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BGH Urteil vom 07.11.2013 - III ZR 263/12 - Beschädigung eines Bundeswehrfahrzeugs auf einem Autobahnrastplatz durch ein Müllentsorgungsfahrzeug der Autobahnmeisterei
BGH v. 07.11.2013: Beschädigung eines Bundeswehrfahrzeugs auf einem Autobahnrastplatz durch ein Müllentsorgungsfahrzeug der Autobahnmeisterei
Der BGH (Urteil vom 07.11.2013 - III ZR 263/12) hat entschieden:
Schädigt ein Landesbediensteter in Ausführung der Bundesauftragsverwaltung den Bund, schließt Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 GG die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen das Land gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG nicht aus, wenn der Bund geschützter Dritter der verletzten Amtspflicht ist.
Siehe auch Amtshaftung im Verkehrsrecht und Parkplatz-Unfälle
Tatbestand:
Die klagende Bundesrepublik Deutschland verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Bundeswehrfahrzeugs. Dieses war ordnungsgemäß auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte abgestellt, während ein Lastwagen der Autobahnmeisterei des Beklagten dort Mülltonnen entleerte. Der Fahrer des Entsorgungsfahrzeugs achtete nicht darauf, dass sich der Greifarm, mit dem die Abfallbehälter bewegt wurden, nach Beendigung eines der Leerungsvorgänge noch nicht wieder in der Ausgangsstellung befand. Beim Anfahren stieß der Ladearm gegen das Fahrzeug der Bundeswehr und beschädigte dieses an Dach und Heckklappe.
Das von der Klägerin wegen ihrer Schadensersatzforderung angerufene Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für nicht eröffnet erachtet und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben und den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.
Das Landgericht hat der Klägerin daraufhin den verlangten Schadensersatz zugesprochen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Senat zugelassene Sprungrevision des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Sprungrevision ist unbegründet.
I.
Das Landgericht hat ausgeführt, das beklagte Land hafte der Klägerin nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Der Mitarbeiter des Beklagten habe seine Amtspflichten fahrlässig verletzt, indem er im Rahmen der Müllentsorgung auf dem Autobahnrastplatz das Fahrzeug der Klägerin beschädigte. Diese sei Dritter im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB. Der Bedienstete des Beklagten sei der Klägerin wie einem Bürger gegenüber getreten. Er und die geschädigte Klägerin hätten nicht im Rahmen der gleichgerichteten Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe zusammengewirkt.
II.
Dies hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG erfüllt sind. Insbesondere ist es richtig, dass die Klägerin geschützter Dritter im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB der durch den Bediensteten des Beklagten verletzten Amtspflicht war. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts Dritter im Sinne dieser Vorschrift sein. Dies setzt voraus, dass ihr der für die haftpflichtige Behörde tätig gewordene Beamte bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist (z.B. Senatsurteile vom 5. Juni 2008 - III ZR 225/07, BGHZ 177, 37 Rn. 11; vom 11. Oktober 2007 - III ZR 301/06, VersR 2008, 252 Rn. 15 und vom 12. Dezember 2002 - III ZR 201/01, BGHZ 153, 198, 201 jew. mwN). Das ist vorliegend der Fall. Die durch den Bediensteten des Beklagten verletzte Amtspflicht, das Müllfahrzeug so zu handhaben, dass fremde Sachen nicht beschädigt werden, gilt gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts in gleicher Weise wie gegenüber privaten Eigentümern. Zudem war es Zufall, dass von dem schädigenden Ereignis ein im Eigentum der Klägerin stehendes Fahrzeug betroffen wurde und nicht dasjenige eines Privaten.
2. Dass das beklagte Land für den von einem Bediensteten der Autobahnmeisterei schuldhaft verursachten Verkehrsunfall dem Bund als Eigentümer des beschädigten (Bundeswehr-)Fahrzeugs nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG 6 Schadensersatz zu leisten hat, steht nicht in Widerspruch zu Art. 104a Abs. 2 GG, wonach dann, wenn - wie hier bei der Verwaltung der Bundesautobahnen (Art. 90 Abs. 2 GG) - die Länder im Auftrag des Bundes handeln, der Bund die sich hieraus ergebenden Ausgaben trägt. Es steht weiter im Einklang mit Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG, wonach Bund und Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung haften.
a) Vom Bund nach Art. 104a Abs.2 GG zu tragende Ausgaben sind lediglich die sogenannten Zweckausgaben. Ihre hiervon zu unterscheidenden Verwaltungsausgaben tragen demgegenüber, wie sich aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 1 GG ergibt, die Länder selbst, auch soweit sie bei Wahrnehmung von Aufgaben der Auftragsverwaltung anfallen (allg. M., z.B. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2010 - 7 A 8.09, juris Rn. 19; Heintzen in v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 104a Rn. 37; Heun in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 104a Rn. 16, 22, 35; Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., Art. 104a Rn. 4; Prokisch in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Mai 2003, Art. 104a Rn. 182; Siekmann in Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 104a Rn. 22; vgl. auch z.B. BVerwGE 128, 99, 105; NVwZ 2009, 599 Rn. 11).
Im Allgemeinen werden den Verwaltungsausgaben die Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des administrativen Apparats, also Personalkosten und Ausgaben für Dienstgebäude, Geräte, Fahrzeuge, Nachrichtenmittel sowie für Geschäftsbedürfnisse, welche die Tätigkeit der Verwaltung ermöglichen, zugerechnet. Dagegen werden als Zweckausgaben die Kosten angesehen, die bei der Verwirklichung des Verwaltungszwecks entstehen; sie werden durch die "Erfüllung der eigentlichen Sachaufgaben" verursacht (z.B. BVerwG, Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5, S. 2; Heintzen aaO Rn. 19; Hellermann in v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, 6. Aufl., Art. 104a Rn. 144; 9 Heun aaO Rn. 17; Prokisch aaO Rn. 71 f; Siekmann aaO Rn. 9). Hierbei handelt es sich um die Ausgaben, die durch die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben entstehen und unmittelbar der Förderung des jeweiligen Sachanliegens dienen sollen (Heintzen aaO; Hellermann aaO; Prokisch aaO Rn. 72; Siekmann aaO; siehe auch BVerwG aaO; BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2010 und NVwZ aaO: "der Sachaufgabe zurechenbar"). Aus dem letztgenannten Erfordernis und aus der in Art. 104a Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 GG enthaltenen Regelung, dass Bund und Länder einander für eine ordnungsgemäße Verwaltung haften, wird abgeleitet, dass Ausgaben, die durch die fehlerhafte Wahrnehmung der Verwaltungstätigkeit erwachsen, unabhängig davon, ob Ausgangspunkt die Ausführung einer konkreten, auf die Förderung des Sachanliegens gerichteten Maßnahme war, nicht - nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund zu tragende - Zweckausgaben darstellen, sondern Verwaltungskosten, die die ausführende Körperschaft zu tragen hat (Heintzen aaO Rn. 54; Prokisch aaO Rn. 306; Siekmann aaO Rn. 46; wohl auch Heun aaO Rn. 36; siehe ferner Begründung der Bundesregierung zum Finanzreformgesetz BT-Drucks. V/2861, Rn. 123; aA Hellermann aaO Rn. 165, 181). Hiernach wären die Aufwendungen für Schadensersatzleistungen, die, wie im vorliegenden Fall, aufgrund von Pflichtverletzungen von Landesbediensteten zu erbringen sind, stets den Verwaltungsausgaben zuzurechnen, die dem Beklagten ohne Erstattungsmöglichkeit durch die Klägerin zur Last fallen.
Der Senat zweifelt allerdings daran, ob diese begriffliche Zuordnung richtig ist. Aufwendungen, die - wie hier die Abfallentsorgung auf dem Autobahnrastplatz - infolge der Ausführung einer konkreten, auf die Erfüllung der Aufgaben der Auftragsverwaltung gerichteten Maßnahme entstehen, sind der Sache nach auf die Verwirklichung des jeweiligen Sachanliegens gerichtet, auch wenn der Zweck aufgrund einer Pflichtverletzung des handelnden Bediensteten ver-11 fehlt wird. Dann aber liegt es nahe, auch diese Aufwendungen unter den Begriff der Zweckausgaben zu subsumieren (so auch Hellermann aaO; siehe ferner Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats zum Finanzreformgesetz, BT-Drucks. V/2861, S. 94).
Hierfür spricht weiterhin, dass die Zuordnung auch solcher Ausgaben zu den Verwaltungskosten in einem Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stünde. Danach kann sich bei nicht ordnungsgemäßer Verwaltung unmittelbar aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 GG ein Schadensersatzanspruch der geschädigten staatlichen Körperschaft (Bund oder Land) ergeben, der entgegen der Auffassung der Revision nicht auf ein sogenanntes Lenkungsversagen der Regierungen und der Parlamente beschränkt ist, sondern auch dann vorliegen kann, wenn einzelne Verwaltungshandlungen fehlerhaft vorgenommen werden (so auch BVerfGE 116, 271, 319 ff; 127, 165, 204 f; aA Stelkens in Härtel, Handbuch Föderalismus - Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt, 2012, S. 425, 453 Rn. 75 f; ders., Die Haftung im Bund-Länder-Verhältnis nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG unter besonderer Berücksichtigung der Bundesfernstraßenverwaltung in Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft 28, S. 35, 43 ff). In Ermangelung eines die Einzelheiten regelnden, in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG vorgesehenen Gesetzes kommt ein solcher Anspruch allerdings nur bei vorsätzlichen und - möglicherweise - grob fahrlässigen Pflichtverletzungen in Betracht (nur bei Vorsatz: BVerwGE 104, 29, 33 f; grobe Fahrlässigkeit genügt: BVerwGE 96, 45, 58; offen gelassen in z.B. BVerwGE 128, 99, 105 mwN).
Wären Ausgaben der vorliegenden Art, die der Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe nicht dienlich sind, nicht als Zweckausgaben zu qualifizieren, 12 sondern den (allgemeinen) Verwaltungskosten zuzurechnen, müssten die Länder auch die auf ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten ihrer Bediensteten zurückzuführenden (Mehr-)Kosten zu tragen haben, obgleich ein Schadensersatzanspruch des Bundes nicht begründet wäre. Damit würden aber die nach der vorzitierten Rechtsprechung bestehenden Beschränkungen der Schadensersatzverpflichtung der Länder nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 GG im Bereich der Auftragsverwaltung in wesentlichem Umfang leerlaufen. Denn eine "Schädigung" des Bundes in diesem Zusammenhang wird in der Regel in der zweckwidrigen Ausführung dieser Verwaltung durch die Länder und den daraus erwachsenen Mehrausgaben bestehen.
b) Jedoch kann in der vorliegenden Fallgestaltung im Ergebnis auf sich beruhen, ob Aufwendungen, die infolge der fehlerhaften Ausführung einer konkreten, auf die Erfüllung der Aufgaben der Auftragsverwaltung gerichteten Maßnahme entstehen, den - von vornherein den Ländern anzulastenden - Verwaltungskosten oder den - grundsätzlich nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund auszugleichenden - Zweckausgaben zuzuordnen sind. Denn auch in letzterem Fall kann sich das beklagte Land gegenüber der klagenden Bundeswehrverwaltung nicht darauf berufen, dass auch unnütze, die Erfüllung der Sachaufgabe verfehlende Zweckausgaben nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund zu tragen sind. Denn vorliegend hat das Land diese Kosten jedenfalls deshalb zu tragen, weil es dem Bund gegenüber für die nicht ordnungsgemäße Verwaltung ausnahmsweise nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu haften hat.
Art. 104a Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 GG ist keine die Haftung im Bund-Länder-Verhältnis abschließende Norm. Vielmehr können daneben andere Anspruchsgrundlagen geltend gemacht werden (Heintzen aaO Rn. 56; Prokisch aaO Rn. 308 a.E.; siehe auch BVerwGE 96, 45, 50, dort werden neben 14 Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG weitere Anspruchsgrundlagen geprüft). Dies betrifft insbesondere § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG, sofern, wie im vorliegenden Fall, die geschädigte Körperschaft im Verhältnis zur schädigenden ausnahmsweise geschützter Dritter ist (diese Möglichkeit übersehen Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., Art. 104a Rn. 11; Siekmann aaO Rn. 48).
3. Auch einfachgesetzliche Bestimmungen stehen einem Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht entgegen.
Eine Beschränkung der - auch: deliktischen - Haftung des Beklagten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, wie es bei zivilrechtlichen Auftragsverhältnissen für gefahrgeneigte Tätigkeiten in Betracht kommt (vgl. z.B. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 455, 456; OLG Frankfurt am Main, NJW 1998, 1232, 1233; siehe auch BGH, Urteile vom 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, NJW 2005, 981 und vom 5. Dezember 1983 - II ZR 252/82, BGHZ 89, 153, 156 f zum Freistellungsanspruch von Vereinsmitgliedern bei Ausführung gefahrgeneigter Aufträge für den Verein) scheidet aus. Die Bundesauftragsverwaltung durch die Länder ist nicht mit einem bürgerlichrechtlichen Auftragsverhältnis vergleichbar. Insbesondere besorgen die Länder keine fremden Geschäfte. Vielmehr haben sie ihre Zuständigkeit als selbständige Glieder des Bundesstaats. Das zwischen Bund und Ländern insoweit bestehende Zuordnungsverhältnis ist eines eigener Art und entzieht sich einer Beurteilung nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (BVerwGE 12, 253, 254).
b) Unbehelflich ist des Weiteren der Hinweis der Revision auf § 4 Abs. 1 des für Dienstunfälle fortgeltenden Gesetzes über die erweiterte Zulassung von Schadensersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 16 1943 (RGBl. I S. 674). Nach dieser Bestimmung scheidet ein Regressanspruch der öffentlichen Verwaltung, die Versorgungsleistungen wegen eines Dienstunfalls bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr erbringt, gegen die zum Schadensersatz verpflichtete Verwaltung aus. Diese auf beamtenrechtliche Versorgungsleistungen begrenzte Regelung kann auf andere Schäden im Verhältnis von Bund und Ländern nicht entsprechend angewendet werden, weil sie eine Abweichung zu den durch Art. 104a GG bestimmten allgemeinen Finanzbeziehungen im Bund-Länder-Verhältnis mit Ausnahmecharakter darstellt.