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OLG Bamberg Beschluss vom 29.01.2015 - 3 Ss OWi 86/15 - Fahrverbot wegen grober Pflichtverletzung
OLG Bamberg v. 29.01.2015: Zur Begründung eines Fahrverbots wegen grober Pflichtverletzung
Das OLG Bamberg (Beschluss vom 29.01.2015 - 3 Ss OWi 86/15) hat entschieden:
Auf eine argumentativ nachvollziehbare tatrichterliche Begründung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots kann regelmäßig dann nicht verzichtet werden, wenn die Fahrverbotsanordnung auf einen beharrlichen Pflichtenverstoß außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gestützt wird.
Siehe auch Fahrverbot wegen grober Pflichtverletzung und Stichwörter zum Thema Fahrverbot
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen, einen Berufskraftfahrer, am 26.11.2014 wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des für Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t gemäß § 4 Abs. 3 StVO auf Autobahnen bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h zu vorausfahrenden Fahrzeugen einzuhaltenden Mindestabstandes von 50 m (Tatzeit: 27.03.2014) zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen den Betroffenen entsprechend dem Bußgeldbescheid vom 30.05.2014 (dort festgestellter tatsächlicher Abstand bei 70 km/h: 37 m) ein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten, aufgrund der gegenüber dem Amtsgericht mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 02.10.2014 nach § 67 Abs. 2 OWiG wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich als erfolgreich, weil die bisherigen Zumessungserwägungen des Amtsgerichts den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere das gegen den Betroffenen verhängte Fahrverbot, nicht tragen.
1. Allerdings begegnet hier schon die vom Amtsgericht zur Einleitung seiner eigentlichen Rechtsfolgenbemessung unter Ziffer IV. seiner Urteilsgründe vorangestellte Formulierung Bedenken, wonach „bei der Bemessung der Geldbuße [...] vom Rahmen des § 24 Abs. 2 StVG, nach dem eine Geldbuße bis zu 2.000,-- Euro festgesetzt werden kann“ auszugehen sei, ohne zu erwähnen, dass das gesetzlich zulässige Höchstmaß der Geldbuße für die hier allein in Betracht kommende fahrlässige Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes nicht 2.000 Euro sondern nach § 24 Abs. 2 StVG i.V.m. § 17 Abs. 2 OWiG nur 1.000 Euro beträgt.
2. Wenn auch in Bußgeldsachen an die Abfassung der Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind und gerade im Hinblick auf eine Fahrverbotsanordnung für eine der strafprozessualen Einzelfallprüfung entsprechende Prüfungs- und Darstellungsdichte (§ 267 Abs. 3 StPO) regelmäßig nur begrenzt Raum sein wird (BGHSt 38, 106/110; BayObLG DAR 2004, 230, 231; OLG Bamberg zfs 2013, 290 = VerkMitt. 2013, Nr. 30), kann auf eine wenigstens in ihren Grundzügen nachvollziehbare, mit stichhaltigen Argumenten unterlegte Begründung für die Rechtfertigung eines verhängten bußgeldrechtlichen Fahrverbots gerade dann nicht verzichtet werden, wenn Vorahndungen des Betroffenen - wie hier - nicht nur bußgelderhöhend verwertet worden sind, sondern die Fahrverbotsanordnung allein auf einen beharrlichen Pflichtenverstoß gemäß §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gestützt werden kann. In einem solchen Fall genügt es deshalb regelmäßig nicht, die der Urteilsbildung zugrunde gelegten Vorahndungen des Betroffenen nach Tatzeit, Rechtskrafteintritt und konkreter Tatahndung (vgl. hierzu z.B. OLG Bamberg VerkMitt. 2007, Nr. 57) jeweils nur festzustellen.
3. Zwar hat das Amtsgericht - wenn auch nur durch Verweis („siehe Anlage“) auf den Urteilsgründen unkommentiert nachgeheftete Kopien eines im Urteilszeitpunkt am 26.11.2014 überdies veralteten, nämlich bereits Ende Mai 2014 offenbar noch von der Bußgeldstelle angeforderten und noch als Positiv-Auskunft aus dem ‚Verkehrszentralregister‘ (statt ‚Fahreignungsregister - FAER‘) bezeichneten Registerauszugs Mindestfeststellungen zur Vorahndungssituation des Betroffenen getroffen. Jedoch fehlt es an einer argumentativ nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit der maßgeblichen Frage, warum das Amtsgericht hier die Anordnung eines Fahrverbots gegen den Betroffenen konkret für „zwingend erforderlich“ gehalten hat. Eine im Ergebnis möglicherweise berechtigte tatrichterliche Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV folgt insbesondere nicht aus den für die hier interessierende Frage jeweils keinen brauchbaren Aussagegehalt aufweisenden Feststellungen, wonach der Betroffene „im Zeitraum von ca. 4 Jahren 8 Eintragungen gesammelt“ hat, „welche aus verschiedenen Bereichen der Verkehrsordnungswidrigkeiten stammen“ bzw.„nunmehr innerhalb von 4 Jahren zum 9ten mal auffällig wird“, zumal konstatiert wird, dass sich unter diesen „zahlreichen Eintragungen [...] noch keine Eintragung wegen eines Abstandsverstoßes“ befindet.
4. Dem Senat ist aufgrund dieser Zumessungserwägungen eine - selbst eingeschränkte - Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung schon im Ansatz verwehrt. Insbesondere bleibt ungeklärt, auf welche konkrete Erwägungen das Amtsgericht seine tatrichterliche Wertung stützt, dass von einem beharrlichen Pflichtverstoß des Betroffenen auszugehen sei (vgl. zu den Anforderungen für die Wertung eines Pflichtenverstoßes als ‚beharrlich‘ eingehend OLG Bamberg NJW 2007 3655 = zfs 2007, 707 sowie OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = VRR 2007, 318 [Deutscher]; ferner u.a. OLG Bamberg DAR 2010, 98 = OLGSt StVG § 25 Nr. 47; DAR 2011, 399; DAR 2012, 152 = OLGSt StVG § 25 Nr. 51; DAR 2013, 213 = VerkMitt. 2013, Nr. 21 = zfs 2013, 350 = OLGSt StVG § 25 Nr. 54 und zuletzt OLG Bamberg NStZ-RR 2014, 58; NZV 2014, 98 = OLGSt StVG § 25 Nr. 55 und DAR 2014, 277 = zfs 2014, 411, jeweils m.w.N.; vgl. aus der Lit. ferner z.B. die umfassende aktuelle Darstellung bei Burhoff [Hrsg.]/Deutscher, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. [2015], Rn. 1569-1598).
5. Bei dieser Sachlage kann dahin stehen, ob das Urteil darüber hinaus allein deshalb keinen Bestand haben kann, weil für den Senat nicht zweifelsfrei deutlich wird, ob das Amtsgericht hinsichtlich des Fahrverbots seiner Rechtsfolgenentscheidung tatsächlich den hier allein einschlägigen rechtlichen Prüfungsmaßstab, nämlich das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls im Sinne der §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV, zugrunde gelegt hat, was aufgrund der Formulierung, wonach der Betroffene „gröblich und beharrlich“ die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt hat, zumindest nicht eindeutig ist.
III.
Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen aufzuheben. Schon wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung nicht nur die Fahrverbotsanordnung, sondern den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
IV.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.
Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.