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OLG Saarbrücken Urteil vom 04.12.2013 - 5 U 372/12 - Arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit wegen Verschweigens von Unfallzeugen

OLG Saarbrücken v. 04.12.2013: Arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit wegen Verschweigens von Unfallzeugen


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 04.12.2013 - 5 U 372/12) hat entschieden:
Hält der mit der Erfüllung der Aufklärungsobliegenheit beauftragte, von der Versicherungsnehmerin getrennt lebende Ehemann aufgrund von Erklärungen des Versicherungsvertreters die Regulierungsbereitschaft des Versicherers für geklärt, so kann das auf Verärgerung über die Dauer der Regulierung erfolgte Verschweigen einer Zeugin gegenüber dem Sachbearbeiter nicht als arglistig betrachtet werden.


Siehe auch Schadenanzeige - unrichtige bzw. unvollständige oder verspätete Angaben gegenüber der Versicherung


Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Fahrzeugversicherung (Nachtrag zum Versicherungsschein-​Nr. ..., Änderungsbeginn: 10.12.2008) wegen einer Beschädigung des versicherten Fahrzeugs, eines Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen ..., in Anspruch.

Am 19.7.2011 meldete der Zeuge U. K., der Ehemann der Klägerin, dem Zeugen P., einem Versicherungsagenten der Beklagten, telefonisch das streitgegenständliche Unfallereignis vom 18.7.2011, woraufhin die Beklagte einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Schadenshöhe beauftragte.

In der Folge forderte die Beklagte die Klägerin zu einer schriftlichen Schadenmeldung auf. Am 21.8.2011 Unterzeichnete der Zeuge K. ein von dem Zeugen P. zur Verfügung gestelltes und bereits ausgefülltes Formular "KFZ-​Schadenmeldung" (Bl. 68 d.A.) und bat um Begleichung der "restlichen 6.500 €" durch Übersendung eines Verrechnungsschecks. In der Rubrik "Unfallschilderung/Schadenhergang)" war angegeben:
"Auf dem Rückweg nach Hause fuhr mein Mann mit unserem Pkw von Idar Oberstein Richtung. In der Ortsmitte von H. war die Straße durch aufgestellte Verkehrsinseln verengt. Ein entgegenkommendes Fzg fuhr zu schnell. Mein Mann wich dem Fzg aus, kam auf den Rand der "Insel" u. unser Fzg fuhr über die andere Hälfte derselben darüber. Dabei riß er sich die Lenkung ab bzw. das Fzg war nicht mehr lenkfähig...".
Auf die Frage nach Zeugen war "Keine" angegeben. In der Unterschriftsleiste des Formulars fand sich der fettgedruckte Hinweis:
"Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben können zum Verlust des Versicherungsschutzes auch dann führen, wenn dem Versicherer keine Nachteile entstehen".
Mit Schreiben vom 10.10.2011 (Bl. 5 d.A.) teilte die Beklagte mit, der von ihr beauftragte Sachverständige habe festgestellt, dass der Schaden nicht so entstanden sein könne, wie in der Schadenanzeige vom 21.8.2011 geschildert. Sie gehe deshalb davon aus, dass die Klägerin arglistig über den tatsächlichen Unfallhergang getäuscht habe, und lehne eine Schadenregulierung ab.

Am 19.10.2011 führte der Zeuge K. ein Telefonat mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten, dem Zeugen S., dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.

Hierauf beauftragte die Klägerin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, welche mit Schreiben vom 27.10.2011 (Bl. 6 d.A.) unter Wiedergabe einer schriftlichen Unfallschilderung des Ehemannes der Klägerin vom 25.10.2011 eine Restzahlung von 6.500 € forderten und mehrere Personen - unter anderem Frau A. G. als Beifahrerin - als Zeugen für das Unfallereignis benannten.

Hierauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 28.10.2011 (Bl. 9 d.A.), mit welchem sie sich nunmehr auf den Standpunkt stellte, die Unfallschilderung des Ehemannes der Klägerin - er sei am 18.7.2011 gegen 24.00 Uhr einem mit überhöhter Geschwindigkeit und mit Fernlicht entgegen kommenden Fahrzeug zunächst nach rechts ausgewichen und sodann beim Gegenlenken nach links über die Verkehrsinsel, einen Betonsockel, gefahren, wodurch das Fahrzeug beschädigt worden und nicht mehr lenkfähig gewesen sei, sodass es vom ADAC habe abgeschleppt werden müssen - sei in sich unschlüssig und widerspreche der Schilderung aus der Schadenanzeige. Die Beklagte sei deshalb wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit aus E.1.3 AKB leistungsfrei. Eine zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitsverletzung liege auch darin, dass in der Schadenanzeige unzutreffenderweise angegeben worden sei, es habe keine Zeugen für das Unfallereignis gegeben. In einem Telefonat mit dem Zeugen S. habe der Ehemann der Klägerin erklärt, die Zeugen bewusst nicht angegeben zu haben, da er aus Erfahrung wisse, dass "sich die Schäden dann nur noch länger hinzögen". Dies sei als arglistige Täuschung zu werten. Mit Blick auf die in der Unfallschilderung des Ehemannes erwähnte Beschädigung der Verkehrsinsel führe auch das unerlaubte Entfernen von der Unfallstelle gemäß E.1.3. i.V.m. E.6.1 AKB zur Leistungsfreiheit.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung eines nach der Veräußerung des Unfallfahrzeugs an einen Restwertaufkäufer verbliebenen Schadensbetrages von 6.500 € und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, der Zeuge P. habe bei der telefonischen Schadenmeldung vom 19.7.2011, bei welchem ihm das Unfallereignis durch den Zeugen K. geschildert worden sei, keinerlei Zweifel oder Aufklärungsbedarf erkennen lassen und habe die Regulierung des Schadens zugesagt. Die erst etwa einen Monat nach dem Unfallereignis und nach der Verwertung der Fahrzeugs geforderte schriftliche Schadenmeldung habe der Zeuge P. als reine Formalie bezeichnet und die Angabe von Zeugen für entbehrlich gehalten. Ein meldepflichtiger Schaden an der Verkehrsinsel - in Form eines als Provisorium dienenden Betonsockels - sei nicht entstanden. Im Übrigen habe es an einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung gefehlt.

Die Beklagte hat ihre Leistungsfreiheit aus der Falschbeantwortung der Frage nach Zeugen des Unfallereignisses abgeleitet. Dass die bekannten Zeugen vorsätzlich nicht benannt worden seien, um Verzögerungen bei der Schadenregulierung zu vermeiden, begründe den Vorwurf arglistigen Verhaltens. Eine ordnungsgemäße Belehrung sei erfolgt. Der Zeuge S. habe den Ehemann der Klägerin, welcher als deren Repräsentant anzusehen sei, anlässlich des Telefonats vom 19.10.2011 ausführlich über die Aufklärungsobliegenheiten und die Folgen deren Verletzung belehrt und diesen - insoweit unstreitig - aufgefordert, nunmehr vollständige und wahre Angaben in Form einer schriftlichen Stellungnahme einzureichen. Dabei sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass unwahre und unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führten. Dessen ungeachtet sei der Klägerin mit Schreiben vom 3.8.2011 (Bl. 76 d.A.) ein "neuer" Fragebogen "Kfz-​Schadenmeldung" übersandt worden, welchen diese - nebst Belehrung über ihre Obliegenheiten und die Folgen deren Verletzung - auch erhalten habe. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das von dem Zeugen P. ausgehändigte "alte" Formular verwandt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage mit am 22.11.2012 verkündetem Urteil abgewiesen (Bl. 135 d.A.). Dass in der Schadenmeldung vom 21.8.2011 wahrheitswidrig angegeben worden sei, es gebe keine Zeugen, sei als arglistig begangene Obliegenheitsverletzung zu werten, die zur Leistungsfreiheit der Beklagten führe. Das arglistige Verhalten ihres Ehemannes sei der Klägerin jedenfalls analog § 166 BGB zuzurechnen.

Die Klägerin hat hiergegen unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vorbringens Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe die Klage nicht ohne Erhebung der von ihr gegen die Annahme von Arglist angebotenen Beweise abweisen dürfen.

Sie beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts vom 22.11.2012 - 14 O 297/11 - zu verurteilen

  1. an die Klägerin 6.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 10.10.2011 zu zahlen;

  2. an die Klägerin weitere 603,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.


II.

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Die Klägerin kann wegen des im Jahr 2011 eingetretenen Versicherungsfalls, für dessen rechtliche Beurteilung gemäß Art. 1 Abs. 1 EGWG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) einschlägig ist, von der Beklagten Versicherungsleistungen verlangen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht der Senat davon aus, dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Der Zeuge K. hat in seiner Vernehmung durch den Senat bestätigt, dass das - von der Beklagten erstinstanzlich mit Nichtwissen bestrittene - Unfallgeschehen sich tatsächlich ereignet hat. Der Zeuge S. hat ferner ausgesagt, dass der von der Beklagten mit der Begutachtung der Schadenshöhe beauftragte Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt sei, das Schadensbild passe grundsätzlich zur Schadenstelle. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten.

1. Die Klägerin kann Leistungsansprüche allerdings nicht bereits aus einer - behaupteten - Zusage des Zeugen P. ableiten, weil dieser als Versicherungsvertreter zur Abgabe einer solchen Leistungszusage nicht bevollmächtigt gewesen wäre (§ 69 VVG n.F.).

2. Die Beklagte ist nicht gemäß § 28 Abs. 2 VVG wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit ganz oder teilweise leistungsfrei.

Das gilt selbst dann, wenn man zu ihren Gunsten annimmt, dass sie - was die Klägerin bestreitet und die Beklagte nicht substantiiert darlegt - von der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG vorgesehenen Möglichkeit, die Bedingungen des offenbar noch unter Geltung des VVG a.F. abgeschlossenen Vertrages an das VVG n.F. anzupassen, Gebrauch gemacht hat (vgl. zu den für den Versicherer nachteiligen Folgen einer fehlenden Vertragsanpassung BGH, Urt. v. 12.10.2011 - IV ZR 199/10 - VersR 2011, 1550; Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 28 Rdn. 7).

Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers setzt gemäß § 28 Abs. 4 VVG nämlich voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. Daran fehlt es im Streitfall. Der Klägerin ist es nach Treu und Glauben nur dann verwehrt, sich hierauf zu berufen, wenn ihr der Vorwurf arglistigen Verhaltens - und damit eines schwerer wiegenden Fehlverhaltens - gemacht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.1976 - IV ZR 79/73 - VersR 1976, 383; Beschl. v. 4.5.2009 - IV ZR 62/07 - VersR 2009, 968; Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 28 Rdn. 111). In diesem Fall wäre auch unerheblich, dass die unzutreffende Angabe zu der Anwesenheit von Zeugen später korrigiert worden ist. Allerdings hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis der Arglist nicht erbringen können.

a) Die Beklagte beruft sich auf eine Verletzung der vertraglichen Obliegenheit gemäß Buchst. E.1.3 der von ihr erstinstanzlich vorgelegten Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-​Versicherung (AKB) Stand: 01.10.2008. Danach ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann, insbesondere die Fragen des Versicherers zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten und den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

In Betracht kommt im Streitfall lediglich eine Obliegenheitsverletzung durch die unrichtige Beantwortung der Frage nach Zeugen des Unfallereignisses in der KFZ-​Schadenmeldung vom 21.8.2011. Die vorgerichtlich geltend gemachte Obliegenheitsverletzung, die Unfallschilderung vom 25.10.2011 - der Zeuge K. sei am 18.7.2011 gegen 24.00 Uhr einem mit überhöhter Geschwindigkeit und mit Fernlicht entgegen kommenden Fahrzeug zunächst nach rechts ausgewichen und sodann beim Gegenlenken nach links über die Verkehrsinsel, einen Betonsockel, gefahren, wodurch das Fahrzeug beschädigt worden und nicht mehr lenkfähig gewesen sei, sodass es vom ADAC habe abgeschleppt werden müssen - sei in sich unschlüssig und stehe in Widerspruch zu der Unfallschilderung vom 21.8.2011, kann nicht nachvollzogen werden; sie wird im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht weiter geltend gemacht. Die von der Beklagten vorgerichtlich behauptete Obliegenheitsverletzung durch Verlassen der Unfallstelle - mit Blick auf den in der Unfallschilderung vom 25.10.2011 erwähnten Gummiabrieb an der Verkehrsinsel - kommt ebenfalls nicht ernsthaft in Betracht (vgl. Senat, Urt. v. 12.6.2013 - 5 U 13/13; OLG Celle, Urt. v. 19.11.2009 - 8 U 79/09 - zitiert nach juris zur Frage der Wartepflicht bei Bagatellschäden).

b) Eine vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit der Beklagten wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit scheitert - ungeachtet des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen - bereits am Fehlen einer den Anforderungen des § 28 Abs. 4 VVG genügenden Belehrung.

aa) Die Belehrung konnte nicht wirksam in Buchst. E.6 der Bedingungen erteilt werden.

Die nach § 28 Abs. 4 VVG gebotene Belehrung über die im Falle der Verletzung einer Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheiten drohenden Rechtsfragen soll dem Versicherungsnehmer vor der Beantwortung entsprechender Fragen des Versicherers eindringlich vor Augen führen, welche Bedeutung die vollständige, rechtzeitige und wahrheitsgemäße Information des Versicherers für dessen Leistungsverpflichtung hat. Dies soll den Versicherungsnehmer zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Obliegenheiten anhalten, diesen aus Gründen der Fairness zugleich aber auch vor den ihm anderenfalls drohenden Rechtsnachteilen warnen. Es genügt deshalb nicht, den Versicherungsnehmer bereits vorsorglich in den Vertragsunterlagen zu belehren. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich vielmehr die Notwendigkeit, den Versicherungsnehmer erst dann zu belehren, wenn die Erfüllung eines Aufklärungs- oder Auskunftsverlangens des Versicherers ansteht (BGH, Urt. v. 9.1.2013 - IV ZR 197/11 - VersR 2013, 297; Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 28 Rdn. 107).

bb) Die in dem erforderlichen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Aufklärungs- und Auskunftsverlangen der Beklagten erfolgte Belehrung - "Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben können zum Verlust des Versicherungsschutzes auch dann führen, wenn dem Versicherer keine Nachteile entstehen (Bl. 69 d.A.)" - in dem Formular "KFZ-​Schadenmeldung", welches von dem Zeugen P. ausgehändigt worden ist, ist nicht auf die Rechtsfolgen nach dem VVG n.F, sondern auf diejenigen nach dem VVG a.F. zugeschnitten und genügt deshalb den inhaltlichen Anforderungen nicht.

cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine wirksame Belehrung der Klägerin auch nicht durch die - behauptete - Übersendung des "neuen" Fragebogens "Kfz-​Schadenmeldung" nebst Hinweisblatt (Bl. 81 d.A.) mit Schreiben vom 3.8.2011 (Bl. 76 d.A.) erfolgt. Eine inhaltlich klare und unmissverständliche Belehrung (vgl. hierzu Rixecker in Römer/Langheid, WG, 3. Aufl. 2012, § 28 Rdn. 109) konnte durch die Übersendung des Hinweisblattes schon deshalb nicht erfolgen, weil der Inhalt dieser auf § 28 Abs. 4 VVG zugeschnittenen Belehrung zu derjenigen aus dem vom Zeugen P... ausgehändigten Formular in Widerspruch stand. Dieser war gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 2 VVG unter anderem auch zur Entgegennahme von Schadenanzeigen bevollmächtigt (vgl. Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 69 Rdn. 9). Dessen gesetzliche (Empfangs-​) Vertretungsmacht umfasste deshalb im Zweifel auch die Befugnis zur Aushändigung eines Schadenanzeigeformulars. Unter diesen Umständen war - aus von der Beklagten zu vertretenden Umständen - zunächst nicht erkennbar, welche Rechtsfolgen nun gelten sollten. Aus diesem Grund kann bei Aushändigung mehrerer, inhaltlich nicht übereinstimmender Hinweise von vornherein keine klare, unmissverständliche Belehrung angenommen werden. Eine ordnungsgemäße Belehrung hätte bei dieser Sachlage erfordert, die korrekte Belehrung - unter ausdrücklichem Hinweis auf die Ungültigkeit der veralteten Belehrung - zu wiederholen (vgl. grundsätzlich zu dem sich im Einzelfall ergebenden Erfordernis einer Wiederholung der Belehrung BGH, Beschl. v. 28.2.2007 - IV ZR 152/05 - VersR 2007, 683).

dd) Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte auch nach Erhalt des am 21.8.2011 ausgefüllten "alten" Formulars keinen Gebrauch gemacht. Der angeblich telefonisch gegenüber dem Ehemann der Klägerin erteilten Belehrung durch den Zeugen S. fehlte es bereits an der ausdrücklich in § 28 Abs. 4 VVG vorgesehenen Textform (§ 126b BGB).

b) Leistungsfreiheit der Beklagten kann im Streitfall mithin nur bei arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit angenommen werden.

Arglist verfangt, dass der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Beschl. v. 4.5.2009 - IV ZR 62/07 - VersR 2009, 968). Will ein Versicherungsnehmer die Regulierung eines Versicherungsfalls beschleunigen, indem er Zeugen verschweigt, nach denen der Versicherer ausdrücklich gefragt hat, so ist das deshalb grundsätzlich geeignet, den Vorwurf der Arglist zu begründen.

aa) Ein in diesem Sinne arglistiges Verhalten der Klägerin kann nicht festgestellt werden. Unstreitig hatte diese von dem Unfallereignis nur aufgrund der Schilderungen ihres Ehemannes, des Zeugen K., Kenntnis. Bei ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat hat sich ferner herausgestellt, dass die Klägerin selbst das Schadenanzeigeformular vom 21.8.2011 weder ausgefüllt noch unterschrieben hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Kenntnis von der Anwesenheit von Zeugen gehabt und dies gegenüber der Beklagten bewusst verschwiegen haben könnte, um die Regulierung des Schadens zu beschleunigen, haben sich auch nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme nicht ergeben. Der Zeuge P. hat vielmehr angegeben, die Klägerin vor dem Ausfüllen des Schadenanzeigeformulars telefonisch um eine Schadenschilderung gebeten, dabei aber nicht nach Zeugen gefragt zu haben.

bb) Die Klägerin muss sich auch nicht ein arglistiges Verhalten des Zeugen K., ihres Ehemannes, zurechnen lassen.

(1) Allerdings ist der Zeuge K. als sogenannter Wissenserklärungsvertreter der Klägerin anzusehen. Durch die Rechtsfigur des Wissenserklärungsvertreters muss sich der Versicherungsnehmer falsche Angaben dritter Personen in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zurechnen lassen, wenn er diese Personen mit der Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheit beauftragt hat. Dabei genügt es, dass der Versicherungsnehmer den Dritten mit der Erfüllung seiner Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer betraut hat und der Dritte die Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers abgibt. Erst in der Übertragung bestimmter Aufgaben liegt - wenn zu ihnen die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Versicherer gehörten - der Grund, weshalb es gerechtfertigt ist, diese Erklärungen des Dritten dem Versicherungsnehmer zuzurechnen (zuletzt BGH, Urt. v. 16.10.2013 - IV ZR 390/12 - zitiert nach juris m.w.N.). Deshalb kann die Ehegattengemeinschaft - selbst bei intaktem Eheverhältnis, welches zwischen der Klägerin und dem Zeugen K. bei Eintritt des Versicherungsfalls schon nicht mehr vorlag - nicht ohne weiteres die Annahme rechtfertigen, der Ehegatte sei als solcher Wissenserklärungsvertreter (vgl. BGH, Urt. v. 2.6.1993 - IV ZR 72/92 - BGHZ 122, 388). Dass der Zeuge K. mit der Abgabe von Erklärungen gegenüber der Beklagten betraut war, ergibt sich indessen aus den konkreten Umständen des Streitfalls: Unstreitig hatte die Klägerin dem Zeugen K. nicht nur die telefonische Schadenmeldung gegenüber dem Zeugen P. überlassen, sondern auch die weitere Abwicklung des Schadens, insbesondere die Abgabe einer schriftlichen Schadenanzeige, die Rückfragen bei den Sachbearbeitern nach dem Stand der Schadensbearbeitung und - nach den eigenen Angaben des Zeugen K. - sogar die Entscheidung über die Verwertung des Fahrzeugs.

(2) Als Wissenserklärungsvertreter der Klägerin hat der Zeuge K. in dem Formular KFZ-​Schadenmeldung eine eigene Erklärung abgegeben. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge P. das Formular ausgefüllt hat. Denn aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das Formular als Erklärung des unterzeichnenden Zeugen K. und nicht als diejenige eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1994 - IV ZR 304/93 - VersR 1995, 281; Senat, Urt. v. 6.10.2010 - 5 U 88/10 - VersR 2011, 1511). Der Zeuge P. hat vielmehr lediglich eine Erklärung vorbereitet. Diese hat sich der Zeuge K. durch seine Unterschrift zu Eigen gemacht (vgl. BGH, aaO,; Senat, aaO.), mithin eine eigene Erklärung abgegeben.

(3) Die Erklärung, es habe keine Zeugen des Unfallereignisses gegeben, ist zwar objektiv unrichtig. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen immer in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Denn häufig werden unrichtige Angaben aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass sie bedeutungslos seien (vgl. BGH, Beschl. v. 4.5.2009 - IV ZR 62/07 - VersR 2009, 968 m.w.N.).

Es liegt nahe, dass Letzteres hier der Fall gewesen ist. Dabei kann dahinstehen, ob der Zeuge K. das von dem Zeugen P. bereits ausgefüllte Formular überhaupt gelesen oder ob er es "blind" unterschrieben hat. Der Senat vermag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinerlei Motiv des Zeugen K. zu erkennen, in irgendeiner Weise auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten einzuwirken, die der Zeuge bei Unterzeichnung des Formulars am 21.8.2011 längst für getroffen hielt.

In seiner Vernehmung durch den Senat hat der Zeuge K. bestätigt, der Zeuge P. habe ihm bereits auf seine telefonische Schadenmeldung vermittelt, die Regulierung des Schadens werde rasch erfolgen. Das spätere Verlangen einer schriftlichen Schadenanzeige habe dieser als reine Formsache bezeichnet. Das stimmt mit der uneingeschränkt glaubhaften Darstellung des Versicherungsvertreters der Beklagten, des Zeugen P., überein, der angegeben hat, die Unfallschilderung des Zeugen K. sei nicht nur für ihn selbst "klar" gewesen, sondern auch für den Sachbearbeiter der Beklagten, den Zeugen Pu, welchem er den Schaden geschildert habe. Dieser habe angekündigt, er werde "den Scheck" noch in derselben Woche "fertig machen". Er habe sich deshalb gewundert, dass die Beklagte noch ein Schadenformular verlangt habe. Beim Ausfüllen des Formulars habe er weder die Klägerin noch den Zeugen K. nach Zeugen gefragt, weil für ihn nach dem Gespräch mit dem Sachbearbeiter Pu klar gewesen sei, dass der Schaden reguliert würde. Ungeachtet der internen Zuständigkeiten der Beklagten für Regulierungsentscheidungen musste der Zeuge K. unter diesen Umständen nicht annehmen, die Angaben in der Schadenanzeige könnten für die Regulierungsentscheidung der Beklagten noch von Bedeutung sein. In dieser Annahme war der Zeuge K. auch durch die Übersendung des von der Beklagten unmittelbar nach der telefonischen Schadenmeldung eingeholten Gutachtens der Sachverständigen S... Ingenieurgesellschaft mbH vom 26.7.2011 bestätigt worden, welches mehrere Angebote von lokalen Restwertaufkäufern und Restwertbörsen enthielt mit dem Zusatz, es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass der "zuständige Versicherer eine andere Vermarktungsmöglichkeit und somit eindeutig höheren Restwert erzielen" könne, weswegen vor Veräußerung des beschädigten Objekts mit dem zuständigen Versicherer Kontakt aufgenommen werden solle. Zum Zeitpunkt der schriftlichen Schadenmeldung war das Fahrzeug - vermittelt durch den Zeugen P. - bereits an einen der im Gutachten genannten Restwertaufkäufer veräußert. Der Zeuge K. musste nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihn zur Veräußerung des Unfallfahrzeugs veranlassen würde, solange sie noch Zweifel an ihrer Eintrittspflicht hegte und deshalb die Möglichkeit bestand, dass das Fahrzeug zum Nachweis des Versicherungsfalls noch benötigt werde.

Die - ebenso glaubhafte - Schilderung des von der Beklagten benannten Zeugen S., der Zeuge K. habe anlässlich eines Telefonats am 19.10.2011 erklärt, die Zeugen nicht angegeben zu haben, weil "das die Sache nur verzögert hätte", zwingt nicht zu einer anderen Einschätzung. Unstreitig war Anlass des Anrufs des Zeugen K. dessen Verärgerung über die Verzögerung der - aus seiner Sicht zugesagten - Regulierung. Berücksichtigt man ferner, dass der Zeuge K. sich in dem Verlauf des Gesprächs zunächst mit dem Vorwurf konfrontiert sah, seine Schilderung des Unfallgeschehens sei nicht schlüssig, und ihm sodann auf seine Reaktion, er könne Zeugen benennen, vorgehalten worden war, auch insoweit unrichtige Angaben gemacht zu haben, kann die streitige Äußerung des Zeugen durchaus auch in dem Sinne verstanden werden, bei der Angabe von Zeugen hätte die ohnehin bereits lang dauernde Regulierung sich noch länger hingezogen. Ein Eingeständnis des Zeugen K., die Angabe von Zeugen beim Unterschreiben des Formulars bewusst unterlassen zu haben, um die Regulierung zu beschleunigen, kann hierin nicht gesehen werden. Der Senat hält vielmehr das von der Klägerin gemutmaßte Motiv für nahe liegend, der von ihr getrennt lebende Zeuge habe nicht offenbaren wollen, dass er seine Freundin bei sich im Auto gehabt habe.

3. Die Höhe der Klageforderung orientiert sich an dem von der Beklagten eingeholten Gutachten über die Schadenhöhe. Die Beklagte hat hiergegen keine - substantiierten - Einwände erhoben.

4. Der Klägerin stehen gemäß §§ 280, 286 BGB als Verzugsschaden auch die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten zu. Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Klägervertreter durch deren Schreiben vom 27.10.2011 mit entsprechenden Zahlungen in Verzug, nachdem sie die Schadenregulierung mit Schreiben vom 10.10.2011 abgelehnt hatte.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.