Das Verkehrslexikon

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OVG Lüneburg Beschluss vom 05.12.2003 - 12 LA 467/03 - Aufhebung eines Verkehrszeichens - Radwegebenutzungspflicht

OVG Lüneburg v. 05.12.2003: Mindeststandard für linksseitige Radwege


Das OVG Lüneburg (Beschluss vom 05.12.2003 - 12 LA 467/03) hat entschieden:
Ein Verkehrsteilnehmer, der einen bestimmten Straßenzug regelmäßig befährt, hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung eines Verkehrszeichens (hier: Antrag auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht für einen linksseitigen Radweg).


Siehe auch Anordnung der Radwegebenutzungspflicht durch die Verwaltungsbehörde und Verkehrszeichen - Verkehrsschilder - Verkehrseinrichtungen - verkehrsrechtliche Anordnungen


Gründe:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem es die Beklagte verpflichtet hat, den Antrag des Klägers auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht für einen in Fahrtrichtung linksseitigen Radweg neu zu bescheiden, hat keinen Erfolg. Diese Radwegebenutzungspflicht betrifft einen 129 m langen, auf der Nordost-Seite der D. -Straße zwischen deren Einmündung in die E. Straße, einer Teilstrecke der Bundesstraße F. und der G. -Straße vor längerer Zeit angelegten 1,60 m breiten kombinierten Rad- und Gehweg, welcher durch Zeichen 240 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO gekennzeichnet ist.

Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht gegeben.

Nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Das ist hier auch bei Berücksichtigung der Argumente der Beklagten im Berufungszulassungsverfahren nicht der Fall; das angefochtene Urteil erweist sich im Ergebnis als zutreffend:

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie auf Verpflichtung zur Neubescheidung gerichtet war, zu Recht als zulässig angesehen. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Beklagten eine Klagebefugnis des Klägers gegeben, der geltend macht, den in Rede stehenden Radweg mindestens einmal monatlich zu nutzen.

Die nach § 42 Abs. 2 VwGO zur Zulässigkeit der (Verpflichtungs-)Klage erforderliche Klagebefugnis fehlt nur dann, wenn unter Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urteil v. 21.8.2003 – BVerwG 3 C 15.03 - , übersandt vom Bevollmächtigten des Klägers; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 13. Auflage 2003, § 42 Rn. 65, m.w.N. ).

Auszugehen ist davon, dass verkehrsbehördliche Anordnungen nach § 45 StVO nicht, zumindest nicht vornehmlich der Wahrung der Interessen einzelner (Bürger) dienen, sondern regelmäßig auf den Schutz der Allgemeinheit ausgerichtet sind (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, s. z. B. Urt. v. 22.1.1971 - BVerwG VII C 48.69 - , BVerwGE 37, 112(113) u. Beschl. v. 23.12.1980 BVerwG 7 CB 119.80 - , Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 10 sowie v. 2.8.1989 - BVerwG 7 B 62.89 - , Buchholz, aaO, Nr. 19 = DVBl. 1989, 1040 und ebenfalls st. Rspr. des Senats, s. etwa Urt. v. 24.9.1992 - 12 L 78/89 -). Dies bedeutet, dass nicht jedem Verkehrsteilnehmer, der von einer verkehrsbehördlichen Anordnung bzw. deren Auswirkungen betroffen wird, eine Klagebefugnis bzw. eine Antragsbefugnis i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zustehen kann, weil es insoweit an einer eigenen Rechtsposition fehlt. Vielmehr muss ein sog. qualifiziertes Betroffensein (Manssen, NZV 1992, 465(467); s. auch BVerwG, Beschl. v. 3.4.1996 - BVerwG 11 C 3.96/11 B 11.96 -: "qualifizierte Interessen") vorliegen. Werden allerdings grundrechtlich geschützte Rechtspositionen wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) oder das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) betroffen, so kann auch dem einzelnen Bürger im Rahmen des § 45 StVO ein - aber nur auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde begrenzter - Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde zustehen (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats, s. etwa die Beschl. v. 2.8.1989, aaO u. v. 2.4.1993 - BVerwG 11 B 11.93 - , Buchholz, aaO, Nr. 25 sowie Senat, Urt. v. 10.8.1992 - 12 L 236/89 -).

Nach diesen Maßstäben ist hier ein qualifiziertes Betroffensein des Klägers zu bejahen, weil der Kläger den in Rede stehenden Straßenzug regelmäßig selbst befährt und ein Betroffensein etwa in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) nicht ausgeschlossen werden kann.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich etwa rechtsmissbräuchlich nur eigens zum Ort einer Verkehrsregelung begeben hat, um hieraus eine Anfechtungsmöglichkeit abzuleiten. Dass er möglicherweise zugleich Interessen anderer organisierter Radfahrer bei seinem Vorgehen im Blick hat, stellt den maßgeblichen Umstand nicht in Frage, dass er mit seiner Klage zumindest auch eigene Rechte geltend macht (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 21.8.2003 , a.a.O.).

Dem im Berufungszulassungsverfahren nur noch streitgegenständlichen Hilfsantrag des Klägers hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Jedenfalls die uneingeschränkte und unbefristete Ablehnung seines Antrages auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht durch den Bescheid vom 1. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landkreises Diepholz vom 17. Oktober 2001 ist bei der derzeitigen Ausbaubreite des in beiden Fahrtrichtungen befahrbaren kombinierten Rad- und Gehweges von 1,60 m rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO); er hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Anspruchsgrundlage für den Kläger sind nicht die Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten (§§ 48, 49 VwVfG), die bei der Aufhebung von Verkehrszeichen nicht anwendbar sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.10.1976 – BVerwG VII B 158.76 – DÖV 1977, 105 zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des VwVfG; Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 246; Manssen, Anordnungen nach § 45 StVO im System des Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozessrechts, DVBl. 1997, 633, 635; Urteil des erkennenden Senats v. 4.11.1993 – 12 L 39/90 – Nds. MBl. 1994, 1052). Vorschriftzeichen nach § 41 StVO richten sich nämlich an eine Vielzahl von Verkehrsteilnehmer und dienen, insbesondere wenn sie von der Verkehrsbehörde auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO angeordnet werden, der Verkehrsregelung und Verkehrslenkung im Allgemeininteresse, mögen auch bei einem Verkehrsverbot die Straßenanlieger von der Anordnung des Verkehrsverbotes (mittelbar) begünstigt werden. Dieses im Vordergrund stehende Interesse der Allgemeinheit - an der Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses - schließt es aber aus, verkehrslenkende und verkehrsregelnde Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden den den Individualrechtsschutz betonenden Grundsätzen über den (nur eingeschränkt möglichen) Widerruf oder die Rücknahme von Verwaltungsakten zu unterwerfen. Wollte man dies nämlich annehmen, so würde dies ein - erforderliches - rasches Reagieren der Straßenverkehrsbehörden auf Veränderungen der Verkehrsströme so gut wie unmöglich machen. Individualrechtspositionen, insbesondere der Straßenanlieger, ließen dann auch eine vorausschauende Verkehrsplanung sowie ein angemessenes Reagieren im Sinne einer Verkehrslenkung kaum noch zu, zumal angesichts der durch den heutigen Straßenverkehr hervorgerufenen vielfältigen Belastungen ohnehin die betroffenen Straßenanlieger nur geringe Neigung haben, notwendigen Verlagerungen der Verkehrsströme zuzustimmen. Die Aufgaben der Straßenverkehrsbehörden, rasch und hinreichend flexibel verkehrsregelnd und verkehrslenkend tätig zu werden, würden in unangemessener Weise behindert werden, falls die Beseitigung von Verkehrszeichen an der Bestimmung der §§ 48, 49 VwVfG gemessen würde.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrages auf Aufhebung eines Verkehrszeichens ist mithin nur § 45 StVO selbst (vgl. Manssen, a.a.O., S. 635).

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565) in der Fassung der Änderung durch Artikel 3 des Gesetzes vom 1. September 2002 (BGBl. I S. 3442) können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.

Bei der von der Beklagten zu treffenden Ermessensentscheidung, ob die vom Kläger gerügte Radwegebenutzungspflicht aufgehoben werden soll, ist die Beklagte an die allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 (BAnz. S. 1419, 5206), geändert durch die Verwaltungsvorschrift vom 18. Dezember 2001 (BAnz. S. 25513), gebunden (vgl. zur Bindungswirkung der VwV-StVO VG Berlin, Urteil v. 28.9.2000 – 27 A 206.99 – NZV 2001, 317 sowie Anmerkung v. Bitter, NZV 2001, 319; VG Hamburg, Urteil v. 28.1.2002 – 5 VG 4258/00 – NZV 2002, 533).

Die Verwaltungsvorschrift zur StVO ist im Rahmen der Bundesaufsicht bei landeseigenem Vollzug von Bundesrecht ergangen. Nach Art. 83 i.V.m. Art. 84 Abs. 2 GG führen die Länder Bundesrecht als eigene Angelegenheit aus; so auch die vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau und Wohnungswesen mit Zustimmung der Länder im Bundesrat erlassene StVO. Es soll gewährleistet sein , dass verkehrsbehördliche Anordnungen im ganzen Bundesgebiet nach den gleichen Grundsätzen erfolgen. Der Verkehrsteilnehmer soll überall in Deutschland die gleichen Verkehrsregeln vorfinden. Hierzu dient die VwV-StVO, die festlegt, unter welchen Voraussetzungen eine verkehrsbehördliche Anordnung erfolgen soll (vgl. VG Hamburg, Urteil v. 28.1.2001, a.a.O.). Es handelt sich dabei im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die eine einheitliche Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite sicherstellen soll (vgl. dazu Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 1 Rn. 195; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 24 Rn. 10).

Eine Bindungswirkung kommt ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften jedenfalls mittelbar über den Gleichheitssatz zu. Die Verwaltungsvorschriften begründen durch ständige Anwendung eine gleichmäßige Verwaltungspraxis, durch die sich die Verwaltung selbst bindet, da sie gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund anders behandeln darf (sog. Selbstbindung der Verwaltung/vgl. Maurer, a.a.O., § 24 Rn. 21 ; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 1 Rn. 195; VG Hamburg, a.a.O.; Bitter, a.a.O.).

Der Senat geht davon aus, dass auch die infolge der sog. Fahrradnovelle zur StVO (vgl. dazu Kettler, Die Fahrradnovelle zur StVO, NZV 1997, 487) neugefassten Verwaltungsvorschriften zur StVO überwiegend von der Verwaltung befolgt werden, auch wenn sich etwa der ADFC mit der Umsetzung unzufrieden geäußert hat (vgl. VkBl. 2001, 29) und der niedersächsische Städtetag in seiner Stellungnahme vom 9. Oktober 2003 der Ansicht ist, dass die engen Vorgaben der VwV-StVO die Umsetzung des neuen Rechts für die zuständigen Behörden erschweren. Im Übrigen wäre eine Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrift auch wegen ihrer Wirkung als im voraus bekannt gegebene und antizipierte Verwaltungspraxis anzunehmen (vgl. Bitter, a.a.O.; Maurer, a.a.O., § 24 Rn. 22).

Wie das Verwaltungsgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zutreffend feststellt, erfüllt der streitige Geh- und Radweg auf der Nordost-Seite der Gottfried-Daimler-Straße nicht einmal die Anforderungen der VwV-StVO für die Freigabe linker Radwege für die Gegenrichtung (zu § 2 StVO Rn. 35 ff.), da es schon an der lichten Breite des Radweges einschließlich der seitlichen Sicherheitsräume von durchgehend in der Regel 2,40 m, mindestens 2 m fehlt. Darüber hinaus sind auch die Anforderungen an einen gemeinsamen Geh- und Radweg nach Rn. 20 nicht erfüllt. Der kombinierte Geh- und Radweg weist nämlich nach den Angaben der Beklagten nur eine Gesamtbreite von 1,60 m auf.

Die weiter vom Verwaltungsgericht erwogene Regelung, dass ausnahmsweise und nach sorgfältiger Überprüfung dann von den Mindestmaßen an kurzen Abschnitten (z.B. kurze Engstelle) unter Wahrung der Verkehrssicherheit abgewichen kann, wenn es aufgrund der örtlichen und verkehrlichen Verhältnisse erforderlich und verhältnismäßig ist (zu § 2 StVO Rn. 22), ist nach ihrer Stellung unmittelbar ohnehin nur auf die Randnummern 18 bis 21 der VwV-StVO zu § 2 anwendbar, nicht hingegen auf die gesondert geregelte Freigabe linker Radwege (Rn. 35 – 38), die innerorts selbst nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen soll (vgl. Rn. 35). Davon abgesehen handelt es sich bei dem hier streitigen Straßenstück von 129 m Länge nicht mehr um einen kurzen Abschnitt im Sinne einer Engstelle, der nur bei einem wenige Meter breiten Hindernis wie etwa einer Bushaltestelle anzunehmen wäre (vgl. zu 100 m Länge VG Berlin, Urteil v. 28.9.2000, a.a.O.).

Schließlich kann die Beklagte hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt von den Vorgaben der StVO-VwV abweichen, dass der Sachverhalt "wesentliche Besonderheiten" zu dem Fall aufweist, der für die VwV als Regelfall zugeschnitten ist. Grundsätzlich gelten Richtlinien nur für den Regelfall und müssen für atypische Fälle Spielraum lassen (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.4.1983 – BVerwG 1 C 5.83 – DVBl. 1983, 997, 999). Sie sind im Zweifel so zu verstehen, auch wenn sie es nicht ausdrücklich sagen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rn. 43). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Regelung der Verwaltungsvorschrift in Ziffer 22 zu § 2 StVO für atypische Fälle noch nicht genügend Spielraum lässt und eine weitere Ausnahme möglich ist (vgl. dazu VG Hamburg, Urteil v. 28.1.2002, a.a.O.), so ist hier auch unter Berücksichtigung der besonderen Verkehrsverhältnisse an der Einmündung der H. Straße in die E. Straße (B F.) ein eine solche Ausnahme auf Dauer begründender atypischer Fall schon deshalb nicht gegeben, weil auch nach Auffassung der Beklagten jedenfalls eine Verbreiterung der Fuß und Radweganlage nach Durchführung von Grunderwerbsmaßnahmen möglich ist (Schriftsatz v. 26.3.2003, S. 9 unten, Berufungszulassungsbegründung S. 10).

Die angefochtene Entscheidung der Beklagten vom 1. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landkreises Diepholz vom 17. Oktober 2003 für die uneingeschränkte und unbefristete Beibehaltung der von ihr getroffenen Regelung erweist sich mithin als ermessensfehlerhaft und der Kläger ist durch die ermessensfehlerhafte Entscheidung der Beklagten auch in seinen Rechten verletzt, weil die hier von der Beklagten anzuwendenden Vorschriften der VwV-StVO auch dem Schutz der Radverkehrs und damit auch den Rechtsgütern des Klägers als Verkehrsteilnehmer dienen.

Soweit sich die Beklagte gegen die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in Betracht kommende Lösung (Markierung von Schutzstreifen am rechten Fahrbahnrand der D. -Straße, Einrichtung einer signalgesicherten Überquerungshilfe über die D. -Straße und Aufstellen eines Warnzeichens am freien Rechtsabbieger der B F. in die D. -Straße ) im einzelnen wendet, kommt es darauf nicht an. Denn welche Lösung die Beklagte zur Führung des Radverkehrs letztlich herbeiführt, hat sie selbst nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. In Betracht kommt auch die von der Beklagten ins Auge gefasste und auch von der Polizeiinspektion Diepholz und dem Straßenbauamt Nienburg befürwortete Verbreiterung der Fuß- und Radweganlage um etwa 1 m.

Da eine solche Verbreiterung oder auch andere verkehrliche Maßnahmen hier jedoch nicht kurzfristig erfolgen können und derzeit, wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat (S. 10 Mitte UA), der Ausbau- und Regelungszustand ein sicheres Überqueren der D. -Straße im Einmündungsbereich in die E. Straße nicht zulässt, kann die Beklagte allerdings in entsprechender Anwendung der Rn. 33 der VwV zu § 2 StVO die bisherige Kennzeichnung befristet beibehalten bis entweder der linksseitige Radverkehr anderweitig geführt oder der gemeinsame Fuß- und Radweg etwa um 1 m verbreitert wird. Die Belange der Verkehrssicherheit bleiben bei einer derartigen Befristung gewahrt, weil der Fußgänger- und Radfahrerverkehr in dem streitgegenständlichen Bereich nicht besonders stark ausgeprägt ist (die Zählung am 18.3.2003 von 07.00 Uhr bis 16.00 Uhr ergab 121 Radfahrer und 77 Fußgänger für beide Richtungen – S. 4 des Schriftsatzes der Beklagten vom 26.3.2003 - ) und auch Unfälle auf dem Fuß- und Radweg bisher nicht bekannt geworden sind.

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. Nr. 2 VwGO – besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten – ist gleichfalls nicht gegeben. Eine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kommt nur dann in Betracht, wenn die Streitsache überdurchschnittliche Schwierigkeiten umfasst, nämlich Schwierigkeiten, die das normale Maß übersteigen. Die Rechtssache muss Probleme aufweisen, die das Verfahren in seinem Schwierigkeitsgrad von den in der verwaltungsgerichtlichen Praxis regelmäßig zu entscheidenden Streitsachen abheben (vgl. Meyer-Ladewig in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Stand : Januar 2002, § 124 Rn. 28). Das ist hier nicht der Fall, denn die Streitsache weist keine besonderen, das normale Maß jeder Rechtsanwendung übersteigenden Schwierigkeiten auf.

Der Sachverhalt ist im wesentlichen, nämlich im Hinblick auf die Länge und Breite des streitbefangenen Rad- und Gehweges, unstreitig und ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Karten und Lichtbildern.

Auch die mit dem Verfahren verbundenen Rechtsfragen beantworten sich unmittelbar aus der Verwaltungsvorschrift zur StVO, deren Anwendung hier keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Die Beklagte verkennt, dass der von ihr eingeschlagene Weg zur Führung des Radverkehrs auf Dauer nicht mit der Verwaltungsvorschrift vereinbar ist, weil ein derart schmaler Rad- und Gehweg für einen Begegnungsverkehr von Radfahrern und Fußgängern nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Richtliniengebers selbst eine Gefahrenquelle darstellt. Ihre Entscheidung erweist sich deshalb als ermessensfehlerhaft. Auf welche andere Weise der Radverkehr geführt werden kann, liegt im Ermessen der Beklagten. Wenn sie meint, die Verkehrssicherheit nur durch einen linksseitigen Rad- und Gehweg gewährleisten zu können, so ist der vorhandene Weg in angemessener Frist in entsprechender Breite auszubauen.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO, § 124 Rn. 30; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 13. Auflage 2003, § 124 Rn. 10). Für die Darlegung reicht es aus, dass die aufgeworfene Grundsatzfrage rechtlich derart aufbereitet wird, wie dies nach Maßgabe der Begründung in der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erforderlich ist; Rechtsfragen, die in der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung keine Rolle gespielt haben, brauchen im Rahmen des Antrages auf Rechtsmittelzulassung nicht erörtert zu werden, um eine Entscheidungserheblichkeit darzulegen (BVerfG <1. Kammer des Zweiten Senats>, Beschl. v. 15.8.1994 - 2 BvR 719/93 -, NVwZ-Beil. 1994, 65 <66>). Diese Voraussetzungen sind dann nicht gegeben, wenn sich die Frage so, wie sie mit dem Antrag aufgeworfen worden ist, im Rechtsmittelverfahren nicht stellt, ferner dann nicht, wenn sich die Frage nach dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres eindeutig beantworten lässt (BVerwG, Beschl. v. 8.12.1985 - BVerwG 1 B 136.85 -, Buchholz 130 § 22 RuStAG, S. 2) oder sie in der Rechtsprechung - namentlich des Bundesverwaltungsgericht oder des erkennenden Senats - geklärt ist.

Die von der Beklagten in ihrer Zulassungsbegründung (Schriftsatz vom 10.10.2003, S. 13) aufgeworfenen Fragen
" zum einen . ..der Recht- und Zweckmäßigkeit der engen Vorgaben der VV-StVO, die eine Vielzahl überzogener Standards enthält, vor allem aber um die Vorschriften für bestehende Radverkehrsanlagen einschließlich der eng gefassten Ausnahmevorschriften, bei deren Verabschiedung es versäumt worden ist, nicht nur Standards für deren Herstellung bzw. Anpassung festzulegen, sondern den Gemeinden auch die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, ...

zum anderen ..., ob das Gericht durch die angegriffene Entscheidung unzulässigerweise in das Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung und finanzielle Entscheidung über den Einsatz ihrer Finanzen eingegriffen hat",
stellen sich im vorliegenden Verfahren nicht. Die Frage zur Recht- und Zweckmäßigkeit der VwV-StVO ist nicht hinreichend konkret, um überhaupt einer Klärung zugänglich zu sein, da die Beklagte die zu überprüfende Ziffer der Verwaltungsvorschrift nicht nennt und auch nicht darlegt, warum die jeweilige Regelung rechtswidrig sein soll. Die vollständigen Verwaltungsvorschriften zur StVO in ihrer Gesamtheit aber sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens und daher einer Überprüfung nicht zugänglich.

Die Frage eines Eingriffs in das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Beklagten durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt sich ebenfalls nicht, weil die vom Gericht erwogenen Alternativen zur Führung des Radweges die Beklagte nicht binden, wie oben ausgeführt.

Auch ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor. Ein solcher Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist nur dann gemäß § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Wird ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht, muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Senat, st. Rspr. unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328).

Soweit die Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht habe es versäumt, die Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen, kann sie sich schon deshalb nicht auf diesen vermeintlichen Verfahrensfehler berufen, weil sie in ihrem Schriftsatz vom 27. März 2003 zwar zunächst die Inaugenscheinnahme anregte, gleichwohl aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen darauf gerichteten Beweisantrag stellte. Angesichts der umfangreichen von der Beklagten vorgelegten Dokumentation des Straßenabschnittes, die auch zahlreiche Lichtbilder aufwies, musste es sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen, sich selbst von den Verkehrsverhältnissen vor Ort einen Eindruck zu verschaffen.

Soweit die Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht habe die Vertreter der Verkehrspolizei wie auch des Straßenbauamtes als Zeugen hören müssen, hat sie ebenfalls trotz Ankündigung im Schriftsatz vom 27. März 2003 keinen Beweisantrag gestellt; ferner hat sie nicht dargelegt, welche streitigen Tatsachen von den Vertretern dieser Behörden aus eigener Wahrnehmung bezeugt werden sollten. Rn. 1 VwV zu § 45 StVO verpflichtet nur die Beklagte als Straßenverkehrsbehörde, vor jeder Entscheidung nach § 45 StVO die Straßenbaubehörde und die Polizei zu hören. Im übrigen hat die Beklagte die Anhörung dieser Behörden auch schon selbst durchgeführt und dem Gericht das Protokoll der Verkehrsschau vom 7. März 2003 sowie eine Stellungnahme der Polizeiinspektion Diepholz vom 30. Juni 2003 übersandt.

Schließlich war das Straßenbauamt vom Verwaltungsgericht auch nicht notwendig beizuladen im Sinne von § 65 Abs. 2 VwGO, da es nicht derart an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das wäre nur dann der Fall, wenn die vom Kläger begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht wirksam getroffen werden könnte, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 65 Rn. 14). Die vom Kläger ursprünglich begehrte Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht hat jedoch nur mittelbare Auswirkungen auf das Straßenbauamt, da es nach einer solchen Aufhebung für die Beklagte verschiedene Möglichkeiten gibt, den Radverkehr im fraglichen Straßenabschnitt zu führen, und erst eine weitere Entscheidung der Beklagten für eine die Zuständigkeit des Straßenbauamtes berührende Lösung dieses unmittelbar betrifft.