Das Verkehrslexikon
OLG Celle Urteil vom 30.05.2013 - 8 U 275/12 - Kfz-Diebstahl und Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers
OLG Celle v. 30.05.2013: Kfz-Diebstahl und Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers
Das OLG Celle (Urteil vom 30.05.2013 - 8 U 275/12) hat entschieden:
Den Versicherungsnehmer in der Kfz-Kaskoversicherung trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Entwendung seines Fahrzeuges. Er hat als Minimalsachverhalt nachzuweisen, dass das Fahrzeug an einem bestimmten Ort abgestellt und später dort nicht mehr aufgefunden wurde. Regelmäßig ist in diesem Zusammenhang von der Redlichkeit des Versicherungsnehmers auszugehen. Dieser Regelfall kann aber nicht mehr angenommen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen oder wenn sich doch schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung des Fahrzeugdiebstahls aufdrängen. Die Glaubwürdigkeit kann auch durch Unredlichkeiten in Frage gestellt sein, die in keinem Bezug zu dem streitigen Versicherungsfall stehen.
Siehe auch Fahrzeugdiebstahl - Kfz-Diebstahl und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung
Gründe:
I.
Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Kaskoversicherungsvertrag (Unterlagen Bl. 22 ff.) mit der Begründung geltend, der von ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann und ursprünglichen Kläger (Versicherungsnehmer) im Jahr 2009 erworbene Pkw, ein am 9. August 2007 erstmals (Bl. 4, 117) und am 15. Dezember 2009 auf ihn zugelassenes, finanziertes (Bl. 125) BMW 320 i Cabriolet mit dem amtlichen Kennzeichen …, sei in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 2011 in …, L., gestohlen worden. Zur Höhe der geltend gemachten Forderung bezieht sie sich auf eine vom Versicherungsnehmer in Auftrag gegebene Fahrzeugbewertung, die, ausgehend von einer Laufleistung von 52.000 km, mit brutto 29.250 € endet, wovon die Klägerin wegen der fehlenden Vorsteuerabzugsberechtigung 3 % in Abzug bringt (rechnerisch 877,50 €, nicht - wie von der Klägerin Bl. 3 behauptet - 585 €).
Die Beklagte hat einen Diebstahl in Abrede genommen. Der Vortrag reiche für das äußere Bild einer Entwendung nicht aus. Wegen unrichtiger Angaben des Ehemanns der Klägerin - deutlich zu niedrige Laufleistung, nämlich 52.000 km statt tatsächlich über 70.000 km, und Verschweigen eines früheren Diebstahls - bestünden schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und liege das Vortäuschen eines Versicherungsfalls nahe. Die vereinbarte Selbstbeteiligung sei nicht in Abzug gebracht worden. Beim Wiederbeschaffungswert sei nur der Nettobetrag in Ansatz zu bringen.
Das Landgericht hat die Klägerin persönlich angehört (Bl. 159) und eine Zeugin, der das Fahrzeug zur behaupteten Tatzeit überlassen worden sei, vernommen (Bl. 157 f.).
Es hat sodann die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe den Beweis für das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung nicht zur Überzeugung des Gerichts erbracht. Die Zweifel des Gerichts beruhten auf dem Aussageverhalten der Zeugin. Sie habe zwar das Kerngeschehen nachvollziehbar geschildert. Im Übrigen sei ihre Aussage aber wenig klar und lückenhaft gewesen, was ausgeführt wird. Auch vor dem Hintergrund, dass der schriftsätzliche Vortrag der Klägerin Ungereimtheiten aufweise und es im Vorwege zu falschen Angaben durch den Ehemann der Klägerin, insbesondere hinsichtlich der Laufleistung, gekommen sei, führe dieses Aussageverhalten zur fehlenden Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin.
Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Zahlungsantrag weiter verfolgt.
Das Landgericht hätte zur Laufleistungsangabe im Formular auch den Zeugen T. vernehmen müssen. Hinsichtlich der vernommenen Zeugin habe das Landgericht zu hohe Beweisanforderungen gestellt. Sie benennt zwei weitere Zeugen, die das Abhandenkommen des Pkw bestätigen könnten.
Die Klägerin beantragt,
abändernd die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin von 28.665 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört und den Zeugen T. vernommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, das angefochtene Urteil sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie hat, wie das Landgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, das äußere Bild eines Diebstahls nicht bewiesen. Der Senat geht nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts außerdem davon aus, dass ein Diebstahl nur vorgetäuscht wurde.
1. Das Landgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme und Würdigung derselben eine versicherte Fahrzeugentwendung nicht als erwiesen angesehen.
a) Für einen behaupteten Kfz.-Diebstahl genügt der Versicherungsnehmer zunächst seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er Anzeichen behauptet und im Bestreitensfalle beweist, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines Diebstahls ergeben. Dieses äußere Bild eines Diebstahls ist im Allgemeinen schon dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später nicht mehr vorfindet (vgl. nur BGHZ 130, 1, 3 = NJW 1995, 2169). Diesen Minimalsachverhalt hat der Versicherungsnehmer, ohne dass ihm Beweiserleichterungen zugutekämen, in vollem Umfang zu beweisen.
Das äußere Bild eines Fahrzeugdiebstahls besteht aus zwei unabhängig voneinander zu betrachtenden Teilakten, dem Abstellen und dem Nichtwiederauffinden. Sind die Tatsachen für das äußere Bild streitig, also das Abstellen und/oder das spätere Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs, und hat der Versicherungsnehmer dafür (Zeugen-)Beweis angeboten, muss dieser Beweis erhoben werden, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer selbst unglaubwürdig ist (vgl. BGH, NJW 1997, 1988).
b) Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil nach zeugenschaftlicher Vernehmung der Freundin der Klägerin, die das Fahrzeug zur Zeit des behaupteten Diebstahls nutzte, den Nachweis des äußeren Bildes nicht als erwiesen angesehen. Zur Begründung hat es sich auf das Aussageverhalten der Zeugin gestützt und dazu näher ausgeführt.
Grundsätzlich ist der Senat an die Feststellungen der Vorinstanz gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Eine Bindung besteht nur dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte vernünftige Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen zu wecken geeignet sind. Es muss eine bestimmte, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Vermutung bestehen, dass im Falle einer neuen Beweisaufnahme die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden. Dem kann eine Verletzung von Denkgesetzen, von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen, das Verkennen der Beweislast oder das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags zugrunde liegen (vgl. BGH, NJW 2005, 1583). Dies umfasst auch die Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 529 Rdnr. 2). Demgegenüber gibt es die Berufungsinstanz als vollwertige Tatsacheninstanz nicht mehr. Erschöpft sich die Berufung in einem Angriff auf die Beweiswürdigung, so muss sie schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen begründen (Zöller/Heßler, ebenda Rdnr. 3). Das setzt voraus, dass die etwaig bestehenden Zweifel an den erhobenen Beweisen einen Neueinstieg in die Beweisaufnahme gebieten.
Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Einwände der Klägerin überzeugen den Senat nicht. Zutreffend hat das Landgericht die Beweisanforderungen für den Fall des behaupteten Fahrzeugdiebstahls dargestellt. Es hat dann im Einzelnen begründet, warum es den der Klägerin obliegenden Nachweis nicht für erbracht erachtet hat. Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, der in Rede stehende Sachverhalt habe zur Zeit der Zeugenaussage bereits 14 Monate zurückgelegen. Diese Zeitspanne ist schon alles andere als ungewöhnlich. Insbesondere aber erklärt dieser Hinweis auf die verstrichene Zeit nicht, dass die Zeugin nach den dargelegten Feststellungen des Landgerichts zwar den Kernsachverhalt habe nachvollziehbar schildern können, dies für das Randgeschehen aber nicht mehr gelte. Insoweit bestünden Unklarheiten, die das Landgericht auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin und der vorgerichtlichen Angaben gegenüber der Beklagten gewürdigt hat. Die Klägerin setzt demgegenüber im Wesentlichen lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts. Soweit sie dabei meint, es sei nicht erkennbar, inwieweit Erinnerungslücken der Zeugin für die tatsächliche Entwendung des Fahrzeugs maßgeblich sein sollten, verkennt sie schon die Anforderungen, die § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO an die richterliche Überzeugungsbildung stellt. Das Gericht hat danach unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Nichts anderes hat das Landgericht getan und dabei auch § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprochen, nämlich die Gründe angegeben, die für die Überzeugung leitend gewesen sind.
Erst wenn und soweit der Tatrichter sich davon überzeugt hat, dass die Aussage eines Zeugen glaubhaft und der Zeuge persönlich glaubwürdig ist, darf er die von dem Zeugen bekundeten Tatsachen seinem Urteil zugrunde legen (BGH, NJW 1991, 3284, 3285). Kann er sich eine solche Überzeugung nicht bilden, darf er die Aussage nicht zugrunde legen. Dabei kommt es im konkreten Fall nicht darauf an, ob man eine - nicht auf den Bereich des Strafrechts beschränkte - "Nullhypothese" oder stattdessen die "50/50-Hypothese" zugrunde legt, weil solche Hypothesen am vom Landgericht gefundenen Ergebnis nichts änderten und es ohnehin entscheidend darauf ankommt, dass der Maßstab des § 286 ZPO Anwendung zu finden hat.
c) Überdies bedurfte es nicht der Vernehmung der in der Berufungsbegründung erstmals benannten zwei weiteren Zeugen. Es ist kein Grund ersichtlich, dieses neue Angriffsmittel noch zu berücksichtigen, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO.
Für die Zulässigkeit des Vorbringens neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel ist maßgebend, ob dieses bei der gebotenen Sorgfalt bereits in erster Instanz hätte erfolgen können. Bei dieser Prüfung dürfen die Anforderungen zwar nicht überspannt werden, jedoch ist der Zweck der Bestimmung des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen, dass der entscheidungsrelevante Sach- und Streitstoff bereits in erster Instanz vollständig unterbreitet werden soll (BT-Drucks. 14/3750, S. 72 f., 14/4722, S. 101 f.). Mit dieser Zweckbestimmung wäre es nicht vereinbar, einer Partei zu gestatten, bereits möglichen Vortrag für die zweite Instanz zurückzuhalten. Die vom Gesetzgeber gewollte Konzentration der Tatsachenfeststellung auf die erste Instanz verpflichtet die Parteien, grundsätzlich bereits in erster Instanz alles vorzutragen, was aus ihrer Sicht für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist. Sie dürfen nicht aus prozesstaktischen Gründen auf einen derartigen Vortrag verzichten. Tun sie es dennoch, stellt dies eine Nachlässigkeit dar, welche die Berücksichtigung dieses Vorbringens im Berufungsverfahren ausschließt (BGH, NJW 2010, 376).
Die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat erklärt, dass diese beiden Zeugen, bei denen ihre Freundin sich zur Zeit des behaupteten Diebstahls aufgehalten habe, ihr bereits vor dem Diebstahl bekannt gewesen seien, nunmehr kenne sie diese nur noch etwas näher. Die Klägerin hatte aber bereits in erster Instanz vollständig vorzutragen und durfte sich insbesondere nicht darauf verlassen, dass ihr der Nachweis des äußeren Bildes bereits auf der Grundlage der von ihr allein behaupteten damaligen Fahrerin des Fahrzeugs, ihrer Freundin, gelingen werde. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin durch die Prozessleitung des Landgerichts oder seine erkennbare rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses davon abgehalten worden wäre, auf die beiden Zeugen zu verzichten. Auch musste das Landgericht im Hinblick darauf, dass die beiden Zeugen als solche in Betracht kamen, weder Nachfrage halten noch Hinweise an die anwaltlich vertretene Klägerin erteilen (s. a. BVerfG, NJW-RR 1996, 253, 254 m. w. N.).
2. Letztlich unabhängig von der Frage des Nachweises des äußeren Bildes bestehen vorliegend jedenfalls schwerwiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers und der Klägerin als ihrem Rechtsnachfolger und an der Richtigkeit der von ihnen aufgestellten Behauptung der Entwendung, so dass der Senat, wie in der mündlichen Verhandlung bereits erörtert, außerdem von einem vorgetäuschten Diebstahl ausgeht. Hat der Versicherer konkrete Tatsachen nachgewiesen oder sind solche unstreitig, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen, braucht der Versicherer nicht zu leisten, wenn nicht der Versicherungsnehmer nunmehr den vollen Beweis für den Diebstahl erbringt (BGH, VersR 1993, 571).
Zwar hat grundsätzlich der Versicherer konkrete Tatsachen nachzuweisen, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen. Derartige konkrete Tatsachen können sich aber auch aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers ergeben, das ihn unglaubwürdig erscheinen lässt oder doch schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung der Entwendung aufdrängt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Versicherungsnehmer im Rechtsverkehr - namentlich in Versicherungsangelegenheiten - zur Durchsetzung seiner Vermögensinteressen wiederholt unrichtige Angaben gemacht hat oder bei der versicherungsrechtlichen Abwicklung des Schadenfalles ein solches Verhalten an den Tag legt (ebenda).
Grundsätzlich ist zwar der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall, von dem auszugehen ist. Fehlt es nach Überzeugung des Gerichts aber an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers, gilt die Redlichkeitsvermutung nicht mehr (vgl. BGH, NJW 1996, 1348, 1349; NJW 1997, 1988). Von einem Regelfall könne nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorlägen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen ließen oder sich doch schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen der Entwendung aufdrängten. Die Glaubwürdigkeit könne auch durch Unredlichkeiten in Frage gestellt sein, die in keinem Bezug zu dem umstrittenen Versicherungsfall stünden. Solche Tatsachen müssten aber feststehen, d. h. unstreitig oder bewiesen sein, wohingegen bloße Verdachtsmomente schon wegen der Unschuldsvermutung nicht gegen den Versicherungsnehmer ins Feld geführt werden dürften. Mit diesem Rahmen ist letztlich die Frage noch nicht beantwortet, unter welchen Voraussetzungen dem Versicherungsnehmer die Beweiserleichterungen zu versagen sind, wenn Unregelmäßigkeiten feststehen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs lasse sich nicht generell sagen, welche feststehenden Tatsachen ausreichten, um zumindest ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers aufkommen zu lassen (ebenda). Dies sei eine Frage des Einzelfalls und könne auch davon abhängen, ob mehrere Umstände zusammenkämen, die bei einer Gesamtschau zu dem Ergebnis führten, dass dem Versicherungsnehmer seine Darstellung von der Entwendung nicht geglaubt werden könne. Nicht jede Unregelmäßigkeit reiche zu schwerwiegenden Zweifeln aus. Ernsthafte Zweifel könnten berechtigt sein, wenn der Versicherungsnehmer im Rechtsverkehr, insbesondere in Versicherungsangelegenheiten, zur Durchsetzung seiner Vermögensinteressen wiederholt oder sogar beharrlich bewusst unrichtige Angaben gemacht habe.
Unrichtige Angaben haben der Versicherungsnehmer und die Klägerin vorliegend in mehrfacher Hinsicht gemacht:
- Im Schadenanzeigeformular hat der Versicherungsnehmer, der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin, einen früheren Diebstahl oder versuchten Diebstahl in Abrede genommen (Frage 24, Bl. 106). Die Antwort war falsch, wie an sich auch unstreitig ist.
Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass damals - in L. - nicht der Pkw ihres Mannes gestohlen wurde, sondern der einer GmbH, deren Geschäftsführer er war (Bl. 124).
Die Formulierung in dem Schadenanzeigeformular geht nämlich ausdrücklich und unmissverständlich dahin, dass auch danach gefragt wird, ob dem Unterzeichner des Formulars auch schon einmal als Nutzer ein Fahrzeug gestohlen worden ist. Die Antwort darauf musste "ja" lauten, tatsächlich ist sie aber verneint worden. Nach einem "Privatfahrzeug" (Bl. 112) ist entgegen der Auffassung des Versicherungsnehmers nicht gefragt worden. Das Schadenanzeigeformular ist vom Zeugen T. nach den Angaben der Klägerin ausgefüllt, dann mit dem Versicherungsnehmer nach Aussage des Zeugen T. durchgegangen und schließlich vom Versicherungsnehmer unterschrieben worden (s. a. Bl. 112), und zwar unter dem 26. August 2011.
Falsch beantwortet wurde die Frage 24 daneben auch von der Klägerin, weil nach den Angaben der Klägerin gegenüber dem Senat auf dessen Nachfrage es wenige Tage vor dem hier in Rede stehenden Diebstahl zu einem Diebstahlsversuch in L. gekommen sein soll; die Polizei sei informiert worden. Erstmals erwähnt hatte diesen im Schadenanzeigeformular nicht erwähnten Diebstahlsversuch auch nicht die Klägerin, sondern die vom Landgericht vernommene Zeugin (Bl. 158).
Der Ehemann der Klägerin hat die Aussage, es sei ihm noch kein Fahrzeug gestohlen worden, aber ohnehin nicht nur in dem Schadenanzeigeformular getätigt, sondern auch nochmals in dem Formular, das das Datum des 20. Oktober 2011 trägt. Zu dieser Zeit befand sich der Ehemann nicht mehr im Krankenhaus. Mit diesem Formular war auch nicht der Zeuge T. befasst gewesen. Dieser hat ausgesagt, dass ihm dieses Formular unbekannt sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge am Ausfüllen irgendwie beteiligt war, gibt es auch nicht. Es gibt weiter keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann krankheitsbedingt daran gehindert gewesen sein könnte, mit der gebotenen Sorgfalt auf die Fragen der Beklagten einzugehen. Die von ihm verfassten handschriftlichen Zusätze auf dem Schreiben der Beklagten sprechen gegen krankheitsbedingte Einschränkungen.
- Die Angabe der Laufleistung im Schadenanzeigeformular war - grob - falsch. Sie betrug nicht, wie angegeben, "ca. 52.000 km", sondern über 70.000 km (so die Schlüsselauswertung Bl. 113). Diese Falschangabe erfolgte nach Überzeugung des Senats auch nicht versehentlich.
Offenbar nach Vorlage der Schlüsselauswertung vom 14. September 2011 hat die Beklagte noch zwei Mal nach dem Kilometerstand gefragt. Der Versicherungsnehmer ist bei seiner Angabe geblieben (Bl. 112): "ca. 52.000 km wie angegeben" heißt es in einer Erklärung vom 20. Oktober 2011. Auf die ihm bereits vorher gestellte Frage gleichen Inhalts war der Versicherungsnehmer gar nicht eingegangen, sondern hatte sie, anders als die übrigen Fragen im Schreiben der Beklagten, ignoriert (Erklärung vom 26. September 2011, Bl. 118).
Damit hatte der Versicherungsnehmer auch die Vereinbarung aus dem Versicherungsvertrag deutlich missachtet. Vereinbart und damit der Prämienkalkulation der Beklagten zugrunde gelegt worden war eine jährliche Laufleistung von 15.000 km (s. Versicherungsschein Bl. 28). Der Pkw wurde am ... Dezember 2009 mit einem Kilometerstand von 25.494 auf den Versicherungsnehmer zugelassen (Bl. 22). Bis zum behaupteten Diebstahl hätten mit dem Pkw 24.000 km zurückgelegt werden dürfen. Der Kilometerstand hätte dann 49.500 betragen.
Zur Begründung für die falsche Angabe zum Kilometerstand hat die Klägerin darauf verwiesen, der als Zeuge benannte Bekannte des Versicherungsnehmers, H.-G. T. in S., habe den Antrag ausgefüllt, der Versicherungsnehmer ihn nur unterschrieben. Der Bekannte habe die Angaben nach den Angaben der Klägerin gemacht (Bl. 123); von diesem Vortrag aber ist die Klägerin später wieder abgewichen (Bl. 133, 197, 229). Die Laufleistung sei nur grob geschätzt worden; keiner sei davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine versicherungstechnisch wichtige Frage handeln würde (ebenda).
Das aber überzeugt bereits unabhängig von der Aussage des Zeugen T. nicht. Zum einen liegt die Angabe zur tatsächlichen Laufleistung "weit daneben" und ist ein Versehen fernliegend. Der Pkw war doch nach eigenen Angaben des Versicherungsnehmers in der Werkstatt zur Wartung (Bl. 118). Üblicherweise geschieht dies in Abhängigkeit von der seit der letzten Wartung zurückgelegten Fahrstrecke. Nach welchen Kriterien die Klägerin (bzw. der Versicherungsnehmer) dies getan haben will, ist offen geblieben. Die Behauptung, es sei nicht davon ausgegangen worden, dass es sich dabei um eine versicherungstechnisch wichtige Frage handeln würde, ist genauso fernliegend, und zwar schon deswegen, weil die Frage nach der Laufleistung noch zwei Mal von der Beklagten gestellt wurde. Die Klägerin kann aber ebenso wenig wie der Versicherungsnehmer ernsthaft davon ausgegangen sein, dass die Beklagte wiederholt überflüssige Fragen stellt. Dass die Laufleistung für den Wert eines Pkw und damit zwangsläufig auch für die Versicherungsleistung von erheblicher Bedeutung ist, ist allgemein bekannt. Bl. 133 hat die Klägerin schließlich eingeräumt, dass der Bekannte und Zeuge T. der Versicherungsvertreter des Versicherungsnehmers sei, so dass die Behauptung, keiner sei davon ausgegangen, dass es sich um eine versicherungstechnisch wichtige Frage handeln würde, vollends abwegig erscheint. Der Zeuge T. hat auch ausgesagt, mit Sicherheit der Klägerin oder dem Versicherungsnehmer nicht gesagt zu haben, dass der Kilometerstand unbedeutend sei. Bl. 133 ist dann auch nicht mehr die Rede davon, dass die Klägerin die Kilometerangabe gegenüber dem Zeugen geäußert habe, sondern dieser habe sie geschätzt nach Kilometerstand beim Kauf und im Versicherungsvertrag genannter Laufleistung von jährlich 15.000 km, was aber eine Angabe von 50.000 km, ohnehin eine runde Zahl, viel plausibler gemacht hätte als die tatsächlich eingetragenen 52.000 km. Der Zeuge, so heißt es Bl. 133 f. weiter, habe den Versicherungsnehmer im Krankenhaus angerufen und gefragt, ob dieser Kilometerstand einigermaßen hinkommen könne. Der Versicherungsnehmer habe dazu erklärt, dazu keine weiteren Angaben machen zu können. In der Berufungsbegründung heißt es, der Versicherungsnehmer habe auf der Intensivstation gelegen und sei gar nicht fähig gewesen, Aussagen zu tätigen (Bl. 197). Soweit es dort weiter heißt, die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, sie habe den Kilometerstand dem Zeugen mitgeteilt, trifft dies gerade nicht zu (Bl. 123).
Falsch war in diesem Zusammenhang auch die Auskunft, Wartungsarbeiten seien bei BMW in K. vorgenommen worden. Diese Auskunft, vom Zeugen T. aufgenommen, beruhte auf der Angabe der Klägerin selbst. In ihrer Anwesenheit wurde das Schadenanzeigeformular vom Zeugen T. ausgefüllt. Andererseits hat die Klägerin auf Nachfrage des Senats eine Rechnung von BMW in B. vorgelegt. Diese datiert von August 2010 und weist einen Kilometerstand von 47.949 km aus. Damit steht fest, dass er 10 Monate später nicht 52.000 km betragen konnte. Etwas anderes könnte man nur annehmen, wenn die Klägerin ihr Nutzungsverhalten völlig geändert hätte, was sie aber selbst nicht behauptet. Sie hat das Fahrzeug vielmehr zu Fahrten nach L. genutzt. Die Klägerin hat dazu in ihrer Anhörung auch eingeräumt gewusst zu haben, dass ihr Ehemann den Wagen zu BMW gebracht habe. Auf der Grundlage dieser Kenntnis habe sie sich die Rechnung dort besorgt. Da sie dies nunmehr wusste, ist nicht ersichtlich, warum sie es bei dem Ausfüllen des Schadenanzeigeformulars in Anwesenheit des Zeugen T. nicht gewusst haben will.
Die Klägerin, Betriebswirtin, hat nach dem Eindruck, den der Senat sich von ihr in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, genau verstanden, worum es in der Sache geht und welche Bedeutung ihre Angaben bzw. diejenigen des Versicherungsnehmers für den Fort- und Ausgang des Leistungsverlangens bzw. des Rechtsstreits haben. Der Senat nimmt ihr den Vortrag nicht ab, dass sie geglaubt habe, bei der gegenüber der Beklagten anzugebenden Laufleistung habe es sich um eine versicherungstechnisch nicht wichtige Frage gehandelt. Weiter nimmt der Senat ihr nicht ab, sie habe zu keiner Zeit eine Vorstellung von der Laufleistung gehabt. Es mag zwar sein, dass sie sich dafür nicht interessiert hatte. Die ungefähre Laufleistung hätte aber von ihr rekonstruiert werden können. Nach ihren eigenen Angaben hatte sie im Jahr 2011 das Fahrzeug fast ausschließlich alleine genutzt. Sie wusste nach ihren eigenen Angaben auch, dass im Jahr 2010 ihr Ehemann, der Versicherungsnehmer, das Fahrzeug in die BMW-Werkstatt in B. verbracht hatte. Die Rechnung hat sie sich aber erst zur Vorlage bei Gericht und auch nur auf ausdrückliche Nachfrage des Senats dort besorgt. Soweit sie in der Anhörung vor dem Senat erklärt hat, sie sei, was ihre Aufenthalte in Deutschland und L. angehe, "meist geflogen", steht dies in deutlichem Widerspruch zu ihrer Erklärung vor dem Landgericht, wo sie angegeben hat, normalerweise die Fähre genommen zu haben (was sie nach Aussage des Zeugen T. auch diesem gesagt hatte), "nur an diesem einen Mal und auch ausnahmsweise an einem anderen Mal" sei sie mit dem Flugzeug unterwegs gewesen (Bl. 159).
Der Zeuge T., langjähriger Freund der Klägerin und ihres Ehemannes, ist ebenfalls unglaubwürdig. Er hat nach dem Eindruck des Senats insbesondere versucht, Falschangaben zu bagatellisieren. Die wiederholt falsch beantwortete Frage nach der Laufleistung, die der Zeuge sowohl mit der Klägerin, in deren Anwesenheit er das Schadenanzeigeformular ausgefüllt hat, als auch mit dem Versicherungsnehmer erörtert hat (Bl. 229), hat der Zeuge geradezu abgetan; es werde von den Versicherern halt viel abgefragt, was nicht ganz ernst zu nehmen sei. Dabei hat der Zeuge später und von sich aus eingeräumt, dass die Laufleistung im Hinblick auf den Wert des Fahrzeugs für einen Versicherer wichtig sei. Dieses Aussageverhalten macht den Zeugen bereits für sich genommen unglaubwürdig. Bei Ausfüllen des Schadenanzeigeformulars war der Zeuge noch als Versicherungsmakler aktiv. Versicherungen mache er, so seine Antwort auf eine Nachfrage des Senats, seit 1973. Dass er es mit der Wahrheit nicht genau genommen hat, steht zur Überzeugung des Senats auch deswegen fest, weil er auf Nachfragen des Senats anfangs als feste Überzeugung dargestellte Aussagen relativiert hat. So hat der Zeuge ausgesagt, die mit Datum ... August 2011 versehene Unterschrift Bl. 110 unter das Formular habe der Versicherungsnehmer im Krankenhaus geleistet. Zuerst meinte er, es sei das Krankenhaus H. gewesen (was nach der vom Senat mehrfach angeforderten Aufstellung der D… vom 16. Mai 2013, Bl. 252, nicht zutreffen kann), um dann auf Nachfrage zu korrigieren, dass es auch dasjenige in B. gewesen sein könne. Gravierender ist, dass er auf Nachfrage des Senats auch eingeräumt hat, dass es gar nicht in einem Krankenhaus gewesen sein müsse, sondern auch irgendwo sonst gewesen sein könne. Unglaubhaft ist auch die Aussage des Zeugen zu der von ihm selbst behaupteten Ermittlung der Laufleistung. Der Zeuge mochte sich nicht mehr festlegen, ob er eine überschlägige Berechnung oder eine bloße Schätzung vorgenommen habe. Auf die Darlegungen des Senats hin, wonach eine einfache "Hochrechnung" der bekannten Daten, nämlich Kaufzeitpunkt und damalige Laufleistung sowie gegenüber der Beklagten angegebene jährliche Laufleistung, zu einem km-Stand von knapp 50.000 km geführt hätten, also die Angabe von "ca. 50.000 km" viel näher gelegen hätte, konnte der Zeuge auch nicht ansatzweise Angaben dazu machen, warum er nicht, was doch gerade als Schätzung nahegelegen hätte, 50.000 km angegeben hat bzw. wie er gerade zu "ca. 52.000 km" gekommen sein will. Das überrascht auch deswegen, weil ihm wegen seiner langjährigen Tätigkeit klar war bzw. klar gewesen sein muss, dass die Antwort auf die Frage, die im Formular auch noch dahingehend hervorgehoben war, dass nach "Tacho abgelesen" und "Gesamtleistung" differenziert worden war, für den Versicherer bedeutsam war und falsche Angaben Einfluss auf die Regulierung haben würden. Auch auf den Vorhalt des Senats, bei einer Schätzung hätte doch nahegelegen, das Wort Schätzung in das Formular aufzunehmen, blieb der Zeuge jede Begründung oder sonstige Auskunft schuldig. Die Angabe "ca." zeigt für sich genommen dem Versicherer gerade nicht, dass es sich aus Sicht des Versicherungsnehmers nur um eine - grobe - Schätzung handeln soll und er sich zu auch nur halbwegs verlässlichen Angaben nicht in der Lage sieht. Schließlich konnte der Zeuge wiederum nicht erklären, warum er in der ersten Nachfrage der Beklagten (Bl. 118) zwar handschriftliche Anmerkungen für den Versicherungsnehmer vornahm und damit die ersten drei Aspekte der Nachfrage abarbeitete, die ausdrückliche Nachfrage zur Laufleistung aber unbeantwortet ließ. Sein Versuch einer Erklärung dahingehend, dass der Versicherungsnehmer diese Frage selbst hätte beantworten können, überzeugt nicht. Denn das gilt in gleicher Weise für das Formular im Übrigen. Insoweit aber hatte nach der Aussage des Zeugen der Versicherungsnehmer ihn gebeten, die Anmerkungen statt seiner zu machen. Nicht nachvollziehbar ist ebenso, warum der Zeuge weder die Klägerin noch ihren Ehemann dazu befragt haben will, ob nicht irgendwelche Unterlagen vorhanden seien, die Auskunft über den Kilometerstand geben könnten. Bei einem gerade einmal vier Jahre alten BMW-Cabrio, das seit mehr als eineinhalb Jahren im Besitz des Versicherungsnehmers bzw. der Klägerin war, lag es doch nahe, dass es solche Unterlagen geben würde. Fahrzeuge dieses Alters und dieser Preisklasse werden üblicherweise auch in einer Werkstatt gewartet. Das mag im Einzelfall anders gehandhabt werden, was aber nichts daran ändert, dass dem Regelfall entsprechend eine Nachfrage nahe gelegen hätte. Der Zeuge T., nach eigenen Angaben Oldtimer-Fahrer, hat, und insofern dürfte seine Aussage seinem tatsächlichen Wissensstand entsprechen, weiter ausgesagt, er habe nicht gewusst, dass auf den Schlüsseln die Laufleistung ausgelesen werden könne. Nach Kenntnis des Senats aus anderen Verfahren besteht diese Möglichkeit auch nur bei hochwertigen bzw. hochpreisigen Fahrzeugen, bei den meisten Fahrzeugen, jedenfalls solchen, die bereits vor einigen Jahren produziert wurden, hingegen nicht.
Die Indizien in ihrer Summe rechtfertigen die Annahme einer erheblichen Täuschungswahrscheinlichkeit. Da der volle Beweis eines Diebstahls von der Klägerin nicht erbracht ist, unterliegt auch aus diesem Grund die Berufung der Zurückweisung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.