Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil vom 24.07.2014 - 5 K 1793/12 - Anordnung einer innerörtlichen Schutzstreifenregelung für Radfahrer
VG Hamburg v. 24.07.2014: Anordnung einer innerörtlichen Schutzstreifenregelung für Radfahrer
Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urteil vom 24.07.2014 - 5 K 1793/12) hat entschieden:
- Auch juristische Personen des Privatrechts können geltend machen, durch einen Verwaltungsakt in Form eines Verkehrszeichens in eigenen Rechten verletzt zu sein (Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 12.06.2006, 3 B 181/05 = NVwZ 2006, 1072).
- Bei der Anordnung einer innerörtlichen Schutzstreifenregelung für Radfahrer muss die Straßenverkehrsbehörde prüfen, in welchem Umfang der Schutzstreifen durch den Kraftfahrzeugverkehr mitbenutzt wird bzw. werden wird. Tut sie dies nicht, liegt ein Ermessensfehler vor.
Siehe auch Schutzstreifen für Radfahrer - Angebotsstreifen und Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung einer Schutzstreifenregelung für Radfahrer nach Zeichen 340 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO durch die Beklagte in einem Teilbereich der Georg-Wilhelm-Straße.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das insbesondere B. herstellt. Ihr Betriebssitz ist in der Georg-Wilhelm-Straße in 21107 Hamburg. Sie wird über die Georg-Wilhelm-Straße täglich von einer Vielzahl von eigenen Lkw und Lkw von Fremdfirmen angefahren.
Die Georg-Wilhelm-Straße verbindet als Hauptverkehrsstraße das nördliche Wilhelmsburg über die Brücke des 17. Juni mit Harburg. Die Straße ist Bestandteil des Streckennetzes für Gefahrgut-, Schwerlast- und Großraumtransporte. Die Fahrbahn ist zweispurig in einer Breite von rund 7,00 – 7,40 Metern.
Auf der Ostseite der Georg-Wilhelm-Straße in dem hier relevanten Abschnitt zwischen der Straße Bei der Wollkämmerei und dem König-Georg-Deich befindet sich ein Radweg mit Breiten zwischen 1,40 und 2,00 Metern; neben dem Radweg verläuft teilweise ein Gehweg mit Breiten von 1,30 bis 2,00 Metern. Zwischen dem Radweg und der Straße befindet sich auf dem Großteil der Strecke ein Sicherheitsstreifen, welcher zum Teil mit Grünflächen ausgestattet ist.
Nach den Unterlagen der zuständigen Straßenverkehrsbehörde der Beklagten war der östliche Radweg bis zum 15.12.2010 für beide Fahrtrichtungen benutzungspflichtig. Am 15.12.2010 wurde die Benutzungspflicht für den aus Norden kommenden Radverkehr aufgehoben. Im Folgenden wurde den Radfahrern durch Verkehrszeichen 1000-33 (Radfahrer im Gegenverkehr) jedoch freigestellt, den Radweg weiterhin in Gegenrichtung zu benutzen.
Auf der Westseite der Georg-Wilhelm-Straße in dem hier relevanten Abschnitt zwischen Mengestraße und König-Georg-Deich ist aus Richtung Norden kommend bis zum Knotenpunkt Georg-Wilhelm-Straße/Hohe-Schaar-Straße/Kornweide ein meist sehr schmaler Gehweg (ca. 1 Meter) vorhanden, der ab dem vorgenannten Knotenpunkt auf eine Breite von ca. 2 Meter ausgeweitet und zu einem gemeinsamen Geh- und Radweg (nur Rechtsverkehr) wird. Ein baulich getrennter Radweg existiert auf der Westseite nicht.
Laut einer Verkehrszählung aus dem Jahr 2009 wurden für die Georg-Wilhelm-Straße folgende Tagesverkehre (TV) und zugehörige Schwerverkehrsanteile (SV) ermittelt:
- Georg-Wilhelm-Straße, südl. Mengestraße: TV ca. 11.000 Kfz/24h, SV ca. 15%
- Georg-Wilhelm-Straße, nördl. Pollhornweg: TV ca. 8.500 Kfz/24h, SV ca. 18%
- Georg-Wilhelm-Straße, südl. Pollhornweg: TV ca. 12.500 Kfz/24h, SV ca. 24%
Georg-Wilhelm-Straße, südl. Kornweide: TV ca. 9.400 Kfz/24h, SV ca. 21%.
Bedingt durch Umleitungsverkehr während der Messungen wird davon ausgegangen, dass die gemessenen Tagesverkehre südlich der Mengestraße sowie südlich und nördlich des Pollhornwegs schätzungsweise ca. 1.000 Kfz/24h über den normalen werktäglichen Werten liegen.
Der gemessene überproportional hohe Schwerverkehrsanteil wird durch den Linienbusverkehr sowie den starken Wirtschaftsverkehr von und zum Hafen bzw. zu zahlreichen Gewerbebetrieben in Wilhelmsburg hervorgerufen.
Durch Bescheid vom 02.05.2011 ordnete die Beklagte, vertreten durch die Verkehrsdirektion Hamburg (VD 52), die Einrichtung einer Schutzstreifenregelung für Radfahrer nach Zeichen 340 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO in der Georg-Wilhelm-Straße zwischen der Straße Bei der Wollkämmerei und dem König-Georg-Deich an. In einer Kenntnisnahmeverschickung des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer der Beklagten vom 09.05.2011 (Bl. 117 ff. d.A.) wird zum Anlass der Anordnung der Schutzstreifenregelung u.a. ausgeführt:
„Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg wird im Jahr 2013 auf einer rund 1 km² großen Ausstellungsfläche die Internationale Gartenschau (IGS) stattfinden.
Durch den im Rahmen der Erstellung des Ausstellungsgeländes vorhandenen Baustellenverkehr wird die Nutzbarkeit eines Teilstücks der Veloroute 11 – im Bereich der Straße Hauland – stark eingeschränkt resp. unmöglich.
Um den Radfahrern eine attraktive Möglichkeit zu dem o.g. Streckenabschnitt bieten zu können, sollen auf der Georg-Wilhelm-Straße und dem König-Georg-Deich, welche überwiegend parallel zu der Straße Hauland verlaufen, auf einer Länge von rd. 2,7 Kilometern Schutzstreifen markiert werden.“
Im Anschluss an die Anordnung vom 02.05.2011 wurden gegen den geplanten Schutzstreifen durch das Dezernat für Grundsatzangelegenheiten des Straßenverkehrs des Amtes für Innere Verwaltung und Planung in der Behörde für Inneres und Sport der Beklagten Bedenken geltend gemacht. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass sich Lkw und Linienbusse aufgrund des überproportional hohen Schwerverkehrsanteils in der Georg-Wilhelm-Straße häufig begegnen würden und dadurch eine Mitbenutzung eines Schutzstreifens – entgegen der Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) – zwangsläufig regelmäßig erforderlich sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage 6 der Sachakte der Beklagten beigefügten E-Mail-Verkehr verwiesen.
Aufgrund dieser nachträglichen Bedenken wurde die Anordnung vom 02.05.2011 durch eine Anordnung vom 29.06.2011 ergänzt. Danach wird gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 6 StVO die erforderliche straßenverkehrsbehördliche Anordnung zur Einrichtung eines Schutzstreifens zu Versuchszwecken unter folgenden „Bedingungen“ für die Dauer eines Jahres erteilt: 1. Festlegung des Versuchszwecks dahingehend, festzustellen, dass/ob es trotz des hohen Lkw-Anteils nicht zu einer regelmäßigen Mitbenutzung des Schutzstreifens kommt; hierzu bedarf es einer entsprechenden verkehrstechnischen Prognose z.B. eines Gutachters/Ingenieurbüros, die es erlaubt, die Durchführung eines solchen Versuchs als möglicherweise erfolgversprechend einzustufen; 2. Evaluation durch ein Ing. Büro; und 3. Rückbau des Schutzstreifens, sollte der Versuch nicht zu einem dem Versuchszweck entsprechenden Erfolg führen.
Im Anschluss erfolgte im Zeitraum vom 22.02.2012 bis zum 05.04.2012 die Markierung des Schutzstreifens in der Georg-Wilhelm-Straße zwischen der Straße „Bei der Wollkämmerei“ und dem König-Georg-Deich. Der Schutzstreifen weist eine Breite (einschließl. Markierung) von 1,50 Metern auf. Im Zuge der Markierungsarbeiten wurde die Leitlinie mittig auf der verbleibenden Restfahrbahnbreite von 5,50 – 5,90 Metern aufgebracht, so dass pro Fahrstreifen eine Breite von 2,75 – 2,95 Metern verbleibt.
Nach Fertigstellung des Schutzstreifens wurden die Verkehrszeichen VZ 1000-33 (Radfahrer im Gegenverkehr) auf dem östlichen Radweg entfernt.
Die Evaluation der Schutzstreifenregelung erfolgte durch das Ingenieursbüro C. Dieses führte eine Vorher-Nachher-Untersuchung durch, mit einer Vorheruntersuchung im Herbst 2011 und drei Nachheruntersuchungen zwischen Frühjahr und Herbst 2012. Die Ergebnisse wurden in einem Endbericht vom Februar 2013 festgehalten. In dem Abschnitt „Analyse der Ergebnisse“ heißt es u.a.:
„Die Analysen bestätigen einige der beim Startgespräche erläuterten Einschätzungen. Die Radfahrer nutzen am Standort Mitte [Einmündung Georg-Wilhelm-Straße/Wilmansstraße] für die Fahrtrichtung Süd im Vorher-Zustand ohne Schutzstreifen fast nie die Fahrbahn, sondern entweder den sehr schmalen Gehweg auf der Westseite der Georg-Wilhelm-Straße oder zum großen Teil den Radweg auf der östlichen Straßenseite (der zu dem Zeitpunkt als „Servicelösung“ freigegeben war). Nach der Einrichtung des Schutzstreifens nutzen je nach Erhebungstag am Standort Mitte 30% bis 45% aller Radfahrer den Schutzstreifen in Fahrtrichtung Süden. Am Standort Süd sind es 35% bis 46% aller Radfahrer. Obwohl mit der Einrichtung des Schutzstreifens der Zweirichtungsradweg aufgehoben wurde, nutzen sehr viele Radfahrer weiterhin unerlaubt den östlichen Radweg in der Gegenrichtung. Insgesamt ist das Radverkehrsaufkommen am Standort Mitte deutlich höher als am Standort Süd. Der Grund ist voraussichtlich auf die räumliche Struktur des Straßenumfeldes sowie auf die Verteilung der Wohngebiete und der Nutzungen zurückzuführen. In Fahrtrichtung Nord fahren fast alle Radfahrer auf dem vorgeschriebenen Radweg.
Die Auswertungen der Videobeobachtungen ergeben vor und während des Verkehrsversuches keine Belege für kritische Verkehrssituationen. In den Fällen, in denen Radfahrer die Fahrbahn oder den Schutzstreifen nutzen, lassen sich keine kritischen Verkehrssituationen erkennen. Als bedenklich einzustufen ist jedoch, dass einige wenige Radfahrer den Schutzstreifen in der Gegenrichtung benutzen; durch dieses Fehlverhalten der Radfahrer traten jedoch keine kritischen Verkehrssituationen auf.
Die Anlage eines Schutzstreifens ist – aufgrund des hohen Schwerverkehrsaufkommens – auch nach den Erhebungen während des Verkehrsversuches nicht unumstritten. Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Schutzstreifen von den Radfahrern nur mäßig angenommen wird. Lediglich ein Drittel aller Radfahrer nutzen den Schutzstreifen in Richtung Süden. Eine Veränderung des Verhaltens der Radfahrer hin zu einer stärkeren Nutzung des Schutzstreifens konnte während des Verkehrsversuches nicht beobachtet werden. Am Standort Mitte lag der Anteil des Radverkehrs auf dem Schutzstreifen bei der ersten Untersuchung im Frühjahr bei rund 30%, stieg dann in der Untersuchung im Sommer auf 45% und fiel in der letzten Untersuchung im Herbst 2012 wieder bis auf 31%. Ein ähnlicher Effekt wurde auch am Standort Süd beobachtet. Die Akzeptanz des Schutzstreifens ist demzufolge im Zeitverlauf während des Verkehrsversuches eher rückläufig."
In dem Abschnitt „Empfehlung“ heißt es u.a.:
„…
Entlang der Georg-Wilhelm-Straße ist nur in Fahrtrichtung Süden ein Schutzstreifen angeordnet, in der anderen Fahrtrichtung ist ein Radweg vorhanden, der von fast allen Radfahrern in dieser Fahrtrichtung genutzt wird. Ein Anteil von 55% bis 69% der Radfahrer in Richtung Süden empfinden den Schutzstreifen offensichtlich als wenig attraktiv und fahren daher unerlaubt zu einem kleinen Teil auf dem Gehweg oder, zum größten Teil, auf dem östlichen, vor der Anlage der Schutzstreifen noch frei gegebenen Radweg, und tun dies auch weiterhin, obwohl die Benutzung des östlichen Radwegs in Fahrtrichtung Süden inzwischen nicht mehr zulässig ist.
Die Nutzung des abschnittsweise sehr schmalen östlichen Radweges in beide Fahrtrichtungen und das Befahren des Gehwegs ist jedoch bezüglich der Verkehrssicherheit an den Knotenpunkten als gefährlicher einzustufen als das Befahren des Schutzstreifens. Bei einem Zweirichtungsradweg entsteht eine wesentliche Unfallgefährdung durch einfahrende und abbiegende Kraftfahrzeuge in Nebenstraßen und Grundstückszufahrten, die nicht mit Radfahrern aus Gegenrichtung rechnen. Für den Fußgängerverkehr auf dem Gehweg könnten die eher zügig fahrenden Radfahrer ein Unfallrisiko darstellen, dieses wurde in der Untersuchung jedoch nicht festgestellt. Die Anzahl der Fußgänger ist auf dem untersuchten Streckenabschnitt gering, demzufolge sind die Konfliktpunkte zwischen Fußgängern und Radfahrern niedrig. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Schutzstreifen ist in der Studie „Unfallrisiko, Konfliktpotenzial und Akzeptanz der Verkehrsregelung von Fahrradfahrern“ […] belegt.
Obwohl die Randbedingungen zum Einsatz von Schutzstreifen nach den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) bezüglich des Schwerverkehrs überschritten werden … kann im hier speziell untersuchten Fall der Georg-Wilhelm-Straße empfohlen werden, den einseitigen Schutzstreifen über die Versuchsphase hinaus beizubehalten. Da aber der überwiegende Teil der Radfahrer weiterhin unerlaubt den Radweg auf der Ostseite auch in Fahrtrichtung Süden benutzt, ist eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, die die Vorteile der Nutzung des Schutzstreifens vermittelt. ...
Weitergehend wird empfohlen, den Radweg auf der Ostseite als „Servicelösung“ auch für die Fahrtrichtung Süden – zusätzlich zur Beibehaltung des Schutzstreifens – freizugeben. Zahlreiche Quellen oder Ziele liegen auf dieser Straßenseite, so dass ein zweimaliges Queren der Fahrbahn erforderlich wird, wenn nach der jetzigen Regelung legal gefahren werden soll. Außerdem dient die „Servicelösung“ dem Schutz ungeübter und unsicherer Radfahrer. Der Radweg war über Jahrzehnte ein benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg, so dass eine Freigabe auch im jetzigen Zustand möglich sein sollte. Nur mit der Freigabe des Radwegs für beide Fahrtrichtungen können Fahrzeugführer aus den Nebenstraßen durch Beschilderung nach VwV-StVO und Markierung (nach PLAST 9, Abb. 4.11) auf Radfahrer hingewiesen werden, was erwiesenermaßen die Unfallgefährdung reduziert. …“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Endbericht vom Februar 2013 (Bl. 61 ff. d.A.) verwiesen.
Im Folgenden entschied sich die Beklagte, den Schutzstreifen dauerhaft beizubehalten.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.04.2012 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Anordnung der Beklagten vom 02.05.2011 ein. Zur Begründung führte die Klägerin aus: Durch die Einrichtung des Schutzstreifens sei die Breite der Georg-Wilhelm-Straße in einer Weise reduziert worden, die den Anlieferverkehr zu ihrem Betriebsgrundstück in erheblicher Weise einschränke. Aufgrund des markierten Fahrstreifens weise die Georg-Wilhelm-Straße künftig eine Fahrbahnbreite für Radfahrer von 1,45 m und für Kraftfahrzeuge von 2,76 m auf der einen und 2,95 m auf der anderen Straßenseite auf. Die Breite von 2,76 m sei für Lkw nicht ausreichend. Sie (die Klägerin) könne daher nur noch unter faktischen Erschwernissen angefahren werden, wobei sie jedoch zur Aufrechterhaltung ihres Betriebs auf einen reibungslosen Verkehr mit Lkw angewiesen sei. Ferner habe die Beklagte das ihr nach § 45 StVO zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die Beklagte habe ausschließlich den Interessen der Radfahrer Rechnung getragen. In einer Straße wie der Georg-Wilhelm-Straße aber müsse eine Verkehrsführung gefunden werden, die den Anforderungen des Zulieferverkehrs gleichermaßen Rechnung trage. Ein derartiger Interessenausgleich sei mit der Schutzstreifenregelung nicht gelungen, zumal Alternativen bestanden hätten. So habe die Beklagte auf dem Gehweg der Georg-Wilhelm-Straße einen Radweg einrichten können. Angesichts der nicht allzu hohen Verkehrsdichte der Straße habe es sich auch angeboten, von einer auf Radfahrer ausgerichteten Verkehrsregelung insgesamt Abstand zu nehmen. Dies gelte umso mehr, als die Schutzstreifenregelung im Vergleich zum bisherigen Zustand kein „Mehr“ an Sicherheit bringe. Im Gegenteil bestehe die Gefahr, dass bei einer Gemengelage von schweren Lkw auf der Straße und einer nicht eindeutigen Vorfahrtsregelung für Radfahrer die Gefahr von Verkehrsunfällen zu- und nicht abnehme. Eine Schutzstreifenregelung biete sich in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet an, um einen Nutzungskonflikt zwischen Verkehrsteilnehmern zu lösen. In Gewerbe- und Industriegebieten müsse hingegen der durch die Aufbringung von Schutzstreifen begünstigte Eindruck einer erhöhten Sicherheit für Radfahrer zwangsläufig dazu führen, dass es vermehrt zu Unfällen komme. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruch der Klägerin vom 04.04.2012 (Bl. 4 ff. d.A.) verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2012, der Klägerin zugestellt am 18.06.2012, verwarf die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig. Der Klägerin fehle es an der erforderlichen Widerspruchsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog. Denn die Klägerin könne nicht geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Adressaten der Schutzstreifenregelung seien allein die Verkehrsteilnehmer. Die Klägerin gehöre als Anliegerin nicht zum Adressatenkreis der Verkehrsregelung, so dass eine unmittelbare Rechtsverletzung der Klägerin ausgeschlossen werden könne. Als juristische Person sei eine Verkehrsteilnahme der Klägerin von vornherein ausgeschlossen. Auch die Verletzung eines subjektiven Rechts aus einer gesetzlichen Regelung mit Drittschutzcharakter sei nicht möglich. Denn der Umfang des durch Art. 14 GG geschützten Anliegerrechts reiche nur soweit, wie der Anlieger zur angemessenen Nutzung seines Grundstücks auf die Straße angewiesen sei. Dazu gehöre in erster Linie der Zugang zur Straße, d.h. eine der tatsächlichen und rechtlich zulässigen Nutzung des Grundstücks entsprechende Verbindung zum Straßennetz. Diese Zugangsmöglichkeit zum Betrieb der Klägerin werde durch die Schutzstreifenregelung nicht unterbunden. Auf die Ausgestaltung und den Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße erstrecke sich der Schutz des Anliegergebrauchs nicht.
Am 17.07.2012 hat die Klägerin Klage erhoben und zunächst angekündigt, zu beantragen, die Anordnung der Verkehrsdirektion Hamburg vom 02.05.2011 über die Einrichtung einer Schutzstreifenregelung im Bereich der Georg-Wilhelm-Straße in Hamburg-Wilhelmsburg und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14.06.2012 aufzuheben.
Zur Begründung verweist die Klägerin auf ihren Widerspruch vom 04.04.2012 und führt im Übrigen aus: Durch die Schutzstreifenregelung sei ihr Kontakt zur Straße erheblich erschwert, insbesondere könnten LKW die Georg-Wilhelm-Straße nur noch unter erschwerten Umständen befahren. Begegneten sich auf der engen Straße zwei Lkw, komme es seit Einrichtung des Schutzstreifens durch Ausweichmanöver zu Beschädigungen von Fahrzeugen, die an der Straße abgestellt seien. Der reibungslose Verkehr sei damit nicht mehr sichergestellt. Die Beklagte habe die Schutzstreifenregelung ohne Einbeziehung ihrer Anliegerinteressen angeordnet. Insoweit bestreite die Beklagte auch zu Unrecht ihr subjektives Recht auf Abwehr dieser Regelung. Dieses ergebe sich daraus, dass im Rahmen der verkehrsbehördlichen Abwägung ihre Anliegerinteressen zu berücksichtigen gewesen seien. Des Weiteren führe die Schutzstreifenregelung zu erheblichen Verkehrseinschränkungen und Gefahren bei der Benutzung der Straße. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 17.07.2012 und vom 09.10.2013 verwiesen (Bl. 1 ff. d.A. sowie Bl. 26 ff. d.A.).
Die Klägerin beantragt,
den aktuellen Schutzstreifen entsprechend der ursprünglich mit der Anordnung vom 2. Mai 2011 im Bereich der Georg-Wilhelm-Straße angeordneten Schutzstreifenregelung in seiner jetzigen Form aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt die Beklagte auf ihren Widerspruchsbescheid vom 14.06.2012 und den Inhalt der von ihr vorgelegten Sachakte Bezug. Der Schutzstreifen sei unmittelbar nach seiner Einrichtung kaum genutzt worden. Zwischenzeitlich werde er von den Radfahrern jedoch kontinuierlich mehr genutzt. Insbesondere zur „Rush-Hour“ sei der Schutzstreifen als Nord-Süd-Verbindung verstärkt frequentiert. Die vorhandene (Rest-)Straßenbreite sei für den Pkw-Verkehr ausreichend. Der Schutzstreifen werde (nur) bei sich begegnendem Schwerlastverkehr befahren. Unsichere Radfahrer würden weiterhin auch noch den auf der Ostseite befindlichen Radweg unzulässig in Gegenrichtung benutzen. Eine Zählung des Verkehrsaufkommens mittels Verkehrsstatistikgerät vom 16.06.2014, 11.59 Uhr, bis zum 18.06.2014, 11.59 Uhr, habe eine Gesamtzahl von 6.240 Fahrzeugen ergeben. Davon seien 602 Fahrzeuge Lkw/Lastzüge bzw. Busse gewesen. Leichte Abweichungen bei dieser Messung seien möglich, da das Verkehrsstatistikgerät nicht durch ein Ingenieursbüro eingemessen worden sei. Die Messung sei für jeweils 24 Stunden pro Fahrtrichtung in Höhe Haulander Weg erfolgt.
Schließlich legt die Beklagte für den Zeitraum 05.04.2012 – 30.04.2014 Verkehrsunfalldaten vor. Aus diesen ergibt sich, dass es in dem genannten Zeitraum 9 Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung gab, davon acht Unfälle mit Leichtverletzten und ein Unfall mit Sachschaden. Wegen der Einzelheiten zu den Unfällen wird auf die Verkehrsunfallauswertung der Beklagten (Bl. 134 – 157 d.A.) verwiesen.
Das Gericht hat sich in der mündlichen Verhandlung durch die Durchführung eines Ortstermins einen unmittelbaren Eindruck von den örtlichen Verhältnissen im streitgegenständlichen Straßenbereich verschafft. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 181 ff. d.A.) verwiesen.
Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung die Sachakte der Beklagten vorgelegen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
a. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 VwGO statthaft. Bei dem durch Zeichen 340 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO auf der Fahrbahn durch Leitlinien markierten Schutzstreifen für den Radverkehr handelt es sich um einen Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 HmbVwVfG (vgl. VG Saarlouis, Beschl. v. 19.01.2011, Az.: 10 L 1655/10, zitiert nach juris, Rn. 3 = DAR 2011, 281 m. zust. Anm. Schubert). Das Zeichen 340 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO verbietet Fahrzeugführern das Parken auf durch Leitlinien markierten Schutzstreifen für den Radverkehr; zudem gestattet es Fahrzeugführern das Überfahren der markierten Schutzstreifen für den Radverkehr nur bei Bedarf und auch nur, wenn dabei Radfahrer nicht gefährdet werden.
Die verfahrensgegenständliche Schutzstreifenregelung hat sich auch nicht zwischenzeitlich i.S.v. § 43 Abs. 2 HmbVwVfG erledigt, ist mithin weiterhin wirksam. Das Gericht geht davon aus, dass die Schutzstreifenregelung durch den Bescheid vom 02.05.2011 zunächst endgültig gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 i.V.m. dem – damals noch für Schutzstreifen geltenden – Abs. 9 S. 2 StVO angeordnet worden war, diese Schutzstreifenregelung dann aber durch den Bescheid vom 29.06.2011 dahingehend modifiziert wurde, dass die Schutzstreifenregelung nunmehr nur noch zu Erprobungszwecken gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO angeordnet wurde. Diese Anordnung zu Erprobungszwecken wurde nach dem von der Beklagten durchgeführten Monitoring zwar nicht durch eine formale bzw. schriftliche Anordnung in eine endgültige Anordnung übergeführt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass nach Durchführung des Monitorings durch die Beklagte aufgrund Erledigung der Anordnung zu Erprobungszwecken (vgl. § 43 Abs. 2 HmbVwVfG) keine wirksame Anordnung mehr bestünde. Da sich die Beklagte aufgrund der von ihr vorgenommenen Evaluation der Ergebnisse des Monitorings dazu entschloss, die Schutzstreifenregelung endgültig beizubehalten, erließ die Beklagte zumindest konkludent eine Anordnung dahingehend, dass der Schutzstreifen nunmehr endgültig angeordnet werde. Diese endgültige Anordnung ist Gegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage.
b. Die Klägerin ist auch klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO. Ausreichend für die Klagebefugnis ist die Möglichkeit einer Rechtsverletzung; die Klage ist nur dann unzulässig, wenn unter Zugrundelegung des Klagevorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klagepartei verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.8.2003, Az.: 3 C 15.03 = NZV 2004, 52 = NJW 2004, 698). Vorliegend erscheint es zumindest möglich, dass die Klägerin durch die Schutzstreifenregelung in ihren Rechten als Verkehrsteilnehmer (hierzu aa)) und in ihrem Recht auf Anliegergebrauch (hierzu bb)) verletzt wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Klägerin um eine juristische Person des Privatrechts handelt (hierzu cc)).
aa) Die Klägerin, die selbst Lkw besitzt, die ihr Betriebsgrundstück anfahren, ist Adressatin der Schutzstreifenregelung und damit nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Bei Klagen, deren Streitgegenstand Verkehrszeichen sind, reicht es zur Bejahung der Klagebefugnis grundsätzlich aus, dass ein Verkehrsteilnehmer Adressat eines belastenden Verwaltungsakts in Form eines verkehrsbehördlich angeordneten Ge- oder Verbots geworden ist (VG München, Urt. v. 19.12.2012, Az.: M 23 K 11.5465, zitiert nach juris, Rn. 61; VG Aachen, Urt. v. 07.05.2013, Az.: 2 K 2160/11, zitiert nach juris, Rn. 22). Ein Verkehrsteilnehmer kann dabei als eine Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 StVO seien nicht gegeben. Hinsichtlich der behördlichen Ermessensausübung kann er allerdings nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit oder anderer Betroffener (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.1993, Az.: 11 C 35/92, zitiert nach juris, Rn. 14; VG Augsburg, Urt. v. 01.04.2014, Az.: Au 3 K 13.1358, zitiert nach juris, Rn. 15).
bb) Auch als Eigentümerin des im Bereich der angefochtenen Verkehrsregelung gelegenen Betriebsgrundstücks kann die Klägerin geltend machen, dass die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für die auch sie treffende Verkehrsregelung nicht gegeben seien oder ihre Belange ermessensfehlerhaft mit den für die Anordnung sprechenden öffentlichen oder privaten Interessen abgewogen worden seien (vgl. VG Saarlouis, Beschl. v. 19.01.2011, Az.: 10 L 1655/10, zitiert nach juris, Rn. 5 = DAR 2011, 281 m. zust. Anm. Schubert; siehe auch BVerwG, Urt. v. 27.01.1993, Az.: 11 C 35/92, zitiert nach juris, Rn. 14; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.10.2003, 8 B 468/03, zitiert nach juris, Rn. 7). Vorliegend hat die Klägerin u.a. dargetan, dass ihr Interesse an einem reibungslosen Zulieferverkehr zu ihrem Grundstück nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Die Klägerin beruft sich damit nicht lediglich auf allgemeine Interessen, die eine Klagebefugnis nicht begründen können, sondern macht eine besondere, auf ihre Stellung als Grundstücksanliegerin beruhende Interessenlage geltend, nach der eine Beeinträchtigung eigener, nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützter Rechte durch die Schutzstreifenregelung für den Radverkehr nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
cc) Der Klagebefugnis steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin eine juristische Person des Privatrechts ist. Denn auch eine juristische Person des Privatrechts kann geltend machen, durch einen Verwaltungsakt in Form eines Verkehrszeichens in eigenen Rechten verletzt zu sein (BVerwG, Beschl. v. 12.06.2006, Az.: 3 B 181/05 = NVwZ 2006, 1072). Da eine juristische Person rechtsfähig ist, kann sie ebenso wie eine natürliche Person von durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen in ihrem Rechtskreis betroffen sein. Der Umstand, dass eine juristische Person sich natürlicher Personen bedienen muss, um handlungsfähig zu sein, und auch für die Wahrnehmung von Verkehrszeichen notwendigerweise auf natürliche Personen angewiesen ist, ändert nichts daran, dass auf diesem Wege getroffene Anordnungen geeignet sind, ihr gegenüber Rechtswirkungen zu erzeugen. Ihre Rechtsfähigkeit setzt im Gegenteil geradezu voraus, dass sie das ihr zurechenbare Verhalten ihrer Organe, Vertreter und deren Hilfspersonen gegen sich gelten lassen muss (BVerwG, aaO).
c. Schließlich hat die Klägerin ihren Widerspruch fristgerecht eingelegt und auch fristgerecht Klage erhoben. Die Widerspruchsfrist beträgt bei Verkehrszeichen mangels einer Rechtsmittelbelehrung gemäß §§ 58 Abs. 2, 70 Abs. 2 VwGO ein Jahr und beginnt für einen Verkehrsteilnehmer mit dem Zeitpunkt, in dem er zum ersten Mal auf das Verkehrszeichen trifft (BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, Az.: 3 C 37/09, zitiert nach juris, Rn. 13). Da der Schutzstreifen erst im Frühjahr 2012 aufmarkiert wurde, erfolgte die Widerspruchseinlegung am 04.04.2012 in jedem Fall innerhalb Jahresfrist. Auf den Widerspruchsbescheid vom 14.06.2012, welcher der Klägerin am 18.06.2012 zugestellt wurde, erhob die Klägerin fristgerecht am 17.07.2012 Klage (vgl. § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO).
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Anordnung der Schutzstreifenregelung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
a. Maßgeblich für den Erfolg einer gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, Az.: 3 C 37/09, zitiert nach juris, Rn. 21 m.w.N.), hier also die mündliche Verhandlung vor der Kammer. Danach ergibt sich der rechtliche Maßstab für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verkehrszeichens aus der Straßenverkehrs-Ordnung in der Fassung der Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 06.03.2013 (BGBI I S. 367).
Daraus folgt, dass Prüfungsmaßstab für die materielle Rechtmäßigkeit der Schutzstreifenregelung nicht mehr § 45 Abs. 9 S. 2 StVO ist, wonach Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden dürfen, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Denn durch die Neufassung der StVO vom 06.03.2013 wurde § 45 Abs. 9 S. 2 StVO ausdrücklich dahingehend ergänzt, dass dessen Voraussetzungen bei der Anordnung von Schutzstreifen für Radfahrer nach Zeichen 340 nicht zu prüfen sind (vgl. noch zur alten Rechtslage VG Saarlouis, Beschl. v. 19.01.2011, Az.: 10 L 1655/10, zitiert nach juris, Rn. 3 = DAR 2011, 281 m. zust. Anm. Schubert).
b. Rechtsgrundlage für die Anordnung der streitbefangenen Regelung ist danach § 45 Abs. 1 S. 1 StVO, wonach die Straßenverkehrsbehörde die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten kann.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 S. 1 StVO liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Straßenverkehrsbehörde die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Eine Beschränkung der Benutzung der Straße ist vorliegend gegeben. Denn die Anordnung eines Schutzstreifens für Radfahrer nach Zeichen 340 ist eine Beschränkung der Benutzung der Straße i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO (vgl. VG Saarlouis, Beschl. v. 19.01.2011, Az.: 10 L 1655/10, zitiert nach juris, Rn. 14 f.; siehe auch für Radwegbenutzungspflicht BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, Az.: 3 C 42/09, zitiert nach juris, Rn. 18). Auch die weitere Voraussetzung des § 45 Abs. 1 S. 1 StVO, nämlich das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs (vgl. BayVGH, Beschl. v. 07.12.2006, Az.: 11 CS 06.2450, zitiert nach juris, Rn. 52; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.12.1995, Az.: 25 B 2750/95, zitiert nach juris, Rn. 7), ist gegeben. Für die in § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO normierte Tatbestandsvoraussetzung einer (konkreten) Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs ist ausreichend, dass in überschaubarer Zukunft irgendwann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten können. Dies beurteilt sich danach, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke einer Straße die Befürchtung nahelegt, dass - möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände - irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten (OVG Schleswig, Urt. v. 11.06.1997, Az.: 4 L 131/96, zitiert nach juris, Rn. 18). Eine derartige Gefahrenlage ist hier zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann sich eine besondere örtliche Gefahrenlage i.S.v. § 45 Abs. 9 S. 2 StVO insbesondere aus der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen ergeben (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, Az.: 3 C 42/09, zitiert nach juris, Rn. 26). Dieser Maßstab kann auch hier angewandt werden. Denn eine besondere örtliche Gefahrenlage i.S.v. § 45 Abs. 9 S. 2 StVO begründet erst recht eine konkrete Gefahrenlage i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO. Eine besondere örtliche Gefahrenlage ergibt sich vorliegend jedenfalls aus der überdurchschnittlich hohen Belastung der Georg-Wilhelm-Straße mit Schwerlastverkehr. Der Schwerlastanteil beträgt laut der Verkehrszählung aus dem Jahr 2009 zwischen 15% und 24%. Selbst wenn man davon ausgeht, dass – bedingt durch Umleitungsverkehr während der Messungen – die gemessenen Tagesverkehre südlich der Mengestraße sowie südlich und nördlich des Pollhornwegs schätzungsweise ca. 1.000 Kfz/24h über den normalen werktäglichen Werten lagen, liegt der Schwerlastanteil in allen Streckenabschnitten noch immer deutlich über 1.000 Schwerlastfahrzeuge/24h. Soweit die Beklagte bei einer Zählung des Verkehrsaufkommens mittels Verkehrsstatistikgerät zwischen dem 16.06.2014 und dem 18.06.2014 einen deutlich geringeren Schwerlastanteil, nämlich 602 Schwerlastfahrzeuge, gemessen hat, sieht das Gericht keine Veranlassung, diese niedrigere Zahl zugrunde zu legen. Zum einen war das Verkehrsstatistikgerät nicht durch ein Ingenieursbüro eingemessen. Zum anderen erfolgte die Messung nicht gleichzeitig für beide Fahrtrichtungen, sondern für die ersten 24 Stunden in die eine und für die nächsten 24 Stunden in die andere Richtung. Schließlich hat die Messung nur an einer Stelle stattgefunden, nämlich in Höhe Haulander Weg, obwohl sich auf dem ca. 2,5 Kilometer langen streitgegenständlichen Abschnitt – wie sich aus der Verkehrsauswertung aus dem Jahr 2009 ergibt – durchaus unterschiedliche Verkehrsbelastungen ergeben. Im Übrigen konnte sich die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor Ort davon überzeugen, dass jedenfalls in den Morgenstunden der Schwerlastverkehr einen erheblichen Anteil am Verkehrsaufkommen hat. Auch der Endbericht des Ingenieursbüros vom Februar 2013 geht ersichtlich von einem hohen Schwerlastaufkommen aus. Bereits dieser letztgenannte Umstand begründet nach Ansicht der Kammer eine konkrete Gefahr i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO, unabhängig von der Gesamtanzahl der Schwerverkehrsfahrzeuge über einen Zeitraum von 24 Stunden.
c. Ob die Anordnung eines Schutzstreifens für Radfahrer neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Absatz 1 S. 1 StVO voraussetzt, dass auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 S. 1 StVO, wonach Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist, erfüllt sind (vgl. für den insoweit parallel gelagerten Fall der ebenfalls vom Anwendungsbereich des § 45 Abs. 9 S. 2 StVO ausgenommenen Tempo 30-Zonen VG Oldenburg, Urt. v. 19.05.2004, Az.: 7 A 1055/03, zitiert nach juris, Rn. 29 f.; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006, Az.: 12 LC 270/04, zitiert nach juris, Rn. 42; VG Wiesbaden, Urt. v. 31.03.2009, 7 K 407/08.WI, zitiert nach juris, Rn. 17 f.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 45 Rn. 37), kann hier dahinstehen. Denn in jedem Fall ist die Entscheidung der Beklagten, auf dem verfahrensgegenständlichen Abschnitt der Georg-Wilhelm-Straße einen Schutzstreifen für Radfahrer anzulegen, ermessensfehlerhaft.
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO vor, hat die Straßenverkehrsbehörde grundsätzlich einen Ermessensspielraum, wie sie die Konfliktlage bewältigt. In ihrer Ermessensentscheidung hat sie die betroffenen bzw. widerstreitenden Interessen der verschiedenen Arten von Verkehrsteilnehmern unter Berücksichtigung der relevanten örtlichen Gegebenheiten umfassend gegeneinander abzuwägen und die Konfliktlage für alle Verkehrsteilnehmer zumutbar aufzulösen (VG Braunschweig, Urt. v. 16.04.2013, Az.: 6 A 64/11, zitiert nach juris, Rn. 60 mwN.). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Vorliegend hat die Beklagte von dem ihr zustehenden Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, indem sie ihre Entscheidung auf unzureichende Erwägungen gestützt hat.
Die Straßenverkehrsbehörde ist bei ihrer Ermessensentscheidung darüber, ob eine Schutzstreifenregelung gemäß Zeichen 340 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO angeordnet werden soll, grundsätzlich zunächst an die Vorgaben der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) gebunden (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 16.04.2013, Az.: 6 A 64/11, zitiert nach juris, Rn. 60 m.w.N.). Die Verwaltungsvorschrift soll – im Rahmen der Bundesaufsicht bei landeseigenem Vollzug von Bundesrecht – gewährleisten, dass verkehrsbehördliche Anordnungen im ganzen Bundesgebiet nach den gleichen Grundsätzen erfolgen. Es handelt sich dabei im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO nur um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die eine einheitliche Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite sicherstellen soll.Eine Bindungswirkung kommt ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften jedenfalls mittelbar über den Gleichheitssatz zu. Die Verwaltungsvorschriften begründen durch ständige Anwendung eine gleichmäßige Verwaltungspraxis, durch die sich die Verwaltung selbst bindet, da sie gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund anders behandeln darf. Entsprechend geht das Gericht auch im vorliegenden Fall von einer bundesweit einheitlichen Verwaltungspraxis auf der Grundlage der VwV-StVO aus. Die Straßenverkehrsbehörde kann damit zwar im Ergebnis auch von den Vorgaben der VwV-StVO abweichen. Dies setzt aber besondere Umstände bzw. sachliche Gründe voraus, die eine Abweichung rechtfertigen (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 16.04.2013, Az.: 6 A 64/11, zitiert nach juris, Rn. 60; siehe auch BVerwG, Urt. v. 16.04.2012, Az.: 3 B 62/11, zitiert nach juris, Rn. 8).
Die Schutzstreifenregelung erfüllt die Anforderungen der VwV-StVO nicht. Nach deren Ziffer I.5 S. 2 zu § 2 Abs. 4 S. 2 kann ein Schutzstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von bis zu 50 km/h markiert werden, wenn die Verkehrszusammensetzung eine Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nur in seltenen Fällen erfordert. Vorliegend findet nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme der Georg-Wilhelm-Straße eine Mitbenutzung nicht nur in seltenen Fällen, sondern regelmäßig statt. Das Gericht konnte sich beim Ortstermin davon überzeugen, dass größere Lkw und HVV-Busse auf der westlichen Fahrbahnseite aufgrund ihrer Breite und der teilweise nur vorhandenen Fahrbahnbreite von 2,75 m allenfalls bei „zentimetergenauer“ Fahrweise verhindern können, entweder die Mittellinie oder aber den Schutzstreifen zu überfahren, so dass es fast ausnahmslos zu einem Überfahren entweder der Mittellinie oder des Schutzstreifens kommt. Des Weiteren konnte sich das Gericht davon überzeugen, dass größere Lkw auf der östlichen Fahrbahn regelmäßig so fahren, dass sie mindestens mit einem Rad auf dem Mittelstreifen fahren, in der Regel sogar ca. 10 bis 20 cm über den Mittelstreifen hinaus auch die Gegenfahrbahn mitbenutzen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass bei sich begegnendem Schwerlastverkehr die Mitbenutzung des Schutzstreifens unausweichlich ist. Soweit die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sie habe bei einer von ihr durchgeführten Ortsbesichtigung eine regelmäßige Mitbenutzung des Schutzstreifens nicht feststellen können, steht das Gegenteil aufgrund der Inaugenscheinnahme der Georg-Wilhelm-Straße im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts fest. Entgegen der ebenfalls erstmals in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten geäußerten Ansicht ist bei der Frage, ob es zu einer regelmäßigen Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr kommt, auch nicht die Mitbenutzung im Begegnungsverkehr „herauszurechnen“. Eine solche Sichtweise findet im Wortlaut von Ziff. I.5 S. 2 zu § 2 Abs. 4 S. 2 der VwV-StVO keinen Rückhalt. Sie ist auch mit dem Zweck der Verwaltungsvorschrift nicht vereinbar. Diese fußt auf der amtlichen Begründung zur 24. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 07.08.1997 (VkBl. 1997, S. 685 ff.) zur Einführung des Schutzstreifens in die StVO, wonach der Schutzstreifen für Ausweichvorgänge im Begegnungsverkehr durch Kraftfahrzeugverkehr mitbenutzt werden kann, wenn auch unter besonderer Vorsicht, und „die Abmarkierung solcher Schutzstreifen […] deshalb aus Gründen der Verkehrssicherheit voraus[setzt], dass sich solche Ausweichvorgänge auf eher seltene Fälle beschränken“.
Sind danach die Voraussetzungen für die Anordnung eines Schutzstreifens nach der VwV-StVO nicht gegeben, ist die Entscheidung der Beklagten aber nicht schon aus diesem Grund ermessensfehlerhaft. Denn auch alternative Gestaltungen der Radverkehrsführung auf der Georg-Wilhelm-Straße hätten nicht die für diese geltenden Voraussetzungen der VwV-StVO erfüllt. Weder die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht in Gegenrichtung auf dem östlichen Radweg noch dessen Freigabe für den Radverkehr in Gegenrichtung hätten die Voraussetzungen der VwV-StVO erfüllt. Nach Ziff. II.5 Buchst. a zu § 2 Abs. 4 S. 3 und S.4 VwV-StVO ist Voraussetzung für die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht in Gegenrichtung bzw. der Freigabe des Radwegs in Gegenrichtung, dass die lichte Breite des Radwegs einschließlich der seitlichen Sicherheitsräume durchgehend in der Regel 2,40, mindestens aber 2,00 m, beträgt. Diese Voraussetzung erfüllt der östliche Radweg in der Georg-Wilhelm-Straße nicht, da er eine bauliche Breite von teilweise nur 1,40 m aufweist.
Ließ sich demnach ein Abweichen von den Maßstäben der VwV-StVO aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht vermeiden, liegt hierin allein noch kein Ermessensfehler.
Dennoch stellt sich die Anordnung der Schutzstreifenregelung als ermessensfehlerhaft dar. Denn die Beklagte hat bei ihrer Ermessensentscheidung einen wesentlichen Gesichtspunkt außer Acht gelassen. Die Beklagte hat sich bei ihrer Entscheidung über die endgültige Beibehaltung der zunächst zu Erprobungszwecken angeordneten Schutzstreifenregelung nicht mit der Frage befasst, ob es zu einer regelmäßigen Mitbenutzung des Schutzstreifens durch Lkw und Busse kommt. Der Endbericht des Ingenieursbüros vom Februar 2013 enthält hierzu gerade keine Aussage, obwohl die ergänzende Anordnung vom 29.06.2011, mit der die Einrichtung des Schutzstreifens zu Erprobungszwecken angeordnet worden war, gerade dieser Frage entscheidende Bedeutung beimaß. Auch nach Ziff. I.5 der VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 2 StVO ist die Frage, ob die Verkehrszusammensetzung eine Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nur in seltenen Fällen erfordert, eines der wesentlichen Kriterien bei der Entscheidung über die Anordnung einer Schutzstreifenregelung. Gründe, warum es im konkreten Fall nicht notwendig gewesen sein sollte, dieser Frage nachzugehen, hat die Beklagte nicht angeführt; sie sind auch nicht ersichtlich. Der Frage, ob es zu einer regelmäßigen Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr, insbesondere den Schwerlastverkehr, kommt, ist von erheblicher Bedeutung für die Entscheidung über die Anordnung einer Schutzstreifenregelung. Führen Ausweichvorgänge von Schwerlastfahrzeugen im Begegnungsverkehr dazu, dass der Schutzstreifen regelmäßig durch diese Fahrzeuge mitbenutzt werden muss, beeinträchtigt dies die Verkehrssicherheit der den Schutzstreifen nutzenden Radfahrer erheblich. Aufgrund der Breite und Länge ihrer Fahrzeuge können Fahrer von Lkw und Bussen auf der Fahrbahn hinter ihnen fahrende Radfahrer meist schlechter sehen als Fahrer von Pkw. Insbesondere beim Einschwenken auf den Schutzstreifen können Fahrer von Schwerlastfahrzeugen daher (hinter ihnen fahrende) Radfahrer leicht übersehen. Im Falle der regelmäßigen Mitbenutzung des Schutzstreifens durch Kraftfahrzeugverkehr kommt eine weitere Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit dadurch hinzu, dass Radfahrer auf dem Schutzstreifen grundsätzlich auch neben den auf der restlichen Fahrbahn fahrenden Kraftfahrzeugen fahren dürfen. Dies bedeutet, dass Kraftfahrzeugführer im Begegnungsfall ggf. zunächst den neben oder kurz hinter ihnen fahrenden Radfahrer passieren lassen müssen, um im Anschluss auf den Schutzstreifen ausweichen zu können. Dies kann schlimmstenfalls zu plötzlichen und für den nachfolgenden Verkehr unerwarteten Bremsvorgängen führen, die ein beträchtliches Gefahrenpotential haben.
Soweit die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, sie habe bei einer Begehung der Georg-Wilhelm-Straße keine regelmäßige Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr feststellen können, ändert dies an dem gefundenen Ergebnis nichts. Selbst wenn die Beklagte vor ihrer Entscheidung über die endgültige Beibehaltung der Schutzstreifenregelung eine solche Feststellung getroffen hätte, bliebe ihre Entscheidung noch immer ermessensfehlerhaft. Aufgrund der Inaugenscheinnahme des Schutzstreifens in der Georg-Wilhelm-Straße in der mündlichen Verhandlung steht nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es ganz offensichtlich zu einer regelmäßigen Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr, insbesondere den Schwerlastverkehr, kommt. Die Entscheidung der Beklagten wäre mithin zumindest deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie auf der Grundlage von falschen Tatsachen getroffen worden wäre.
Eine Rechtsverletzung scheidet auch nicht deswegen aus, weil die Schutzstreifenregelung zwingend beizubehalten und jede andere Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft wäre (sog. Ermessensreduzierung auf null).
Eine Ermessensreduzierung folgt insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte eine Radwegbenutzungspflicht in Gegenrichtung auf dem östlich der Straße verlaufenden Radweg nicht ermessensfehlerfrei anordnen oder diesen nicht ermessensfehlerfrei für den Radverkehr in Gegenrichtung freigeben könnte. Dagegen spricht bereits, dass dieser Radweg jahrelang in Gegenrichtung befahren werden durfte bzw. sogar musste und auch der Endbericht des Ingenieursbüros vom Februar 2013 zumindest eine Freigabe des Radwegs in Gegenrichtung empfiehlt. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass weit über 50% der in Richtung Süden fahrenden Radfahrer derzeit den östlichen Radweg verbotswidrig in Gegenrichtung befahren und in dem Zeitraum vom 05.04.2012 bis 30.04.2012 weder auffallend viele noch besonders schwerwiegende Unfälle auf dem östlichen Radweg registriert wurden, dafür, dass eine Anordnung der Radwegbenutzungspflicht in Gegenrichtung auf dem östlichen Radweg oder zumindest dessen Freigabe für Radfahrer in Gegenrichtung nicht von vornherein ermessensfehlerhaft wäre. Dabei geht das Gericht davon aus, dass von den neun registrierten Unfällen mit Radfahrerbeteiligung im Zeitraum 05.04.2012 – 30.04.2014 lediglich 7 auf dem östlichen Radweg stattgefunden haben. Die Unfälle vom 05.03.2013 und vom 10.03.2014 fanden ausweislich der diesbezüglichen Verkehrsunfallberichte auf dem Schutzstreifen bzw. auf der Fahrbahn statt. Angesichts der Tatsache, dass praktisch alle Radfahrer in Richtung Norden und der weitaus größte Teil der Radfahrer in Richtung Süden den östlichen Radweg benutzen, kann auch das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, auf dem östlichen Radweg würden sich weitaus mehr Unfälle als auf dem Schutzstreifen ereignen, nicht durchgreifen.
Als Gesichtspunkt, der im Rahmen der Ermessensausübung eher gegen eine Schutzstreifenregelung sprechen dürfte, lässt sich auch die Ziff. 3.2 (S. 22) ERA 2010 anführen, wonach Schutzstreifen bei hohem Schwerverkehrsaufkommen (> 1.000 Fahrzeuge des Schwerverkehrs pro Tag) vermieden werden sollen. Auch wenn die Verfasser der ERA 2010 nicht legitimiert sind, die Aussagen der Straßenverkehrs-Ordnung authentisch zu interpretieren, ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.04.2012, Az.: 3 B 62/11, zitiert nach juris, Rn. 15 ff.; VG Braunschweig, Urt. v. 16.04.2013, Az.: 6 A 64/11, Rn. 57) anerkannt, dass die dort getroffenen Aussagen als aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisquelle ergänzend berücksichtigt werden können, zumal die VwV-StVO hinsichtlich der Gestaltung von Radverkehrsanlagen auf diese verweist (vgl. I Nr. 5 VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 2 StVO).
Gegen die Schutzstreifenregelung in ihrer jetzigen Form (d.h. bei gleichzeitigem Verbot der Benutzung des östlichen Radwegs in Gegenrichtung) spricht schließlich auch der Umstand, dass der Schutzstreifen, der sich auf einer Hauptverkehrsstraße, die Bestandteil des Streckennetzes für Gefahrgut-, Schwerlast- und Großraumtransporte ist und einen erheblichen Schwerlastverkehr aufweist, auch von weniger geübten und schwächeren Radfahrern benutzt werden muss, insbesondere auch von Kindern ab einem Alter von 10 Jahren (vgl. § 2 Abs. 5 S. 1 StVO).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.