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OLG Rostock Urteil vom 03.09.2010 - 5 U 139/09 - Haftung der Gemeinde bei Schädigung Dritter anlässlich eines Feuerwehreinsatzes
OLG Rostock v. 03.09.2010: Haftung der Gemeinde bei Schädigung Dritter anlässlich eines Feuerwehreinsatzes
Das OLG Rostock (Urteil vom 03.09.2010 - 5 U 139/09) hat entschieden:
Wird ein in der Nähe eines brennenden Wohnhauses abgestelltes Fahrzeug bei einem Feuerwehreinsatz durch herabfallende Dachziegel beschädigt, so bestehen keine Schadensersatzansprüche des Fahrzeugeigentümers aus Amtshaftung oder enteignungsgleichem Eingriff.
Siehe auch Amtshaftung im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema Verkehrszivilrecht
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadenersatz wegen behaupteter Amtspflichtverletzung in Anspruch.
Am Morgen des 25.04.2008 brach in der Dachgeschosswohnung des Hauses xxx in xxx ein Brand aus. Im Zuge der Brandbekämpfung mussten Dachziegel von dem Dach des vorgenannten Gebäudes entfernt werden. Mehrere Dachziegel fielen herunter; zersplitterten und beschädigten den auf einer dem Haus gegenüberliegenden Parkfläche stehenden Pkw des Klägers.
Der Kläger, der die Ansicht vertritt, die Feuerwehrbeamten hätten unter Missachtung der erforderlichen Sorgfalt sein Fahrzeug durch unsachgemäßes Vorgehen beschädigt, begehrt Ersatz der gemäß Kostenvoranschlag vom 29.04.2008 für die Beseitigung der Schäden voraussichtlichen Reparaturkosten in Höhe von 2.075,42 € netto zuzüglich einer Auslagenpauschale von 25,00 € sowie Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 €.
Die Beklagte stellt eine Amtspflichtverletzung in Abrede.
Das Landgericht xxx hat den Zeugen xxx, Ingenieur im Brandschutz, vernommen und mit Urteil vom 26.05.2009 die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es vorliegend bereits an einer Pflichtwidrigkeit des Vorgehens fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Die Verantwortlichen der Beklagten hätten bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass durch das Öffnen des Daches mittels eines Einreißhackens Dachziegel herunterrutschen, auf die Straße fallen, dort zerbrechen und parkende Fahrzeuge beschädigen. Um dies zu verhindern, hätten sie sie lediglich mit Decken, Pappe oder ähnlichen Gegenständen abdecken müssen. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bestehe nicht; das Ermittlungsverfahren gegen zunächst Tatverdächtige sei durch die Staatsanwaltschaft xxx eingestellt worden. Im Übrigen bestünde ein Anspruch auch nach den Vorschriften des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes M-V, sowie aus § 904 BGB. In Höhe der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten bestehe, da ihm diese bis zum Ende des Verfahrens gestundet seien, jedenfalls einen Anspruch auf Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten.
Der Kläger beantragt,
das am 26.05.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin, 4 O 466/08, aufzuheben und
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.100,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.2008 sowie
- an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,87 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise, ihn von den Kosten in dieser Höhe gegenüber Herrn Rechtsanwalt ... in xxx freizustellen.
Die Beklage, die
Zurückweisung der Berufung
beantragt, verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zu Recht und mit zutreffender Begründung habe das Landgericht nach Vernehmung des Einsatzleiters der Feuerwehr eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Beklagten verneint. Geparkte Fahrzeuge mit Decken, Pappen oder ähnlichen Gegenständen abzudecken sei nicht Aufgabe der Feuerwehr und könne es bei einer Brandbekämpfung auch nicht sein. Derartige Gegenstände würden auch nicht mitgeführt. Zu den Voraussetzungen des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB habe der Kläger substanziiert nichts vorgetragen. Seine Behauptung, der Verursacher des Brandes sei nicht ermittelt worden, werde mit Nichtwissen bestritten. Ansprüche aus § 904 BGB oder aus § 27 Abs. 1 oder Abs. 2 des Brandschutzgesetzes M-V würden nicht in Betracht kommen. Die Schadenshöhe bleibe nach Maßgabe des erstinstanzlichen Vortrages bestritten.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte schuldet ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ersatz der durch den Brandbekämpfungseinsatz vom 25.04.2008 entstandenen Schäden.
1. Die Beklagte haftet weder aus Amtshaftungsrecht nach Art. 34 GG, § 839 Abs. 1 BGB, noch aus Staatshaftungsrecht gem. § 1 Abs. 1 des Staatshaftungsgesetzes der ehemaligen DDR (StHG), das gem. Art. 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i. V. m. Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt III des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 in Mecklenburg-Vorpommern bis zu seiner Aufhebung im März 2009 (vgl. GVOBl. M-V S. 281) als Landesrecht fortgalt.
1.1. Mit zutreffender Begründung, der der Senat uneingeschränkt beitritt und die der Kläger mit seiner Berufung auch nicht angreift, hat das Landgericht festgestellt, dass das Vorgehen der Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr bei der Bekämpfung des Brandes nicht pflichtwidrig oder unsachgemäß war.
Der in der Berufungsinstanz erhobene Einwand des Klägers, die Mitarbeiter der Feuerwehr hätten zur Verhinderung von Schäden die parkenden Fahrzeuge mit Decken, Pappen oder ähnlichen Gegenständen abdecken können und müssen, ist nicht gerechtfertigt. Vorrangige Aufgabe der Feuerwehr ist die Brandbekämpfung und die Rettung gefährdeter Personen und Güter. Vorliegend brannte das Dachgeschoss eines Wohnhauses, die Gefährdung von Personen war nicht auszuschließen und ein Ausbreiten des Brandes auf Nachbargebäude musste verhindert werden. Die Brandbekämpfungsmaßnahmen mussten daher schnellstmöglich durchgeführt werden. Im Hinblick darauf war es ausreichend, dass die Einsatzkräfte über die Polizei die Halter der in der Nähe befindlicher Fahrzeuge über die zwingend einzuleitenden Maßnahmen informieren ließ. Dass auch der Kläger gegen 7.00 Uhr von den Löschmaßnahmen informiert wurde, ist unstreitig. Zudem kann hier nicht unbeachtet bleiben, dass das Fahrzeug des Klägers nicht im unmittelbaren Gefahrenbereich stand, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Hauses geparkt war, in dem die Brandbekämpfung erfolgte, so dass auch auch diesem Grund besondere Schutzmaßnahmen nicht angezeigt waren.
1.2. Der Schadenersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB bzw. § 1 Abs. 1 StHG scheitert zudem am Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 3 Abs. 3 StHG, denn die Beklagte haftet allenfalls subsidiär.
Der Anspruch aus der verschuldensunabhängige Staatshaftung besteht grundsätzlich nicht, als ein Ersatz des Schadens auf andere Weise erlangt werden kann (§ 3 Abs. 3 StHG). Für den Amtshaftungsanspruch gilt dies, sofern dem Amtsträger lediglich Fahrlässigkeit zur Last fällt (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass die Einsatzkräfte der Feuerwehr sein Fahrzeug durch Abdecken vor einer möglichen Beschädigung hätte schützen müssen, wäre ihnen lediglich eine fahrlässige Pflichtverletzung und Schadensverursachung vorzuwerfen.
Es ist Sache des Klägers, die für das Vorliegen der zur Klagebegründung gehörenden (negativen) Anspruchsvoraussetzung des Nichtbestehens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit darzulegen und zu beweisen (BGH, Urt.v.10.01.2002, III ZR 13/01, NJW 2002, 1266 f.). Vorliegend ergibt sich bereits aus dem Sachverhalt selbst, dass er eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegen den Brandverursacher, ggf. auch gegen den Eigentümer des Grundstücks xxx in xxx haben könnte. Dass und weshalb die Inanspruchnahme dieser Personen keine Aussicht auf Erfolg verspricht, hat der Kläger auch auf den diesbezüglichen Einwand der Beklagten nicht substantiiert dargelegt. Mit seiner bloßen - erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen - Behauptung, ein Ermittlungsverfahren gegen zunächst Tatverdächtige durch die Staatsanwaltschaft xxx zum Az: xxx/08 sei eingestellt worden, die die Beklagte zulässig mit Nichtwissen bestreitet, genügt er der ihm obliegenden Darlegungslast nicht.
2. Ansprüche auf Schadenersatz aus § 27 Abs. 1 oder Abs. 2 des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes für Mecklenburg-Vorpommern (BrSchG M-V) sind nicht begründet.
2.1. Ein Schadenersatzanspruch nach § 27 Abs. 1 BrSchG M-V setzt die Verpflichtung einer Person zur persönlichen Hilfeleistung bzw. die freiwillige Hilfeleistung bei Bränden oder öffentlichen Notständen voraus. Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Weder war der Kläger zur Hilfeleistung herangezogen worden, noch hat er freiwillig Hilfe bei der Brandbekämpfung geleistet.
2.2. Ein Entschädigungsanspruch nach § 27 Abs. 2 BrSchG M-V setzt eine Inanspruchnahme von Sachen (hier der Pkw des Klägers) i. S. von § 7 Abs. 3 b BrSchG M-V voraus. Nach dieser Regelung muss die fremde Sache zur Brandbekämpfung eingesetzt worden sein, was hier unstreitig nicht der Fall war.
3. Ein Anspruch aus § 904 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20. Februar 1992 entschieden, dass § 904 S. 2 BGB bei hoheitlicher Einwirkung nicht anwendbar ist (III ZR 188/90, NJW 1992 3229 ff.). Auch setzt der Anspruch aus § 904 BGB voraus, dass die Einwirkung auf die fremde Sache die Gefahrenabwehr bezweckt, wohingegen hier die Einwirkung auf den Pkw des Klägers nur zufällig und gelegentlich der Gefahrenabwehr erfolgte. Schließlich haftet der Einwirkende auch nicht gem. § 904 S. 2 BGB wenn ihn - wie vorliegend die Feuerwehrleute - Handlungspflichten aus § 323 c StGB treffen (vgl. Pal./Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 904 Rdn. 5).
4. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht mit Erfolg auf die Grundsätze des enteignungsgleichen oder des enteignenden Eingriffs stützen.
Es kann dahinstehen, ob eine Haftung nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen oder des enteignenden Eingriffs bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil die Regelung des § 27 BrSchG M-V als spezialgesetzliche Regelung einem Entschädigungsanspruch nach diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorgeht (vgl. hierzu OLG Rostock, Beschl.v.30.09.1998, 1 W 64/97, NVwZ 2000, S. 474 m. w. N.).
Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff ist wegen des vorrangigen StHG ausgeschlossen. Der Anspruch aus § 1 StHG hat im Wesentlichen dieselben Voraussetzungen wie der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Es bedarf lediglich eines rechtswidrigen Eingriffs in das Eigentum des Bürgers; ein Verschulden ist im Gegensatz zu § 839 BGB nicht erforderlich. Diese verschuldensunabhängige staatliche Unrechtshaftung geht als spezialgesetzliche Konkretisierung den allgemeinen, auf Richterrecht beruhenden Grundsätzen über den enteignungsgleichen Eingriff vor (BGH, Urt.v.19.12.1985, III ZR 190/94, NVwZ-RR 1997, 204, 205).
Ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff kommt nur in Betracht, wenn eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme bei einem Betroffenen zu Nachteilen führt, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen (BGH, Urt.v.20.02.1992, III ZR 188/90, NJW 1992 3229 ff.). Die letztgenannte Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob die durch die Dachziegelsplitter am Fahrzeug des Klägers verursachten Schäden die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen, was im Hinblick auf Art und Umfang dieser Schäden bereits zweifelhaft ist. Die Frage, was als enteignungsrechtlich zumutbar hingenommen werden muss, beantwortet sich nicht allein nach der Höhe des entstandenen Schadens, sondern auch danach, ob eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht. Selbst wenn man also zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der Schadensumfang für sich genommen die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigt, dann wäre ein Entschädigungsanspruch nur gegeben, wenn er nicht auf andere Weise Ersatz dieser Schäden erlangen kann, bspw. durch Versicherungsleistungen oder durch Schadenersatzleistungen Dritter. Das Fehlen dieser (negativen) Anspruchsvoraussetzung hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht dargetan.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.