dem Versicherungsfall beschreibt, eher als überraschend angesehen werden müsste. Die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verletzung von Obliegenheiten erfährt durch § 15 Abs. 2 ARB, der in seiner Ausgestaltung § 6 Abs. 3 VVG entspricht, Einschränkungen, die bei einer Ausschlussfrist gerade vermieden werden sollen (BGH, Urteil vom 24. März 1982 - IVa ZR 226/80 - aaO unter II 2 b a.E.).

§ 4 Abs. 4 ARB stellt sich für den Versicherungsnehmer auch nicht als inhaltlich überraschende Bedingung dar. Der Versicherungsnehmer mag zwar von der Erwartung bestimmt werden, für während der Vertragsdauer eingetretene Versicherungsfälle auch nach Vertragsbeendigung Versicherungsschutz zu erhalten. Er muss aber vernünftigerweise auch damit rechnen, dass der Versicherer diesen Schutz - schon aus Gründen der Kalkulierbarkeit des Risikos - jedenfalls nicht auf unbegrenzte Zeit für solche Versicherungsfälle erbringen will, die ihm bei Beendigung des Vertrages noch nicht gemeldet worden sind. Führt der Versicherer auf diesem Hintergrund eine Begrenzung seiner Einstandspflicht auf Versicherungsfälle herbei, die ihm bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Vertragsbeendigung gemeldet worden sind, so stellt das jedenfalls keine Regelung dar, die den vernünftigen Erwartungen eines Versicherungsnehmers derart zuwiderläuft, dass etwa von einer Überrumpelung oder Übertölpelung (BGHZ 84, 109, 112) gesprochen werden könnte.

Schließlich verneint der Tatrichter auch einen Verstoß gegen § 9 AGBG zu Recht. Die Ausschlussfrist des § 4 Abs. 4 ARB bewirkt und bezweckt eine Begrenzung der Einstandspflicht des Versicherers für spät erkennbare Versicherungsfälle. Ohne sie könnte der Versicherer zweifelhafte Fälle dieser Art nicht wirksam vom Versicherungsschutz ausnehmen. Die nachteiligen Folgen davon würden unmittelbar auch die Gemeinschaft der Versicherten infolge der dadurch bedingten höheren Prämie treffen (BGH, Urteil vom 24. März 1982 - IVa ZR 226/80 - aaO). Andererseits belässt § 4 Abs. 4 ARB dem Versicherungsnehmer noch einen Zeitraum von zwei Jahren nach Vertragsende, um durch eine einfache Meldung (vgl. nachstehend unter II.) Versicherungsschutz auch für solche Versicherungsfälle zu erlangen, die bereits während der Vertragszeit eingetreten sind. Die Regelung des § 4 Abs. 4 ARB berücksichtigt mithin grundsätzlich sowohl das Interesse des Versicherungsnehmers, auch in diesen Fällen Versicherungsschutz zu erlangen, als auch das Interesse des Versicherers, die Haftung in Fällen solcher Art eindeutig zu begrenzen. Sie führt diese Interessen einem Ausgleich zu, der den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt.


II.

1. Das Berufungsgericht nimmt weiter an, der Versicherer könne sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist des § 4 Abs. 4 ARB nicht berufen, wenn den Versicherungsnehmer an der Fristversäumung kein Verschulden trifft.

Das ist zutreffend.

Der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, dass eine solche Auslegung des Ausschlussprinzips, sofern es auf Untätigkeit des Versicherungsnehmers binnen bestimmter Frist abstellt, unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben im Interesse des sorgfältigen Versicherungsnehmers geboten ist (zu § 12 Abs. 3 VVG: BGHZ 43, 235, 239; Urteil vom 9. Februar 1977 - IV ZR 25/75 - VersR 1977, 442 unter II 1; Urteil vom 11. Februar 1987 - IVa ZR 144/85 - BGHR, VVG § 12 Abs. 3 - Fristversäumung 1 -; zu § 18 III Abs. 2 AKB a.F.: Urteil vom 24. März 1982 - IVa ZR 226/80 - aaO; zu § 8 II Abs. 1 Satz 1 AUB: Urteil vom 16. Dezember 1987 - IVa ZR 195/86 - VVGE § 8 AUB Nr. 6). Im Falle des § 4 Abs. 4 ARB gilt nichts anderes.

2. Ob im Einzelfall davon auszugehen ist, dass den Versicherungsnehmer - wie von ihm darzulegen und zu beweisen ist - ein Verschulden nicht trifft, unterliegt im wesentlichen tatrichterlicher Würdigung, die der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur in beschränktem Umfange zugänglich ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 1987 - IVa ZR 144/85 - BGHR aaO). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ein Verschulden des Klägers an der Fristversäumung angenommen.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen könne, er habe die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Ausschlussfrist nicht gekannt. Denn eine solche Unkenntnis würde jedenfalls auf Fahrlässigkeit beruhen. Vom Versicherungsnehmer kann erwartet werden, dass er sich über den wesentlichen Inhalt der Bedingungen informiert; zumindest der Eintritt eines Ereignisses, das einen Versicherungsfall darstellen könnte, muss ihm Anlass geben, die etwa früher unterlassene Information nachzuholen (BGH, Urteil vom 24. März 1982 - IVa ZR 226/80 - aaO unter III).

b) Das Berufungsgericht nimmt weiter an, der Kläger sei in der Lage gewesen, der Beklagten den Versicherungsfall, für den er erst mit Schreiben vom 26. April 1988 Versicherungsschutz erbeten hat, noch innerhalb der am 13. August 1987 ablaufenden Frist des § 4 Abs. 4 ARB zu melden. Es führt dazu aus, vom Versicherungsnehmer sei insoweit zu verlangen, dass er bereits einen vermeintlichen Versicherungsfall dem Versicherer vorsorglich meldet. Es bedürfe für diese Anmeldung nicht der Beifügung einer schlüssigen Klage, vielmehr reiche es aus, dass der Versicherungsnehmer einen Lebenssachverhalt darstellt und zu erkennen gibt, welche Ansprüche er gegen wen durchzusetzen beabsichtigt.

aa) Maßgebend für die Auslegung ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung die jeweils gewählte Wortfassung der Bedingung unter Berücksichtigung des dabei erkennbar werdenden Sinnzusammenhanges verstehen muss (BGH, Urteil vom 5. Juli 1989 - IVa ZR 24/89 - VVGE § 4 ARB Nr. 5). Unter Anlegung dieses Maßstabes ist festzustellen: § 4 Abs. 4 ARB setzt zur Vermeidung des Ausschlusses von Versicherungsleistungen voraus, dass der Versicherungsfall innerhalb der Ausschlussfrist "gemeldet" wird. Vom gewöhnlichen Sprachgebrauch ausgehend zielt die Verwendung des Begriffs "melden" auf ein Verhalten des Versicherungsnehmers, mit dem er dem Versicherer bekanntgibt, dass nach seiner Auffassung ein Versicherungsfall eingetreten ist, er also erwägt, Rechtsschutz zu begehren. Bei Schadensersatzansprüchen kann er möglicherweise erst später entscheiden, ob er wirklich Rechtsschutz benötigt. Bei ihnen ist der Versicherungsfall gemäß § 14 Abs. 1 ARB der Eintritt des dem Anspruch zugrundeliegenden Schadensereignisses. Wird nach einem solchen Ereignis der Anspruch vom Schädiger oder seiner Haftpflichtversicherung ohne weiteres erfüllt, dann besteht kein Anlass, Rechtsschutz zu begehren. Schon deshalb bedeutet "melden" nicht bereits das Verlangen von Rechtsschutzleistungen und die Begründung des Schadensersatzanspruches, sondern nur eine Mitteilung, die dem Versicherer Kenntnis davon verschafft, dass noch Forderungen auf ihn zukommen können.

Demgemäß knüpft § 4 Abs. 4 ARB mit seiner Wortwahl nicht an §§ 15 Abs. 1 und 16 Abs. 3 ARB an. Es geht noch nicht wie in § 15 ARB um das "Begehren" von Versicherungsschutz. Erst dafür muss gemäß § 15 Abs. 1 ARB der Versicherungsnehmer Aufklärungsobliegenheiten erfüllen. Hat er bereits ohne vorherige Einschaltung des Versicherers einen Rechtsanwalt beauftragt, dann wird ihm durch § 16 Abs. 3 ARB mehr als eine Meldung aufgegeben, nämlich die ausdrücklich mit der gleichzeitigen Erfüllung der Verpflichtungen aus § 15 Abs. 1a ARB verbundene Unterrichtung des Versicherers. Der Versicherer soll sich also durch die Meldung nur darauf einrichten können, dass er möglicherweise trotz Vertragsbeendigung noch Versicherungsleistungen zu erbringen hat. Diesem Interesse ist bereits genügt, wenn der Versicherer Kenntnis davon erlangt, dass der Versicherungsnehmer beabsichtigt, aus einem von ihm als Versicherungsfall eingeschätzten Lebenssachverhalt Ansprüche auf Versicherungsleistungen geltend zu machen.

Das Berufungsgericht ist danach in zutreffender Auslegung des § 4 Abs. 4 ARB zu der Annahme gelangt, dass es für die Meldung eines Versicherungsfalles im Sinne dieser Vorschrift jedenfalls ausreicht, wenn der Versicherungsnehmer einen konkreten Lebenssachverhalt mitteilt und dazu angibt, welche rechtlichen Interessen er insoweit wahrzunehmen beabsichtigt.

bb) Soweit es weiterhin davon ausgeht, der Kläger sei hier schon vor Ablauf der Frist des § 4 Abs. 4 ARB in der Lage gewesen, mit Blick auf mögliche Ansprüche seiner Tochter eine solche Meldung gegenüber der Beklagten vorzunehmen, findet das eine ausreichende Grundlage im Vorbringen des Klägers. Der Kläger hat nach eigenen Angaben im Februar 1987 durch eine Fernsehsendung über einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Dauernuckeln von Säuglings- und Kleinkindertees und der Bildung von Karies der Milchzähne erfahren. Er hat darüber hinaus gewusst, dass seiner Tochter Produkte dieser Art verabreicht worden und Zahnschäden eingetreten waren. Daraus konnte das Berufungsgericht ableiten, dass der Kläger damit bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von einem Schadensereignis hatte, das die Wahrnehmung rechtlicher Interessen seiner Tochter gegen die Hersteller der Teeprodukte erforderlich machen konnte. Das wird auch durch den Inhalt des Schreibens der Bevollmächtigten des Klägers vom 26. April 1988 bestätigt, in dem unter anderem mitgeteilt wird, dass der Kläger "bis vor einem Jahr" weder wusste noch wissen konnte, dass ein medizinischer Zusammenhang zwischen der Gebisszerstörung und der Teeverabreichung besteht.

Konnte der Kläger also bereits vor Ablauf der Frist des § 4 Abs. 4 ARB die Umstände erkennen, welche die Meldung eines Versicherungsfalles geboten, gereicht es ihm zum Verschulden, wenn er gleichwohl bis zum Ende der Frist untätig geblieben ist. Das Berufungsgericht hat jedenfalls die Anforderungen an die vom Kläger zu beachtende Sorgfalt nicht überspannt, wenn es auf diesem Hintergrund darauf abstellt, der Kläger habe bereits im Februar 1987 Veranlassung gehabt, der Beklagten diesen Sachverhalt zu melden - wie es schließlich erst mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 26. April 1988 geschehen ist -, oder aber sogleich rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Weshalb beides nicht geschehen ist oder nicht geschehen konnte, hat der Kläger - wie das Berufungsgericht zu Recht feststellt - nicht dargelegt. Er hat nicht einmal dazu vorgetragen, was er in der Zeit bis zum Ablauf der Frist unternommen hat, um die - etwa irrtümlich - für erforderlich gehaltene Sachaufklärung zur Begründung eines Anspruchs gegen die Teehersteller und damit zugleich für die Meldung an die Beklagte zu fördern. Untätigkeit aber stellt auch bei einem Irrtum über die Anforderungen an die Meldung eines Versicherungsfalles eine schuldhafte Verletzung der dem Kläger obliegenden Sorgfaltspflicht dar.