Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 21.12.2000 - VII ZR 192/98 - Honorarzahlung ohne Rechnungsstellung
BGH v. 21.12.2000: Honorarzahlung ohne Rechnungsstellung
Der BGH (Urteil vom 21.12.2000 - VII ZR 192/98) hat entschieden:
Allein der Umstand, dass ein Architekt oder Handwerker ohne Rechnungsstellung bezahlt werden soll, führt nicht zur Nichtigkeit des Vertrags.
Siehe auch Schwarzarbeit / Schwarzlohnabrede und Reparaturkosten
Tatbestand:
Die Klägerin errichtete in den Jahren 1984/85 ein Wohnhaus. Sie verlangt wegen verschiedener Mängel Schadensersatz, von der Beklagten zu 2 wegen fehlerhafter Dachdecker-und Isolierarbeiten und von dem Beklagten zu 1 wegen unzureichender Bauaufsicht. Die Parteien streiten über das Vorhandensein zahlreicher von der Klägerin behaupteter Mängel, die Verantwortlichkeit hierfür und die Höhe der erforderlichen Beseitigungskosten.
Die Klägerin stellte unmittelbar nach Bezug des Hauses unter anderem Feuchtigkeitseinwirkungen an sämtlichen Gebäudeteilen fest. Verschiedene Nachbesserungsversuche schlugen fehl. Die Klägerin hat schließlich der Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 30. Juni 1987 Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 30. Juli 1987 gesetzt und das mit einer Ablehnungsandrohung verbunden. Mit Schreiben gleichen Datums hat sie den Beklagten zu 1 aufgefordert, sich der Mängelbeseitigung anzunehmen. Nach ergebnislosem Fristablauf ließ die Klägerin die von ihr für erforderlich gehaltenen Mängelbeseitigungsarbeiten durch Dritte ausführen.
Die Klägerin hat von den Beklagten zu 1 und 2 gesamtschuldnerisch die Kosten für die Beseitigung der von ihr behaupteten Mängel in Höhe von 127.288,37 DM ersetzt verlangt. Nach dem angefochtenen Teilurteil ist diese Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A. Die Revision der Klägerin hinsichtlich der Beklagten zu 2 I.
I.
1. Das Berufungsgericht meint, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2 wegen mangelhafter Dachdecker-und Isolierarbeiten scheide aus. Das Schreiben der Klägerin vom 30. Juni 1987 betreffe nur Feuchtigkeitserscheinungen im Erd-und Kellerbereich, die, wie sich "aus den eingeholten Gutachten" ergebe, mit dem Gewerk der Beklagten zu 2 nicht zusammenhingen. Abgesehen vom Erd- und Kellerbereich fehle es somit an einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gegenüber der Beklagten zu 2.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt der Auftraggeber den Anforderungen an ein hinreichend bestimmtes Mangelbeseitigungsverlangen wie auch an eine schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mängelursachen im einzelnen zu bezeichnen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 -VII ZR 115/97, BauR 2000, 261 = NZBau 2000, 73 = ZfBR 2000, 116).
b) Die Würdigung des Mangelbeseitigungsverlangens der Klägerin durch das Berufungsgericht wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Die Klägerin hat sich in ihrem Schreiben vom 30. Juni 1987 nicht auf Feuchtigkeitserscheinungen im Erd- und Kellerbereich beschränkt. Diese hat sie vielmehr nur beispielsweise genannt, ohne ihr Verlangen gegenständlich zu begrenzen. Die Klägerin hat die Mangelerscheinungen auch hinreichend genau bezeichnet. Sie hat erhebliche Feuchtigkeit im hinteren Gebäudebereich gerügt, insbesondere auch bei den Terrassentüren und beim Schwimmbadanschluss. Daneben hat sie Feuchtigkeit im Gebäudeinneren "im Bereich der vom Kellerboden ausgehenden Gebäudeteile" beschrieben. Ferner hat die Klägerin auf Feuchtigkeitseinwirkungen im Bereich der Treppenanlagen im vorderen Teil des Hauses hingewiesen, die die Wände schimmeln ließen. Die Klägerin hat diese Mangelerscheinungen in ihrem Schreiben vom 30. Juni 1987 ausdrücklich mit den Dachdecker-und Isolierarbeiten der Beklagten zu 2 in Verbindung gebracht.
Es trifft auch nicht zu, dass jeglicher Zusammenhang zwischen den Feuchtigkeitserscheinungen und dem Gewerk der Beklagten zu 2 ohne weiteres zu verneinen ist. Das Berufungsgericht hat sich insoweit nicht mit der Auffassung des Sachverständigen M. auseinandergesetzt, wegen des Dachaufbaus tropfe und fließe im Falle außenseitiger Erwärmung Kondens-oder Schmelzwasser auf die darunter liegende Unterspannbahn und laufe von dort bis auf die Holzschalung, wo es weiter auf die Wärmedämmschicht geleitet werde, die es teilweise durchnässe. Der so ausgebildete Dachaufbau sei daher mit erheblichen Risiken behaftet gewesen, weil die bogenförmige Dachfläche keinen ausreichenden und durchgehenden Zwischenraum für eine zirkulierende Luftschichtebene zum Abbauen des dachinnenseitig anfallenden Wassers besessen habe (vgl. GA III, 406). Danach bestand die Gefahr, dass infolge des vom Beklagten zu 2 ausgeführten Dachaufbaus Wasser in das Gebäude abgeführt wurde.
Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 sei bereit gewesen, die vom Sachverständigen P. festgestellten Mängel zu beseitigen und habe das der Klägerin ab Oktober 1989 auch angeboten, kann das Urteil nicht tragen, weil es an weiter erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt (§§ 561, 563 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien nachträglich eine Nachbesserung vereinbart haben, liegen nicht vor. Eine mehr als zwei Jahre nach Fristablauf (§ 634 Abs. 1 Satz 1 BGB) abgegebene Erklärung des Unternehmers, nachbessern zu wollen, lässt ein Nachbesserungsrecht nicht neu entstehen.
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, hinsichtlich der Belüftung im Traufbereich scheide ein Schadensersatzanspruch der Klägerin auch deshalb aus, weil der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 11. September 1984 seine Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung geäußert habe.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass ihr das Schreiben erstmals in einer außergerichtlichen Verhandlung vom 24. August 1989 vorgelegt worden sei. Dass das Schreiben der Klägerin rechtzeitig zugegangen ist, stellt das Berufungsgericht nicht fest.
III.
Das Berufungsurteil kann danach hinsichtlich der Beklagten zu 2 keinen Bestand haben.
Soweit sich eine Haftung der Beklagten zu 2 ergibt, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob Fassadenflächen des Hauses infolge ungenügender Traufenausbildung des Daches durch die Beklagte zu 2 verschmutzt worden sind. Der Sachverständige M. hat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer ungenügenden Traufenausbildung des Daches und der Fassadenverschmutzung für den Fall bejaht, dass die Schmutzstreifen "überall unterhalb der Traufen und Giebelwandabdeckungen vorhanden gewesen waren" (GA III, 412). Die Aussage des Zeugen B. vor dem Landgericht (GA IV, 726 f) könnte in diese Richtung deuten. Der Sachverständige M. hat bekundet, aus einer Fotografie im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. werde erkennbar, dass gegenüber den zeichnerischen Vorgaben des planenden Architekten die Abdichtung der Stufen an den Wänden nicht hoch genug geführt und damit eine andere Ausführungsweise gewählt wurde (GA III, 417). Das Berufungsgericht wird klären müssen, ob eine Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2 hinsichtlich der Abdichtung weiter verneint werden kann.
B. Die Revision der Klägerin hinsichtlich des Beklagten zu 1 I.
I.
Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht von der Wirksamkeit des Vertrages aus. Der Beklagte zu 1 stellt sich zu Unrecht auf den Standpunkt, der Vertrag sei unwirksam, weil er mit dem Auftraggeber vereinbart habe, dass das Honorar schwarz, das heißt ohne Rechnungsstellung, bezahlt werden solle. Eine derartige Abrede führt nicht zur Nichtigkeit des Architektenvertrages. Der Umstand, dass die Abrede eine Steuerhinterziehung erleichtern soll, hat auf die Wirksamkeit des Vertrages keinen Einfluss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vertrag, mit dessen Abwicklung eine Steuerhinterziehung verbunden ist, nur dann nichtig, wenn die Steuerhinterziehung Hauptzweck des Vertrages ist (BGH, Urteil vom 23. Juni 1997 -II ZR 220/95 = BGHZ 136, 125, 132). Der Hauptzweck des Architekten-oder Bauvertrages ist in der Regel nicht auf eine Steuerhinterziehung, sondern auf die Errichtung des vereinbarten Werkes gerichtet. Auch hier fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Steuerhinterziehung als Hauptzweck.
Grundsätzlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Nichtigkeit der Abrede, keine Rechnung zu stellen, die Nichtigkeit des gesamten Vertrages erfasst (a.A. OLG Hamm, ZfBR 1997, 151). Die Abrede hat auf die Verpflichtung zur Vergütung des vereinbarten Honorars ohne Mehrwertsteuer keinen Einfluss. Dieses bleibt auch dann ohne Mehrwertsteuer geschuldet, wenn die "Ohne-Rechnung"-Abrede unwirksam ist.
II.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entfällt ein Anspruch nicht wegen eines Haftungsverzichts der Klägerin. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte zu 1 habe den Abschluss eines Erlassvertrages nicht bewiesen.
Die gegen diese tatrichterliche Feststellung und Würdigung erhobenen Verfahrensrügen des Beklagten zu 1 hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
III.
1. Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin als Auftraggeberin sei ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten zu 1 als bauleitendem Architekten zu versagen. Sie habe es versäumt, den Mangel durch die nachbesserungswillige Beklagte zu 2 beseitigen zu lassen. Im Falle der Beseitigung würde ihr kein Schaden verblieben sein (§ 254 BGB).
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zwischen dem Auftragnehmer und dem bauleitenden Architekten besteht ein Gesamtschuldverhältnis, wenn dieser seine Aufsichtspflicht und jener seine Herstellungspflicht mit der Folge eines Werkmangels verletzt (st.Rspr., vgl. schon BGH, Beschluss vom 1. Februar 1965 -GSZ 1/64 = BGHZ 43, 227 = NJW 1965, 1175). Es steht dem Auftraggeber in einem solchen Fall frei, an wen er sich halten will. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist selbst dann nicht anwendbar, wenn der Auftraggeber von dem Architekten gemäß § 635 BGB Schadensersatz verlangt, ohne zuvor gegen den Unternehmer einen Erfolg versprechenden Nachbesserungsanspruch geltend gemacht zu haben (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Oktober 1970 -VII ZR 14/69, BauR 1971, 60, 61 m.w.N.).