Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Bamberg Beschluss vom 26.04.2013 - 2 Ss OWi 349/13 - Lasermessverfahren PoliScanSpeed als amtlich anerkanntes standardisiertes Messverfahren

OLG Bamberg v. 26.04.2013: Zum Lasermessverfahren PoliScanSpeed als amtlich anerkanntes standardisiertes Messverfahren


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 26.04.2013 - 2 Ss OWi 349/13) hat entschieden:
  1. Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessverfahren PoliScanSpeed erfüllt die Voraussetzungen eines amtlich anerkannten, standardisierten Messverfahrens (u.a. Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Januar 2010, 5 Ss [OWi] 206/09 - (OWi) 178/09 I [bei juris]; KG Berlin, Beschluss vom 26. Februar 2010, 3 Ws [B] 94/10, DAR 2010, 331 f. = VRS 118 [2010], 367 ff. = SVR 2010, 274 f. und OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. April 2010, 2 Ss-OWi 236/10 [bei juris]).

  2. Eine Verurteilung wegen einer auf einer Bundesautobahn begangenen vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung setzt regelmäßig tatrichterliche Feststellungen zu den kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen voraus, insbesondere dazu, dass sich der Betroffene der höchst zulässigen Geschwindigkeit bewusst gewesen ist (Anschluss an OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. April 2010, 1 Ss 53/10, DAR 2010, 402 f. = SVR 2011, 110 f.).

Siehe auch Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed der Firma Vitronic und Zur Annahme von Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitungen


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 12.10.2012 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 480 € verurteilt und ein mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes einmonatiges Fahrverbot verhängt. Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
„Der Betroffene befuhr am 19.06.2012 um 20.32 Uhr als Führer des Pkw BMW, amtl. Kennz.: A-BC 1234, bei A.Bach die BAB A 93 in Fahrtrichtung München. Bei einer um 20.32 Uhr auf Höhe km 2,350 im Abschnitt 1160 durchgeführten digitalen Geschwindigkeitsmessung PoliScan-Speed wurde eine Geschwindigkeit von 178 km/h, abzüglich einer Messtoleranz von 6 km/h, also eine mindest gefahrene Geschwindigkeit von 172 km/h festgestellt. Im Bereich der Messstelle war die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen auf 120 km/h beschränkt. Die Überschreitung der angeordneten Geschwindigkeit hielt der Betroffene zumindest für möglich und hat sie auch billigend in Kauf genommen.“
Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt:
„Der Betroffene hat über seinen Verteidiger eingeräumt, zum Tatzeitpunkt Fahrer des verfahrensgegenständlichen Pkws gewesen zu sein. Die Höhe der festgestellten Geschwindigkeit ergibt sich aus dem verlesenen Messprotokoll sowie den in Augenschein genommenen Messfotos einschließlich des Messdatenfeldes; insoweit wird wegen weiterer Einzelheiten gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Abbildungen verwiesen. Bei der Geschwindigkeitsmessung wurde ein Messgerät PoliScan Speed, das bis Ende 2012 geeicht ist, verwendet. Damit liegt ein amtlich anerkanntes standardisiertes Messverfahren vor (vgl. insoweit KG, Beschluss v. 26.02.2010 – 3 Ws [B] 94/10). Von der im Rahmen der durchgeführten Geschwindigkeitsmessung mit diesem Messgerät festgestellten Geschwindigkeit in Höhe von 178 km/h wurde eine Messtoleranz von 6 km/h abgezogen, so dass die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit 172 km/h und die Geschwindigkeitsüberschreitung somit 52 km/h beträgt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die maßgebenden Bestimmungen bei der Messung mit dem Gerät PoliScan Speed nicht eingehalten wurden, liegen nicht vor. Der Betroffene hat zwar über seinen Verteidiger vortragen lassen, es sei davon auszugehen, dass bei der Messung ein nicht geeichter Seidel-Filter verwendet worden sei. Insoweit handelt es sich jedoch um einen allgemein geäußerten Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung, dem bei einem standardisierten Messverfahren durch das Gericht nicht nachgegangen werden muss. Infolgedessen wurde auch der vom Verteidiger gestellte Beweisantrag zurückgewiesen.

Infolge der massiven Überschreitung der angeordneten zulässigen Geschwindigkeit ist auch davon auszugehen, dass der Betroffene eine Geschwindigkeitsüberschreitung zumindest für möglich gehalten und diese auch billigend in Kauf genommen hat. Das Gericht ist vorliegend daher davon überzeugt, dass der Betroffene die angeordnete Geschwindigkeit von 120 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften vorsätzlich um 52 km/h überschritten hat.“
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.


II.

1. Soweit der Betroffene mit der Verfahrensrüge geltend macht, das Amtsgericht habe den von ihn gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht zu Unrecht abgelehnt, bleibt diese ohne Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Antragsschrift vom 05.03.2013 folgendes ausgeführt:
„Die erhobene Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Der Betroffene hat bereits keinen Beweisantrag gestellt, da im Antrag keine konkreten Beweistatsachen genannt werden. Es handelte sich daher lediglich um einen sogenannten Beweisermittlungsantrag. Die fehlerhafte Ablehnung eines solchen Antrages kann aber nur mit der Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens geltend gemacht werden. Hierzu hätte es jedoch Vortrag dazu bedurft, welche Tatsachen das Gericht dazu hätten drängen sollen, eine weitere Beweiserhebung durchzuführen. Weiter wäre Vortrag dazu erforderlich gewesen, welches Beweisziel mit dem Antrag verfolgt wurde und welches Ergebnis die begehrte Beweiserhebung erbracht hätte, vgl. Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 244 StPO Rn. 80 f. Entsprechenden Vortrag lässt die Rechtsbeschwerde jedoch vermissen.

Die Rüge der fehlerhaften Ablehnung des Antrages ist jedoch auch in der Sache unbegründet. Anlass zu der begehrten Beweiserhebung bestand nicht. Auch mit dem Antrag wurde nicht behauptet, dass durch die erfolgte Spiegelung es zu einer Fehlmessung gekommen ist. Die Spiegelung führte nur dazu, dass das Kennzeichen eines anderen Fahrzeuges in das Messbild hinein projiziert wurde. Eine solche Spiegelung soll im Übrigen durch den von der Verteidigung zitierten Seidelfilter gerade verhindert werden, der zudem ohnehin nicht eichfähig ist.

Auch die Rüge der Verwendung eines fehlerhaften Auswerterahmens geht fehl. Maßgeblich ist, dass der Auswerterahmen nicht über die Kfz-Front hinaus in einen anderen Fahrstreifen hinein ragt (vgl. Burhoff-Neidel-Grün, Messungen im Straßenverkehr, 2. Aufl., Rn. 427). Dies wird mit der Rechtsbeschwerde nicht behauptet und ist auch tatsächlich nicht der Fall.“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie sich zu eigen.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft allerdings davon ausgeht, dass es sich bei dem knapp über dem Fahrzeugdach in das Messfoto hineinprojizierten Kennzeichen nicht um das Kennzeichen des gemessenen, sondern das eines anderen Kraftfahrzeugs handelt, folgt der Senat dem nach eigener Anschauung des Messfotos, das nach prozessordnungsgemäßer Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bestandteil des Urteils geworden ist, nicht. Vielmehr lässt sich bei genauem Hinsehen erkennen, dass es sich um das Kennzeichen des gemessenen Kraftfahrzeugs handelt, welches in das Messfoto projiziert ist. Diese Projektion dient lediglich der besseren Erkennbarkeit des Kennzeichens des gemessenen Kraftfahrzeugs, hat aber keinerlei Auswirkungen auf das Messergebnis und dessen Zuordnung.

2. Soweit die Verteidigung in ihrer Gegenerklärung vom 20.03.2013 beanstandet, der festgestellte Geschwindigkeitsmesswert sei nicht prozessordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt worden, weil das auf dem Messfoto befindliche Datenfeld nicht von einer Bezugnahme nach Inaugenscheinnahme erfasst, sondern urkundenbeweislich zu verlesen sei, wird die formelle Rüge der Verletzung des § 261 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG erhoben. Dieser Verfahrensrüge muss der Erfolg aber schon deshalb versagt bleiben, weil sie nicht innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG erhoben wurde.


III.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat aber auf die Sachrüge hin – zumindest vorläufig – insoweit teilweise Erfolg, als das Amtsgericht bei dem von ihm festgestellten Geschwindigkeitsverstoß von vorsätzlicher Begehungsweise des Betroffenen ausgegangen ist.

1. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde deckt die Nachprüfung des angefochtenen Urteils mit Blick auf die Feststellungen des Amtsgerichts zum objektiven Tatgeschehen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

a) Da die tatrichterliche Überzeugung vom Rechtsbeschwerdegericht nur in eingeschränktem Maße und nur anhand der Urteilsgründe überprüft werden kann, müssen diese so gefasst sein, dass sie eine auf Rechtsfehler beschränkte Richtigkeitskontrolle ermöglichen (BGHSt 39, 291/295, 296). Sie müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht (BGH NJW 1982, 2882/2883; StV 1990, 340; vgl. auch KK-Senge OWiG 3. Aufl. § 71 Rn. 81). In welchem Umfang Ausführungen zur Beweiswürdigung geboten sind, bestimmt sich nach der konkreten Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage unter Berücksichtigung des Tatvorwurfs und des Verteidigervorbringens (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2012 - 3 Ss OWi 450/2012 = BeckRS 213, 00407). Gerade im Bußgeldverfahren sind unter dem Gesichtspunkt der (lediglich) verwaltungsrechtlichen Pflichtenermahnung an die Abfassung der Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Soweit der festgestellte Sachverhalt auf den Messergebnissen eines Messverfahrens beruht, genügt es für eine an diesen Anforderungen ausgerichteten hinreichenden Kontrolle der Beweiswürdigung, dass der Tatrichter neben der Wiedergabe des als erwiesen erachteten Messergebnisses das Messverfahren benennt und durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen den nach den jeweiligen technisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnissen möglichen Fehlerquellen Rechnung trägt (BGHSt 39, 291/297, 300, 302 f.). Diese Angaben bilden die Grundlage einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung; sie lassen den Schluss zu, dass die richterliche Überzeugung nicht auf einem bloßen Verdacht oder auf Vermutungen basiert (BGH NJW 1982, 2882 f.), sondern auf einer ausreichend objektiven Grundlage, nämlich auf der Ermittlung und Feststellung des Geschwindigkeitswerts mit Hilfe eines standardisierten Messverfahrens (OLG Bamberg a.a.O).

b) Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessverfahren PoliScan-Speed erfüllt die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens, d.h. eines durch Normen vereinheitlichten (technischen) Verfahrens, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und seines Ablaufs so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277). Diesen Anforderungen genügt das PoliScan-Speed-Verfahren, dessen Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zur innerstaatlichen Eichung zugelassen ist und bei dem die Geschwindigkeitsmessung von besonders geschultem Personal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers sowie der Zulassungsbedingungen der PTB durchgeführt wird. Dies bietet hinreichende Gewähr für eine zuverlässige Anwendung des PoliScan-Speed-Messverfahrens (vgl. wie hier zutreffend u.a. schon OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2010 – 5 Ss [OWi] 206/09 [bei juris]; KG, Beschluss vom 26.02.2010 – 3 Ws [B] 94/10 = DAR 2010, 331 f. = VRS 118 [2010], 367 ff. = SVR 2010, 274 f. und OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.04.2010 – 2 Ss OWi 236/10 [bei juris]).

c) Ein den geschilderten Anforderungen entsprechendes Verfahren indiziert die Richtigkeit des gemessenen Geschwindigkeitswertes, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler nicht ersichtlich sind. Dann genügen in den Urteilsgründen Angaben zum angewandten Verfahren, die festgestellte Geschwindigkeit sowie den in Ansatz gebrachten Toleranzwert. Nur bei Vorliegen von Umständen, die abweichend vom Regelfall dem Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Messung entgegen stehen, mithin konkrete Zweifel an der Funktionstüchtigkeit und der sachgerechten Handhabung des eingesetzten Geschwindigkeitsmessgerätes begründen, sind im Urteil über die bereits genannten Angaben hinaus nähere Ausführungen zur Messung erforderlich (OLG Stuttgart NZV 2008, 43 unter Hinweis auf OLG Dresden VRS 109, 196, 199 m.w.N.). Fehlen sie, so sind Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung grundsätzlich nur aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge der gerichtlichen Kontrolle zugänglich (BGHSt 39, 291/297, 301 f.; Cierniak zfs 2012, 664 f.). Haben sie allerdings in den Urteilsgründen selbst ihren Niederschlag gefunden, unterliegen sie im Rechtsbeschwerdeverfahren bei einer Geschwindigkeitsmessung durch ein standardisiertes Messverfahren im Rahmen der Sachrüge der Überprüfung (vgl. OLG Bamberg und OLG Düsseldorf, jeweils a.a.O.). Hinreichende Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit der verfahrensgegenständlichen Messung begründen könnten, hat das Amtsgericht vorliegend in seinem Urteil nicht festgestellt. Nach den Ausführungen des Senats zu Ziff. II ergeben sich solche Anhaltspunkte entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde insbesondere auch nicht aus dem abgebildeten Inhalt des in Bezug genommenen Messfotos.

2. Der Rechtsbeschwerde ist jedoch insoweit ein – jedenfalls vorläufiger – Erfolg nicht zu versagen, als die bisherigen Feststellungen sowie die Beweiswürdigung des Amtsgerichts die Annahme vorsätzlichen Handelns des Betroffenen nicht tragen (§§ 261, 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG). Hierzu führt die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg in ihrer vorgenannten Antragsschrift aus:
„Stellt das Tatgericht […] ein vorsätzliches Verhalten des Betroffenen fest, so hat es sowohl hinsichtlich des Wissens – als auch hinsichtlich des Wollenselements im Urteil näher darzulegen, warum es diese Tatbestandsvoraussetzungen bejaht. Das heißt, dass sich aus dem Urteil ergeben muss, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbegrenzung kannte und bewusst dagegen verstoßen hat (vgl. Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1589). Zur Kenntnis der Begrenzung enthält das Urteil keine Feststellungen, was bereits deshalb notwendig gewesen wäre, weil die Messung auf einer Autobahn erfolgt ist. Ein Schluss vom Umfang der Geschwindigkeitsüberschreitung auf das Vorliegen des Vorsatzes ist zudem nicht ausreichend, da andernfalls ab einer gewissen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit stets vorsätzliches Handeln anzunehmen wäre (vgl. OLG Hamm, DAR 1998, 281; OLG Bamberg, DAR 2010, 708; OLG Stuttgart, DAR 2010, 402; OLG Zweibrücken, DAR 2011, 274).

Da das Tatgericht die Erhöhung der Geldbuße zudem auch mit dem aus seiner Sicht festgestellten vorsätzlichen Verhalten begründet hat, war auch insoweit die Rechtsbeschwerde von Erfolg.“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an. Das Amtsgericht stellt in seinen Urteilsgründen lediglich fest, dass die Geschwindigkeit im Bereich der an einer Bundesautobahn befindlichen Messstelle durch Verkehrszeichen auf 120 km/h beschränkt war. Jegliche weiteren tatrichterlichen Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung lässt das Urteil vermissen. Das Amtsgericht schließt allein aus dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung um nahezu 50%, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung „zumindest für möglich gehalten und diese auch billigend in Kauf genommen hat“. Dieser Schluss leidet an einem durchgreifenden rechtlichen Mangel. Zwar braucht sich der Vorsatz nur auf die Geschwindigkeitsüberschreitung als solche, nicht aber auf deren konkrete Höhe zu beziehen (vgl. BayObLG St 1998, 166, 169; OLG Düsseldorf NZV 1997, 530; KG VRS 113,

74 f.). Auch legen erhebliche Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine vorsätzliche Begehungsweise regelmäßig nahe. Voraussetzung ist aber, dass der Täter sich der im Einzelfall höchst zulässigen Geschwindigkeit bewusst ist (Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 41. Aufl. § 3 Rn. 3 m.w.N.). Kennt der Täter die höchst zulässige Geschwindigkeit im konkreten Fall nicht und geht er von einer unbeschränkten Geschwindigkeit aus oder von einer höheren zulässigen Geschwindigkeit, welche die Differenz der festgestellten und der vermeintlichen Höchstgeschwindigkeit gering erscheinen lässt, so kann nur fahrlässiges Handeln in Betracht kommen (vgl. BayObLG DAR 1994, 162; OLG Koblenz DAR 1999, 159; OLG Zweibrücken DAR 2011, 274). Dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung wahrgenommen hat, ist im Urteil nicht festgestellt. Wenn aber offen ist, ob der Betroffene die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung kannte, so entbehrt der Schluss, dass er vorsätzlich gehandelt haben muss, wenn er die zulässige Geschwindigkeit von 120 km/h um 52 km/h überschritten hat, einer tragfähigen Grundlage. Selbst wenn vorliegend, was nicht festgestellt ist, das betreffende Verkehrszeichen für jedermann deutlich sichtbar aufgestellt gewesen sein sollte, ließe auch dies allein noch nicht den Schluss zu, der Betroffene habe es vorsätzlich nicht beachtet (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.04.2010 – 1 Ss 53/10 = DAR 2010, 402 f. = SVR 2011, 110 f.). Einen Erfahrungssatz, dass gut sichtbar aufgestellte Verkehrsschilder immer gesehen werden, gibt es nicht (BayObLG DAR 1996,288; OLG Hamm NZV 1998,14).


IV.

Wegen des aufgezeigten Begründungsmangels im subjektiven Tatbestand war daher das angefochtene Urteil sowohl im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben als auch im Schuldspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen, soweit das Amtsgericht von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen ist (§§ 267, 261, 353 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache, auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG. Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.