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Amtsgericht Darmstadt Urteil vom 11.06.2015 - 317 C 137/14 - Quotale Leistungskürzung wegen Unfallverursachung unter Alkoholeinfluss

AG Darmstadt v. 11.06.2015: Quotale Leistungskürzung wegen Unfallverursachung unter Alkoholeinfluss mit 0,67 ‰


Das Amtsgericht Darmstadt (Urteil vom 11.06.2015 - 317 C 137/14) hat entschieden:
Der Kfz-Haftpflichtversicherer ist berechtigt, im Innenverhältnis zu seinem Versicherungsnehmer eine Leistungskürzung in Höhe von 75 % des im Außenverhältnis an den Geschädigten gezahlten Schadenersatzes vorzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer beim Rückwärtsausparken aus einer Parkbox unter Alkoholeinfluss mit einer BAK von mindestens 0,67 o/oo, ein geparktes Fahrzeug beschädigt hat.


Siehe auch Alkohol und Kfz-Versicherungsrecht und Stichwörter zum Thema Alkohol


Tatbestand:

Die Klägerin verfolgt einen Regressanspruch gegen die Beklagte nach einem Verkehrsunfall.

In der Nacht zum 13.10.2012 hatte die Beklagte ihren Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... auf dem Parkplatz der in der T-​Straße in H... gelegenen Diskothek geparkt. Gegen 3:00 Uhr früh wollte sie rückwärts aus der schräg zur Parkgasse verlaufenden Parkbox ausparken und prallte hierbei gegen das auf der gegenüber liegenden Seite längs zur P-​Gasse ordnungsgemäß geparkte Fahrzeug des Geschädigten ... einen Pkw Audi A4 mit dem amtlichen Kennzeichen ...

Zum Unfallzeitpunkt bestand zwischen den Parteien eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung über den von der Beklagten geführten Pkw.

Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholisiert und wies eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,67 Promille auf. In der beigezogenen Ermittlungsakte ist ein vorläufiges Gutachten enthalten, nach dem zum Unfallzeitpunkt eine Minimal-​Blutalkoholkonzentration von 0,81 Promille und eine Maximal-​Blutalkoholkonzentration von 1,15 Promille vorlag.

Zum Ausgleich des durch den Unfall verursachten Fremdschadens an dem Fahrzeug des Geschädigten ... zahlte die Klägerin insgesamt EUR 2.979,20, nämlich Netto-​Reparaturkosten in Höhe von EUR 2.035,85, Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 496,15, eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von EUR 25 und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 379,02.

Die Klägerin erfuhr erst durch das anwaltliche Schreiben des Anwalts des Geschädigten ... von dem Unfall, das am 05.11.2012 bei der Klägerin einging. Trotz Aufforderung der Klägerin mit Schreiben vom 05.11.2012, 15.11.2012 und 26.11.2012 zeigte die Beklagte das Unfallgeschehen zunächst nicht bei der Klägerin schriftlich an. In dem Schreiben vom 26.11.2012 setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist von 7 Tagen und drohte gleichzeitig den Verlust des Versicherungsschutzes an, damit diese die Schadensanzeige zurücksende. Da dies nicht erfolgte, entzog die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.2012 den Versicherungsschutz. Daraufhin zeigte die Beklagte den Schaden mit Schreiben vom 16.12.2012 an. Mit Schreiben vom 24.01.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des streitgegenständlichen Betrages auf. Mit Schreiben vom 21.02.2013 mahnte die Klägerin den Rechnungsbetrag erstmals an und setzte eine Zahlungsfrist von einer Woche ab dem 21.02.2013.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei mit einer für ein Parkmanöver deutlich überhöhten Geschwindigkeit aus der Parkbox heraus gefahren. Dieses Verhalten sei ein alkoholtypischer Fahrfehler. Die Beklagte habe gegen ihre sich aus Abschnitt D.2.1 und E.1.1 AKB obliegenden Obliegenheiten verstoßen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.979,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-​Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.02.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, sie habe mit Schrittgeschwindigkeit ausgeparkt und sei lediglich auf dem unbeleuchteten Parkplatz durch ein entgegenkommendes Fahrzeug geblendet worden und habe dadurch den hinten auf der anderen Seite der Fahrspur stehenden Pkw nicht bemerkt. Die Beklagte habe den Schaden unmittelbar nach dem Unfall dem für sie zuständigen Versicherungsagenten, ..., gemeldet. Dieser habe ihr zugesichert am Telefon, den Schaden an seine für die Agentur zuständige Versicherung sofort zu melden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Verhandlung vom 26.03.2015, Bl. 113 ff. der Akte. Außerdem wurde die Ermittlungsakte des Regierungspräsidiums Kassel, Az.: 975.993434.0 beigezogen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch auf EUR 2.234,40 aus §§ 116, 28 Abs. 2. 81 Abs. 2 VVG in Verbindung mit D.2.1 AKB..

Die Beklagte hat den Verkehrsunfall, der zu einer Haftung der Klägerin im Außenverhältnis in Höhe von unstreitig EUR 2.979,20 geführt hat, grob fahrlässig herbeigeführt. Dies rechtfertigt gemäß §§ 28 Abs. 2, 81 Abs. 2 VVG eine Leistungskürzung von 75 %.

Die Beklagte hatte zum Unfallzeitpunkt unstreitig eine Alkoholisierung von mindestens 0,67 Promille. Bei dem Verkehrsunfall handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um einen alkoholtypischen Fahrfehler. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Fahrfehler ausschließlich durch die Alkoholisierung des Fahrers erklären lässt, LG Kaiserslautern, Urteil vom 07. Februar 2014 -3 O 323/13 -, Rn. 32, juris). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das hinter ihr parkende Auto übersehen. Das Übersehen eines stehenden (und nicht während eines Ausparkvorgangs herannahenden) Fahrzeuges ist bereits ein alkoholtypischer Fehler, so dass der Beweis des ersten Anscheins gegen die Beklagte spricht. Durch den Genuss von Alkohol wird die Aufmerksamkeit eingeschränkt. Auf die Geschwindigkeit, mit der die Beklagte ausgeparkt ist, kommt es danach nicht an. Abgesehen davon, ergibt sich aus der Schadenshöhe und den Lichtbildern von den Schäden (Bl. 50 bis 53 der Akte), dass die Beklagte nicht nur ganz leicht und mit geringer Geschwindigkeit gegen das geschädigte Fahrzeug gestoßen ist.

Die Beklagte hat nicht den Beweis dafür erbracht, dass es sich bei dem Unfall nicht um einen alkoholtypischen Fahrfehler handelte und der Unfall nicht durch den Alkoholkonsum grob fahrlässig verursacht wurde. Die Zeugen ... konnten über kein entgegenkommendes Fahrzeug, das die Beklagte beim Rückwärtsfahren geblendet hätte, berichten. Auch der Vortrag der Beklagten selbst ist diesbezüglich sehr ungenau. Sie konnte das vorbei fahrende Auto nicht näher beschreiben. Zudem ist unglaubwürdig, dass dieses Auto nach dem Zusammenstoß einfach weiter gefahren ist.

Bei der Abwägung der Schwere des Verschuldens war zu berücksichtigen, dass die relative Fahruntüchtigkeit bereits mit 0,3 Promille beginnt und 0,67 Promille eine erhebliche Alkoholisierung darstellt. Zu Lasten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass das Führen eines Pkw im Zustand der Fahruntüchtigkeit nach ständiger Rechtsprechung zu einem der schwersten Verkehrsdelikte überhaupt gehört und die Auswirkungen einer Alkoholisierung im Straßenverkehr allgemein bekannt sind. Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass sie nicht ein offensichtlich waghalsiges Fahrmanöver vorgenommen hat, wie etwa auf einer vielbefahrenen Straße zu wenden, und dass keine Personen gefährdet wurden.

Eine Erhöhung des Anspruchs der Klägerin wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen E. 1.1 AKB kommt nicht in Betracht. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin bei einer früheren Meldung des Unfalles durch die Beklagte einen höheren Regressanspruch gegen diese hätte realisieren können.

Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.