- Die Tilgung einer Eintragung ist vorbehaltlich der Regelungen in den Sätzen 2 bis 6 erst zulässig, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Hat der Inhaber einer Fahrerlaubnis einen Punktestand erreicht, der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Folge hat, ist eine danach eintretende Tilgung von Punkten im Verkehrszentralregister für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ohne Bedeutung.
- Der Entscheidung zu Grunde zu legen ist das StVG in seiner ab 01.05.2014 geltenden Neufassung, auch wenn der Antragsteller seine letzte Zuwiderhandlung noch vor Inkrafttreten des Gesetzes begangen hat. Denn nach der in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG n.F. getroffenen Übergangsregelung ist auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, das neue Straßenverkehrsgesetz anzuwenden.
- Die Mitteilung des Punktestandes erwächst nicht in Bestandskraft und hat deswegen keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde. Für das Erreichen des Punktestandes ist die Eintragung im Verkehrszentralregister oder die Mitteilung hierüber nicht ausschlaggebend. Allein die Fahrerlaubnisbehörde hat darüber zu entscheiden, ob und ggf. welche Maßnahmen gegen den Fahrerlaubnisinhaber zu ergreifen sind.
Siehe auch Das Fahreignungs-Bewertungssystem - neues Punktsystem und Die Löschung von Punkten im Fahrerlaubnisverfahren
Gründe:
I.
Der am ... 1979 geborene Antragsteller, der Inhaber der Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, CE79, C1, C1E, L und M ist, wendet sich gegen die sofortige Vollziehung des Entzugs der Fahrerlaubnis.
1. Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 verpflichtete das Landratsamt Schweinfurt den Antragsteller – nachdem für ihn 16 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen waren und er bereits verwarnt worden war – zur Teilnahme an einem Aufbauseminar. Am 7. November 2012 ging die Teilnahmebescheinigung über ein Aufbauseminar gemäß § 4 Abs. 8 StVG beim Landratsamt Schweinfurt ein. Mit Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 3. November 2014, rechtskräftig seit 19. November 2014, wurde der Antragsteller wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 42 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 160,00 € verurteilt.
Der Antragsteller hat seit 2009 folgende Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen:
Tattag Rechtskraft Verkehrszuwiderhandlung Punkte 18.12.2009 30.1.2010 Missachten des Rotlichts der Lichtzeichenanlage 3 2.3.2010 27.3.2010 Verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons 1 15.6.2010 27.8.2010 Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h 3 16.1.2011 12.2.2011 Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h 3 11.2.2011 9.9.2011 Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h 3 6.4.2012 26.6.2012 Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h 3 Verstöße mit Speicherungsdatum im VZR vor dem 1.5.2014 16 Nach Umstellung auf das Fahreignungssystem zum 1.5.2014 werden diese Verstöße mit Punkten bewertet 7 28.3.2014 19.11.2014 Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h 2
Nachdem das Kraftfahrtbundesamt das Landratsamt Schweinfurt am 15. Dezember 2014 auf den Punktestand des Antragstellers von neun hingewiesen hatte, hörte dieses mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 den Antragsteller wegen einer Entziehung der Fahrerlaubnis an. Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2014 äußerte sich die Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber dem Landratsamt.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2015 entzog das Landratsamt Schweinfurt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Ziffer 1) und forderte den Antragsteller auf, den Führerschein innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt abzuliefern (Ziffer 2). Für den Fall, dass der Antragsteller die Verpflichtung aus Ziffer 2 nicht oder nicht fristgerecht erfüllt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 € angedroht (Ziffer 3). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer 4). Zur Begründung des Bescheids wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Entzug der Fahrerlaubnis stütze sich auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Für den Antragsteller hätten sich gemäß der beiliegenden Punkteberechnung durch die Tat vom 28. März 2014 mehr als 7 Punkte ergeben, so dass er kraft Gesetzes als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gelte und die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Gemäß § 4 Abs. 5 Sätze 5 - 7 StVG habe die Behörde für das Ergreifen der Maßnahme auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten Tat (Tattag hier 28.3.2014) ergeben habe. Bei der Berechnung des Punktestandes würden die Zuwiderhandlungen berücksichtigt, deren Tilgungsfrist zu dem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei. Spätere Tilgungen blieben unberücksichtigt. Die zwischenzeitlich am 26. Juni 2014 eingetretene Tilgung der Taten vom 18. Dezember 2009, 2. März 2010, 15. Juni 2010, 16. Januar 2011, 11. Februar 2011 und 6. April 2012 ändere daher nichts an der Feststellung der Ungeeignetheit zum 28. März 2014. Die vorangegangenen Maßnahmen der Verwarnung und der Anordnung seien nach § 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StVG (a. F.) ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins beruhe auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV. Die Androhung des Zwangsgelds stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 17. Januar 2015 zugestellt.
Der Antragsteller gab den Führerschein am 26. Januar 2015 beim Landratsamt Schweinfurt ab.
2. Am 17. Februar 2015 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage erheben (W 6 K 15.125) mit dem Antrag, den Bescheid vom 16. Januar 2015 aufzuheben. Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid vom 16. Januar 2015 sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller dadurch in seinen Rechten. Bei der Verhandlung vom 3. November 2014 vor dem Amtsgericht Würzburg gegen den Bußgeldbescheid vom 16. Juni 2014 (Az. 260 OWi 952 Js 12930/14) habe der den Vorsitz führende Richter bekannt gegeben, dass zum 22. Juli 2014 für den Antragsteller keine Einträge im VZR bzw. FAER vorhanden seien, mit der Folge, dass der Antragsteller als „Ersttäter“ verurteilt worden sei. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Im Übrigen habe der VGH Mannheim in einem „ähnlichen“ Fall in seinem Beschluss vom 2. September 2014 (10 S 1302/14) das Verhältnis der Löschungsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG in der ab 1. Mai 2014 geltenden Fassung zum sog. Tattagprinzip als ungeklärt angesehen.
3. Am 8. Mai 2015 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte beantragen,festzustellen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Schweinfurt vom 16. Januar 2015 wieder hergestellt werde.Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt: Der Antragsteller habe beim Stand von 16 Punkten eine weitere Tat begangen, die erst zu einem Zeitpunkt im Flensburger Register eingetragen worden sei, als sich der Altbestand der Eintragungen durch Löschung auf den Punktestand „Null“ reduziert habe. Zwar habe sich der Antragsteller an sich bereits mit Begehung dieser zum achten Punkt führenden Tat als ungeeignet erwiesen, jedoch sei dies im Fahrerlaubnisregister aufgrund erfolgter Löschung nicht mehr festzustellen. Dies sei nur der örtlichen Fahrerlaubnisbehörde möglich gewesen, da dort die alten Registerauskünfte mindestens 10 Jahre aufbewahrt würden. Dies entspreche aber nicht der Intention des Gesetzgebers, wie den Verwertungsverboten nach Löschung gemäß § 29 Abs. 6 und 7 StVG zu entnehmen sei. Diese Verbote bezögen sich allerdings nur auf das Flensburger Register, für das örtliche Register sei es daher geboten, dies in § 2 Abs. 9 Satz 2 StVG klarzustellen, so dass ab Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des StVG ab 5. Dezember 2014 jede Löschung einer Tat im Fahreignungsregister automatisch zur Löschung und Unverwertbarkeit dieser Eintragung im örtlichen Führerscheinregister führe, § 2 Abs. 9 Satz 2 StVG. Zugunsten des Antragstellers sei auch zu berücksichtigen, dass der „ungeklärte Fahrerlaubnisentzug“ für ihn erhebliche berufliche Probleme geschaffen habe, da er aufgrund seiner fehlenden Mobilität bereits zum 15. März 2015 gekündigt worden sei. Er habe inzwischen eine Vielzahl von Bewerbungsgesprächen geführt, jedoch stets eine Absage erhalten, als er angegeben habe, dass er derzeit keinen Führerschein besitze. Die Kündigung habe ihn umso härter getroffen, als er kurz zuvor mit seiner Familie nach L... umgezogen sei.
4. Das Landratsamt Schweinfurt beantragte für den Antragsgegner,den Antrag abzulehnen.Der Antrag sei unbegründet. Das Landratsamt habe den streitgegenständlichen Bescheid zu Recht erlassen. Die Ausführungen des Antragstellers, dass die örtliche Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahme nur habe ergreifen können, da sie auf Daten aus dem örtlichen Fahrerlaubnisregister zurückgegriffen und damit gegen das Verwertungsverbot verstoßen habe, sei nicht zutreffend. Schließlich sei die Punktemitteilung nach § 4 Abs. 8 StVG durch das Kraftfahrtbundesamt erfolgt, nachdem dieses festgestellt habe, dass der Punktestand im Fahreignungsregister auf über 7 Punkte angestiegen sei. Der Umstand, dass das Amtsgericht Würzburg aufgrund einer Auskunft aus dem Kraftfahrt-Bundesamt davon ausgegangen sei, dass keine Eintragungen mehr im Fahreignungsregister bestünden, lasse keinen Vertrauenstatbestand dahingehend erwachsen, dass dem Antragsteller nun die Fahrerlaubnis nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG entzogen werden dürfe. Dass die Voreintragungen sich in der Überliegefrist befunden hätten und nicht gänzlich gelöscht seien, hätte der Kläger im Rahmen einer Selbstauskunft vom Bundesamt erfahren können. Die von Antragstellerseite zitierte Entscheidung des VGH Mannheim betreffe einen gänzlich anderen Sachverhalt und sei auf diesen Fall nicht übertragbar.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag, „es wird festgestellt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage (…) gegen den Bescheid des Landratsamts Schweinfurt vom 16.01.2015 (…) wieder hergestellt wird“, ist nach sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage anzusehen.
Dieser Antrag ist teilweise unzulässig, im Übrigen ist er unbegründet.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, soweit der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 16. Januar 2015 anzuordnen.
Da im vorliegenden Fall die Entziehung der Fahrerlaubnis auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützt wurde, hat die Anfechtungsklage gemäß § 4 Abs. 9 StVG keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Auch bezüglich der Pflicht, den Führerschein bei der Behörde abzuliefern (Nr. 2 des Bescheids) ist von der sofortigen Vollziehbarkeit kraft Gesetzes auszugehen. Die unmittelbar auf die Fahrerlaubnisentziehung aufbauende Anordnung, den Führerschein abzuliefern oder vorzulegen, ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV unmittelbar kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.2007 – 11 CS 06.874 – juris).
Soweit der Antrag gegen die in Nr. 3 des Bescheids vom 16. Januar 2015 verfügte Zwangsgeldandrohung gerichtet ist, ist er unzulässig. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) entfaltet die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung keine aufschiebende Wirkung. Gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG gelten § 80 Abs. 4, 5, 7 und 8 der VwGO entsprechend. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in einem solchen Fall auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen. Allerdings hat sich dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ausspruch durch die rechtzeitige Abgabe des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids (17.1.2015) beim Landratsamt Schweinfurt am Montag, den 26. Januar 2015 (vgl. Bl. 51 der Behördenakte) erledigt. Die Bedingung, von deren Erfüllung die Anwendbarkeit des angedrohten Zwangsgelds abhängt, kann nicht mehr eintreten. Aus der Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids ergibt sich für den Antragsteller daher keine Beschwer mehr (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2009 – 11 CS 09.1968; B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028; beide juris).
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 16. Januar 2015 hat in der Sache keinen Erfolg.
Entfällt kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung, so kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wobei es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien trifft. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.1. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass die Klage voraussichtlich mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Es spricht einiges dafür, dass die in Nr. 1 getroffene Regelung formell und materiell rechtmäßig und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1.1. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Landratsamt Schweinfurt ist vorliegend § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes i.d.F. vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310), zuletzt geändert durch G. v. 28. August 2013 (BGBl. I S. 3313) und G. v. 28. November 2014 (BGBl. I S. 1802) – StVG n.F.. Danach hat die nach Landesrecht zuständige Behörde, also die Fahrerlaubnisbehörde, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich beim Inhaber der Fahrerlaubnis in der Summe ein Punktestand von acht oder mehr Punkten ergibt. Der Betroffene gilt in diesem Fall kraft Gesetzes als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Im vorliegenden Fall ist das StVG n.F. der Entscheidung zu Grunde zu legen, auch wenn der Antragsteller seine letzte Zuwiderhandlung am 28. März 2014 und damit noch vor Inkrafttreten des Gesetzes begangen hat. Denn nach der in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG n.F. getroffenen Übergangsregelung ist auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, das neue Straßenverkehrsgesetz anzuwenden. Die Zuwiderhandlung vom 28. März 2014, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führte, wurde erst nach dem 1. Mai 2014 (nach Eintritt der Rechtskraft am 19.11.2014, vgl. § 59 FeV i.V.m. § 28 Abs. 3 StVG) im Fahreignungsregister gespeichert.
2.1.2. Die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Schweinfurt hat dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen, weil dieser (zum Zeitpunkt 28. März 2014) acht oder mehr – nämlich neun – Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht hatte. Im Einzelnen:
Das Landratsamt hat die vom Antragsteller bis zum 30.4.2014 verwirkten Punkte zutreffend mit 16 berechnet, was auch von Antragstellerseite nicht bestritten wird. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass alle Eintragungen, die zu dieser Punktezahl geführt haben zum maßgeblichen Zeitpunkt noch verwertbar sind.
Die vorgehenden Taten waren auch noch nicht zu tilgen. Nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG a.F. werden im Verkehrszentralregister rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit gespeichert. Diese gespeicherte Eintragung wird nach § 29 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 StVG a.F. nach Ablauf von zwei Jahren getilgt, wobei die Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG a.F. erst mit dem Tag der Rechtskraft beginnt, also im vorliegenden Fall am 26. Juni 2012.
Läuft aber die Tilgungsfrist für die Fahrerlaubnisentziehung erst am 26. Juni 2014 ab, so hat dies zur Folge, dass gemäß § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG die Tilgung einer Eintragung vorbehaltlich der Regelungen in den Sätzen 2 bis 6 erst zulässig ist, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Die Eintragung einer Entscheidung wegen einer Ordnungswidrigkeit - mit Ausnahme von Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG - wird gemäß § 29 Abs. 6 Satz 4 StVG spätestens nach Ablauf von fünf Jahren getilgt, also nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Tag der Rechtskraft (§ 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG). Mithin sind die früheren Verkehrszuwiderhandlungen beim Punktestand durchaus noch zu berücksichtigen, weil sie am Tattag der Verkehrszuwiderhandlung vom 28. März 2014 noch nicht zu tilgen waren. Der Punktestand des Antragstellers betrug daher am 28. März 2014 neun Punkte. Hat aber der Inhaber einer Fahrerlaubnis einen Punktestand erreicht, der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Folge hat, ist eine danach eintretende Tilgung von Punkten im Verkehrszentralregister für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ohne Bedeutung (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 - 3 C 21/07 - NJW 2009, 610; BayVGH, B.v. 3.5.2010 - 11 CS 09.3149). Es ist der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zufolge auf das Tattagprinzip abzustellen (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 4.5.2015 – 11 C 15.692 – juris).
Die Fahrerlaubnisbehörde hat ferner das nach dem (früheren) Punktsystem des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StVG a.F. vorgesehene abgestufte Verfahren beachtet. Sie hat den Antragsteller bei einem Punktestand von acht bis 13 Punkten – hier von 10 Punkten – mit Schreiben vom 6. April 2011 gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F. unterrichtet, verwarnt, ermahnt und auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar hingewiesen (vgl. Bl. 6 der Behördenakte). Bei einem Punktestand von 14, aber nicht mehr als 17 Punkten – hier bei 16 Punkten – wurde der Antragsteller gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG a.F. mit Bescheid vom 3. August 2012 unter Fristsetzung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar verpflichtet (vgl. Bl. 20 der Behördenakte).
Das Landratsamt Schweinfurt hat die vor dem 1. Mai 2014 eingetragenen 16 Punkte in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG n.F. in sieben Punkte nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungs-system überführt. Die voreingetragenen 16 Punkte waren dabei voll berücksichtigungsfähig. Die Voraussetzungen für eine Löschung insbesondere nach § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG n.F. lagen nicht vor. Danach sind gespeicherte „alte“ Entscheidungen, die nach § 28 Abs. 3 StVG n.F. i.V.m. Anlage 13 zu § 40 FeV n.F. nicht mehr zu speichern wären, am 1. Mai 2014 zu löschen. Im Fall des Antragstellers sind sämtliche nach altem Recht gespeicherte Eintragungen auch nach neuem Recht zu speichern.
Der vom Antragsteller am 28. März 2014 begangene Verkehrsverstoß „Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h“ wurde vom Landratsamt zu Recht mit zwei Punkten bewertet, so dass der Antragsteller neun Punkte erreicht hat. Auf diese vor dem 1. Mai 2014 begangene Zuwiderhandlung findet nach der Übergangsregelung in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG n.F. die Fahrerlaubnis-Verordnung in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung Anwendung. Dementsprechend hat das Landratsamt Schweinfurt den Geschwindigkeitsverstoß nach lfd. Nr. 2.2.3 der Anlage 13 n.F. zu § 40 FeV korrekt mit zwei Punkten bewertet.
Folglich hatte der Antragsteller am 28. März 2014 insgesamt einen Stand von neun Punkten erreicht. Ihm war deshalb nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG n.F. zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen. Hierdurch wurde er nicht schlechter gestellt als vor Inkrafttreten des neuen Straßenverkehrsgesetzes. Aufgrund der letzten Zuwiderhandlung wäre ihm auch nach altem Recht die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen. Nach lfd. Nr. 5.4 der Anlage 13 a.F. zu § 40 FeV wäre der Geschwindigkeitsverstoß mit drei Punkten bewertet worden. Demnach hätte sich nach altem Recht ein Stand von 19 Punkten ergeben und dem Antragsteller wäre nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG a.F. wegen Erreichens bzw. Überschreitens von 18 Punkten ebenfalls die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen.
2.1.3 Nicht teilen kann die Kammer die Rechtsauffassung der Antragstellerbevollmächtigten, wonach ein Vertrauenstatbestand dadurch entstanden sei, dass der den Vorsitz führende Richter am Amtsgericht bezüglich des Antragstellers hinsichtlich des Verstoßes vom 28. März 2014 von einem „Ersttäter“ und von keiner Eintragung im Verkehrszentralregister ausgegangen ist.
Dass die entsprechenden Taten im Verkehrszentralregisterauszug vom 22. Juli 2014 nicht mehr enthalten waren, hat nicht zur Folge, dass sie auf den Punktestand keine Auswirkung mehr hätten. Die Mitteilung des Punktestandes erwächst nicht in Bestandskraft und hat deswegen keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde. Für das Erreichen des Punktestandes ist die Eintragung im Verkehrszentralregister oder die Mitteilung hierüber nicht ausschlaggebend. Allein die Fahrerlaubnisbehörde hat darüber zu entscheiden, ob und ggf. welche Maßnahmen gegen den Fahrerlaubnisinhaber zu ergreifen sind. Im Übrigen hat das Amtsgericht zum damaligen Zeitpunkt richtiger Weise eine Negativauskunft erhalten, da sich die Voreintragungen in der Überliegefrist befunden haben und das Amtsgericht hinsichtlich der in der Überliegefrist befindlichen Eintragungen – anders als der Antragsteller - nicht auskunftsberechtigt war (vgl. § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 StVG n.F.).
2.1.4. Die von der Antragstellerbevollmächtigten herangezogene Entscheidung des VGH Mannheim (B.v. 2.9.2014 – 10 S 1302/14 - juris) betrifft das Verhältnis der Löschungsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG in der ab 1. Mai 2015 geltenden Fassung zum sog. Tattagprinzip. Nach § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG n.F. werden Entscheidungen, die nach § 28 Abs. 3 StVG a.F. im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nach § 28 Abs. 3 n.F. nicht mehr zu speichern wären, zeitgleich am 1. Mai 2015 gelöscht. Ein solcher Fall liegt aber hier – anders als in dem dem Beschluss des VGH Mannheim zu Grunde liegenden Konstellation – aber gerade nicht vor.
Soweit die Bevollmächtigte des Antragstellers darauf abstellt, dass die örtliche Fahrerlaubnisbehörde die streitgegenständliche Anordnung nur habe ergreifen können, da auf Daten aus dem örtlichen Fahrerlaubnisregister zurückgegriffen worden sei und hierdurch gegen ein Verwertungsverbot verstoßen habe, verkennt sie, dass ausweislich der Behördenakte (vgl. Bl. 28) die Punktemitteilung gemäß § 4 Abs. 8 StVG n.F. über den Stand von neun Punkten mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 5. Dezember 2014, eingegangen beim Landratsamt Schweinfurt am 15. Dezember 2014, erfolgt ist.
Für eine von der Antragstellerbevollmächtigten angedachte Ausnahme für den Antragsteller, weil er beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist, besteht für die Fahrerlaubnisbehörde keine Befugnis. Im Sinne der allgemeinen Verkehrssicherheit ist es auch nicht verantwortbar, den Antragsteller bis zur eventuellen Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind.
2.2. Die in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids enthaltene Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins erweist sich ebenfalls nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 StVG n.F. und § 47 Abs. 1 FeV.
3. Der Antrag war nach allem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dem Streitwertkatalog 2013 sind nur die Fahrerlaubnisklassen B und C1, je mit dem Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro, maßgeblich. Da die Führerscheinklasse E in dem ab 19. Januar 2013 geltenden § 6 Abs. 1 FeV nicht mehr – isoliert – aufgeführt ist und der Streitwertkatalog 2013, für die „Klasse E“ keinen eigenen Streitwert mehr vorsieht (die Klassen B und BE, C1 und C1E werden jeweils mit dem gleichen Streitwert angesetzt), wirkt die um die frühere Klasse E erweiterte Fahrerlaubnis bei den Klassen B und C1 nicht mehr streitwerterhöhend. Die Klassen L und M sind in der Fahrerlaubnis der Klasse B enthalten. Die Klasse CE79 ist ebenfalls nicht streitwerterhöhend (vgl. hierzu BayVGH B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – juris). Der sich danach ergebende Betrag von 10.000,00 EUR ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).