Das Verkehrslexikon

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OVG Saarlouis Beschluss vom 03.03.2015 - 1 B 404/14 - Mitwirkungspflicht und Selbstbelastung bei der Fahrzeugführerermittlung

OVG Saarlouis v. 03.03.2015: Mitwirkungspflicht und Selbstbelastung bei der Fahrzeugführerermittlung


Das OVG Saarlouis (Beschluss vom 03.03.2015 - 1 B 404/14) hat entschieden:
Im Regelungsbereich des § 31a StVZO muss sich der sich auf ein Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht berufende Fahrzeughalter darüber im Klaren sein, - darüber müsste ihn erforderlichenfalls sein Rechtsanwalt informieren -, dass die Verweigerung der Aussage ihm als fehlende Mitwirkung bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers entgegengehalten werden kann. Denn ein doppeltes "Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches Recht widerspräche dem Zweck des § 31a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage und Zeugnisverweigerungsrecht und Fahrtenbuchauflage


Gründe:

Die Beschwerde gegen den im Tenor näher bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 23.10.2014, durch die der Antragstellerin die Führung eines Fahrtenbuchs für das Kraftfahrzeug (Folgefahrzeug) von der Zustellung der Verfügung bis einschließlich 22.10.2015 aufgegeben wurde, mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich der angefochtene Bescheid nach Maßgabe der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig erweise und der Widerspruch der Antragstellerin daher aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben werde. Die hiergegen in den Schriftsätzen der Antragstellerin vom 17.12.2014 und 12.2.2015 erhobenen Einwände, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die angefochtene Entscheidung abzuändern.

Dies gilt zunächst für die Behauptung der Antragstellerin, dass weder sie noch ihr Prozessbevollmächtigter zu irgendeiner Zeit über ein eingeleitetes Ordnungswidrigkeitsverfahren informiert worden seien. Entscheidend ist allein, dass das Polizeipräsidium Rheinland-​Pfalz - Zentrale Bußgeldstelle - mit Datum vom 26.5.2014 der Antragstellerin als Halterin des Tatfahrzeuges einen Zeugenfragenbogen übersandte, in dem sie u.a. um Angaben zum Fahrer des von ihr gehaltenen Fahrzeugs zur Tatzeit gebeten wurde. In diesem Schreiben ist die Antragstellerin im Grundsatz darüber belehrt worden, dass dem Halter oder der Halterin des Fahrzeugs gemäß § 31a StVZO die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden kann, wenn der Fahrer des Fahrzeuges nicht festgestellt werden kann. Die Antragstellerin hat den ihr übersandten Zeugenfragebogen nicht beantwortet. Sie hat ferner auch nach Akteneinsicht durch ihren Prozessbevollmächtigten im weiteren Verlauf des Ordnungswidrigkeitsverfahrens keine Erklärungen abgegeben oder in irgendeiner Weise sonst bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitgewirkt. Damit ist sie ihrer Mitwirkungspflicht als Fahrzeughalterin nicht nachgekommen
OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.11.2006 - 12 LA 177/06 -, Juris.
Die Antragstellerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass sie zu keiner Zeit bestritten habe, das auf sie zugelassene Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gefahren zu haben. Dies ändert nämlich nichts daran, dass sie entgegen ihrer Verpflichtung als Halterin des Fahrzeugs, aktiv bei der Ermittlung des Fahrzeugführers mitzuwirken, nicht nachgekommen ist. Ebenso wenig kommt der Antragstellerin zugute, dass sie sich nunmehr als Fahrerin des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt zu erkennen gibt. Entscheidend ist allein, dass sie innerhalb der dreimonatigen Verfolgungsverjährung nach den §§ 26 Abs. 3, 24 StVG ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb das Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt werden musste.

Auch kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg ins Feld führen, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, sich bei Erhalt des Zeugenfragenbogens selbst zu belasten. Zwar trifft es zu, dass die Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters nicht so weit geht, dass dieser sich als Fahrer des Fahrzeuges zu erkennen geben muss. Allerdings muss der sich auf ein Aussage- oder ein Zeugnisverweigerungsrecht berufende Fahrzeughalter sich darüber im Klaren sein - darüber müsste ihn erforderlichenfalls sein Rechtsanwalt informieren -, dass die Verweigerung der Aussage ihm als fehlende Mitwirkung bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrers entgegengehalten werden kann. Denn ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen.
vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.6.1995 - 11 B 7.95 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 22 = ZfS 1995, 397 = DAR 1995, 459; BVerfG, Beschluss vom 7.12.1981 - BvR 117/81 -, NJW 1982, 568; OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 6.9.2011 - 1 A 293/11 -, vom 3.5.2010 - 1 B 101/10 - und vom 25.5.2007 - 1 B 121/07 -.
Soweit die Antragstellerin vorbringt, dass bei einem Vergleich der Beweisfotos und der Pass- bzw. Personalausweisfotos aus ihrer Sicht hinreichende Ähnlichkeiten festzustellen seien, die die Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen sie gerechtfertigt hätten, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Bußgeldbehörde hat umfangreiche, der Sache angemessene Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt, die in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Einzelnen dargelegt und in den beigezogenen Verwaltungsakten dokumentiert sind. Auf der Grundlage dieser Erkenntnismöglichkeiten sah sich die Bußgeldbehörde nicht in der Lage, die Antragstellerin mit hinreichender Gewissheit als Fahrerin des Fahrzeuges zu überführen. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Einschätzung der Bußgeldbehörde, dass auch und gerade unter Berücksichtigung der Aussagen der befragten Zeugen keine ausreichende Grundlage dafür vorhanden war, die Antragstellerin wegen Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit zur Verantwortung zu ziehen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Soweit die Antragstellerin noch geltend macht, dass sie bisher nicht negativ in Erscheinung getreten sei, insbesondere keine Eintragungen zu ihren Lasten im Verkehrszentraleregister vorlägen und daher die Verhängung der Führung eines Fahrtenbuches nicht angemessen sei, vermag sie ebenfalls nicht zu überzeugen. Zu sehen ist, dass es sich bei der in Rede stehenden Geschwindigkeitsüberschreitung um einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß handelt, der, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, die Verhängung eines Fahrtenbuches auch für die Dauer eines Jahres rechtfertigt.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.