Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 25.04.1972 - VI ZR 208/70 - Öffentlicher Verkehr und "rechts vor links"
BGH v. 25.04.1972: Öffentlicher Verkehr und die Vprfajrtregel "rechts vor links"
Der BGH (Urteil vom 25.04.1972 - VI ZR 208/70) hat entschieden:
- Das Vorfahrtrecht des von rechts Kommenden steht auch dem Benutzer einer zur Stillegung bestimmten, aber noch dem öffentlichen Verkehr dienenden Straße zu, wenn an deren Einmündung in die einige Monate zuvor eröffnete neue Straße keine vorfahrtregelnden Zeichen angebracht sind.
- Eine Straße ist öffentlich im Sinne des Verkehrsrechts (§ 1 StVG, § 1 StVO a.F.), wenn sie entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich für jedermann zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Keine Rolle spielt dagegen, ob eine verwaltungsrechtliche Widmung vorliegt (Urteil des BGH vom 10. Juni 1969 – VI ZR 35/68 – VersR 1969, 832 und die dort genannten weiteren Entscheidungen des BGH). Ob diese Voraussetzungen für das Bejahen einer öffentlichen Straße gegeben sind, ist ihrem Wesen nach eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Das Revisionsgericht kann insoweit nur prüfen, ob die Würdigung des Tatrichters durch einen Rechtsirrtum beeinflusst ist.
Siehe auch Die Vorfahrtregel "rechts vor links" und Öffentlicher und nichtöffentlicher Verkehr
Tatbestand:
Die Kläger verlangen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 26. April 1967 gegen 18.00 Uhr im D zwischen den Orten S und F an der Kreuzung zwischen der alten und der neuen Kreisstraße ereignet hat.
Die Kreisstraße führte früher von Sinn aus fast kurvenlos mit einer zwölfprozentigen Steigung auf die zwischen beiden Orten liegende Anhöhe. Der Verlauf der Straße musste im Zusammenhang mit dem Bau der Bundesautobahn geändert werden. Sie biegt jetzt kurz hinter dem Ortsausgang S bei dem Anwesen Keller nach rechts von der bisherigen Straße ab, unterquert die Autobahn und kreuzt später nach einer weiten Linkskurve etwa auf halber Höhe des Berges die alte Kreisstraße, mit der sie sich nach einer anschließenden Rechtskurve vor F wieder vereinigt. Die neue Straße war im Oktober 1966 fertiggestellt und vom Landrat dem Verkehr übergeben worden. Darüber hatten die lokalen Zeitungen berichtet. Das alte Straßenstück sollte nicht mehr dem Verkehr zwischen den beiden Orten, sondern nur noch als Zufahrt zu der Baustelle der Autobahn dienen. Diese Verkehrsbeschränkung war jedoch nicht durch Verkehrszeichen kenntlich gemacht.
Die Beklagte Hiltrud S wollte an jenem Tage mit dem bei dem beklagten Versicherungsunternehmen (Beklagte zu 2) haftpflichtversicherten Personenkraftwagen Opel-Rekord ihres Ehemannes (Beklagter zu 3) von S nach F fahren, um dort eine Bekannte zu besuchen. Bei dem Anwesen Keller bog sie in die alte Kreisstraße ein. Sie hatte diese Straße etwa ein Jahr vorher zusammen mit ihrem Ehemann benutzt und hielt sie daher für den richtigen Weg nach F. Wegweiser waren an der Abzweigung nicht aufgestellt. Auf den ersten Metern war die alte Straße unbefestigt. Im weiteren Verlauf war sie durch den Baustellenverkehr verschmutzt. Die Beklagte S fuhr mit einer Geschwindigkeit von 35 bis 40 km/st bergaufwärts. Sie bemerkte nicht, dass die neue Kreisstraße ihren Weg kreuzte. Gleichzeitig näherte sich die Klägerin Elfriede M mit dem Personenkraftwagen (Mercedes) ihres Ehemannes (Kläger zu 2) auf der neuen Kreisstraße von links. Sie fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 bis 80 km/st bergabwärts von F nach S. Auf der Kreuzung beider Straßen, die nicht mit vorfahrtregelnden Verkehrszeichen versehen waren, stießen die beiden Fahrzeuge zusammen. Die Fahrerinnen hatten einander nicht gesehen und ihre Fahrzeuge nicht abgebremst.
Bei dem Unfall wurden die Klägerin Elfriede M und ihr damals 10 1/2 Monate alter Sohn Martin (Kläger zu 1), der in einem Kindersitz in dem Wagen gesessen hatte, verletzt. An dem Wagen des Klägers Heinz M entstand Totalschaden. Die beklagte Versicherungsgesellschaft hat auf diesen Schaden 2.962,50 DM gezahlt.
Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte S trage die alleinige Schuld an dem Unfall. Da die alte Kreisstraße stillgelegt gewesen sei, habe der Beklagten S kein Vorfahrtsrecht zugestanden. Sie habe auch erkennen können, dass sie sich auf einem unbedeutenden Nebenweg befunden habe, denn die Abzweigung am Anwesen Keller sei entgegen jeder Üblichkeit nicht beschildert und nicht befestigt sowie im weiteren Verlauf verschmutzt und nicht mit Begrenzungspfählen versehen gewesen. Außerdem sei die alte von der neuen Kreisstraße durch eine ununterbrochene Linie getrennt gewesen, die die Beklagte nicht habe überfahren dürfen. Sie habe die Leitplanken der neuen Straße und den auf dieser Straße herankommenden Wagen erkennen können. Außerdem habe sie gewusst, dass die alte Kreisstraße stillgelegt und die neue eröffnet war.
Mit der Klage hat der Kläger Martin M beantragt,
- festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm den Schaden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Versicherungsträger übergegangen ist,
- die Beklagte Hiltrud S und das beklagte Versicherungsunternehmen zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld für die Zeit bis 31. Dezember 1968 zu zahlen.
- festzustellen, dass die Beklagte Hiltrud S und das beklagte Versicherungsunternehmen verpflichtet sind, ihm auch für die Zeit ab 1. Januar 1969 Schmerzensgeld aus dem Unfall zu zahlen.
Der Kläger Heinz M hat von den Beklagten als Gesamtschuldnern 8.037 DM nebst Zinsen abzüglich am 7. Juni 1968 gezahlter 2.923,75 DM und am 11. November 1968 gezahlter 38,75 DM verlangt.
Die Klägerin Elfriede M hat gebeten,
die Beklagte Hiltrud S und das beklagte Versicherungsunternehmen als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen.
Das beklagte Versicherungsunternehmen und Heinz S haben den Feststellungsantrag des Klägers Martin M anerkannt, soweit sie von ihm nach dem Straßenverkehrsgesetz in Anspruch genommen werden.
Im übrigen haben die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht:
Die Beklagte Hiltrud S habe den Unfall nicht verschuldet. Daher könnten weder Martin M noch seine Mutter Elfriede M Schmerzensgeld verlangen.
Heinz S als Halter des Fahrzeugs und sein Haftpflichtversicherer seien nur nach dem Straßenverkehrsgesetz verantwortlich. Dabei müsse sich der Kläger Heinz M die Betriebsgefahr seines Wagens anrechnen lassen, so dass sie nur verpflichtet seien, die Hälfte der Schäden zu ersetzen. Dem seien sie durch die Zahlung des Haftpflichtversicherers nachgekommen.
Das Landgericht hat festgestellt, dass Heinz S und sein Haftpflichtversicherer verpflichtet seien, dem Kläger Martin M 1/3 seines materiellen Schadens aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die Ersatzansprüche nicht auf Versicherungsträger übergegangen sind. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt. Das beklagte Versicherungsunternehmen und Heinz S haben sich wegen der Kostenentscheidung der Berufung angeschlossen.
Das Oberlandesgericht hat in einem Teilurteil
- die Berufung der Klägerin Elfriede M zurückgewiesen,
- auf die Berufung des Klägers Martin M das Urteil des Landgerichts geändert und festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger im Rahmen der Höchstgrenzen des Straßenverkehrsgesetzes seinen Vermögensschaden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Versicherungsträger übergegangen sind,
- die Berufung des Klägers Heinz M insoweit zurückgewiesen, als er beantragt hat, die Beklagten in Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von 3.705,50 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge aus dem Berufungsrechtszug weiter, soweit sie durch das Teilurteil des Oberlandesgerichts abgewiesen wurden.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht angenommen, dass die Beklagte Hiltrud S nicht nach § 823 BGB in Anspruch genommen werden kann. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Nach der Ansicht des Berufungsgerichts hatte bei der Begegnung der beiden Fahrzeuge die Beklagte Hiltrud S als von rechts Kommende das Recht zur Vorfahrt, weil vor der Kreuzung der beiden Straßen keine die Vorfahrt regelnden Verkehrszeichen angebracht waren. Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass nicht nur die neue, sondern auch die alte Kreisstraße eine öffentliche Straße im Sinne des Verkehrsrechts war.
Die Revision wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die alte Kreisstraße zur Zeit des Unfalls noch ein öffentlicher Weg gewesen sei. Sie meint: Mit der Eröffnung der neuen Kreisstraße sei die alte Straße stillgelegt worden. Sie habe damit den Charakter eines öffentlichen Weges verloren. Das sei auch eindeutig an Ort und Stelle erkennbar gewesen.
Diese Rüge kann keinen Erfolg haben. Zuzugeben ist der Revision, dass die Vorfahrtregel des § 13 StVO a.F. nur beim Zusammentreffen öffentlicher Straßen anzuwenden ist. Sie gilt dagegen nicht, wenn ein nicht öffentlicher Weg in eine öffentliche Straße einmündet oder sie kreuzt, vor allem dann nicht, wenn es sich dabei um eine Grundstücksein- und ausfahrt handelt (vgl. das Urteil des BGH vom 2. April 1957 – VI ZR 44/56 – VersR 1957, 341). Die Revision bezweifelt aber zu Unrecht, dass die von der Beklagten S befahrene alte Kreisstraße zur Zeit des Unfalls noch eine öffentliche Straße war.
Eine Straße ist öffentlich im Sinne des Verkehrsrechts (§ 1 StVG, § 1 StVO a.F.), wenn sie entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich für jedermann zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Keine Rolle spielt dagegen, ob eine verwaltungsrechtliche Widmung vorliegt (Urteil des BGH vom 10. Juni 1969 – VI ZR 35/68 – VersR 1969, 832 und die dort genannten weiteren Entscheidungen des BGH). Ob diese Voraussetzungen für das Bejahen einer öffentlichen Straße gegeben sind, ist ihrem Wesen nach eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Das Revisionsgericht kann insoweit nur prüfen, ob die Würdigung des Tatrichters durch einen Rechtsirrtum beeinflusst ist. Davon kann jedoch keine Rede sein.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die alte Kreisstraße zumindest mit stillschweigender Duldung der verfügungsberechtigten Behörde tatsächlich zur Benutzung für jedermann zugelassen. Sie stand jedenfalls in der Fahrtrichtung der Beklagten Hiltrud S jedem Verkehrsteilnehmer zur Benutzung offen. Die Straße war weder gesperrt, noch lagen Umstände vor, die auf Stilllegung hätten hindeuten können.
Die Umstände, auf die die Revision hinweist, sind vom Berufungsgericht berücksichtigt und rechtsfehlerfrei gewürdigt worden. Im Berufungsurteil wird ausdrücklich erwähnt, dass die ersten Meter nach dem Abzweig von der neuen Straße nicht befestigt waren und dass die Straße unbeschildert sowie durch Baufahrzeuge beschmutzt war. Das steht aber der Annahme, dass sie dem öffentlichen Verkehr gewidmet war, nicht entgegen. Dass Straßen derart beschaffen sind, ist, wie das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei ausführt, weder so selten noch so auffällig, dass daraus auf eine Stilllegung der Straße geschlossen werden müsste. Das gilt erst recht, wenn, wie es hier der Fall war, die Fahrspuren der Baustellenfahrzeuge zeigen, dass die Straße, zumindest in einem Teilabschnitt, offensichtlich ständig von Kraftfahrern benutzt wird.
Unbegründet ist die Verfahrensrüge, mit der die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe die Örtlichkeit besichtigen müssen. Das Landgericht hatte den Augenschein eingenommen. Außerdem lagen zahlreiche Lichtbilder vor. Ob das Berufungsgericht hiernach eine nochmalige Ortsbesichtigung anordnen wollte, stand in seinem Ermessen. Dass es von diesem Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht hätte, ist nicht ersichtlich.
Das Berufungsgericht war entgegen der Meinung der Revision auch nicht verpflichtet, Beweis über die Behauptung der Kläger zu erheben, der Beklagten S sei bekannt gewesen, dass die neue Kreisstraße an die Stelle der alten getreten sei. Es hat diese Behauptung als richtig unterstellt, aber zutreffend angenommen, dass es für die Entscheidung unerheblich ist, ob die Beklagte S diese Kenntnis hatte. Entscheidend ist, dass sie die alte Kreisstraße ungesperrt sowie ohne Sperrzeichen vorfand und deshalb der Meinung sein konnte, dass die Straße dem Verkehr noch offenstehe. Das Berufungsgericht verweist mit Recht darauf, dass die alte Kreisstraße bis zur Eröffnung der neuen dem allgemeinen Verkehr gedient hatte. Deshalb hätte es einer eindeutigen Kennzeichnung durch die zuständige Behörde bedurft, wenn der Straße dieser Charakter eines dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Weges hätte genommen werden sollen.
Kam die Beklagte S aber aus einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Straße, so war sie zur Vorfahrt berechtigt, weil keine vorfahrtregelnden Zeichen aufgestellt waren und sie sich der Kreuzung von rechts näherte (§ 13 StVO a.F.).
2. Ihrer Berechtigung zur Vorfahrt steht nicht entgegen, dass die von ihr befahrene alte Kreisstraße seit der Eröffnung der neuen Straße an Bedeutung verloren hatte, denn die unterschiedliche tatsächliche Verkehrsbedeutung zweier Straßen ist für die Frage der Vorfahrt grundsätzlich unerheblich. Dem einzelnen Verkehrsteilnehmer, besonders dem ortsunkundigen, kann nicht zugemutet werden, dass er die sich kreuzenden Straßen auf ihre Beschaffenheit und ihre Verkehrsdichte prüft. Er muss sich vielmehr an die amtliche Kennzeichnung halten können. Daher ist die Frage der Vorfahrt in dem zur Entscheidung stehenden Fall auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn die Verkehrsbehörde es aus Versehen oder aus anderen Gründen unterlassen haben sollte, die alte Kreisstraße für den öffentlichen Verkehr zu sperren oder vor ihrer Einmündung in die neue Kreisstraße und in dieser Straße Verkehrszeichen anbringen zu lassen, die die Vorfahrt abweichend von dem Grundsatz rechts vor links regelten.
3. Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, dass für Einmündungen von offensichtlich ganz bedeutungslosen Nebenwegen, besonders von unbefestigten Feld- und Waldwegen, etwas anderes gelten kann. Der Benutzer eines solchen Weges muss, wenn er in eine dem Durchgangsverkehr dienende Straße einbiegt, trotz des Vorfahrtsrechts, das ihm gegenüber den von links herankommenden Verkehrsteilnehmern zusteht, mit besonderer Vorsicht fahren (BGHZ 20, 230). Diese aus § 1 StVO herzuleitende Pflicht zu besonderer Sorgfalt traf aber nicht die Beklagte S, denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der alten Kreisstraße nicht um einen solchen Nebenweg von offensichtlich ganz untergeordneter Bedeutung. Es mag sein, dass diese Straße aus der Sicht der die neue Kreisstraße befahrenden Klägerin Elfriede M den Eindruck eines unbedeutenden Nebenweges machte. Das spielt aber für die Frage, ob die Beklagte S ein Verschulden an dem Unfall trifft, keine Rolle. Hierfür ist maßgebend, welches Bild sich ihr bot. Das zu beurteilen, ist in vorliegendem Fall Sache des Tatrichters.
4. Gegen die Beklagte S kann entgegen der Meinung der Revision auch nichts daraus hergeleitet werden, dass die Fahrbahn der neuen Kreisstraße an der Kreuzung zur alten Straße an den Seiten durch eine weiße ununterbrochene Linie abgegrenzt war. Der Beklagten könnte daraus, dass sie diese Linie überfahren hat, ein Vorwurf gemacht werden, wenn sie diese weiße Linie rechtzeitig hätte erkennen können. Das aber ist nicht festgestellt. Nach den unstreitigen Feststellungen des Berufungsgerichts steigt die alte Kreisstraße vor der Kreuzung noch etwas steiler an als vorher. Deshalb war für sie die Fahrbahndecke der neuen Straße erst auf eine Entfernung von 6 bis 8 m zu sehen. Bei dieser kurzen Entfernung – sie ist unstreitig und wird auch von der Revision nicht angegriffen – war die Beklagte nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Ansicht des Berufungsgerichts bei einer Geschwindigkeit von 35 bis 40 km/st nicht mehr in der Lage, ihr Fahrzeug vor der Kreuzung zum Stehen zu bringen oder den Zusammenstoß auf andere Weise zu verhindern. Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände einen Sorgfaltsverstoß der Beklagten S auch nicht darin gesehen hat, dass sie sich der Kreuzung mit der festgestellten Geschwindigkeit näherte, obwohl ihr ein Blick auf die Fahrbahn der neuen Straße erst aus der angegebenen geringen Entfernung möglich war.
5. Schließlich kann der Beklagten S auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie die Leitplanken und die Begrenzungspfähle der neuen Straße, die schon 75 m Entfernung vor der Kreuzung zu sehen waren, entweder nicht bemerkt oder in ihrer Bedeutung verkannt hat. Auch dann, wenn sie aus diesen Einrichtungen auf das Vorhandensein einer Kreuzung schließen konnte, gereicht es ihr nicht zum Verschulden, wenn sie ein Vorfahrtsrecht vor den auf der anderen Straße von links kommenden Fahrzeugen als gegeben ansah. Sie durfte auch darauf vertrauen, dass eine etwaige Kreuzung rechtzeitig für sie erkennbar sein werde, denn bei dem heutigen Ausbau des Straßennetzes ist es allgemein üblich, dass auf Kreuzungen zweier Straßen, die nicht ohne weiteres zu sehen sind, außerhalb geschlossener Ortschaften durch Warnzeichen oder vorfahrtregelnde Verkehrszeichen aufmerksam gemacht wird. Daher spielt es für die Entscheidung auch keine Rolle, ob die Beklagte Kenntnis von der Eröffnung der neuen Kreisstraße gehabt hat. Dass sie deren Verlauf gekannt habe, ist nicht festgestellt.
II.
Soweit das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten Heinz S aus § 831 BGB verneint hat, bittet die Revision um Nachprüfung der Entscheidung, ohne im einzelnen Angriffe gegen das Berufungsurteil zu erheben.
Hierzu ist der Ansicht des Berufungsgerichts beizutreten, dass § 831 BGB als Anspruchsgrundlage ausscheidet, weil die Beklagte S die Fahrt nach F nicht als Verrichtungsgehilfin ihres Mannes unternommen hat. Es ist unstreitig, dass sie dort eine Bekannte besuchen wollte. Allerdings hat sie dazu den Kraftwagen ihres Mannes benutzt. Dadurch wurde aber noch kein Gehilfenverhältnis zu ihm begründet, denn Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB ist nur, wer von den Weisungen seines Geschäftsherrn abhängig und dessen Weisungen unterworfen ist. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ein Ehemann seiner Frau den Kraftwagen zur Benutzung überlässt (vgl. das Urteil des BGH vom 22. November 1963 – VI ZR 264/62 – VRS 26, 182).
III.
Hiernach ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagten nur nach den Haftungsbestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes in Anspruch genommen werden können.
Da die Klägerin Elfriede M nur Schmerzensgeld verlangt, hat, ist ihre Klage mit Recht abgewiesen worden.
Der Kläger Heinz M muss sich nach der Ansicht des Berufungsgerichts bei der Abwägung nach § 17 StVG die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs anrechnen lassen. Auch dagegen ist rechtlich nichts einzuwenden. Das Berufungsgericht hält rechtsirrtumsfrei nicht für nachgewiesen, dass die Klägerin Elfriede M jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat (§ 7 Abs. 2 StVG).
Die Abwägung selbst, bei der das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger Heinz M nur die Hälfte seines Schadens im Rahmen des Straßenverkehrsgesetzes ersetzt verlangen kann, enthält ebenfalls keinen Rechtsfehler.
IV.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Revision der Kläger keinen Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 100 ZPO.