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Verwaltungsgericht Oldenburg Beschluss vom 08.06.2015 - 7 B 2129/15 - Mitwirkungspflicht des Halters bei der Fahrerermittlung

VG Oldenburg v. 08.06.2015: Mitwirkungspflicht des Halters bei der Fahrerermittlung eines Geschäftsfahrzeugs


Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Beschluss vom 08.06.2015 - 7 B 2129/15) hat entschieden:
  1. Sendet eine Firma als Halterin des Geschäftsfahrzeugs, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, den ihr als Zeugin übersandten Fragebogen nicht an die Ermittlungsbehörde zurück, so wirkt sie im Bußgeldverfahren nicht wie erforderlich an der Fahrerermittlung mit. Daher braucht die Ermittlungsbehörde in der Regel keine weiteren eigenen Schritte zur Fahrerermittlung zu unternehmen.

  2. Eine Versagung von Akteneinsichtnahme für die Zeugin in den Ermittlungsvorgang während des Bußgeldverfahrens wirkt sich nicht zu ihren Gunsten auf das verwaltungsrechtliche Fahrtenbuchverfahren aus.

  3. § 31a StVZO gebietet nicht die Eintragung des Kilometerstandes in das zu führende Fahrtenbuch.

Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage: Erforderlicher Ermittlungsaufwand und Fahrtenbuch-Auflage - Fahrtenbuch führen


Gründe:

I.

Mit dem von der Antragstellerin gehaltenen Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... wurde am 10. Oktober 2014 ein Verkehrsverstoß begangen, der bei erfolgreicher Ahndung u. a. zur Eintragung eines Punktes in das Fahreignungsregister geführt hätte. Der ermittelnde Landkreis ... bat die Antragstellerin als Zeugin u. a. mit zwei Anschreiben erfolglos um Benennung des Fahrers und stellte sein Verfahren ein:
  • „Zeugenfragebogen“ vom 27. Oktober 2014 (Bl. 6 Beiakte A).
  • Anschreiben vom 20. November 2014 (Bl. 14/15 Beiakte A).
  • Ermittlungsersuchen an die Antragsgegnerin vom 10. Dezember 2014 (Bl. 19 Beiakte A) mit Antwortschreiben der Antragsgegnerin an den Landkreis ... über die Erfolglosigkeit vom 7. Januar 2015 (Bl. 19/20 Beiakte A)
  • „Einstellungsbescheid“ vom 12. Januar 2015 (Bl. 23 Beiakte A).
Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 verfügte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von sechs Monaten.

Dagegen richtet sich der gerichtliche Eilantrag der Antragstellerin, dem die Antragsgegnerin entgegentritt.


II.

Der nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 21. Mai 2015 erhobenen Klage - Az.: 7 A 2128/15 -, über den nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 8. Juni 2015 der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist unbegründet.

Nach § 80 Absatz 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich gemäß § 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO reichen pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen grundsätzlich zwar nicht aus (Schoch in: Schoch/Schmidt-​Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Februar 2007, § 80 Rn. 178). Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch gleiche oder typisierte Begründungen ausreichen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 80 Rn. 85). Bei der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches ist die zu beurteilende Interessenkonstellation in der großen Mehrzahl der Fälle vergleichbar gelagert. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. Februar 2006 - 11 CS 05.1504 - zitiert nach juris; sowie BayVGH, Beschluss vom 4. Januar 2006 - 11 CS 05.1878 - zitiert nach juris).

Dem genügt die schriftliche Begründung im angegriffenen Bescheid, soweit sie sinngemäß darauf abhebt, dass ohne weiteren Aufschub die Aufklärung etwaiger Verstöße gegen bestehende Verkehrsvorschriften gewährleistet sein muss (Seite 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2015).

Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist.

Bei dieser Interessenabwägung sind die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen regelmäßig das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Offensichtlich wird die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Bestand haben, weil sie zu Recht die Fahrtenbuchanordnung verfügt hat. Diese Verfügung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken, zumal die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor dem Erlass des Bescheides angehört hat.

In materieller Hinsicht begegnet der angegriffene Bescheid ebenfalls keinen zu Gunsten der Antragstellerin durchgreifenden Bedenken.

Nach § 31a StVZO kann die Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war (zu den Voraussetzungen im Einzelnen jeweils mit weiteren Nachweisen u.a. z.B. Kammerbeschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 7 B 3216/08 -, vom 9. März 2009 - 7 B 682/09 - und vom 26. November 2009 - 7 B 3014/09 -).

Die Voraussetzungen des § 31a StVZO für die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches sind erfüllt. Auch hat die Antragsgegnerin das Ermessen hinsichtlich der angeordneten Dauer von sechs Monaten angesichts der Schwere des Delikts, das bei Ahndung u.a. zur Eintragung von einem Punkt geführt hätte, zutreffend ausgeübt.

Zur Begründung wird insgesamt auf die Gründe des angegriffenen Bescheides der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2015 verwiesen und zusätzlich auf diejenigen der inhaltlich voraussichtlich richtigen Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 5. Juni 2015, denen das Gericht überwiegend folgt (Feststellung entsprechend § 117 Absatz 5 VwGO). Diese sind in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht höchstwahrscheinlich zutreffend. Ihnen gegenüber greift das Vorbringen der Antragstellerin in Gänze nicht durch.

Zu Lasten der Antragstellerin geht maßgeblich, dass der Landkreis ...als Ermittlungsbehörde sie als Zeugin zur Fahrerfeststellung im Bußgeldverfahren angehört hat und die Antragstellerin gleichwohl ihren dortigen Mitwirkungsverpflichtungen nicht ansatzweise nachgekommen ist. Es hätte hier bei der Antragstellerin als Zeugin gelegen, innerhalb des Laufs der Verfolgungsverjährung den Fahrzeugführer zu benennen und dadurch an der Aufklärung mitzuwirken. Das gilt erst Recht, weil das hier maßgebliche, von der Antragstellerin gehaltene Fahrzeug zu ihrem Geschäftsbetrieb gehört. Weil es sich mithin auch hier um ein Firmenfahrzeug handelt, macht sich das beschließende Gericht für das vorliegende Verfahren die folgenden Ausführungen im Kammerbeschluss vom 30. März 2009 - 7 B 1004/09 - (veröfftl. in juris; vgl. dazu OVG, Beschl. v. 7. Mai 2009 - 12 ME 65/09 -), zu Eigen:
"Die Feststellung des Fahrzeugführers war "nicht möglich" im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Die in § 31a StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt hier vor, weil die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Der notwendige Umfang der Ermittlungspflichten der Behörde bemisst sich danach, inwieweit der Halter seinerseits an der Ermittlung des Fahrzeugführers mitwirkt. An einer solchen Mitwirkung fehlt es bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungs- oder Zeugenfragebogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet bzw. weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer schlicht nicht macht oder offensichtlich falsch macht.

Hier geht das erkennende Gericht von hinreichenden, dem Einzelfall gerecht werdenden Ermittlungsbemühungen auf Behördenseite - was wiederum zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist - und zudem aber von einer fehlenden Mitwirkung auf Seiten der Antragstellerin aus, die ihre Erkenntnismöglichkeiten nicht ausschöpft bzw. nicht ausgeschöpft hat.

Für den Tatbestand von § 31a StVZO ist nicht entscheidend, ob der Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug anderen überlassen hat, subjektiv in der Lage gewesen ist, den verantwortlichen Fahrzeugführer zu benennen. Es hindert die Anordnung eines Fahrtenbuches sogar nicht, wenn ihm dies schuldlos nicht möglich gewesen sein sollte. Die Fahrtenbuchanordnung dient dem Zweck, die gebotene Überwachung des Fahrzeughalters zu sichern und den Fahrzeughalter zur künftigen Mitwirkung bei der Feststellung des Kraftfahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anhalten zu können. Dies gilt - wie hier - bei der fortwährenden Gebrauchsüberlassung eines Firmenfahrzeugs an mehrere Mitarbeiter im Rahmen der Ausübung des Gewerbebetriebs erst recht.

Die Antragstellerin hatte es selber in der Hand, von sich aus durch innerbetriebliche Maßnahmen zur Überwachung der Fahrzeugnutzungen sicherzustellen, dass der jeweilige Fahrer feststellbar ist. Unterlässt ein Unternehmen, das ein Fahrzeug - wie hier - mehreren Mitarbeitern zur Verfügung stellt, dieses oder greift es auf eine vorhandene Dokumentation nicht zur Aufklärung zurück, geht es das Risiko der Fahrtenbuchanordnung ein. Im vorliegenden Fall konnte nach allem nicht weiter ermittelt werden (was zwischen den Beteiligten nicht im Streit liegt, s.o.).

...

Der Antragstellerin wäre es aber nach Überzeugung des Gerichts bei gutem Willen und sachgerechter Organisation und Dokumentation der innerbetrieblichen Abläufe durchaus möglich gewesen, den Fahrer zu identifizieren, so dass weder die zu schlechte Fotoqualität noch die verzögerte Anhörung für die unterbliebene Fahrerfeststellung ursächlich waren. Sie hätte eine [nach eigenem Vorbringen bewusst eben nicht geführte Dokumentation ("Fahrtenbuch" zu steuerlichen Zwecken)] heranziehen können und zur Aufklärung verwenden müssen, so dass insoweit eine zu schlechte Bildqualität wiederum nicht hatte ursächlich werden können. Das Gericht legt an den Geschäftsbetrieb einen anderen Maßstab an als an den (privaten) Halter eines Privatfahrzeugs, soweit es den Schwerpunkt von den Erinnerungsmöglichkeiten (eines privaten Halters, einer natürlichen Person) auf die Erkenntnismöglichkeiten (eines Geschäftsbetriebs) verlagert. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es in einem Geschäftsbetrieb, bei dem ein Firmenfahrzeug - wie hier - mehreren Betriebsangehörigen zur Verfügung steht, Sache der Leitung dieses Betriebes ist, die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Fahrzeug benutzt hat, oder jedenfalls der ermittelnden Behörde den Firmenangehörigen oder gegebenenfalls auch mehrere Firmenangehörige zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug betriebsintern zugeordnet ist (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-​Württemberg, Urteil vom 16. April 1999 - 10 S 114/99 -, veröfftl. z.B. in VRS 97, 389-392). Während es bei Privatfahrzeugen dem Halter unmittelbar noch erinnerlich sein dürfte, wer zur Tatzeit das Fahrzeug genutzt hat, ist bei geschäftlich genutzten Fahrzeugen regelmäßig davon auszugehen, dass die Frage, wer zu welchem Zeitpunkt das entsprechende Fahrzeug genutzt hat, nicht auf Grund persönlicher Erinnerungen, sondern auf Grund von betrieblichen Absprachen beantwortet werden kann. Der Halter eines von mehreren Berechtigten zu nutzenden Betriebsfahrzeugs - wie hier - kann seiner für Kraftfahrzeuge kraft Gesetzes bestehenden Kennzeichnungspflicht nur dadurch genügen, dass er geeignete organisatorische Vorkehrungen hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit der konkreten Fahrzeugnutzung trifft. Unterlässt er dies oder macht er interne Aufzeichnungen der ermittelnden Behörde nicht zugänglich, kommt dies einer die Anordnung eines Fahrtenbuches rechtfertigenden Weigerung gleich, an der (rechtzeitigen) Ermittlung des Fahrzeugführers mitzuwirken - Vereitelungswirkung -. Es gibt kein doppeltes Recht, einerseits als Halter gleichsam von vornherein durch das Unterlassen der Durchführung innerbetrieblicher Dokumentation nicht an der Aufklärung von Verkehrsverstößen, die mit dem Fahrzeug begangen werden, mitzuwirken, und andererseits von der Anordnung eines Fahrtenbuches verschont zu bleiben. Die Anordnung des Fahrtenbuches soll gerade dafür Sorge tragen, dass für Verkehrsverstöße verantwortliche Fahrer ermittelt werden können (vgl. VG Hannover, Urteil vom 21. September 2007 - 9 A 1986/07 -). Ungeachtet handels- und steuerrechtlicher Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten entspricht es zudem sachgerechtem kaufmännischem Verhalten, dass ein kaufmännischer Wirtschaftsbetrieb - wie hier - grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage ist, Geschäftsfahrten anhand schriftlicher Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen. Weigert sich ein Unternehmen, dieser Obliegenheit nachzukommen, besteht grundsätzlich hinreichender Anlass, sogar für alle in Betracht kommenden Fahrzeuge eine Fahrtenbuchanordnung zu verhängen, um das Unternehmen auf diese Weise zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anzuhalten(vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 30. Juni 2006 - 6 A 493/03 -)."
So liegt der Fall hier, insbesondere soweit es die Anforderungen an den Geschäftsbetrieb anbelangt. Ergänzend verweist das beschließende Gericht auf den bei identischer Fallkonstellation ergangenen jüngeren Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2015 - 12 ME 30/15 -, insbesondere auf folgenden Auszug aus dessen Gründen:
„Dokumentiert ein Geschäftsbetrieb, der - wie hier die Antragstellerin - dem Vorgang nähersteht als die Behörde, nicht, welche Personen ein Geschäftsfahrzeug in einem bestimmten Zeitraum benutzt haben, so ist es der Behörde im Ordnungswidrigkeitenverfahren schon deshalb regelmäßig nicht zuzumuten, aufwendige und zeitraubende Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen (Beschl. d. Sen. v. 12.12.2007 - 12 LA 267/07 - , zfs 2008, 356 m. w. N., v. 27.4.2011 - 12 LA 137/10 -, v. 24.1.2013 - 12 ME 272/12 - u. v. 29.10.2014 - 12 LA 8/14 -).“
Aus diesen hier maßgeblichen rechtlichen Erwägungen ergibt sich, dass die Antragsschrift mit ihren Ausführungen insgesamt fehlgeht.

Soweit die Antragstellerin meint, durch (schlichte) Internet-​Recherche hätte die ermittelnde Behörde (Landkreis ...) unschwer in kurzer Zeit den zutreffenden Fahrer ermitteln können, so hätte mithin sie, die als Zeugin zweimal vom Landkreis ... angeschrieben wurde, erst Recht sofort diesen Namen mitteilen können und müssen, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist. Dies hat sie unterlassen, weshalb ihr fehlende Mitwirkung vorzuhalten ist.

Soweit sich die Antragstellerin darauf berufen will, sie habe keine Möglichkeit gehabt, die Feststellungen des Vorfalls vom 10. Oktober 2014, 13.52 Uhr, BAB A ..., B. ..., km 71,650, Fahrtrichtung L..., Abstandsunterschreitung von 76,5 m zum vorausfahrenden Fahrzeug, zu überprüfen, weil ihr insoweit kein Einblick in die entsprechende Dokumentation (Video-​CD) gewährt worden sei, greift dies im vorliegenden Verfahren deshalb nicht durch, weil es bei der Antragstellerin als Zeugin gelegen hätte, den Namen des tatsächlichen Kraftfahrzeugführers anzugeben. Sie war zudem nicht Betroffene eines Bußgeldverfahrens in dem Sinne, dass gegen sie ermittelt worden wäre. Als Zeugin indessen hat sie keinen Anspruch auf Einsichtnahme in alle Ermittlungsunterlagen, insbesondere keinen Anspruch auf eine „technische Überprüfung der stattgefundenen Messung“ (S. 3 Antragsschrift oben). Außerdem vermag die Antragstellerin hiermit nicht durchzudringen, weil sie selber nicht einmal den Vorfall als solchen bestreitet. Es liegt auch ein hinreichend festgestellter Vorfall i. S. v. § 31a StVZO vor, zumal in der Akte das entsprechende Messprotokoll (Bl. 3 Beiakte A) sowie der Eichschein (Bl. 4 -5 Beiakte A) enthalten sind und mithin keine Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen angezeigt sind. Insoweit bleibt unklar, was die Antragstellerin mit ihren insoweit niedergelegten Hinweisen, sie habe keine Möglichkeit gehabt, die Videoaufzeichnung einzusehen, sowohl außergerichtlich (vgl. z. B. ihre Stellungnahme vom 6. Februar 2015, Bl. 6/7 der Beiakte B) als auch gerichtlich ausdrücken möchte. Schließlich kommt es auch deshalb auf eine Einsichtnahme nicht an, weil - sogar - ohne Akteneinsichtnahme im Bußgeldverfahren insgesamt das (Verwaltungs- und verwaltungsgerichtliche) Verfahren um die Fahrtenbuchauflage - wie vorliegend - zu führen ist und das zwischenzeitlich ohnedies eingestellte Verfahren nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet, vgl. dazu aus den Gründen des Beschlusses vom 20. Juli 2011 - 7 B 1409/11 - [...] das folgende Wortlautzitat:
„Eine abweichende Entscheidung ist auch nicht deshalb geboten, weil der für das Bußgeldverfahren zuständige Landkreis ... dem Akteneinsichtsgesuch des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im Bußgeldverfahren nicht entsprochen hat. Es kann dahinstehen, ob die erbetene Akteneinsicht nach dem damaligen Stand des Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes geboten gewesen ist, denn dieses zwischenzeitlich ohnedies eingestellte Verfahren bildet nicht den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Jedenfalls schlägt das Unterbleiben der Aktenübersendung auf das vorliegende Verwaltungsverfahren bezüglich der Auferlegung eines Fahrtenbuchs nicht mit der Folge durch, dass die Bußgeldbehörde nicht alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Identifizierung des betreffenden Fahrers ergriffen hätte. Die unterbliebene Akteneinsicht war nämlich für die Nichtidentifizierung des betreffenden Fahrers nicht ursächlich, weil die Ermittlungsakten bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung in aller Regel - und so auch hier - über das Messfoto hinaus nichts enthalten, was im Hinblick auf die Identifizierung des betreffenden Fahrers von Bedeutung sein könnte. Eine Kopie des Messfotos ist der Antragstellerin mit dem Zeugenfragebogen zugeleitet worden. Der Halter war daher auch ohne Akteneinsicht schon im Besitz dieses Fotos, so dass er auch ohne Akteneinsicht mit seinem Anwalt abwägen konnte, ob er den Fahrer beim Verkehrsverstoß offenbart oder nicht (vgl. etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 23. August 1996 - 10 S 1867/96 -, NZV 1996, 470 f.; Beschluss vom 1. Oktober 1992 - 10 S 2173/92 - NZV 1993. 47 f.; VG Aachen, Beschluss vom 31. August 2007 - 2 L 280/07 -).“
Dem ist im vorliegenden, gleichgelagerten Verfahren nichts hinzufügen.

Soweit die Antragstellerin ferner meint, es sei Sache der Ermittlungsbehörde „etwas mehr Ermittlungsarbeit“ zu erbringen, sie dürfe „sich gerade nicht zurücklehnen und darauf warten, dass der Halter den Fahrer benennt. Es müssen zumindest rudimentäre Ermittlungsansätze zu erkennen und dokumentiert sein. Daran fehlt es hier aber vollkommen“ (Antragsschrift S. 3, 2. Hälfte), die Ermittlungsbehörde (der Landkreis ...) habe schlichtweg „die Hände in den Schoß gelegt“ (Antragsschrift S. 3, Mitte), greift dies angesichts des Fehlens der Mitwirkung der als Zeugin mehrfach erfolglos gehörten Antragstellerin nicht durch. Die Antragstellerin hat die Mitwirkung schlicht verweigert. Zudem muss die Antragstellerin sich gerade im vorliegenden Einzelfall entgegen halten lassen, dass der ermittelnde Landkreis ... überobligatorisch Ermittlungsarbeit geleistet hat, indem er nämlich nicht nur einmalig einen Zeugenfragebogen versandt hat, sondern zusätzlich noch mit einem weiteren, individuellen Anschreiben an die verlangte Auskunft erinnert hat. Überdies hat er noch ein Ermittlungsersuchen an die für den Sitz der Antragstellerin örtlich zuständige Antragsgegnerin gerichtet, welches indessen zwar ausgeführt wurde, in der Sache jedoch erfolglos blieb, weil der Geschäftsführer der Antragstellerin nicht erreichbar gewesen ist und zudem auf eine hinterlassene Benachrichtigungskarte schlicht nicht reagiert hat. Daher kann von einer etwa zu geringfügigen Ermittlungsarbeit des Landkreises ... entgegen den Annahmen der Antragstellerseite nicht ansatzweise die Rede sein, wobei das Gericht erneut festhält, dass es Zeugenpflicht gewesen war, schon auf die Übersendung des „Zeugenfragebogen“ hin den Fahrer zu benennen und dass nach Ausbleiben dieser Mitteilung bereits keine weiteren Ermittlungsschritte rechtlich zwingend geboten waren.

Soweit schließlich die Antragstellerin noch darauf abhebt, es dürfe nicht abgefordert werden, den Kilometerstand in das zu führende Fahrtenbuch einzutragen, verlangt dies der angegriffene Bescheid von der Antragstellerin nicht. Insoweit kommt beigefügten Merkblättern und/oder Vordrucken keine eigene Verfügungsqualität i. S. v. § 35 VwVfG, sondern allenfalls Hinweisqualität zu, die rechtlich keine eigenständige Beschwer entfalten kann. Insbesondere enthält die hier den Gegenstand des Verfahrens ausmachende Fahrtenbuchanordnung der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2015 mit ihrem Wortlaut
„Das Fahrtenbuch ist zum Zweck einer ersten Prüfung innerhalb einer Woche nach Wirksamwerden dieser Anordnung bei der Bußgeldstelle der Stadt ... (Anschrift s. o.) vorzulegen.“
gerade eben nicht mehr die vor einiger Zeit in ähnlichen Bescheiden der Antragsgegnerin jedenfalls gelegentlich noch enthaltene Textpassage:
„Das Fahrtenbuch ist zum Zweck einer ersten Prüfung innerhalb einer Woche nach Wirksamwerden der Anordnung mit eingetragenem aktuellen Kilometerstand… vorzulegen“ (Hervorhebung durch das Gericht), vgl. ..."
Auch hatte das Gericht insoweit in dem bereits angeführten Beschluss vom 20. Juli 2011 (aaO) schon Folgendes entschieden und ausgeführt:
„Der Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung steht auch nicht entgegen, dass in dem der Antragstellerin mit dem angefochtenen Bescheid übersandten "Musterfahrtenbuch" eine Spalte für die Eintragung des Kilometerstandes enthalten ist. Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Eintragung des jeweiligen Kilometerstandes vor und nach jeder Fahrt von dem Fahrzeughalter verlangt werden kann, da diese Verpflichtung nicht durch den angefochtenen Bescheid ausgesprochen wird. In dem Bescheid heißt es hierzu auf Seite 3 lediglich:
"Im Fahrtenbuch ist für jede einzelne Fahrt vor deren Beginn Name, Vorname, Anschrift des Fahrzeugführers, amtliches Kennzeichen des Fahrzeuges, Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt einzutragen. Nach Beendigung der Fahrt sind unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen."
Eine Verpflichtung zur Eintragung des Kilometerstandes spricht der Bescheid nicht aus. Diese folgt auch nicht aus dem als Anlage beigefügten "Musterfahrtenbuch". Der Bescheid ordnet nicht etwa an, dass die Antragstellerin das "Musterfahrtenbuch" zu führen habe, sondern weist darauf hin, dass sie das Fahrtenbuch selbst zu beschaffen habe, "z.B. in einer Buchhandlung" (Seite 4 des Bescheides).“
So liegt der Fall hier; auch hier weist der angegriffene Bescheid am Ende nur auf das Angebot eines Musters hin (Bescheid Seite 6 oben).

Weil die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersichtlich gegen den materiellen Teil der angegriffenen Verfügung, nämlich die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs, vorgeht und die im angegriffenen Bescheid auch bestimmte Gebührenfestsetzung nicht zum Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Absatz 5 VwGO macht, braucht sich das Gericht hinsichtlich der Gebührenfestsetzung insbesondere auch nicht mit den insoweit aus § 80 Absatz 2 Nr. 1, Absatz 6 VwGO resultierenden Fragestellungen zu befassen. Gleichwohl bemerkt das Gericht mit Blick auf das Hauptsacheverfahren, dass diese Festsetzung voraussichtlich hinreichend begründet und rechtmäßig sein dürfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Wert ist abhängig von der Dauer der Fahrtenbuchauflage und beträgt 400,00 Euro je Monat, so dass bei einer Fahrtenbuchauflage von sechs Monaten im Hauptsacheverfahren ein Wert von 2.400,00 Euro anzusetzen ist. Da im vorliegenden Eilverfahren lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.