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Landgericht Essen Urteil vom 04.03.2015 - 5 O 107/14 - Erforderlichkeit eines substantiierten Vortrags hinsichtlich der Beseitigung von Vorschäden

LG Essen v. 04.03.2015: Erforderlichkeit eines substantiierten Vortrags hinsichtlich der Beseitigung von Vorschäden


Das Landgericht Essen (Urteil vom 04.03.2015 - 5 O 107/14) hat entschieden:
Es besteht kein Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Geschädigte nicht schlüssig darlegt und unter Beweis stellt, dass die geltend gemachten Fahrzeugschäden der Höhe nach durch den behaupteten Verkehrsunfall entstanden sind, weil es an der konkreten Darlegung einer sach- und fachgerechten Reparatur der Vorschäden des Fahrzeuges, welche in dem Bereich vorliegen, der auch bei dem behaupteten Unfall beschädigt worden ist, fehlt. - Ein substantiierter Vortrag zu den Vorschäden setzt eine Schilderung der einzelnen Reparaturmaßnahmen, eine konkrete Benennung der verwendeten Ersatzteile und die Darlegung von Umständen voraus, aus denen sich ergibt, dass eine fachgerechte Reparatur erfolgte.


Siehe auch Alt- bzw. Vorschäden am Fahrzeug und Inkompatible Schäden am Unfallfahrzeug


Tatbestand:

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 24.04.2014 auf der …straße in E. ereignet haben soll. Der Unfall wurde unstreitig polizeilich aufgenommen (AZ: 99 UJs 5830/14 StA Essen).

Der Kläger behauptet, er habe am Unfalltag gegen 21:00 Uhr seinen Mercedes ML 320 CDI, amtliches Kennzeichen: … auf dem Parkstreifen der …straße in E. vor der Kreuzung S…straße zum Parken abgestellt. Der Beklagte zu 1) sei im Rahmen eines Ausweichmanövers mit seinem Fahrzeug, einem Renault Twingo, amtliches Kennzeichen: … welches bei dem Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, in das geparkte Fahrzeug hineingefahren und habe es nahezu auf der gesamten linken Seite beschädigt. Der Beklagte habe einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen müssen, weil dieses plötzlich und unerwartet „größtenteils" auf die Fahrspur des Beklagten zu 1) gefahren sei.
Der Kläger behauptet ferner, aufgrund des Unfalls sei an seinem Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten. Insoweit wird Bezug genommen auf das vom Kläger eingeholte Gutachten des Sachverständigen L. vom 07.05.2014 (Blatt 14ff der Gerichtsakte). Unstreitig hatte das Fahrzeug des Klägers im Jahr 2012 einen erheblichen Unfallschaden, unter anderem vorne links, erlitten, der mit Reparaturkosten von 25.600,00 € beziffert worden war. Der Kläger, der nebenberuflich als Autohändler arbeitet, hatte das nicht reparierte Fahrzeug bei der Restebörse erworben. Er ließ das Fahrzeug nach eigenen Angaben bei einem Kollegen in G. reparieren. Der Kläger behauptet, die Reparatur sei ordnungsgemäß und fachgerecht durchgeführt worden. Die Teile habe er, der Kläger, selbst erworben. Hierzu hat der Kläger verschiedene Rechnungen (Anlagen K3 zum Schriftsatz vom 10.12.2014, Blatt 97ff der Gerichtsakte) zur Akte gereicht. Wegen des Inhalts wird insoweit Bezug genommen.

Der Kläger macht folgenden Schaden geltend:

Fahrzeugschaden
(Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert laut Gutachten)
12.200,00 €
Kosten für das Sachverständigengutachten 1.105,51 €
Unkostenpauschale 25,00 €
Gesamtschaden: 13.330,51 €


Ferner beansprucht der Kläger Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten, die er mit 1.029,35 € beziffert.

Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 13.330,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2014 zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Kosten bezüglich der Rechnung des Rechtsanwalts … vom 13.06.2014 in Höhe von 1.029,35 € freizustellen.
Der Beklagte zu 1) ist anwaltlich nicht vertreten. Er stellt keinen Antrag.

Der Beklagte zu 2) ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten zu 1) als Nebenintervenient beigetreten.

Er beantragt für sich und in seiner Eigenschaft als Nebenintervenient,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 2) bestreitet, dass der Verkehrsunfall sich in der geschilderten Art und Weise abgespielt hat. Er behauptet, die Klägerseite habe in die Beschädigung des Fahrzeugs eingewilligt und trägt hierfür verschiedene Indizien vor. Weil es für die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf nicht ankommt, wird insoweit auf die Seiten 2-​5 des Schriftsatzes vom 16.10.2014 und die diesbezügliche Stellungnahme des Klägers im Schriftsatz vom 10.12.2014 verwiesen.

Der Beklagte zu 2) bestreitet ferner, dass die in dem Gutachten dargestellten Schäden an dem Klägerfahrzeug auf den behaupteten Verkehrsunfall zurückzuführen sind. Hierzu trägt er vor, bereits aus technischer Sicht (Gutachten des Sachverständigen S., Anlage B6) sei eine Beschädigung in dem dargestellten Ausmaß aufgrund des geschilderten Unfallgeschehens nicht möglich. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug einen erheblichen Vorschaden erlitten hatte. Der Beklagte zu 2) bestreitet, dass dieser vollständig und sachgemäß beseitigt worden ist. Er ist der Auffassung, der darlegungspflichtige Kläger habe bereits zur Reparatur des Schadens nicht hinreichend vorgetragen.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.01.2015 verwiesen (Blatt 116 ff der Gerichtsakte).

Durch Beschluss vom 21.01.2015 ist dem Kläger Gelegenheit gegeben worden, innerhalb von 3 Wochen die ordnungsgemäße Reparatur des Vorschadens substantiiert darzulegen.

Ein Schriftsatz des Klägers ist nicht eingegangen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten aufgrund des behaupteten Verkehrsunfalls keine Schadensersatzansprüche gemäß §§ 7, 17StVG, 823 Abs.1 BGB, 115 Abs. 1 VVG.

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob sich der Unfall wie vom Kläger behauptet zugetragen hat und ob es sich ggf. um ein manipuliertes Unfallgeschehen gehandelt hat. Denn etwaige Ansprüche des Klägers scheitern bereits daran, dass der Kläger nicht schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt hat, dass der von ihm geltend gemachte Schaden in der geltend gemachten Höhe durch den behaupteten Verkehrsunfall entstanden ist.

Es lag unstreitig eine Vorschädigung des Fahrzeugs in dem Bereich vor, der auch bei dem behaupteten Unfall beschädigt worden sein soll, nämlich im Bereich der linken Fahrzeugseite. In diesem Fall obliegt dem Kläger nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Beschluss des OLG Hamm vom 08.11.2013, 25 U 61/13 mit weiteren Nachweisen) eine konkrete Darlegung der sach- und fachgerechten Reparatur des Vorschadens. Dies gilt vorliegend erst Recht, weil der Kläger geltend macht, dass durch den streitgegenständlichen Unfall ein Totalschaden eingetreten sei. Möglicherweise lag dieser aufgrund der unzureichenden Reparatur des Vorschadens schon vorher vor.

Zum substantiierten Vortrag in Bezug auf den Vorschaden gehören eine Schilderung der einzelnen Reparaturmaßnahmen, eine konkrete Benennung der verwendeten Ersatzteile und die Darlegung von Umständen, aus denen sich ergibt, dass die Reparatur fachgerecht erfolgte (OLG Hamm, wie oben). Zu Letzterem hat der Kläger lediglich vorgetragen, das Fahrzeug sei von einem Kollegen in Gelsenkirchen repariert worden. Zur Qualifikation des Kollegen ist nichts ausgeführt worden. Ebenso hat der Kläger trotz Schriftsatznachlass die einzelnen Reparaturschritte nicht beschrieben und die verwendeten Ersatzteile nicht hinreichend aufgeführt und belegt. Die von ihm als Anlagenkonvolut eingereichten Rechnungen reichen hierzu nicht aus.

Gutachterkosten kann der Kläger ebenfalls nicht erstattet verlangen. Denn aufgrund des unschlüssigen Vortrags zu der Reparatur des Vorschadens ist auch das Sachverständigengutachten nicht verwertbar. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Sachverständigen über den Vorschaden und dessen Beseitigung ordnungsgemäß informiert hat und der Sachverständige diese Informationen z.B. bei der Festsetzung des Wiederbeschaffungswertes hinreichend berücksichtigt hat.

Da die Hauptforderung unbegründet ist, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen bzw. auf Freistellung von Anwaltskosten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.