Das Verkehrslexikon

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OLG Koblenz Urteil vom 12.05.2014 - 12 U 1019/13 - Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" bei Arbeitseinsatz eines Traktors

OLG Koblenz v. 12.05.2014: Keine Haftung aus der Betriebsgefahr beim Einsatz eines Traktors als Arbeitsmaschine


Das OLG Koblenz (Urteil vom 12.05.2014 - 12 U 1019/13) hat entschieden:
Wenn ein Landwirt eine zuvor von ihm gemähte Wiese mit seinem Traktor mit angehängtem Kreiselschwader bearbeitet und ein zweiter Landwirt danach mit seinem Grashäcksler die vorbereiteten Grasschwaden aufnimmt und weiter verarbeitet und dabei der Grashäcksler durch einen von dem Kreiselschwader abgebrochenen Metallzinken beschädigt wird, besteht kein Schadensersatzanspruch des zweiten Landwirts aus § 7 Abs. 1 StVG, weil der Schaden nicht "bei dem Betrieb" des Traktors eingetreten ist. Denn es bestand kein Zusammenhang mit dem Zweck des Fahrzeugs als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine. Im Vordergrund stand das Tätigwerden als "Arbeitsmaschine", die den Einsatz des später beschädigten Grashäckslers erst ermöglicht hat.


Siehe auch Betriebsgefahr - verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung


Gründe:

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Grashäckslers in Anspruch.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 26.137,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.03.2012 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.085,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der vom Kläger geltend gemachte Schaden nicht "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden ist und für eine Verschuldenshaftung des Beklagten zu 1. keine Tatsachen dargetan sind.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger beantragt,
  1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen;

  2. im Fall einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 8.07.2013 die Beklagten zu verurteilen, an ihn 26.137,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.03.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Außerdem beantragt er,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG besteht nicht. Der Senat ist wie das Landgericht der Auffassung, dass sich der geltend gemachte Schaden nicht "bei dem Betrieb" des Traktors des Beklagten mit angehängtem Kreiselschwader ereignete. Dabei wird das von den Beklagten bestrittene Vorbringen des Klägers, die Häckseltrommel und das Häckselwerk seines Getreidehäckslers seien durch einen von dem Kreiselschwader abgebrochenen Metallzinken beschädigt worden, als richtig unterstellt.

Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist entsprechend dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG weit auszulegen (BGH MDR 2014, 339). Erforderlich ist immer, dass die Schadensfolgen in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (BGH MDR 2012, 707). Es kommt maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich das Kraftfahrzeug während des Betriebsvorgangs auf einer öffentlichen Straße oder auf einem Privatgrundstück befindet (BGH VersR 1975, 945 ff.). Dass sich das Schadensereignis hier auf der Wiese des Klägers ereignete, steht einer Anwendung des § 7 StVG daher grundsätzlich nicht entgegen.

Nach dem Vorbringen des Klägers hat der Kreiselschwader den Metallzinken verloren, als das Fahrzeug in Bewegung war, so dass auch insoweit ein Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang, d. h. dem Fahren des Traktors mit angehängtem Kreiselschwader bestand (vgl. Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 3 Rn. 134). Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass im vorliegenden Fall das Schadensereignis nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung des Gespanns als Beförderungsmittel im Verkehr steht, sondern auf einem anderweitigen Einsatz seiner Betriebseinrichtungen beruht. Bei beiden an dem Unfall beteiligten Fahrzeugen, dem Traktor mit angehängtem Kreiselschwader und dem Grashäcksler, standen nicht die Fortbewegung und der Transport im Vordergrund, sondern die Tätigkeit als Arbeitsmaschinen. Der Traktor und der angehängte Kreiselschwader müssen als Einheit gesehen werden, die während des Fahrens ihren Arbeitseinsatz verrichtete. Dabei kam es nicht zu der Beschädigung des Grashäckslers. Der Schaden entstand erst, als der Kläger mit dem Grashäcksler den nächsten Arbeitsgang verrichtete und die vom Beklagten vorbereiteten Grasschwaden aufnehmen und weiter verarbeiten wollte. Im Vordergrund des Vorgangs stand die arbeitsteilige Verarbeitung des Grases. Der Betrieb des Kraftfahrzeugs trat dahinter zurück. Von dem Traktor und dem Kreiselschwader ging keine Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr oder andere Verkehrsteilnehmer aus, nur der Kläger und dessen Grashäcksler waren von dem Betrieb des Kreiselschwaders betroffen, weil er in den Arbeitsvorgang eingebunden war. Kein anderer Verkehrsteilnehmer war dadurch gefährdet. Darin liegt der Unterschied zu den Streufahrzeug- oder Mähdrescherfällen. Hier fanden die Arbeiten in einem Bereich statt, in dem andere - unbeteiligte - Kraftfahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen werden konnten (z. B. BGH Urteil vom 5.07.1988, VI ZR 346/87; Urteil vom 18.01.2005, VI ZR 115/04). Durch den Kreiselschwader wurde dagegen keine Gefahr geschaffen, die von dem Fahrzeug in seiner Eigenschaft als einer dem Verkehr dienenden Maschine für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht (OLG Hamm, Urteil vom 10.10.1995, 34 U 25/95), sondern nur durch ihren Einsatz als Arbeitsmaschine, die die Vorarbeiten für den Einsatz einer weiteren fahrbaren Arbeitsmaschine leistete.

Der Senat sieht im vorliegenden Fall daher keinen Zusammenhang mit dem Zweck des Fahrzeugs als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine. Im Vordergrund stand das Tätigwerden als "Arbeitsmaschine", die den Einsatz des später beschädigten Grashäckslers erst ermöglicht hat. Die Beklagten haften daher schon dem Grunde nach nicht für Schäden an dem Grashäcksler des Klägers.

Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Der Beklagte zu 1. war ohne greifbaren Anhaltspunkt nicht verpflichtet, das von ihm bearbeitete Feld auf Gegenstände hin zu untersuchen, die den Grashäcksler des Klägers beschädigen konnten (BGH Urteil vom 24.01.2013, VII ZR 98/12). Der Kläger trägt nicht vor, dass der Beklagte zu 1. Veranlassung gehabt hätte, von einer besonderen Gefährdungslage auszugehen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

Der Senat sieht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision als gegeben an, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Eine ähnliche Fallkonstellation wurde noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 26.137,00 €.