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Amtsgericht Marl Urteil vom 16.10.2014 - 3 C 117/14 - Reparaturkosten - AKB-Regelung zur Rechnungsvorlage
AG Marl v. 16.10.2014: Reparaturkosten - AKB-Regelung zur Rechnungsvorlage
Das Amtsgericht Marl (Urteil vom 16.10.2014 - 3 C 117/14) hat entschieden:
- Die Regelung in den AKB einer Kraftfahrzeugkaskoversicherung, dass eine Erstattung der Kosten in Höhe des Wiederbeschaffungswertes bei fachgerechter Reparatur und Vorlage der Reparaturrechnung erfolgt, kann grundsätzlich nicht dahingehend ausgelegt werden, dass ein Nachweis auch in anderer Form, in diesem Fall durch eine Bestätigung der fachgerechten Reparatur durch die DEKRA, erfolgen kann.
- Die Regelung in den AKB, die für die vollständige Zahlung des Wiederbeschaffungswertes im Fall der Beschädigung des versicherten Fahrzeugs von der Vorlage einer Reparaturrechnung abhängig macht, ist für den Versicherungsnehmer weder überraschend noch stellt sie eine unangemessene Benachteiligung dar.
Siehe auch Reparaturkosten und Reparaturschaden
Tatbestand:
Der Kläger ist Halter eines bei der BMW-Bank GmbH finanzierten Fahrzeugs der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen ... . Für das Fahrzeug besteht bei der Beklagten eine Kraftfahrzeugkaskoversicherung. Im Rahmen der Finanzierung trat der Kläger seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die BMW-Bank GmbH ab. Mit Schreiben vom 26.09.2014 ermächtigte die BMW-Bank GmbH den Kläger, den vorliegenden Prozess im eigenen Namen zu führen.
Grundlage der Kraftfahrzeugkaskoversicherung b ei der Beklagten sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) mit Stand vom 01.01.2011. Die AKB enthalten unter Ziffer A.2.6.2 folgende Regelung (vgl. Anlage B1, BI. 28 d.A.):
"Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:
- Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen.
- Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert oder können sie nicht durch eine Rechnung die vollständige und fachgerechte Reparatur nachweisen, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts."
Wegen des weiteren Inhalts der AKB wird Bezug genommen auf die Anlage B1, BI. 21 ff. d.A.
Das Fahrzeug des Klägers wurde am 15.07.2013 beschädigt, woraufhin dieser das Fahrzeug reparieren ließ. Eine Reparaturrechnung hierüber ist jedoch nicht vorhanden. Die Reparaturkosten wurden von der DEKRA am 17.07.2013 mit netto 13.714,68 € beziffert. Laut einer Stellungnahme der DEKRA vom 16.05.2014 befand sich das Fahrzeug im Rahmen einer Nachbesichtigung in einem reparierten Zustand; die Beschädigungen seien fachgerecht behoben worden (vgl. BI. 7 d.A.). Die Regulierung der Beklagten erfolgte sodann auf Totalschadenbasis, d.h. sie zahlte einen Betrag in Höhe von 8.273,10 € an den Kläger aus. Dieser Betrag ergibt sich aus dem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 16.386,55 € abzüglich des Restwertes in Höhe von 8.773,10 € und der Selbstbeteiligung von 500,00 €.
Mit Schreiben vom 20.05.2014 äußerte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass ein Sachverständiger bestätigt habe, dass das Fahrzeug fachgerecht repariert worden sei. Dies ziehe jedoch keine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis nach sich. Hierfür müsse vielmehr ein konkreter "Reparaturnachweis" vorgelegt werden. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens vom 20.05.2014 wird Bezug genommen auf BI. 60 d.A.
Der Kläger behauptet, dass die Reparaturarbeiten vollständig und fachgerecht durchgeführt worden seien. Darüber hinaus ist er der Ansicht, dass dies nicht allein durch eine Rechnung bewiesen werden könne. Der Reparaturnachweis sei vorliegend erbracht, zumal die Beklagte selbst eine fachgerechte Reparatur bestätigt habe. Da die Beklagte selbst ihren Leistungsanspruch laut Schreiben vom 20.05.2014 lediglich an einen Reparaturnachweis geknüpft habe, könne sie nun nicht ausschließlich eine Reparaturrechnung verlangen. Es sei lediglich der Nachweis der fachgerechten Reparatur zum Erhalt der Versicherungsleistung erforderlich. Der Kläger ist der Meinung, Ziffer A.2.6.2 der AKB sei unwirksam, da diese Klausel für ihn überraschend und mehrdeutig sei.
Der Kläger ist folglich der Auffassung, dass die Beklagte aufgrund der fachgerechten und vollständigen Reparatur verpflichtet sei, den Schaden an dem Fahrzeug auf Reparaturkostenbasis (netto Reparaturkosten in Höhe von 13.714,68 € abzüglich der Selbstbeteiligung von 500,00 €) abzurechnen.
Der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die BMW-Bank GmbH, 80787 München, zum Finanzierungsvertrag-Nr. ..., 4.941,58 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Gebührenforderung der ... in Höhe von 492,54 € zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht ausschließlich den Kläger als anspruchsberechtigt ansieht, beantragt er,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.941,58 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klageforderung sei unbegründet, da die Reparatur- unstreitig -nicht durch eine entsprechende Rechnung nachgewiesen worden sei.
Sie ist zudem der Auffassung, die Klageforderung sei derzeit nicht fällig, da - und dies ist zwischen den Parteien unstreitig -das in Ziffer A.2.10 der AKB vorgesehene Sachverständigenverfahren nicht durchgeführt worden sei.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Der Kläger ist prozessführungsbefugt Unschädlich ist, dass der Kläger seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Rahmen der Finanzierung des Fahrzeugs an die BMW-Bank GmbH abgetreten hat. Denn er tritt insofern als sog. gewillkürter Prozessstandschafter auf. Nach dieser Rechtsfigur kann der Kläger ausnahmsweise ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend machen, wenn ihm der materielle Rechtsinhaber hierzu bevollmächtigt hat, der Kläger ein eigenes rechtliches Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs hat und die Beklagte hierdurch keine Nachteile erleidet. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Bevollmächtigung ergibt sich aus dem Schreiben der BMW-Bank GmbH vom 26.09.2014 (vgl. BI. 80 d.A.). Das rechtliche Interesse des Klägers folgt daraus, dass die Klärung der Leistungspflicht der Beklagten von maßgeblicher Bedeutung für das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der BMW-Bank GmbH ist. Die Beklagte ist durch das Auftreten des Klägers in gewillkürter Prozessstandschaft auch nicht benachteiligt. Durch die Ermächtigung zum Führen des Rechtstreits wirkt das Urteil auch für und gegen die BMW-Bank GmbH.
II.
Der Kläger hat gegen die Beklagte jedoch keinen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. Ziffer A.2.6.2, Buchstabe a, 1. Spiegelstrich AKB darauf, dass diese 4.941,58 € an die BMW-Bank GmbH zahlt.
Die Beklagte hat die Regulierung richtigerweise auf Grundlage von Ziffer A.2.6.2, Buchstabe a, 2. Spiegelstrich vorgenommen und einen Betrag i.H.v. 8.273,10 € ausgezahlt. Ein weitergehender Zahlungsanspruch auf Grundlage von Ziffer A.2.6.2, Buchstabe a, 1. Spiegelstrich besteht nicht.
Im Einzelnen:
1. Offen bleiben kann, ob der Kläger den Schaden an seinem Fahrzeug ordnungsgemäß und fachgerecht hat reparieren lassen. Denn er hat die Reparatur jedenfalls nicht durch die Vorlage einer Reparaturrechnung nachgewiesen.
Nach Ziffer A.2.6.2. zahlt die Beklagte im Fall der vollständigen und fachgerechten Reparatur die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, wenn der Versicherungsnehmer dies durch eine Rechnung nachweist. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen ist die Reparaturrechnung demnach das allein zugelassene Beweismittel zum Nachweis einer vollständigen und fachgerechten Reparatur.
Eine Auslegung der Versicherungsbedingungen dahingehend, dass der Nachweis der vollständigen und fachgerechten Reparatur auch anderweitig erbracht werden kann, ist nicht möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 17.09.1976, Az.: IV ZR 17/75; BGH, Urteil vom 19.02.2003, Az.: IV ZR 318/02). Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer muss Ziffer A.2.6.2, Buchstabe a, 2. Spiegelstrich so verstehen, dass die Reparatur in jedem Fall durch eine Rechnung nachgewiesen werden muss. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig und unmissverständlich. Dass eine Reparaturrechnung vorgelegt werden muss, wird auch dadurch deutlich, dass in dem zweiten Spiegelstrich von Ziffer A.2.6.2 eine Regelung für den Fall enthalten ist, dass die Reparatur gerade nicht durch eine Rechnung nachgewiesen werden kann. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Beklagte in dem Schreiben vom 20.05.2014 einen "konkreten Reparaturnachweis" (vgl. BI. 60 d.A.) gefordert hat. Zum einen ist denkbar, dass der Verfasser des Schreibens mit der Formulierung "konkreter Reparaturnachweis" eine Reparaturrechnung gemeint hat, worauf das Wort "konkret" hindeutet. Denn unter einem "konkreten Reparaturnachweis" ist nach allgemeinem Sprachgebrauch eher eine Reparaturrechnung zu verstehen als eine Stellungnahme der DEKRA. Zum anderen erfolgt die Auslegung von Versicherungsbedingungen aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers. Wie die Klausel aus Sicht eines solchen auszulegen ist, wurde bereits ausgeführt.
2. Ziffer A.2.6.2, Buchstabe a, 1. Spiegelstrich der AKB ist auch nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers nach § 307 I, II Nr. 2 BGB unwirksam. Denn die Regelung berücksichtigt das Interesse des Versicherers an einem einfachen und schnellen Nachweis der Durchführung der Reparatur, ohne gleichzeitig den Versicherungsnehmer zumutbar einzuschränken (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16.09.2013, Az.: 8 O 6658/12). Denn dieser hat weiterhin die Möglichkeit, die Reparatur in eigener Regie durchzuführen und darüber einen Eigenbeleg zu erstellen. Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer eine Abrechnung auf Totalschadenbasis nach dem zweiten Spiegelstrich abwenden, indem er eine Rechnung vorlegt. Anders als im Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, bei der sich der Umfang der Ersatzleistung nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 249 ff. BGB richtet, unterliegt es der freien vertraglichen Vereinbarung, in welchem Umfang der Kasko-Versicherer Entschädigung leistet. Es benachteiligt den Versicherungsnehmer im Rahmen dieser Vertragsfreiheit nicht unangemessen, von ihm die Vorlage einer Reparaturrechnung zu verlangen, wenn er deren Ersatz verlangt. Kann er dies nicht, muss er sich eben auf die fiktive Abrechnung der Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes verweisen lassen.
3. Ziffer A.2.6.2 enthält auch keine überraschende oder mehrdeutige Klausel i.S.d. § 305c BGB. Die Anwendung des §§ 305c BGB setzt voraus, dass es sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handelt, mit der der Vertragspartner nicht zu rechnen braucht. Es muss also eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Kunden und dem Klauselinhalt bestehen. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche Klausel nicht überraschend. Denn die typische Leistung des Kaskoversicherers besteht in der Erstattung des dem Versicherungsnehmer tatsächlich entstandenen Schadens. Der tatsächlich entstandene Schaden kann im Fall einer Reparatur jedoch auch aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers am einfachsten und besten durch Vorlage einer entsprechenden Rechnung nachgewiesen werden.
4. Die Vorsitzende verkennt nicht, dass der Reparaturnachweis vorliegend erbracht sein könnte und die Beklagte vorprozessual einen "konkreten Reparaturnachweis" (vgl. BI.60 d.A.), nicht eine Reparaturrechnung, verlangt hat. Dieser möglicherweise erbrachte Nachweis erfolgte jedoch nicht durch eine Rechnung, auf deren Grundlage abgerechnet werden könnte, sondern durch eine Stellungnahme der DEKRA. Darüber hinaus handelt die Beklagte auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB, indem sie vorprozessual lediglich einen "konkreten Reparaturnachweis" verlangt hat, sich jedoch im Prozess nunmehr auf das Fehlen einer Reparaturrechnung beruft. Denn mit dem Schreiben vom 20.05.2014 dürfte auch aus Sicht des Klägers kein Verzicht auf die Geltung der eindeutig formulierten Ziffer A.2.6.2 AKB verbunden sein. Für einen entsprechenden Willen bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat die Beklagte gegenüber dem Kläger klar gemacht, dass für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich ist. Dass hierfür aufgrund der Formulierung "konkreter Reparaturnachweis" entgegen den AKB die Vorlage einer Stellungnahme der DEKRA ausreichend sein soll und auf die Vorlage des aus Sicht des Versicherungsnehmers naheliegendsten Beweismittels eine Rechnung verzichtet würde, ist nicht ersichtlich.
III.
Mangels Zahlungsanspruchs hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen aus §§ 291, 288 I 2 BGB.
IV.
Mangels Zahlungsanspruchs hat der Kläger gegen die Beklagte letztlich keinen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492,54 € aus §§ 280 I, II, 286, 249 ff. BGB.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.