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OLG Düsseldorf Urteil vom 11.04.2013 - I-3 U 31/12 - Oldtimer-Verkauf als "fahrbereit" trotz erheblicher Mängel
OLG Düsseldorf v. 11.04.2013: Zur Gewährleistung beim Oldtimer-Verkauf als "fahrbereit" trotz erheblicher Mängel
Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.04.2013 - I-3 U 31/12) hat entschieden:
- Wer ein Fahrzeug als „Oldtimer mit Macken“ (hier: Porsche 911Targa, Erstzulassung 2/1973, Kilometerstand 95.000) kauft, muss mit der vorausgesetzten oder üblichen Beschaffenheit nicht widersprechenden (Verschleiß-) Erscheinungen (hier: Bremsanlage, Spureinstellung, Lenkungsspiel Ölverlust) auch dann rechnen, wenn ihm das Fahrzeug als „fahrbereit“ verkauft worden ist.
- Gibt der Verkäufer dem Käufer Kenntnis von einem Sachverständigengutachten, das ausdrücklich darauf hinweist, dass der Bewertung des Fahrzeugs mit der Zustandsnote von 3- nur eine oberflächliche Untersuchung zugrunde lag und der Sachverständige es für möglich hielt, dass eine genauere Untersuchung des Fahrzeugs zu einer Abwertung um 0,5 Punkte und damit zu einem erheblich geringeren Marktwert führen konnte, vertraut der Käufer gleichwohl auf die Einstufung des Fahrzeugs mit Note 3- und bleibt ihm deshalb ein schlechterer Fahrzeugzustand unbekannt, so verhält er sich grob fahrlässig.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Autokaufrecht - Oldtimer - Gewährleistung
Gründe:
I.
Der Kläger macht Ansprüche auf Rückabwicklung eines bei der Beklagten getätigten Kaufes eines Porsche 911 Targa, Erstzulassung 2/1973, Kilometerstand 95.000, geltend.
Das von dem selbständigen Kfz-Händler S. über das Internet angebotene Fahrzeug war zuvor am 09. April 2010 vom TÜV Rheinland „im Umfang einer Hauptuntersuchung“ „mit positivem Ergebnis“ untersucht worden; hierbei hatte der TÜV den Erhaltungs- und Pflegezustand des Fahrzeugs jeweils als gut bezeichnet.
Am 13. Mai 2011 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über den PKW zum Preis von 21.911 Euro; Ende Mai 2011 übergab die Beklagte dem Kläger das Fahrzeug.
In einer dem Kläger bekannt gegebenen Fahrzeugkurzbewertung vom 28. April 2010 des Sachverständigen L. Sch. (Classic-Data Bewertungspartner) wurde der Zustand des Fahrzeugs auf Basis der Classic-Data-Bewertungskriterien mit der gemittelten Zustandsnote 3- bewertet und der Marktwert auf 20.000 Euro geschätzt. Weiter heißt es dort:
„Hinweis:
Bei der Besichtigung wurde nur der äußere Zustand ohne genaue Prüfung und Probefahrt berücksichtigt. Bei sorgfältiger Prüfung können sich Differenzen der Zustandsnote bis +/- 0,5 ergeben.“
Dem Gutachten beigefügt war eine Beschreibung der Zustandsnoten („Marktbeobachtung“). Dort heißt es zu der Note 3:
„Gebrauchter Zustand: Normale Spuren der Jahre. Kleinere Mängel, aber voll fahrbereit. Keine Durchrostungen. Keine sofortigen Arbeiten notwendig. Nicht schön (i. S. von besonders gepflegt), aber gebrauchsfähig."
und zu Note 4:
„Verbrauchter Zustand. Nur bedingt fahrbereit. Sofortige Arbeiten notwendig: Leichtere bis mittlere Durchrostungen: Einige kleinere Teile fehlen oder sind defekt. Teilrestauriert. Leicht zu reparieren (bzw. restaurieren).“
In dem schriftlichen Kaufvertrag findet sich die vorgedruckte Bestimmung:
„Das Fahrzeug ist fahrbereit“, die mit „ja“ angekreuzt ist, ferner unter „Sondervereinbarungen" der handschriftliche Eintrag:
„Oldtimer mit Macken, keine Garantie".
Bei der Überführungsfahrt des PKW von Duisburg nach Rheine blieb das Fahrzeug liegen. Da ein Gang nicht mehr eingelegt werden konnte, wurde der Wagen durch den ADAC abgeschleppt und in die nächstgelegene Werkstatt, die Auto D. GmbH in Rheine, verbracht, wo das Schaltgestänge für 192,07 Euro repariert wurde. Hierbei wurde - so der Kläger - starker Ölverlust festgestellt.
Mit Anwaltsschreiben vom 30. Juni 2011 rügte der Kläger Bremsanlage, Spureinstellung, Lenkungsspiel als mangelhaft, beanstandete „Ölverlust in erheblichem Umfang“ und forderte die Beklagte auf, sich bis zum 11. Juli 2011 zu erklären, ob sie bereit sei, das Fahrzeug ordnungsgemäß auf ihre Kosten instand zu setzen und die Mängel zu beheben.
Unter dem 12. Juli 2011 erklärte der Kläger sodann mit Bezug auf die Fristsetzung in seinem Schreiben vom 30. Juni 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rücknahme des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 20. Juli 2011 auf.
Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung des Kaufpreises ab.
Am 29. August 2011 stellte der TÜV Nord bei einer Untersuchung verschiedene Mängel des Fahrzeugs fest, weshalb eine Prüfplakette wegen „erheblicher Mängel“ (u. A. „Rahmen/tragende Teile hinten unsachgemäß repariert ...“, Durchrostungen Mitte, die Rahmen oder tragende Teile erheblich schwächen“, ebenso hinten; „starker Ölverlust am Motor, tropft“, „Stabilisator an der Vorderachse, Befestigung ausgeschlagen/schadhaft“, ebenso an der Hinterachse) nicht erteilt wurde.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.911 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2011 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW Porsche 911 Targa, weiß, mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer 9113510904 zu zahlen.
- festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 21. Juli 2011 mit der Annahme der im Klageantrag zu Ziffer 1) bezeichneten Übergabe und Übereignung des PKW Porsche 911 Targa, weiß, mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer 9113510904 in Verzug befindet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, vor Abschluss des Kaufvertrages habe der Zeuge S., den Kläger wiederholt telefonisch darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug gemäß der allgemein angenommenen Oldtimer-Kategorie einen Zustand von (4) bis (4-) aufweise. Es handele sich um ein „bedürftiges" Fahrzeug, der Kläger kaufe quasi eine „Baustelle". Das Fahrzeug eigne sich nicht für den Alltagsbetrieb. Entsprechende Hinweise seien durch die Zeugen S. und Sc. auch in einem persönlich mit dem Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages geführten Gespräch erfolgt. Der Kläger habe angegeben, einen Oldtimer für die Nutzung am Wochenende und zum Spaß zu suchen.
Bei den von dem Kläger festgestellten Mängeln handele es sich um Verschleißerscheinungen, die für Fahrzeuge dieses Alters durchaus normal seien.
Am 09. April 2010, ein halbes Jahr vor Abschluss des Kaufvertrages, sei eine TÜV-Untersuchung und -abnahme erfolgreich durchgeführt worden.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen S., Sc. und M. die Klage abgewiesen, weil die Voraussetzungen eines Rücktritts nicht erfüllt seien, da nicht habe festgestellt werden können, dass der von dem Kläger von der Beklagten erworbene PKW Porsche 911 Targa einen von der vereinbarten Beschaffenheit abweichenden Zustand aufgewiesen habe.
Mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein ursprüngliches Klagebegehren weiter.
Er macht geltend, das Landgericht habe den Zeugen S. zu Unrecht für glaubwürdig gehalten und die Bekundung des Zeugen Sc. insbesondere hinsichtlich der Frage der Beschaffenheitsvereinbarung, unzureichend und unvollständig gewürdigt. Die Beklagte habe ihm ein 21.911 Euro werthaltiges Auto mit der Beschaffenheit fahrtüchtig (und damit verkehrssicher) ohne Durchrostungen, gegebenenfalls mit kleineren Mängeln oder auch Macken verkauft, „nicht schön, aber gebrauchsfähig“ ; diese Beschaffenheitsvereinbarung erfülle das dem Kläger übergebene Fahrzeug, das keine Betriebserlaubnis habe, weil in den Papieren ein anderer Motor als in dem Fahrzeug eingebaut, eingetragen sei, nicht.
Der Senat hat den Kläger unter dem 24. Januar 2013 darauf hingewiesen, dass der auf die mit Schreiben vom 30. Juni 2011 genannten Beanstandungen gestützte Rücktritt vom 12. Juli 2011 nicht wirksam sei. Darauf, dass das Fahrzeug nicht die Zustandsnote 3- aufweise, habe der Kläger - bislang - einen Rücktritt nicht gestützt; ein solcher Rücktritt erscheine mit Blick auf den Hinweis im Gutachten, wonach bei nur der äußere Zustand ohne genaue Prüfung und Probefahrt berücksichtigt worden sei und sich bei sorgfältiger Prüfung Differenzen der Zustandsnote bis +/- 0,5 ergeben könnten, nicht wirksam.
Hierauf hat der Kläger mitgeteilt, er habe das Fahrzeug am 29. Oktober für 10.000,- Euro 2012 veräußert; die Beklagte habe ihn über den Zustand und Wert des Fahrzeugs arglistig getäuscht.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, einen Betrag in Höhe von 11.911,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.05.2011 zu zahlen.
Die Beklagte bittet um
Zurückweisung der Berufung.
Auch sie wiederholt und vertieft ihren früheren Vortrag.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht den mit der Klage verfolgten Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Kfz- Kaufvertrages mit der Beklagten verneint.
Die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht §§ 434 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323 BGB liegen nicht vor.
1. Der mit Anwaltsschreiben vom 12. Juli 2011 erklärte Rücktritt ist unwirksam.
Er stützt sich auf die mit Schreiben vom 30. Juni 2011 genannten Beanstandungen, wegen derer auch die Frist für die Erklärung einer Bereitschaft zur Nachbesserung bis zum 11. Juli 2011 gesetzt worden ist. Beanstandet worden sind in diesem Schreiben Bremsanlage, Spureinstellung und Lenkungsspiel sowie Ölverlust in erheblichem Umfang. Abgesehen davon, dass schon Einiges dafür spricht, dass diese Beanstandungen nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht sind, haben sie keine Mängel im Sinne einer Abweichung von einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit des Fahrzeugs zum Gegenstand. Denn das Fahrzeug ist als „Oldtimer mit Macken“ verkauft worden, so dass der Kläger mit derartigen der vorausgesetzten oder üblichen Beschaffenheit nicht widersprechenden (Verschleiß-) Erscheinungen rechnen musste. Sie sprechen auch nicht dagegen, dass das Fahrzeug - wie vereinbart - fahrbereit war. Durch die Erklärung, ein verkauftes Fahrzeug sei „fahrbereit“, übernimmt der Verkäufer die Gewähr dafür, dass das Fahrzeug nicht mit Mängeln behaftet ist, aufgrund derer es bei einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO als „verkehrsunsicher“ eingestuft werden müsste, weil es mit gravierenden Mängeln behaftet ist, die zu einer unmittelbaren Verkehrsgefährdung führen können (BGH NJW 2007, 759, 761; OLG Düsseldorf, I-18 U 1/08 vom 01.10.2008 BeckRS 2009, 86560; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Auflage 2012, Rdz. 2709 ff.). Bei der Beurteilung eines Fahrzeugs als „verkehrsunsicher“ handelt es sich nach der Anlage VIII zu § 29 StVZO um die schlechtest mögliche Beurteilung; daneben gibt es die Prüfungsergebnisse „geringe Mängel“ bei solche Mängeln, die sich zunächst nur geringfügig auf die Verkehrssicherheit auswirken, und „erhebliche Mängel“, welche eine Verkehrsgefährdung bedeuten, von welchen jedoch nicht zu erwarten ist, dass sie unmittelbar beim Weiterbetrieb zu einem Verkehrsunfall führen können (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Vorliegend war der Ende Mai 2011 übergebene Porsche Targa zuvor am 09. April 2010 vom TÜV Rheinland „im Umfang einer Hauptuntersuchung“ „mit positivem Ergebnis untersucht worden; hierbei hatte der TÜV den Erhaltungs- und Pflegezustand des Fahrzeugs jeweils als „gut“ bezeichnet. Am 29. August 2011 stellte der TÜV Nord bei einer Untersuchung verschiedene Mängel des Fahrzeugs fest, weshalb eine Prüfplakette wegen „erheblicher Mängel“ nicht erteilt wurde. Ist aber die Prüfplakette wegen einer weniger schlechten Note als „verkehrsunsicher“ zu verweigern, steht dies der Eigenschaft des Fahrzeugs als "fahrbereit“ nicht entgegen, so auch bei der Benotung „erhebliche Mängel“ (OLG Düsseldorf, a.a.O.; LG Aachen, NJW-RR 2001, 1207, 1208; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Auflage 2012 Rdz. 2712). Denn ein Fahrzeug ist nur dann nicht fahrbereit, wenn es bei einer Hauptuntersuchung als „verkehrsunsicher“ eingestuft wird (BGH NJW 1993, 1854), was der Kläger in Bezug auf den ihm verkauften Porsche Targa nicht behauptet.
2. Darauf, dass das Fahrzeug nicht die Zustandsnote 3- aufweise, hat der Kläger einen Rücktritt nicht gestützt. Selbst wenn ein hierauf gegründeter Rücktritt vorläge, so wäre er nicht wirksam. Denn abgesehen davon, dass der Kläger das Fahrzeug inzwischen verkauft hat und deshalb insoweit eine für den Rücktritt erforderliche (vgl. BGH NJW 2005, 1348) Nacherfüllung nicht mehr stattfinden kann, war das Fahrzeug nach der dem Kläger vor Kaufvertragsabschluss vorliegenden Fahrzeugkurzbewertung zwar mit der Note 3- benotet, allerdings ausdrücklich mit dem zusätzlichen Hinweis, bei der Besichtigung sei nur der äußere Zustand ohne genaue Prüfung und Probefahrt berücksichtigt worden; bei sorgfältiger Prüfung könnten sich Differenzen der Zustandsnote bis +/- 0,5 ergeben.
Hiernach war dem Kläger aber klar, dass der Bewertung mit der Zustandsnote von 3- nur eine oberflächliche Untersuchung des Sachverständigen zugrunde lag und der Sachverständige es für möglich hielt, dass eine genauere Untersuchung des Fahrzeugs zu einer Abwertung um 0,5 Punkte und damit zu einem erheblich geringeren Marktwert führen konnte. Damit lagen die Voraussetzungen des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, das heißt dem Kläger ist grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil er nahe liegende und jedem verständigen Menschen sofort einleuchtende Überlegungen nicht angestellt hat, indem er trotz des Hinweises auf die Möglichkeit einer um 0,5 abweichenden Eingruppierung auf die Einstufung des Fahrzeugs mit Note 3- vertraute und ihm deshalb ein schlechterer Fahrzeugzustand unbekannt geblieben ist.
Unter dieser Voraussetzung könnte der Kläger Mängelrechte nur dann geltend machen, wenn die Beklagte insoweit arglistig gehandelt hätte, § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dazu, dass der Beklagten indes über den Zustand des Fahrzeugs und seine hieraus abzuleitende Bewertung am Markt über das Gutachten hinausreichende Erkenntnisse vorlagen und sie diese dem Kläger arglistig vorenthalten hat, sind objektivierbare Tatsachen weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1; 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1/2 ZPO).