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OLG Hamm Urteil vom 14.11.2013 - I-28 U 33/13 - Voraussetzungen der Rückabwicklung eines Autokaufs beim Verstopfen des Dieselrußpartikelfilters
OLG Hamm v. 14.11.2013: Zu den Voraussetzungen der Rückabwicklung eines Autokaufs beim Verstopfen des Dieselrußpartikelfilters
Das OLG Hamm (Urteil vom 14.11.2013 - I-28 U 33/13) hat entschieden:
Der Umstand, dass das Fahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im reinen Kurzstreckenbetrieb nur eingeschränkt geeignet ist, weil zwecks Filterreinigung von Zeit zu Zeit Regenerationsfahrten über Land erforderlich sind, begründet keinen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Bei den Vertragsverhandlungen muss der Käufer nicht gesondert über die Notwendigkeit von Regenerationsfahrten und deren spezifische Anforderungen aufgeklärt werden, wenn sich die für den Käufer notwendigen Informationen mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bedienhandbuch ergeben.
Siehe auch Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Neuwagenkauf und Stichwörter zum Thema Autokaufrecht
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückabwicklung eines Neufahrzeugkaufs.
Die Beklagte ist Vertragshändlerin für die Marke S.
Mit verbindlicher Bestellung vom 18.04.2008 erwarb der Kläger von der Beklagten an deren Betriebsniederlassung in J ein Neufahrzeug vom Typ S Grand Scénic Avantage 1.9 dCI FAP, das mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet war.
Die Finanzierung des Kaufpreises von 22.019,99 € erfolgte teils durch Inzahlunggabe eines Altfahrzeugs und im Übrigen über einen Darlehensvertrag bei der S Bank mit einer Laufzeit von zwei Jahren.
Das Fahrzeug wurde einige Wochen nach Kaufabschluss übergeben. Das zugleich übergebene Bedienhandbuch enthielt Vorgaben für die Durchführung einer Regenerationsfahrt bei Auftreten der Meldung "Katalysator regenerieren", welche lauteten:
Fahren Sie zur Reinigung des Partikelfilters innerhalb von 100 km nach dem Erscheinen der Meldung mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h... unter Berücksichtigung der Verkehrssituation und unter Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen bis zum Erlöschen der Kontrolllampe. Wenn der Motor vor dem Erlöschen der Kontrolllampe abgestellt wird, muss das Verfahren eventuell neu begonnen werden.
Hinweis: In diesem Fall kann die Regeneration bis zu 20 Minuten dauern.
Im August 2008 wurde das Fahrzeug, das von der Tochter und dem Schwiegersohn des Klägers genutzt wurde, zur Beklagten gebracht, weil die Partikelfilteranzeige dauerhaft leuchtete. Die Beklagte reinigte - ohne Berechnung - den Filter und der Tochter des Klägers wurde ein Merkblatt ausgehändigt, in dem es heißt:
Diese Warnlampe oder dieser Hinweis informieren Sie darüber, dass die Fahrbedingungen Ihres Fahrzeugs keine rechtzeitige Regeneration des Filters zugelassen haben. Während der nächsten 100 km nach Erscheinen dieses Warnhinweises oder Aufleuchten der Warnlampe muss eine Mindestgeschwindigkeit von 80 km/h eingehalten werden, um die Regeneration zu aktivieren; danach - sofern die Verkehrsbedingungen bzw. die Verkehrsvorschriften es zulassen - bis zum Erlöschen des Warnhinweises oder der Warnlampe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 km/h weitfahren. Dieser Regenerationsprozess kann 20 Minuten dauern.
Hinweis: wenn das Fahrzeug vor Erlöschen der Warnlampe oder des Warnhinweises angehalten wird, muss der Regenerationsprozess eventuell wiederholt werden.
Am 01.10.2008 wurde das Fahrzeug wegen desselben Problems erneut in der Werkstatt der Beklagten vorgestellt. Die Beklagte reinigte wiederum den Filter und stellte dem Kläger hierfür unter dem 02.10.2008 einen Betrag von 165,23 € in Rechnung, der - unter Vorbehalt - bezahlt wurde.
Der Kläger forderte mit Anwaltsschreiben vom 24.11.2008 die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Werkstattkosten auf.
Er hat behauptet, der im Fahrzeug verbaute Rußpartikelfilter arbeite nicht störungsfrei. Außerdem sei das Dieselfahrzeug für den der Beklagten im Zuge der Verkaufsverhandlungen mitgeteilten Einsatzzweck eines reinen Kurzstreckenbetriebs nicht geeignet.
Zudem hat der Kläger der Beklagten die Verletzung von Beratungspflichten vorgeworfen: Er meint, die Beklagte hätte wegen des mitgeteilten Einsatzzwecks vom Erwerb des Dieselfahrzeugs abraten oder jedenfalls auf die Notwendigkeit von Regenerationsfahrten und deren Anforderungen hinweisen müssen. Zumindest hätte sie in den Vertragsverhandlungen darauf hinweisen müssen, dass die Elektronik des Fahrzeugs eine Limitierung der Filterreinigung durch Freibrennfahrten auf zehn Versuche vorsehe und nach zehnmaligem vorzeitigem Abbruch einer Regenerationsfahrt eine Filterreinigung nur noch in einer Werkstatt erfolgen könne.
Als Schadensersatz verlangt der Kläger neben der Rückzahlung des Kaufpreises auch die Erstattung der Werkstattkosten vom 02.10.2008.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.185,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2008 Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw S "Grand Scénic", Fahrgestell-Nr. VF1JMG4D640009355, Fabrikations-Nr. DF 70817 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte sich bezüglich des im Klageantrag vorstehend Nr. 1. bezeichneten Kfz im Verzug der Annahme befindet;
- festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, ihm den zukünftigen Schaden aus dem Verkauf des im Antrag Nr. 1 bezeichneten Pkw zu ersetzen;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.085,04 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist dem Vorbringen der Mangelhaftigkeit des Partikelfilters und dem Vorwurf einer Beratungspflichtverletzung entgegen getreten und hat behauptet, ihr Verkaufsberater M habe bei den Verhandlungen auf die mit dem Rußpartikelfilter verbundenen Besonderheiten der Fahrzeugnutzung hingewiesen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C vom 27.07.2010 und 13.06.2012 sowie ergänzende Anhörung des Sachverständigen in den Terminen am 13.12.2010 und 03.12.2012. Mit Urteil vom 07.01.2013 hat es sodann die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises bestehe nicht. Das Fahrzeug habe bei Übergabe keinen Sachmangel aufgewiesen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass der Rußpartikelfilter einwandfrei funktioniere. Dass bei einem solchen Fahrzeug Regenerationsfahrten durchzuführen seien, sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kein Mangel. Auch wenn ein Kurzstreckenbetrieb als Verwendungszweck vereinbart worden sei, sei der Wagen dafür geeignet.
Ein nicht nachgelassener Schriftsatz des Klägers vom 20.12.2012, in dem dieser sein Vorbringen zur unklaren Aufklärung über den Umgang mit dem Rußpartikelfilter vertieft hat, sei verspätet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Urteilsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter, wobei er nun nur noch die Verletzung einer Aufklärungspflicht über die Details der Notwendigkeit von Regenerationsfahrten geltend macht.
Er rügt die unklare Abfassung der Bedienungsanleitung und des der Tochter des Klägers überreichten Merkblatts und beanstandet weiterhin, dass die Beklagte in dem Verkaufsgespräch nicht darauf hingewiesen habe, dass nur zehn Versuche für die Durchführung einer Regenerationsfahrt möglich seien.
Der Schriftsatz vom 20.12.2012 hätte nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen, weil der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 27.11.2012 weiteren Vortrag angekündigt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hagen vom 03.12.2012 abzuändern und der Klage entsprechend den Anträgen im ersten Rechtszug stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
1. Der Kläger kann nicht die Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs vom 18.04.2008 verlangen.
a) Die Voraussetzungen eines entsprechenden Gewährleistungsanspruchs, sei es aus Rücktritt gemäß den §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB, sei es aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß den §§ 280, 281, 437 Nr. 3, 434 BGB, liegen nicht vor.
Das verkaufte Fahrzeug wies bei Übergabe keinen Sachmangel auf.
aa) Dass der im Fahrzeug verbaute Rußpartikelfilter einwandfrei funktionierte, hat das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme mit Bindungswirkung für den Senat gemäß den §§ 529, 531 ZPO festgestellt. Insoweit greift die Berufung das Urteil auch nicht an.
bb) Das Landgericht hat des weiteren - auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 04.03.2009, VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056) - zutreffend ausgeführt, dass der Umstand, dass das Fahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im reinen Kurzstreckenbetrieb nur eingeschränkt geeignet ist, weil zwecks Filterreinigung von Zeit zu Zeit Regenerationsfahrten über Land erforderlich sind, keinen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB begründet.
cc) Soweit der Kläger daran festhält, dass die Vorgaben in der Betriebsanleitung sowie in dem von der Beklagten vorgelegten Merkblatt für die Durchführung der Regenerationsfahrten unklar und unzulänglich seien, begründet auch das keinen Sachmangel des Fahrzeugs.
Dabei kann im Einzelfall eine fehlerhafte Bedienungsanleitung einen Mangel der gelieferten Sache selbst begründen. Das ist angenommen worden, wenn eine zur sinnvollen Verwendung der Sache erforderliche Bedienungsanleitung fehlt oder eine solche zwar vorhanden, aber in wesentlichen Punkten lücken- oder fehlerhaft ist (OLG München, Urt. v. 09.03.2006, 6 U 4082/05, BeckRS 2006 05360).
Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.
Selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass ein Hinweis im Bedienhandbuch auf die Notwendigkeit von Freibrennfahrten zur Regenerierung des Dieselpartikelfilters zu verlangen ist, ist festzustellen, dass das mit dem Fahrzeug übergebene Handbuch eine solche Information enthält und darin auch die allgemeinen Anforderungen an die Durchführung von Regenerationsfahrten hinreichend deutlich beschrieben werden.
Ob es darüber hinaus eines Hinweises auf die Folgen einer Vielzahl abgebrochener Freibrennfahrten bedurft hätte, kann offen bleiben. Selbst wenn dies bejaht würde, wäre die Auslassung nicht derart gravierend, dass daraus ein Mangel des Fahrzeugs im obigen Sinne folgt. Denn auch ohne einen solchen Hinweis ist die Betriebsanleitung nicht unbrauchbar und der Käufer kann gleichwohl das Fahrzeug nutzen.
b) Der Kläger kann auch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) wegen Verletzung einer Hinweis- oder Beratungspflicht keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufs herleiten.
Eine Aufklärungspflicht kommt nur hinsichtlich solcher Umstände in Betracht, die für den Vertragsschluss der anderen Partei erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann.
aa) Bei den Vertragsverhandlungen musste der Kläger nicht gesondert über die Notwendigkeit von Regenerationsfahrten und deren spezifische Anforderungen aufgeklärt werden. Die für den Käufer notwendigen Informationen ergeben sich - wie ausgeführt - mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bedienhandbuch. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass ihm das Handbuch erst nach Vertragsschluss übergeben worden sei, ist das weder im Grundsatz noch unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls zu beanstanden. Es ist üblich, dass Betriebsanleitungen erst mit Übergabe des Kaufgegenstandes ausgehändigt werden. In der Regel ist es nicht Bestandteil der berechtigten Käufererwartung, dass der Verkäufer ihm Wartungshinweise aus der Bedienungsanleitung bereits bei den Vertragsverhandlungen mitteilt. Ebenso wenig besteht grundsätzlich im Stadium der Vertragsverhandlungen eine Pflicht des Verkäufers, auf eine etwaige Unklarheit im Handbuch - hier bezogen auf die Folgen einer Vielzahl abgebrochener Regenerationsfahrten - aufmerksam zu machen.
bb) Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall eine andere Bewertung gebieten könnten, liegen nicht vor. Das gilt auch unter Berücksichtigung der streitigen Behauptung des Klägers, bei Vertragsschluss sei darauf hingewiesen worden, dass das Fahrzeug für (Kurzstrecken-)Fahrten zwischen Schule, Kindergarten, "Hobby" und Wohnung der Familie X eingesetzt werden sollte. Wie der BGH in der angegebenen Entscheidung ausgeführt hat, ist auch ein Fahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im überwiegenden oder reinen Kurzstreckenbetrieb geeignet, sofern der Filter bei Bedarf gereinigt wird. Die hiermit verbundenen Unannehmlichkeiten sind kein Umstand, die im konkreten Fall eine Hinweispflicht der Beklagten vor Vertragsschluss begründeten.
2. Der Kläger kann auch nicht Erstattung der ihm unter dem 02.10.2008 in Rechnung gestellten Kosten für die Filterreinigung in der Werkstatt der Beklagten verlangen.
a) Ein Anspruch auf Ersatz dieser Kosten aus den §§ 280 Abs. 1, 311 BGB wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung scheidet aus den vorgenannten Gründen aus.
b) Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht gemäß den §§ 280 Abs. 1, 433 Abs. 2 BGB ist nicht schlüssig dargelegt.
Das gilt, selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, dass die Beklagte gehalten gewesen wäre, bei Übergabe des Fahrzeugs oder jedenfalls anlässlich der werkstattmäßigen Filterreinigung im August 2008 darauf hinzuweisen, dass die Elektronik des Fahrzeugs eine technische Limitierung der Freibrennfahrten auf zehn Versuche vorsieht.
Der Kläger hat - trotz Hinweises des Senats - nichts dazu vorgetragen, wie sich die Nutzer des Fahrzeugs bei vertragsgemäßer Aufklärung verhalten hätten und ob es dann nicht zu dem Werkstattaufenthalt des Fahrzeugs Anfang Oktober 2008 mit den daraus erwachsenen Kosten gekommen wäre.
3. Weil der Kläger mit dem Hauptzahlungsbegehren nicht durchdringt, sind auch die Feststellungsbegehren und die Nebenforderungen unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711.
Für die Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlass.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).