Das Verkehrslexikon

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OLG Köln Beschluss vom 03.09.2013 - III-1 RBs 255/13 - Hinweispflicht des Tatrichters vor erstmaliger Verhängung eines Fahrverbots

OLG Köln v. 03.09.2013: Zur Hinweispflicht des Tatrichters vor erstmaliger Verhängung eines Fahrverbots


Das OLG Köln (Beschluss vom 03.09.2013 - III-1 RBs 255/13) hat entschieden:
Enthält der Bußgeldbescheid keine Anordnung eines Fahrverbots nach § 25 StVG, so darf das Gericht im Einspruchsverfahren nur nach einem in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO erfolgten Hinweis gegenüber dem Betroffenen auf diese Möglichkeit auch auf diese Nebenfolge erkennen. Erscheinen weder der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene noch sein Verteidiger in der Hauptverhandlung, so muss das Gericht die Hauptverhandlung unterbrechen, um dem Betroffenen über seinen Verteidiger Gelegenheit zur Äußerung binnen angemessener Frist zu geben.


Siehe auch Das Fahrverbot


Gründe:

Die Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, der wie folgt begründet worden ist:
"I.

Gegen den Betroffenen ist zunächst durch Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt L vom 15.02.2012 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h (§§ 41 Abs. 2, 49 StVO; § 24 StVG) eine Geldbuße von 100 € festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet worden (Bl. 12 d.VV). Nach erfolgtem Einspruch und einem Vermerk des Sachbearbeiters, dass "fälschlicherweise" ein Fahrverbot ausgesprochen worden sei (Bl. 16 d.VV), hat die Bußgeldbehörde sodann am 23.02.2012 einen neuen Bußgeldbescheid wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften (nach Tolereranzabzug) um 28 km/h (§§ 41 Abs. 2, 49 StVO; § 24 StVG) erlassen und eine Geldbuße von 100 € festgesetzt (Bl. 20 f. d.VV). Den Einspruch hat das Amtsgericht Köln zunächst durch Urteil vom 20.07.2012 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen (Bl. 11R, 12 d.A.).

Nachdem die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde zugelassen und dieses Urteil durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 16.10.2012 - III-1 RBs 265/12 (Bl. 35 ff. d.A.) - aufgehoben worden war, ist der Betroffene, der von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden war (Bl. 54 f. d.A.), durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 10.05.2013 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt und darüber hinaus gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden (Bl. 57, 59 ff. d.A.).

Gegen dieses Urteil, das dem Verteidiger des Betroffenen am 25.06.2013 zugestellt worden ist (Bl. 67 d.A.), richtet sich die mit Verteidigerschriftsatz vom 25.06.2013 (Bl. 68 d.A.) angebrachte und mit weiterem anwaltlichem Schriftsatz vom 05.07.2013 (Bl. 72 ff d.A.), eingegangen bei dem Amtsgericht Köln am Folgetag, begründete Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.


II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken und hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg.

1. Bereits die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge greift durch und führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung.

Die erhobene Verfahrensrüge gemäß §§ 265 Abs. 2 StPO i.V.m. 71 OWiG genügt letztlich (noch) den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Zwar ist es grundsätzlich unzulässig, dass auf die Akten Bezug genommen worden ist. Allerdings kann das Revisionsgericht allein anhand der Begründungsschrift - auch ohne Einsichtnahme in die Akten - prüfen, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, zumal der - insoweit falsche und noch von der Bußgeldbehörde aufgehobene - Bußgeldbescheid vom 15.02.2012 sogar in die Urteilsfeststellungen direkt einkopiert und der insoweit zugrunde liegende Sachverhalt im Rahmen der Rüge überprüfbar und in einer letztlich den Formerfordernissen i.S.d. §§ 344 Abs. 2 S. 2 i.V.m. 79 Abs. 3 StPO noch genügenden Weise dargestellt worden ist.

Mit dieser daher zulässig erhobenen Verfahrensrüge beanstandet der Betroffene zu Recht, dass das Amtsgericht gegen ihn ein Fahrverbot nach § 25 StVO ausgesprochen hat, obwohl der von ihm angefochtene Bußgeldbescheid vom 23.02.2012 eine solche Maßnahme nicht vorgesehen und das Amtsgericht ihn oder seinen Verteidiger weder in noch vor der Hauptverhandlung auf die Möglichkeit der Verhängung einer solchen Maßnahme hingewiesen hat.

Ist im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot nach § 25 StVG nicht angeordnet worden, so darf das Gericht im Einspruchsverfahren nur dann auf diese Nebenfolge erkennen, wenn es in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO den Betroffenen zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen hat (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, VRS 87, 203 f.; Thüringer OLG, NZV 2010, 311 f. - jeweils zitiert über juris; bzgl. der Änderung von Fahrlässigkeits- auf Vorsatztat auch OLG Köln vom 03.01.2013 - III-1 RBs 333/12 -).

Da in der Hauptverhandlung weder der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene noch sein Verteidiger erschienen ist, hätte das Gericht die Hauptverhandlung unterbrechen müssen, um dem Betroffenen über seinen Verteidiger Gelegenheit zur Äußerung innerhalb angemessener Frist einzuräumen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz vom 27.03.2008 - 2 Ss 18/08 - zitiert über juris). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen.

Selbst wenn der auf die Sachrüge zu überprüfende Schuldspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht aufweisen würde, führt die Verletzung der Hinweispflicht nicht nur zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs, sondern zieht die Aufhebung des gesamten Urteils nach sich. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betroffene bei entsprechendem Hinweis grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, die Verhängung des Fahrverbots durch Rücknahme seines Einspruchs zu vermeiden (Thüringer OLG a. a. O., OLG Düsseldorf a. a. O.), wie dies der Betroffene auch im Rahmen seiner Rüge vorgetragen hat.

Würde im Rechtsbeschwerdeverfahren nur der Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, könnte der Betroffene in der erneuten Hauptverhandlung wegen des bestätigten Schuldspruchs seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht mehr zurücknehmen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz a. a. O.).

2. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass jedenfalls der Rechtsfolgenausspruch - unabhängig von dem Erfolg der Verfahrensrüge - aufgrund gravierender Mängel ebenfalls keinen Bestand gehabt hätte, da offensichtlich bereits getilgte Vorstrafen berücksichtigt worden sind, die Verhängung des Fahrverbots fehlerhaft gewesen und ohne jegliche Begründung nicht die Regelgeldbuße, sondern eine höhere Geldbuße verhängt worden ist. "
Dem stimmt der Senat zu.