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OLG Bamberg Beschluss vom 05.03.2015 - 3 Ss OWi 320/15 - Fahrverbot und Verschlechterungsverbot

OLG Bamberg v. 05.03.2015: Verschlechterungsverbot in der Rechtsmittelinstanz und Verhängung eines Fahrverbots


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 05.03.2015 - 3 Ss OWi 320/15) hat entschieden:
Nach Aufhebung und Zurückverweisung eines den Betroffenen allein zu einer Geldbuße verurteilenden Erkenntnisses an das Tatgericht steht das Verschlechterungsverbot der Anordnung eines Fahrverbots auch dann entgegen, wenn die ursprünglich Geldbuße herabgesetzt wird (Anschluss an BGH, Beschluss vom 11. November 1970, 4 StR 66/70, BGHSt 24, 11 und OLG Hamm, Beschluss vom 2. Juli 2007, 3 Ss OWi 360/07, NZV 2007, 635 = zfs 2007, 591 = VerkMitt 2008, Nr. 4).


Siehe auch Das Fahrverbot und Stichwörter zum Thema Fahrverbot


Gründe:

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 30.12.2013 wegen Wendens auf einer durchgehenden Fahrbahn der Kraftfahrstraße (§§ 18 Abs. 7, 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO; Tatzeit: 05.12.2013) eine Geldbuße von 200 € festgesetzt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Auf den hiergegen eingelegten, mit Schriftsatz des Verteidigers vom 23.04.2014 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.06.2014 die Geldbuße auf 400 € fest; von der Anordnung eines Fahrverbotes sah es ab. Diese Entscheidung hob der Senat mit Beschluss vom 20.08.2014 auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Mit Urteil vom 21.10.2014 verhängte das Amtsgericht gegen den Betroffenen nunmehr eine Geldbuße in Höhe von 200 € und ordnete zudem ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG an. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene erneut mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil vom 21.10.2014 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat in dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Soweit das Amtsgericht gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt hat, hat es - wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darlegt - gegen das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verstoßen, was der Senat von Amts wegen zu beachten hat, weil es sich insoweit um ein Verfahrenshindernis handelt (vgl. zu Letzterem nur BGH, Beschluss vom 03.04.2013 - 3 StR 60/13 [bei juris]; Meyer-​Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 358 Rn. 13, jeweils m.w.N.).

a) Da das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 11.06.2014 allein auf eine Geldbuße erkannt, aber kein Fahrverbot verhängt hatte, war es, nachdem der Beschluss allein auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen aufgehoben worden war, dem Tatrichter nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verwehrt, die ursprüngliche Entscheidung in Art und Höhe der Rechtsfolgen zum Nachteil des Betroffenen zu ändern. Damit verbot sich die Verhängung eines Fahrverbots.

b) Der Umstand, dass das Amtsgericht die ursprüngliche Geldbuße von 400 € auf 200 € reduziert hat, ändert hieran nichts. Zwar gilt bei verschiedenen Rechtsfolgen grundsätzlich die so genannte ganzheitliche Betrachtungsweise, so dass bei solchen Konstellationen die Frage, ob das Verschlechterungsverbot beachtet wurde, aufgrund eines Gesamtvergleichs des früheren und des neuen Rechtsfolgenausspruchs zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 11.11.1970 - 4 StR 66/70 = BGHSt 24, 11; BGH NStZ 1983, 168; Meyer-​Goßner/Schmitt § 331 Rn. 12). Allerdings gilt dies nicht im Verhältnis einer Geldbuße zu einem Fahrverbot, weil das Fahrverbot von vornherein die schwerwiegendere Sanktion darstellt (vgl. BGHSt 24, 11 und OLG Hamm, Beschluss vom 02.07.2007 - 3 Ss OWi 360/07 = NZV 2007, 635 = zfs 2007, 591 = VerkMitt 2008, Nr. 4) und daher eine Kompensation des Übels, welches durch die Anordnung des Fahrverbots eintritt, durch eine Herabsetzung einer gleichzeitig verhängten Geldbuße ausgeschlossen ist. Deshalb stellt die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrtverbots selbst im Falle deutlicher Herabsetzung einer Geldbuße immer eine unzulässige Verschlechterung gegenüber dem bloßen Bußgeldausspruch dar (OLG Hamm a.a.O.).

2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde, mit der sogar ein „Freispruch“ erstrebt wird, obwohl der Einspruch wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden war, so dass der Schuldspruch nicht mehr Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann, ist unbegründet.

a) Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die rechtsfehlerhafte Verhängung des Fahrverbots wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot (vgl. hierzu BGH a.a.O.) auf die Bußgeldhöhe ausgewirkt hat, was sich im konkreten Fall auch an der vom Amtsgericht vorgenommenen Reduzierung der ursprünglichen Bußgeldhöhe zeigt. Auch wäre im Falle einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht der Tatrichter nicht wegen des Verschlechterungsverbots daran gehindert, nunmehr ein die zuletzt verhängte Bußgeldhöhe von 200 € übersteigendes Bußgeld festzusetzen. Denn im Hinblick auf darauf, dass das Fahrverbot die schwerwiegendere Sanktion darstellt, wäre insoweit die „Ersetzung" des ursprünglich verhängten Fahrverbots durch eine höhere Geldbuße als milderes Ahndungsmittel nicht unzulässig (BGH a.a.O.).

b) Allerdings sieht der Senat aus prozessökonomischen Gründen von einer (erneuten) Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache ab, sondern macht von der nach § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden. Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift kann er auch ohne vorherige Aufhebung des angefochtenen Urteils auch dann selbst entscheiden, wenn und soweit er der angegriffenen Entscheidung im Ergebnis folgt (BayObLG NZV 1997, 489 m.w.N.; zuletzt Senatsbeschluss vom 11.03.2014 - 3 Ss OWi 200/14).

c) Im Ergebnis ist die vom Amtsgericht verhängte Geldbuße in Höhe von 200 € angemessen. Es handelt sich dabei um die Regelgeldbuße gemäß Nr. 83.3 BKat, von der abzuweichen kein Anlass besteht. Auch eine Erhöhung des Bußgelds wegen Wegfalls des Fahrverbots, was nach den obigen Darlegungen trotz des Verschlechterungsverbots grundsätzlich möglich wäre, hält der Senat im Hinblick darauf, dass die Tatzeit mittlerweile geraume Zeit zurückliegt und das Verfahren länger andauerte, nicht mehr für sachgerecht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.

IV.

Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter. I. Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 30.12.2013 wegen Wendens auf einer durchgehenden Fahrbahn der Kraftfahrstraße (§§ 18 Abs. 7, 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO; Tatzeit: 05.12.2013) eine Geldbuße von 200 € festgesetzt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Auf den hiergegen eingelegten, mit Schriftsatz des Verteidigers vom 23.04.2014 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.06.2014 die Geldbuße auf 400 € fest; von der Anordnung eines Fahrverbotes sah es ab. Diese Entscheidung hob der Senat mit Beschluss vom 20.08.2014 auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Mit Urteil vom 21.10.2014 verhängte das Amtsgericht gegen den Betroffenen nunmehr eine Geldbuße in Höhe von 200 € und ordnete zudem ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG an. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene erneut mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil vom 21.10.2014 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückzuverweisen. II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat in dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet. 1. Soweit das Amtsgericht gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt hat, hat es - wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darlegt - gegen das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verstoßen, was der Senat von Amts wegen zu beachten hat, weil es sich insoweit um ein Verfahrenshindernis handelt (vgl. zu Letzterem nur BGH, Beschluss vom 03.04.2013 - 3 StR 60/13 [bei juris]; Meyer-​Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 358 Rn. 13, jeweils m.w.N.). a) Da das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 11.06.2014 allein auf eine Geldbuße erkannt, aber kein Fahrverbot verhängt hatte, war es, nachdem der Beschluss allein auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen aufgehoben worden war, dem Tatrichter nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verwehrt, die ursprüngliche Entscheidung in Art und Höhe der Rechtsfolgen zum Nachteil des Betroffenen zu ändern. Damit verbot sich die Verhängung eines Fahrverbots. b) Der Umstand, dass das Amtsgericht die ursprüngliche Geldbuße von 400 € auf 200 € reduziert hat, ändert hieran nichts. Zwar gilt bei verschiedenen Rechtsfolgen grundsätzlich die so genannte ganzheitliche Betrachtungsweise, so dass bei solchen Konstellationen die Frage, ob das Verschlechterungsverbot beachtet wurde, aufgrund eines Gesamtvergleichs des früheren und des neuen Rechtsfolgenausspruchs zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 11.11.1970 - 4 StR 66/70 = BGHSt 24, 11; BGH NStZ 1983, 168; Meyer-​Goßner/Schmitt § 331 Rn. 12). Allerdings gilt dies nicht im Verhältnis einer Geldbuße zu einem Fahrverbot, weil das Fahrverbot von vornherein die schwerwiegendere Sanktion darstellt (vgl. BGHSt 24, 11 und OLG Hamm, Beschluss vom 02.07.2007 - 3 Ss OWi 360/07 = NZV 2007, 635 = zfs 2007, 591 = VerkMitt 2008, Nr. 4) und daher eine Kompensation des Übels, welches durch die Anordnung des Fahrverbots eintritt, durch eine Herabsetzung einer gleichzeitig verhängten Geldbuße ausgeschlossen ist. Deshalb stellt die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrtverbots selbst im Falle deutlicher Herabsetzung einer Geldbuße immer eine unzulässige Verschlechterung gegenüber dem bloßen Bußgeldausspruch dar (OLG Hamm a.a.O.). 2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde, mit der sogar ein „Freispruch“ erstrebt wird, obwohl der Einspruch wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden war, so dass der Schuldspruch nicht mehr Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann, ist unbegründet. a) Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die rechtsfehlerhafte Verhängung des Fahrverbots wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot (vgl. hierzu BGH a.a.O.) auf die Bußgeldhöhe ausgewirkt hat, was sich im konkreten Fall auch an der vom Amtsgericht vorgenommenen Reduzierung der ursprünglichen Bußgeldhöhe zeigt. Auch wäre im Falle einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht der Tatrichter nicht wegen des Verschlechterungsverbots daran gehindert, nunmehr ein die zuletzt verhängte Bußgeldhöhe von 200 € übersteigendes Bußgeld festzusetzen. Denn im Hinblick auf darauf, dass das Fahrverbot die schwerwiegendere Sanktion darstellt, wäre insoweit die „Ersetzung" des ursprünglich verhängten Fahrverbots durch eine höhere Geldbuße als milderes Ahndungsmittel nicht unzulässig (BGH a.a.O.). b) Allerdings sieht der Senat aus prozessökonomischen Gründen von einer (erneuten) Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache ab, sondern macht von der nach § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden. Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift kann er auch ohne vorherige Aufhebung des angefochtenen Urteils auch dann selbst entscheiden, wenn und soweit er der angegriffenen Entscheidung im Ergebnis folgt (BayObLG NZV 1997, 489 m.w.N.; zuletzt Senatsbeschluss vom 11.03.2014 - 3 Ss OWi 200/14). c) Im Ergebnis ist die vom Amtsgericht verhängte Geldbuße in Höhe von 200 € angemessen. Es handelt sich dabei um die Regelgeldbuße gemäß Nr. 83.3 BKat, von der abzuweichen kein Anlass besteht. Auch eine Erhöhung des Bußgelds wegen Wegfalls des Fahrverbots, was nach den obigen Darlegungen trotz des Verschlechterungsverbots grundsätzlich möglich wäre, hält der Senat im Hinblick darauf, dass die Tatzeit mittlerweile geraume Zeit zurückliegt und das Verfahren länger andauerte, nicht mehr für sachgerecht. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO. IV. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG. Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.