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OLG Düsseldorf Beschluss vom 13.07.2015 - I-1 U 164/14 - Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten bei einem Vorschaden

OLG Düsseldorf v. 13.07.2015: Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten bei einem Vorschaden


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.07.2015 - I-1 U 164/14) hat entschieden:
  1. Kann ein Geschädigter aufgrund einer durch einen Vorschaden bedingten Schadensüberlagerung auf der rechten Fahrzeugseite die ausschließlich durch den streitgegenständlichen Unfall entstandenen Schäden nicht nachweisen und ist aufgrund des pauschalen Vortrags des Geschädigten selbst die Schätzung eines Mindestschadens nicht möglich, ist die Klage vollständig abzuweisen.

  2. Einer Schadensschätzung kann auch der zum Zeitpunkt der Erstellung des Schadensgutachtens festgestellte Km-Stand entgegen stehen, wenn dieser nicht zutreffen kann.

Siehe auch Alt- bzw. Vorschäden am Fahrzeug und Inkompatible Schäden


Gründe:

Die Berufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts hat keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung nicht erfordern, beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat vollumfänglich Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils, die im Hinblick auf das Berufungsvorbringen durch folgende Erwägungen zu ergänzen sind:

1. Der Kläger hat keinen Schadenersatzanspruch aufgrund des vom Versicherungsnehmer der Beklagten verursachten Schadensereignis, weil der Kläger aufgrund eines Vorschadens auf der auch nunmehr betroffenen rechten Seite des Fahrzeugs seinen Schaden nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt hat.

a. Grundsätzlich kann im Fall von Vorschäden der Geschädigte mit dem späteren Schadenereignis kompatible Schäden dann ersetzt verlangen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. Hierfür muss der Geschädigte den Umfang des Vorschadens und dessen Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind (vgl. Senat, Urteil vom 06.02.2006, DAR 2006, 324). Insoweit muss der Geschädigte geeignete Schätzgrundlagen, welche Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schadens und seine Höhe bieten, beibringen. Eine Schätzung ist unzulässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (vgl. BGH NJW 1984, 2216; NJW 1987, 909; Senat Schaden-Praxis 2011, 114). Soweit der geltend gemachte Schaden technisch und rechnerisch eindeutig von den Vorschäden abgrenzbar ist, besteht jedenfalls in dieser Höhe ein Ersatzanspruch des Geschädigten (vgl. OLG München NZV 2006, 261, Anschluss durch Senat DAR 2008, 344). Ist hingegen eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge (vgl. nur Senat, Schaden-Praxis 2011, 114).

b. Aufgrund der Schadensüberlagerung auf der rechten Fahrzeugseite des Mercedes SLK kann der Kläger die ausschließlich durch das Ereignis vom 10.05.2013 in Viersen entstandenen Schäden nicht nachweisen. Der Kläger hat zu dem Vorschaden auf der rechten Fahrzeugseite angegeben, dieser sei dadurch entstanden, dass ein anderer Pkw sein auf einem Parkplatz geparktes Fahrzeug angefahren habe (Bl. 83 d. A.). Die Beifahrertür sei hierbei – wie auch bei dem streitgegenständlichen Unfall – beschädigt worden. Diesen Vorschaden habe er privat und ohne Rechnung beheben lassen (Bl. 84 d. A.). Mit der Berufungsbegründung führt der Kläger weiter aus, er habe nach seiner Erinnerung 3.500,00 € für die Schadensbehebung gezahlt (Bl. 145 d. A.). Dieser Vortrag ist nicht geeignet, einen abgrenzbaren und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit allein auf das streitgegenständliche Schadensereignis zurückzuführenden Schaden nachzuweisen. Zwar ist dem Kläger zugute zu halten, dass er den Vorschaden auf der auch nunmehr betroffenen rechten Fahrzeugseite wie auch einen weiteren auf der linken Fahrzeugseite offengelegt hat. Dennoch ist aufgrund des pauschalen Vortrags selbst die Schätzung eines Mindestschadens nicht möglich. Zum einen beschreibt der Kläger den Vorschaden auf der Beifahrerseite in keiner Weise näher. Zum anderen erscheint es auch deswegen nicht sachgerecht, die Kosten für die Erneuerung der Beifahrertür aus der Schadensberechnung auszuklammern, weil die insoweit bekannten Schadenssummen nicht plausibel zusammenzubringen sind. Dem Schadensgutachten des Sachverständigen Z zufolge kostet eine neue Beifahrertür netto 748,99 €. Selbst wenn man hierzu Kleinteile, Lackier- und Einbaukosten hinzuaddiert, erreicht die Schadenssumme nicht den Betrag in Höhe von 3.500,00 €, den der Kläger für die Beseitigung aufgewandt haben will. Berücksichtigt man zusätzlich, dass eine Schadensbehebung privat und ohne Rechnung regelmäßig günstiger ausfällt als die Reparatur in einer Werkstatt, wäre ein Werklohn in Höhe von 3.500,00 € nur dann erklärlich, wenn die Schäden einen deutlich größeren Bereich betroffen hätten als nur die Beifahrertür. Darüber, welche Schäden noch vorgelegen haben können, kann nur spekuliert werden. Auf dieser Grundlage ist demnach eine nachvollziehbare Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO nicht möglich.

c. Einer Schadensschätzung steht desweiteren entgegen, dass die Beklagte – vom Kläger unbestritten – vorgetragen hat, dass der beim Fahrzeug zum Zeitpunkt der Erstellung des Schadensgutachtens festgestellte Km-Stand von 86.719 km nicht zutreffend sein kann, weil der TÜV im Jahr 2007 eine Laufleistung von 93.000 km und im Jahr 2009 von 130.000 km dokumentiert hat. Auch wenn dies dem Kläger nicht bekannt war, sind damit sowohl der im Schadensgutachten geschätzte Wiederbeschaffungs- als auch der Restwert objektiv nicht zutreffend. Der Kläger hat das Fahrzeug zwischenzeitlich veräußert, so dass – ungeachtet fehlender Beweisantritte – nicht ersichtlich ist, wie Wiederbeschaffungs- und Restwert noch verlässlich ermittelt werden können. Es obliegt dem Geschädigten auch in Fallgestaltungen, in denen er einem betrügerischen Verhalten seines Verkäufers ausgesetzt war, seinen Schaden nachvollziehbar darzulegen und zu beweisen. Denn es kann nicht dem Schädiger angelastet werden, dass sich der Geschädigte in Beweisnot befindet.

2. Auch ein etwaiger Verfahrensfehler des Landgerichts führt nicht zu einem anderen Ergebnis. So kann als verfahrensfehlerhaft erscheinen, dass das Landgericht einen Antrag des Klägers auf Schriftsatznachlass gemäß § 139 Abs. 5 ZPO, um weiter zum Vorschaden vortragen zu können, in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen hat. Jedoch wird regelmäßig ein gerichtlicher Hinweis nicht dadurch ersetzt, dass allein die gegnerische Partei auf den unzureichenden Vortrag unter Hinweis auf die zutreffende Sach- und Rechtslage hinweist (s. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 139 Rdnr. 6 a.) Jedoch ist der Kläger – wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht – sodann auch mit der Urteilsbegründung auf seinen mangelnden Vortrag hingewiesen worden, so dass insoweit eine entsprechende Hinweispflicht seitens des Senates nicht mehr besteht. Dennoch hat der Kläger, der ausweislich seiner Berufungsschrift die Notwendigkeit zum weiteren Vortrag bezüglich des Vorschadens erkannt hat, nichts Substantielles dargelegt. Eines richterlichen Hinweises bedarf es im Berufungsverfahren nicht, wenn der Kläger bereits erstinstanzlich einen entsprechenden Hinweis erhalten und er in seiner Berufungsbegründung gezeigt hat, dass er diesen Hinweis erfasst hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 – IX ZR 207/05 –, NJW-RR 2008, 581).







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