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Amtsgericht Erkelenz Urteil vom 23.03.1978 - 8 C 346/77 - Zur Zulässigkeit des Parkens auf dem "linken" Parkstreifen
AG Erkelenz v. 23.03.1978: Zur Zulässigkeit des Parkens auf dem "linken" Parkstreifen
Das Amtsgericht Erkelenz (Urteil vom 23.03.1978 - 8 C 346/77) hat entschieden:
Ein linker Parkstreifen ist kein Seitenstreifen iSv StVO § 12 Abs 4. Eine Vorschrift, nach der es verboten ist, auf einem linken Parkstreifen zu parken, existiert nicht. § 12 Abs 4 StVO steht einer solchen Verhaltensweise nicht entgegen. Die Erwägung, es sei der Sinn des § 12 Abs 4 Satz 1 StVO, dass der Wiederanfahrende nicht die Fahrbahn des Gegenverkehrs kreuzen solle, um auf seine rechten Fahrbahnseite zu gelangen, kann nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen.
Siehe auch Halten und Parken auf dem Seitenstreifen und Stichwörter zum Thema Halten und Parken
Tatbestand:
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalles geltend, der sich am 19. August 1976 in H. auf der L.-Straße ereignet hat.
Der Kläger befuhr mit seinem Pkw die abschüssige L.-Straße in Richtung D. . In seiner Fahrtrichtung gesehen knickt diese Straße in Höhe der letzten Häuserblocks vor der D., nämlich hinter dem rechts einmündenden D.-Weg leicht nach rechts ab. Das Gefälle beträgt etwa 5%. In gleicher Richtung gesehen befindet sich rechts neben der Fahrbahn ein Parkstreifen, der ebenfalls etwa hinter dem D.-Weg beginnt und sich bis vor das Ende der Häuserblocks hinzieht. Die Beklagte parkte mit ihrem Fahrzeug auf diesem Fahrstreifen, und zwar mit Front in Richtung H., also der Fahrtrichtung des Klägers entgegen. Die Beklagte zu 1) fuhr mit ihrem Wagen bergan, indem sie in einem Bogen auf die für sie rechte Fahrbahn fuhr. Dort stießen die Fahrzeuge zusammen. Das Fahrzeug des Klägers hinterließ eine 34,60 m lange Bremsspur, welche über die Straßenmitte hinausführte. Auf den Gesamtschaden von 854,08 DM hat die Beklagte zu 3) 170,-- DM, das ist etwa 1/5, gezahlt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagten ihm 2/3 des entstandenen Schadens zu ersetzen haben.
Er beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 399,38 DM nebst 4% Zinsen ab dem 19.8.1976 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie halten das Parken der Beklagten zu 1) auf dem linken Parkstreifen für verkehrsrechtlich zulässig und führen den Unfall allein auf die überhöhte Geschwindigkeit des Klägers zurück.
Das Gericht hat über den Unfallhergang Beweis erhoben.
Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. Februar 1978 Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Akte 18 Js 2952/76 Staatsanwaltschaft Mönchengladbach war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen weitergehenden Ersatzanspruch. Da der Schaden beim Betrieb beider Fahrzeuge verursacht wurde, hängt nach § 17 StVG im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie zum Umfange des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, wieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist.
Eine schuldhafte Schadensverursachung durch die Beklagte zu 1) steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Eine Vorschrift, nach der es der Beklagten zu 1) versagt gewesen wäre, auf dem linken Parkstreifen zu parken, existiert nicht. § 12 Abs 4 StVO steht der Verhaltensweise nicht entgegen. Der Parkstreifen ist kein Seitenstreifen im Sinne der genannten Vorschrift. Die StVO verwendet verschiedentlich den Begriff des Seitenstreifens. Er bedarf daher einer einheitlichen Auslegung. Befestigte Seitenstreifen dienen, wie sich beispielsweise aus § 2 Abs 4 Satz 2 StVO ergibt, der Benutzung durch Fahrräder mit Hilfsmotoren. Für Parkstreifen kann der für Seitenstreifen vorgesehene Verwendungszweck nicht in Frage kommen (vgl OLG Hamm DAR 1974 Seite 109, 110). Auch die Erwägung, es sei der Sinn des § 12 Abs 4 Satz 1 StVO, dass der Wiederanfahrende nicht die Fahrbahn des Gegenverkehrs kreuzen solle, um auf seiner rechten Fahrbahnseite zu gelangen, kann nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Es mag sein, dass dies der Vorstellung des Verordnungsgebers entsprach und es ist sichtlich auch vom verkehrstechnischen Standpunkt aus unerwünscht, wenn Verkehrsteilnehmer in der von der Beklagten geübten Weise verfahren. Dieser Gesichtspunkt der verkehrsmäßigen Erwünschtheit erlaubt aber im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 12 Abs 4 StVO eine Gleichbehandlung von Parkstreifen und Seitenstreifen nicht.
Im übrigen treten die Schwierigkeiten durch Anfahren der linksgelegenen Parkbucht auch bei anderen Verkehrsvorgängen auf, ohne dass die StVO sie zum Anlass für ein Verbot genommen hätte, so etwa beim Ausfahren aus einem Grundstück nach links. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Straßenverkehrsbehörde durch Anbringung einer ununterbrochenen weißen Linie auf der Fahrbahn in der Hand gehabt hätte, ein unerwünschtes Hinüberwechseln zur anderen Fahrbahnhälfte zum Zwecke des Parkens in Gegenrichtung zu verhindern (Für die Zulässigkeit des Parkens auf linkem Fahrstreifen auch Jagusch § 12 StVO Anmerkung 58a).
Beim Anfahren hatte sich die Beklagte gemäß § 10 StVO so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Dass sie diese Pflicht verletzt hat, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Als die Beklagte losfuhr, war für sie die Straße bis zur Kurve der L.-Straße frei. Dies folgt aus der Aussage der Zeugin S., der sich das Gericht anzuschließen vermag. Der Kläger selbst hat sich dahin eingelassen, dass er die Beklagte mit ihrem Fahrzeug erst gesehen hat, als er sich bereits im Bremsvorgang befand. Der Bremsvorgang wurde aber nach der Kurve eingeleitet. Die Beklagte war berechtigt, in einem Bogen auf die rechte Fahrbahnseite bergan zu fahren, ohne sich einweisen zu lassen. Sie durfte nämlich darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr sich selbst verkehrsgerecht verhalten werde. Die Verpflichtung, sich einweisen zu lassen, besteht nur bei objektiv unklarer Verkehrslage. Kein Einweiser ist nötig, nur weil sich ein Teilnehmer des fließenden Verkehrs grobverkehrswidrig verhalten könnte (vgl Jagusch § 10 StVO).
Dass der Kläger sich grobverkehrswidrig verhalten hat, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eindeutig fest. Nunmehr ist unstreitig, dass der Kläger innerhalb der geschlossenen Ortschaft mit einer Geschwindigkeit von 78 bis 84 km/h sich der Unfallstelle genähert hat. Darin liegt ein grober Verstoß gegen § 3 Abs 1 sowie § 3 Abs 3 Ziff 1 StVO. Außerdem hat der Kläger, bedingt durch die überhöhte Geschwindigkeit, gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen, indem er während des Bremsvorganges auf die linke Straßenseite gelangte. Dass dies durch das Verhalten der Beklagten mit ausgelöst worden ist, steht noch nicht einmal fest. Zwar führt der Zeuge K. die Bremsreaktion des Klägers auf den die Fahrbahn überquerenden Pkw der Beklagten zurück. Nach der eigenen Einlassung des Klägers aber war nicht dieser Umstand, sondern ein Kind dafür maßgeblich, dass er eine Ausweichbewegung machte. Von daher bestehen sogar Zweifel an der Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den späteren Zusammenstoß. Aber selbst wenn man die Kausalität bejaht, ergibt sich bei Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge unter Berücksichtigung des erheblichen feststellbaren Verschuldens des Klägers, dass eine weitere Haftung der Beklagten nicht in Betracht kommt. Mit der Zahlung von 1/5 des Schadensbetrages ist eine möglicherweise zu berücksichtigende Betriebsgefahr abgegolten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff 11 ZPO.