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OLG Celle Urteil vom 31.07.2013 - 14 U 74/12 - Unfallursächlichkeit eines Bandscheibenvorfalls und einer posttraumatischen Belastungsstörung
OLG Celle v. 31.07.2013: Zum Nachweis der Unfallursächlichkeit eines Bandscheibenvorfalls und einer posttraumatischen Belastungsstörung
Das OLG Celle (Urteil vom 31.07.2013 - 14 U 74/12) hat entschieden:
Zur Annahme eines Kausalzusammenhangs zwischen einem Unfall und einem Bandscheibenvorfall genügt nicht die bloße zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden. Vielmehr ist als Mindestmaß für die Beweisführung zu fordern, dass die unfallbedingte Entstehung der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen wahrscheinlicher ist als eine unfallunabhängige Entstehungsursache. Der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen einem Unfall und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kann geführt werden, wenn erste Anhaltspunkte für das Auftreten einer PTBS nach dem Unfall sich bereits aus dem ersten Arztbericht ergeben, in dem von reaktiven, posttraumatischen, psychoreaktiven Störungen in Form von Angst- und Unruhezuständen und Schlafstörungen gesprochen wird.
Siehe auch Halswirbelschleudertrauma - unfallbedingte Wirbelsäulenverletzungen und Psychische Unfallfolgen und Fehlverarbeitung traumatischer Erlebnisse - PTBS - posttraumatisches Belastungssyndrom
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 12. April 2006 auf der V. Straße in H..
Bei diesem Unfall wurde der von ihr gefahrene Pkw von dem vom Beklagten zu 1 gefahrenen Lkw bei einem Spurwechsel von der mittleren auf die rechte Fahrspur seitlich gerammt, um 90° gedreht und ein Stück vor dem Lkw hergeschoben. Die vollständige Eintrittspflicht der Beklagten für die Folgen dieses Unfalls ist nicht im Streit.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das angefochtene Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover (Bl. 365 ff. d. A.) verwiesen.
Gegen die klagabweisende Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die sich in der Hauptsache gegen die Feststellung des Landgerichtes richtet, ihr sei nicht der Nachweis gelungen, das von ihr beklagte Globus- und Würgegefühl sei auf das Unfallgeschehen vom 12. April 2006 zurückzuführen. Das Landgericht habe dabei insbesondere die Ausführungen des vorgerichtlich tätigen Sachverständigen Prof. Dr. P. ausgeblendet. Dieser sehe einen unmittelbaren Zusammenhang auf organischer Ebene zwischen der eingetretenen Halswirbelsäulenverletzung und der von ihm angenommenen Irritation des Nervus vagus.
Selbst wenn man dies aber mit dem vom Gericht bestellten Sachverständigen Prof. Dr. L. bezweifeln wollte, läge jedenfalls ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfall in Form einer psychosomatischen Ursache oder in Form einer psychischen Fehlverarbeitung vor. Insoweit habe das Landgericht allemal zu Unrecht auf die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens verzichtet.
Unrichtig sei das landgerichtliche Urteil auch, soweit es einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem bei ihr eingetretenen Bandscheibenvorfall verneine.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten gemäß den Anträgen erster Instanz zu verurteilen, d. h.
die Beklagten zu 1 und 3 gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, das aber nicht unter 25.000 € liegen sollte, nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
festzustellen, dass die Beklagten zu 1 und 3 gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 12. April 2006 zu ersetzen.
Die Beklagten zu 1 und 3 beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung und bestreiten insbesondere einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem aufgetretenen Bandscheibenvorfall sowie dem von der Klägerin geklagten Würge- und Globusgefühl. Insbesondere bezüglich Letzterem bestehe offensichtlich ein Zusammenhang mit der am 28. März 2006 kurz vor dem Unfall bei der Klägerin durchgeführten Mandeloperation.
Der Senat hat gemäß § 358 a ZPO ein psychiatrisches Fachgutachten eingeholt und den Sachverständigen persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 21. Dezember 2012 sowie die Sitzungsniederschrift vom 16. Juli 2013 (Bl. 519 ff. d. A.) verwiesen.
Die Klägerin hat das schriftliche Gutachten sowohl aus formalen als auch inhaltlichen Gründen angegriffen. Sie beanstandet zum einen, der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. D. habe das Gutachten nicht als verantwortlicher Arzt erstellt, sondern offensichtlich dessen Mitarbeiterin Dr. B.. Zum anderen sei es unerheblich, ob der Unfall allein ursächlich für das Würge- und Globusgefühl sei. Eine Mitursächlichkeit reiche bekanntlich aus. Ein Zusammenhang mit der vor dem Unfall durchgeführten Mandel-OP bestehe nicht. Der Senat hat die formalen Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. durch Beschluss zurückgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 02. April 2013, Bl. 511 ff. d. A. Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich bezüglich des geltend gemachten Schmerzensgeldes als teilweise erfolgreich. Im Übrigen (weitergehendes Schmerzensgeld und Feststellungsantrag) ist sie hingegen unbegründet.
1. Aufgrund des Sachverständigengutachtens Prof. Dipl. Ing. O. in Verbindung mit dem Hauptgutachten des Sachverständigen Dr. H. nebst ergänzender Stellungnahme steht fest, dass die Klägerin durch den Unfall vom 12. April 2006 eine HWS-Distorsion erlitten hat, wie es auch im Bericht über die Erstbehandlung der Klägerin in der Klinik für Unfall, Hand- und Wiederherstellungschirurgie im Klinikum H. N. vom 12. April 2006 (Bl. 10 d. A.) diagnostiziert wurde. Hiervon ist auch das Landgericht ausgegangen.
2. Für den Nachweis weiterer unfallbedingter Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen kommt der Klägerin mithin die Beweiserleichterung gem. § 287 ZPO zugute. Die Anwendung dieses abgemilderten Beweismaßstabes entbindet das Gericht aber nicht von der Notwendigkeit, die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Kausalitätsfeststellung zu erlangen. Vielmehr ist das Gericht durch § 287 ZPO nur insoweit freier gestellt, als es in einem der jeweiligen Sachlage angemessenen Umfang andere, wenig wahrscheinliche Verlaufsmöglichkeiten nicht mit der sonst gebotenen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausschließen muss. In keinem Fall erlaubt hingegen die Vorschrift des § 287 ZPO zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn nach den feststehenden Tatsachen praktisch "alles offen" bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt (BGH, VersR 1970, 924 juris Rn. 46, 47). Insbesondere genügt zur Bejahung eines Kausalzusammenhangs nicht die bloße zeitliche Nähe zwischen einem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende gefühlsmäßige Wertung, beide Ereignisse müssten irgendwie miteinander im Zusammenhang stehen. Vielmehr ist als Mindestmaß für die Beweisführung zu fordern, dass die unfallbedingte Entstehung der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen wahrscheinlicher ist als eine unfallunabhängige Entstehungsursache.
3. Hieran gemessen ist der Klägerin nicht der Beweis gelungen, durch den Unfall einen Bandscheibenvorfall und/oder das beklagte Globusgefühl (Würgereiz, Schluckbeschwerden) davon getragen zu haben.
a) Hinsichtlich des von der Klägerin als unfallbedingt reklamierten Bandscheibenvorfalls erweist sich das Urteil des Landgerichtes als zutreffend.
Aufgrund der Sachverständigengutachten Prof. Dipl. Ing. O. und Dr. H. steht fest, dass das Unfallereignis nicht geeignet war, um einen isolierten Bandscheibenvorfall hervorzurufen. Der Sachverständige Dr. H. hat hierzu in seinem Hauptgutachten vom 13. August 2009 auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Vorbefunde ausgeführt, bei der Klägerin seien zwar zeitnah zum Unfallereignis am 22. Juni 2006 im Rahmen einer Kernspintomografie der Halswirbelsäule Bandscheibenschädigungen zwischen HWK 6 und 7 festgestellt worden, allerdings auch degenerative Veränderungen im Bereich der HWS, und zwar insbesondere auch in dem Segment C 6/7, in dem sich der Bandscheibenvorfall findet. Hinweise für eine frische Verletzung durch das Unfallereignis hätten sich nicht gefunden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Patientin auch vor dem Unfallereignis bereits degenerative Halswirbelsäulenschäden gehabt habe. Ein isolierter Bandscheibenvorfall im Bereich der HWS ohne zusätzliche Wirbelsäulenverletzung sei extrem selten, jedoch nicht von vornherein völlig ausgeschlossen (S. 28 des Gutachtens).
Für die Anerkennung eines Zusammenhangs zwischen einem Unfall und einem Bandscheibenvorfall sei aber der Nachweis einer erheblichen Gewalteinwirkung auf die Wirbelsäule erforderlich, zudem müsse diese Gewalt nach Art und Richtung in der Lage gewesen sein, eine gesunde Bandscheibe zu zerreißen, und es müsse der zeitliche Zusammenhang gewahrt sein, d. h. es müssten gleich nach dem Unfall heftige Beschwerden bestanden haben. Zudem sei ein sicherer Ausschluss von Bandscheibensymptomen vor dem Unfall zu fordern und das erste nach dem Unfall gefertigte Röntgenbild dürfe keine Veränderungen im Sinne einer vorbestehenden Osteochondrose zeigen. Hier seien zwar zeitnahe Beschwerden geäußert worden. In dem zeitnah nach dem Unfallereignis angefertigten Kernspin (am 22. Juni 2006) seien jedoch keine Anzeichen einer frischen Läsion im Bereich der HWS gefunden worden. Zudem seien in den radiologischen Aufnahmen und dem nach dem Unfallereignis angefertigten Kernspin signifikante degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule nachzuweisen gewesen. Die Klägerin habe bei der Untersuchung und auch gegenüber früheren Ärzten angegeben, dass sie bereits vor dem Unfallereignis zeitweise über Beschwerden im Bereich der HWS gelitten habe.
Für eine abschließende Klärung des Zusammenhangs empfahl der Sachverständige die Durchführung einer Begutachtung des Unfallmechanismus, um zu klären, welche Kräfte im Rahmen des Unfalls auf die Patientin eingewirkt haben.
Dieses Biomechanikgutachten hat sodann der Sachverständige Prof. Dipl. Ing. O. unter dem 25. Januar 2010 erstellt. Er ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, der Lkw sei bei der Kollision mit einer Geschwindigkeit von 35 bis 40 km/h, der Pkw der Klägerin mit einer Geschwindigkeit von 25 bis 30 km/h gefahren, die Differenzgeschwindigkeit habe also bei etwa 10 km/h gelegen. Aufgrund der Rekonstruktion des Unfalls könne für das Klägerfahrzeug eine Unfallschwere in Form der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von 5,5 bis allenfalls 6,5 km/h vorgelegen haben, mit dem das Klägerfahrzeug nach vorn beschleunigt worden sei. Bei dem seitlichen Anprall könne eine Querbeschleunigung von 2 bis allenfalls 3 g aufgetreten sein bei einer gleichzeitig wirkenden Linksachsenbelastung von allenfalls 1,5 bis 2,5 g (S. 15 des Gutachtens). Die Klägerin sei dabei mit dem Oberkörper relativ gesehen gegen die Fahrertür bewegt worden, wobei es zu einer Anlage der linken Schulter an der Fahrertürfläche gekommen sei. Hierdurch habe sich der Kopf in Relation zum Oberkörper ausgeprägt zur linken Schulter heruntergebeugt. In dieser Phase könne von einer ausgeprägten lateralen Flektionsbewegung der Halswirbelsäule ausgegangen werden. Diese Flektionsbewegung nach links sei während der gesamten Rotation des Fahrzeuges um die Hochachse linksdrehend verblieben und habe erst bei Stillstand in eine laterale rechtsseitige Auslenkung in Form einer schwachen Flektion gewechselt. Kritische Belastungen für die Halswirbelsäule, die zu knöchernen und/oder ligamentären Verletzungen hätten führen können, seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich gewesen.
Allerdings träten innerhalb der die knöcherne Wirbelsäule stabilisierenden Muskel- und Nervenstränge Belastungen auf. Sie würden im Rahmen der dynamisch wirkenden Belastung auf Zug beansprucht und die einzelnen Wirbelkörper unterlägen insbesondere während der einsetzenden Initialbewegung horizontalen Relativbewegungen, die zu Schwerbelastungen in den Zwischenwirbelsegmenten führten. Dies habe Muskelaktionen zur Folge.
Unter Berücksichtigung der verschiedenen Beschleunigungswerte könne im vorliegenden Fall eine gewisse Eintretenswahrscheinlichkeit für Beschwerden im Sinne einer leichten bis mäßigen HWS-Distorsion gesehen werden.
Die Belastungen seien jedoch nicht ausreichend, um eine Bandscheibenverletzung entstehen zu lassen. Insoweit ergebe sich vielmehr aus den vorliegenden Röntgen- bzw. MRT-Befunden, dass degenerative Vorbelastungen bestanden hätten. Insbesondere handele es sich bei dem Bandscheibenvorfall um einen alten, auf Degeneration beruhenden Vorfall.
Auf der Grundlage dieses biomechanischen Gutachtens hat der Sachverständige Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. September 2010 ebenfalls bestätigt, die Klägerin habe im Rahmen des Unfallgeschehens eine HWS-Distorsion erlitten. Ein isolierter Bandscheibenvorfall sei hingegen nicht eingetreten.
Angesichts dieser eindeutigen Feststellungen, die die Klägerin im Einzelnen auch gar nicht angreift, kann nicht als bewiesen angesehen werden, dass die Klägerin durch den Unfall einen Bandscheibenvorfall erlitten hat.
Es ist aber auch nicht feststellbar, dass ein zuvor eingetretener symptomloser Bandscheibenvorfall durch den Unfall aktiviert worden ist, denn die Klägerin hat gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. angegeben, sie habe bereits vor dem Unfall Beschwerden in der Halswirbelsäule gehabt. Dies widerspricht der Aussage im Verfahren, sie sei vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen. Dementsprechend ist auch Prof. Dr. W. in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 12. Oktober 2001 zu dem Ergebnis gekommen, es könne allenfalls (Unterstreichung durch den Senat) zu einer Verschlimmerung eines bereits vorbestehenden Bandscheibenschadens gekommen sein, dies lasse sich aber nicht eindeutig differenzieren (Bl. 58 d. A.).
Diese Feststellungen reichen aber auch unter Berücksichtigung des abgemilderten Beweismaßstabes des § 287 ZPO nicht aus, um eine Verschlechterung vorbestehender Beschwerden durch den Unfall als bewiesen anzunehmen, denn es spricht nicht mehr für diese Möglichkeit als dagegen.
b) Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass das von der Klägerin beklagte sogenannte Globusgefühl (Würgereiz, Schluckbeschwerden pp.) unfallbedingt hervorgerufen worden ist.
Insofern besteht lediglich die Möglichkeit einer Unfallursächlichkeit. Daneben sind jedoch andere Ursachen gleichermaßen wahrscheinlich, nämlich die vorangegangene Mandeloperation oder eine der im Herbst 2006 bei der Klägerin aufgetretenen Psychose vorgelagerte psychotische Phase.
(1) Zunächst gehen die Darstellungen der Klägerin, wann sie erstmalig ein Kloßgefühl im Hals sowie einen Räusperzwang verspürte, auseinander. Nach dem sog. Unfallgutachten ihres Hausarztes M. vom 6. Oktober 2006 (Bl. 29 d. A.) soll die Klägerin "seit dem Unfall über Kloßgefühl im Hals, teils Räusperzwang, teils Kratzen und Schluckstörungen" geklagt haben (Bl. 30 d. A.).
Hierüber findet sich jedoch weder im Bericht der Erstbehandlung des Krankenhauses vom 12. April 2006 (Bl. 10 d. A.) noch in dem vorausgegangenen sog. Unfallgutachten ihres Hausarztes M. vom 3. Juli 2006 (Bl. 13 f. d. A.) irgendein Hinweis.
Gegenüber dem Direktor der Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie Prof. Dr. P. hat die Klägerin hingegen angegeben, drei Wochen nach dem Unfall sei ein bis heute persistierendes Globusgefühl, ein deutlich gesteigerter Würgereflex und eine Stimmstörung aufgetreten (Schreiben vom 30. November 2006, Bl. 34 f. d. A.). Auch gegenüber dem sie behandelnden Arzt für Psychiatrie F. hat sie angegeben, "erst einige Zeit danach" habe sich allmählich der Globus entwickelt (Bl. 496 d. A.).
(2) Prof. Dr. P. kommt aufgrund seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis, bei der Patientin bestehe einerseits eine chronische Laryngitis mit Laryngitis posterior (Kehlkopfentzündung). Dies sei zu einem guten Teil sicherlich auf den langjährigen und deutlich ausgeprägten Nikotinabusus zurückzuführen.
Auf der Grundlage der nicht bewiesenen Angabe der Klägerin, es sei bei dem Unfall zu einem Bandscheibenvorfall C 6/C 7 gekommen, führt er weiter aus, er gehe bezüglich des Globusgefühls und der erniedrigten Würgereflexschwelle eher von einer Irritation des Nervus vagus durch das zervikale Trauma aus. Ähnliche Fälle seien ja aus der Literatur bekannt (Bl. 35 d. A.).
Auch der von der Klägerin aufgesuchte Privatdozent Dr. K. kommt in seiner Stellungnahme vom 16. November 2006 (Bl. 33 d. A.) zu der Beurteilung, ein Zusammenhang zwischen den aufgetretenen Schluckbeschwerden und dem Unfallgeschehen sei sehr wahrscheinlich.
Weder Prof. Dr. P. noch Dr. K. haben jedoch andere in Betracht kommende Ursachen diskutiert und insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Klägerin infolge der Mandeloperation vor dem Unfall keineswegs beschwerdefrei war.
Gegenüber dem Sachverständigen Dr. D. hat die Klägerin zu ihrem Zustand nach der Tonsillektomie nämlich angegeben (Seite 3 seines Gutachtens):
"Direkt nach der OP habe sie einen starken Wundschmerz im Rachen verspürt. Des Weiteren habe ein Gefühl wie ein Wollknäuel im Nacken bestanden sowie ein unangenehmes Gefühl im Hals. Nach der Entlassung habe sich dann im Hals alles wund und dick angefühlt. Einen Würgereiz habe sie damals noch nicht empfunden. Sie habe jedoch kaum schlucken können. Am 12.04.2006 sei ihr dann zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen, sie habe sich daraufhin ins Auto gesetzt, um in die Stadt zu fahren."
Demnach waren die von der Klägerin nach dem Unfall geklagten Beschwerden mit Ausnahme des Würgereizes schon vor dem Unfall vorhanden.
(3) Der vom Landgericht mit der Erstellung eines HNO-Gutachten beauftragte Direktor der HNO-Klinik der m. H. Prof. Dr. L. kommt auch unter Berücksichtigung dieser ärztlichen Vorbefunde und Einschätzungen nicht zu dem Ergebnis, der Unfall sei Ursache des beklagten Globusgefühls nebst Begleiterscheinungen.
Er führt zwar aus, die von der Klägerin geschilderten Beschwerden seien glaubhaft. Als subjektiver Hinweis für eine häufige Inanspruchnahme der Gaumenmuskulatur beim Würgen habe sich bei der durchgeführten Untersuchung die muskulär ausgeprägte Uvula-Muskulatur dorsal (rückseitig) gezeigt (S. 9 des Gutachtens vom 3. Juni 2011).
Die von Prof. Dr. P. angesprochene klinische Meinung, im Rahmen eines ausgeprägten HWS-Schleudertraumas könne eine Vagusreizung mit entsprechender Symptomatik auftreten, habe er aber nur in wenigen Literaturstellen feststellen können. Aus der eigenen klinischen Erfahrung seien insoweit keine gehäuften Fälle bekannt. Im konkreten Fall sei neben einer möglicherweise organischen Ursache auch eine psychosomatische Ursache denkbar, die die Vagusreizung verstärken könne bzw. als Symptomatik erhalte.
Setze man die von Prof. Dr. P. diskutierte Pathogenese, nämlich eine Vagusreizung voraus, so müsse angenommen werden, dass es mindestens aufgrund vegetativer Reflexsymptomatiken zu einer beispielsweise ödematösen Schwellung und somit zu einer Druckbeeinträchtigung der Nerven gekommen sei. In der Literatur werde insoweit von einem sog. spinalen Schock gesprochen, der über drei bis acht Wochen nach dem Unfall anhalten könne. Dieser Zeitraum sei jedoch bereits verstrichen, weshalb eine psychosomatische Begutachtung empfohlen werde.
(4) Die von dem Sachverständigen Prof. Dr. L. für möglicherweise zielführend erachtete psychosomatische Begutachtung hat der Senat nachgeholt. Das wäre an sich Aufgabe des Landgerichts gewesen, das verfahrensfehlerhaft den diesbezüglichen Beweisantritt der Klägerin übergangen hat.
In seinem psychiatrischen Fachgutachten vom 21. Dezember 2012 kommt der Sachverständige Dr. D. ebenso wie der Sachverständige Prof. Dr. L. zu dem Ergebnis, die Schilderung der Klägerin sei durchaus authentisch. Anhaltspunkte für das Vortäuschen der Symptomatik hätten sich bei der psychologischen Testung nicht ergeben. Auch Anhaltspunkte für eine Aggravation der Beschwerden bestünden nicht.
Da eine organische Ursache nicht sicher nachweisbar sei, sei davon auszugehen, dass die beklagten Symptome eine psychosomatische Ursache hätten. Eine Kausalität zu dem Unfallereignis, wie sie von der Probandin angenommen werde und auch von deren Therapeuten, könne jedoch anhand der eigenen Untersuchungen nicht sicher hergestellt werden. Sehr viel wahrscheinlicher sei ein Zusammenhang mit der vorhergehenden Tonsillektomie. Für die Probandin und auch ihren behandelnden Psychotherapeuten bestehe subjektiv nachvollziehbar eine Kausalität zwischen dem Unfallereignis und den Beschwerden, da das Unfallereignis das schwerwiegendere, einschneidendere Trauma gewesen sei.
In seiner zusammenfassenden Bewertung kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, es fände sich kein sicherer Anhaltspunkt dafür, dass das bei der Probandin bestehende Globusgefühl sowie der Würgereiz als psychosomatische Folgen oder als Folgen einer psychischen Fehlverarbeitung dieses Unfallereignisses zu bewerten seien. Es sei eher davon auszugehen, dass die Symptomatik als Reaktion auf die Operation, die kurz zuvor stattfand, erfolgte.
Auch nach diesem Gutachten kann mithin nicht festgestellt werden, dass eine größere Wahrscheinlichkeit für einen organischen und/oder psychosomatischen Zusammenhang des Globusgefühls mit dem Unfall spricht als dagegen. Hinsichtlich der organischen Voraussetzungen ist sowohl nach der Stellungnahme Prof. Dr. P. als auch nach dem Gutachten Prof. Dr. L. ein möglicher Zusammenhang eher selten zu beobachten. Auch der Sachverständige Dr. D. führt aus (Seite 15 seines Gutachtens), die Entwicklung eines anhaltenden Globusgefühls sei zwar als Folge einer schweren Traumatisierung denkbar, trete aber eher selten auf.
Nach den eingangs zitierten Grundsätzen zum Beweismaßstab des § 287 ZPO genügt es darüber hinaus nicht, dass ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Beschwerden gegeben ist und insbesondere reicht nicht, dass der Patient subjektiv auftretende Beschwerden auf das Unfallereignis zurückführt.
Einer Vernehmung des von der Klägerin als (sachverständigen) Zeugen angebotenen Arztes für Psychiatrie F. bedurfte es nicht, denn seine Befundberichte lagen dem vom Senat beauftragten Sachverständigen Dr. D. vor, der sie in seinem Gutachten verwertet bzw. im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat dazu Stellung genommen hat. Bereits in seinem schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass es aus der subjektiven Sicht der Klägerin und des sie behandelnden Psychiaters einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Globusgefühl pp. gibt, da es sich dabei um z. B. gegenüber der Mandeloperation stärkere Trauma handelt, dieser Zusammenhang sich aber nicht objektivieren lasse. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. handelt es sich insbesondere bei den von dem Psychiater F. in seinem fachärztlichen Bericht vom 13. Februar 2013 (Bl. 495 ff. d. A.) getätigten Aussagen lediglich um Behandlungshypothesen, die zwar möglich und insbesondere für eine Heilung sinnvoll sein können, für die es aber keine medizinisch wissenschaftliche Absicherung oder auch nur Wahrscheinlichkeit gibt.
4. Die Klägerin hat jedoch die Richtigkeit ihrer bereits in erster Instanz aufgestellten Behauptung bewiesen, der Unfall habe eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bei ihr hervorgerufen.
Die subjektive Darstellung der Klägerin hierzu sowie die ärztlichen Berichte bzw. Gutachten finden sich auf Bl. 283 ff. d. A., auch der Sachverständige Dr. D. führt sie im berichtenden Teil seines Gutachtens (Anamnese) auf. Erste Anhaltspunkte für das Auftreten einer PTBS nach dem Unfall ergeben sich aus dem sog. Unfallgutachten ihres Hausarztes M. vom 03. Juli 2006, Bl. 14 d. A. sowie seinem Arztbericht gegenüber der Beklagten zu 3 vom 17. Juli 2006, Bl. 20 d. A. Er berichtet dort von reaktiven, posttraumatischen, psychoreaktiven Störungen in Form von Angst- und Unruhezuständen und Schlafstörungen und erwägt eine Psychotherapie, die die Klägerin aber nicht durchgeführt hat.
Der Sachverständige Dr. D. hat ebenso wie Frau Dr. B. von der M (vergl. den vorläufigen Entlassungsbrief vom 16. März 2009, Bl. 318 f. d. A. sowie Schreiben vom 20. März 2009, Bl. 321 ff. d. A.) und der die Klägerin behandelnde Arzt für Psychiatrie F. das Vorliegen einer auf dem Unfallgeschehen beruhenden PTBS bejaht. Diese Diagnose findet sich auch in dem sozialmedizinischen Gutachten Dr. W. vom M. Niedersachsen vom 17. September 2009 (Bl. 332 ff. d. A.). Allerdings ergibt sich aus den vorgenannten Arztberichten bzw. Gutachten sowie aus dem eigenen Bericht der Klägerin, dass die entsprechenden Beschwerden der Klägerin erst im Zuge einer psychotischen Phase Anfang 2008 wieder bewusst wurden und diese wahnhaften Anteile in der Folgezeit weiterhin bestanden.
Der Sachverständige Dr. D. hat zudem ausgeführt, Anhaltspunkte für das Fortbestehen der PTBS noch zum Zeitpunkt seiner Begutachtung hätten sich nicht ergeben.
Die Richtigkeit dieser Einschätzung ergibt sich aus der Schilderung der Klägerin in ihrem eigenen Bericht vom 09. Oktober 2011, wonach ihre Alpträume sich seit Anfang 2008 deutlich verändert haben (Bl. 283 d. A.). Während die (Alp)Träume vor Februar 2008 sich um das Unfallgeschehen drehten, hingen die Träume danach mit wahnhaften Vorstellungen bzw. mit ihrem Arbeitsplatz und dem dort stattfindenden Mobbing usw. zusammen.
5. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist demnach zunächst davon auszugehen, dass die Klägerin eine leichte bis mittlere HWS-Distorsion davon getragen hat.
Aus dem Bericht des Krankenhauses N. vom 12. Juni 2006, in dem die Erstbehandlung der Klägerin stattfand, ergibt sich zudem eine Prellung im Übergang BWS zur LWS, die die Beklagten in der Klageerwiderung auch ausdrücklich unstreitig gestellt hatten (Bl. 77 d. A.). Dies führte zu Schmerzen, die in die linke Wade ausstrahlten, die jedoch zeitgerecht abklangen. Schließlich hat die Klägerin zeitweise an einer PTBS gelitten (längstens bis November 2012 Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. D.), die jedoch begleitet wurde von unfallunabhängigen psychotischen Episoden, die gleiche oder ähnliche Folgen hatten wie eine PTBS.
Unter Berücksichtigung dieser Primär- und Folgeverletzungen, ihrer Dauer und Auswirkungen auf das Leben der Klägerin erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld von 5.000,00 € als angemessen, aber auch ausreichend. Dabei ist berücksichtigt, dass die Folgen der HWS-Distorsion und WS-Prellung zeitgerecht abklangen und die PTBS längstens für die Dauer von 6 Jahren zu berücksichtigen ist. Zu beachten ist zudem, dass die Klägerin während dieses gesamten Zeitraums infolge psychotischer Phasen an gleichen Symptomen litt wie sie durch eine PTBS hervorgerufen werden.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat sich der Senat an folgenden Entscheidungen orientiert, wobei er sich bewusst ist, dass es eine unmittelbare Vergleichbarkeit verschiedener Fälle nicht gibt: So hat das OLG Braunschweig einem 10 Monate alten Kleinkind, das eine Schädelprellung, eine zum Zeitpunkt der Entscheidung seit 4 Jahren anhaltende PTBS mit psychosomatischen Bauch- und Kopfschmerzen, Angst vor dem Alleinsein und Verlassenwerden, Schlafstörungen sowie ein repressives Verhalten im Hinblick auf die sprachliche Entwicklung davon getragen hat, ein Schmerzensgeld von 4.000,00 € nebst immateriellen Vorbehalt zuerkannt (Nr. 1969 der 31. Auflage der Schmerzensgeldtabelle Hacks/Wellner/Häcker).
Das Landgericht München hat einen 8jährigen Kind, das ein Schädelhirntrauma 1. Grades sowie eine Fraktur des os lacrimale links, Einblutungen in den Siebbeinbereich sowie multiple Prellungen an Schädel, Rumpf und am rechten Knie davon getragen hat sowie für die Dauer von 1 1/2 Jahren eine PTBS mit Ängstlichkeit, Anklammerung an die Mutter, Angstträumen und depressiver Verstimmtheit, eine Summe von rund 5.100,00 € zugebilligt. In diesem Fall waren zwar die Primärverletzungen schwerer als im Fall der Klägerin, jedoch dauerten die Folgen der PTBS für eine deutlich kürzere Zeit an (Nr. 1692 der 31. Auflage der Schmerzensgeldtabelle Hacks/Wellner/Häcker).
In einem weiteren Fall ist einer Flugbegleiterin ebenfalls vom Landgericht München nach einem Schleudertrauma, einem Nasenbeinbruch, einer Septumdeviation, dem Auftreten einer PTBS und einem mittelgradigen depressiven Syndrom sowie einer dadurch geminderten Erwerbsfähigkeit ein Schmerzensgeld von 6.000,00 € (nebst immateriellen Vorbehalt) zugesprochen worden. Dieser Fall ist gegenüber dem vorliegenden einerseits durch etwas schwerere Primärverletzungen, insbesondere aber durch gravierendere Folgebeschwerden gekennzeichnet, nämlich einer dauerhaften PTBS und einer darauf beruhenden geminderten Erwerbsfähigkeit (Nr. 1983 der 31. Auflage der Schmerzensgeldtabelle Hacks/ Wellner/Häcker).
Schließlich hat das Amtsgericht Zeven einer Geschädigten, die ein HWS-Syndrom sowie ein dauerhaft anhaltendes Paniksyndrom in Form einer PTBS erlitten hat, einen Schmerzensgeldbetrag von 6.000,00 € zugesprochen (Nr. 1981 der 31. Auflage der Schmerzensgeldtabelle Hacks/Wellner/Häcker).
Unter Berücksichtigung der nicht dauerhaft aufgetretenen PTBS bei der Klägerin erscheint dem Senat daher insgesamt ein Betrag von 5.000,00 € als Ausgleich für die durch den Unfall vom 12. April 2006 davon getragenen gesundheitlichen Schäden als angemessen und ausreichend.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 291 BGB.
6. Der Feststellungsantrag ist hingegen nicht begründet. Die allein über einen längeren Zeitraum bestehende PTBS lag bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. D. nicht mehr vor, sodass nicht erkennbar ist, inwieweit der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 12. April 2006 noch weitergehende materielle oder immaterielle Schäden entstehen sollten.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, in Bezug aus den Beklagten zu 2 auf § 91 ZPO. Die weiteren Entscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 543 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.