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Landgericht Köln Urteil vom 23.10.2015 - 7 O 53/13 - Kein Ersatzanspruch bei inkompatiblen Schäden

LG Köln v. 23.10.2015: Kein Ersatzanspruch bei inkompatiblen Fahrzeugschäden


Das Landgericht Köln (Urteil vom 23.10.2015 - 7 O 53/13) hat entschieden:
Steht fest, dass nicht sämtliche Schäden am Unfallfahrzeug auf das Unfallereignis zurückzuführen sind und macht der Geschädigte zu den inkompatiblen Schäden keine Angaben bzw. bestreitet er wie hier das Vorliegen von irgendwelchen Vorschäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden kein Ersatz zu leisten, die unter Umständen dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten. Es kann in diesen Fällen nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass auch die kompatiblen Schäden unfallfremd sind und/oder auch in diesem Bereich bereits umfangreiche Vorschäden vorlagen.


Siehe auch Inkompatible Schäden am Unfallfahrzeug und Alt- bzw. Vorschäden am Fahrzeug


Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem vom Kläger behaupteten Verkehrsunfall, der sich am 23. Mai 2012 gegen 19:10 Uhr auf der A-​Straße in Köln ereignet haben soll.

Der Kläger ist Halter des BMW X5, amtliches Kennzeichen .... Der Beklagte zu 1) war im Unfallzeitpunkt Halter des PKW BMW X6 mit dem amtlichen Kennzeichen ...1. Der Beklagte zu 2) war nach Behauptung des Klägers und der Beklagten zu 1) und 2) im Unfallzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs des Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 3) war zum streitgegenständlichen Zeitpunkt der Haftpflichtversicherer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ...1.

Der Kläger beauftragte am 01. Juni 2012 die C GbR mit der Erstellung eines Gutachtens zu den Schäden am klägerischen PKW. Dessen Gutachten (Bl. 8 ff. d.A.) wies Reparaturkosten in Höhe von 20.690,65 EUR netto und Wertminderung in Höhe von 2.000,00 EUR aus. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige 1.480,24 EUR. Der Kläger ließ das Fahrzeug anschließend reparieren und nutzte es seitdem weiter.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 26.Juli 2012 forderte der Kläger die Beklagte zu 3) zur Regulierung des Sachschadens auf.

Der Kläger behauptet, dass er Eigentümer des BMW X5 sei. Er behauptet, dass er den PKW am behaupteten Unfalltag ordnungsgemäß auf dem Parkstreifen der A-​Straße auf Höhe der Hausnummer 57 geparkt habe. Der Beklagte zu 2. sei mit dem von ihm gesteuerten BMW X6 gegen das geparkte Fahrzeug gefahren. Der Kläger behauptet, dass sämtliche vom Sachverständigen X dokumentierten Schäden einschließlich der Wertminderung aus dem Unfallereignis herrührten (Bl. 103 d.A.). Er behauptet weiter, dass er durch die Reparatur des Fahrzeuges einen Nutzungsausfall von sieben Tagen erlitten habe. Der Nutzungsausfallschaden belaufe sich insoweit auf 455,00 EUR. Desweiteren macht der Kläger neben dem Reparaturkostenschaden und der Wertminderung als Schadensersatz noch die Sachverständigenkosten und eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR geltend.

Der Kläger hat ursprünglich nur die Beklagten zu 1. und zu 2. verklagt. Die Beklagten zu 1. und 2. haben mit Schriftsatz vom 02.05.2013 (Bl. 51 d.A.) der nunmehrigen Beklagten zu 3. den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 10.06.2013 (Bl. 56 d.A.) ist die nunmehrige Beklagte zu 3. dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten zu 1. und 2. beigetreten. Mit Schriftsatz vom 13.11.2013 (Bl. 121 d.A.) hat der Kläger die Klage in Höhe von 195,00 EUR zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 13.02.2014 (Bl. 133 d.A.) hat der Kläger die Klage dann wieder um 195,00 EUR erhöht und auf die nunmehrige Beklagte zu 3. erweitert.

Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger einen Beitrag in Höhe von 24.845,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) seit dem 23. November 2012, gegenüber dem Beklagten zu 2) seit dem 22.November zu zahlen,
sowie
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, den Kläger von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten N & O, B-​Straße, ... Düsseldorf, in Höhe von 1.116,08 Euro für die außergerichtliche Tätigkeit freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 3) bestreitet das behauptete äußere Unfallgeschehen und behauptet, dass - soweit die Fahrzeuge überhaupt zusammen gestoßen seien - es sich um ein gestelltes Unfallereignis gehandelt habe. Wegen der im Einzelnen hierzu von der Beklagten zu 3) vorgetragenen Indizien wird auf Blatt 144 i.V.m. 57 ff. und 110 f. d.A. verwiesen.

Die Akte der Stadt Köln mit dem Aktenzeichen 712.150.393.098. war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17.04.2014 (Bl. 147 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen Y und H und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2014 (Bl. 167 ff. d.A.) und auf das Gutachten des Sachverständigen vom 07.07.2015 (Bl. 200 ff. d.A.) verwiesen.

Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 07.08.2015 (Bl. 284 d.A.), 18.08.2015 (Bl. 287 d.A.) und 02.09.2015 (Bl. 288 d.A.) einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.


Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ansprüche ergeben sich insbesondere nicht aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG, § 115 VVG oder aus § 823 Abs. 1 BGB.

Die zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3. streitigen Fragen, ob der behauptete Unfallhergang tatsächlich stattgefunden und ob es sich hierbei um ein unfreiwilliges Ereignis gehandelt hat, können dabei offen bleiben. Der Kläger hat jedenfalls nicht darlegen und beweisen können, dass ihm aus dem behaupteten Unfallereignis die geltend gemachten Schäden entstanden sind. Im Gegenteil steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass ein Teil der Schäden nicht aus dem behaupteten Unfallereignis herrührt.

Die Kammer stützt sich dabei maßgeblich auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-​Ing. P. Dieser hat im Rahmen einer Kompatibilitätsanalyse festgestellt und nachvollziehbar dargelegt, dass nicht sämtliche geltend gemachten Schäden am klägerischen Fahrzeug einer Kollision mit dem Fahrzeug der Beklagtenseite zugeordnet werden können. Er unterscheidet insoweit zwischen drei Schadenszonen (Bl. 208 d.A.). Die Schäden im hinteren Bereich der linken Seite des klägerischen Fahrzeugs (Schadenszone 3) seien dabei mit den Beschädigungen des Fahrzeugs der Beklagtenseite kompatibel und daher mit dem behaupteten Unfallereignis in Einklang zu bringen (Bl. 212 ff., 217 d.A.). Anders sei dies aber bei den Schäden im Bereich der sich auf der linken Seite des klägerischen Fahrzeugs und außerhalb des Anstoßbereichs befindlichen A-​Säule (Schadenszone 2). Diese können nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht einmal mittelbar durch das Unfallereignis entstanden sein, weil Spuren für eine durch den Anstoß bewirkte Krafteinleitung in diesen Bereich nicht vorliegen (Bl. 211, 212 d.A.). Nicht eindeutig zuordenbar seien zudem die Schäden an der Front des klägerischen PKW (Schadenszone 1). Zwar sei hier eine unfallbedingte Beschädigung theoretisch dergestalt erklärbar, dass das klägerische Fahrzeug durch die Primärkollision gegen ein vor ihm parkendes Fahrzeug geschoben worden sein könnte (Bl. 209 d.A.). Anknüpfungstatsachen dafür, dass tatsächlich zum Unfallzeitpunkt ein anderes Fahrzeug dicht vor dem klägerischen PKW geparkt gewesen und das Fahrzeug auf dieses aufgeschoben worden sei, seien aber nicht erkennbar (Bl. 210 d.A.).

Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Sie sind nachvollziehbar und in sich stimmig. An der Fachkunde des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen wurden auch von den Parteien nicht erhoben. Im Gegenteil hat sich die Klägerseite (!) die Ausführungen des Sachverständigen sogar ausdrücklich zu eigen gemacht (Bl. 283 d.A.). Damit steht zur Überzeugung der Kammer positiv fest, dass jedenfalls die Schäden im Bereich der Schadenszone 2 nicht aus dem Unfallereignis herrühren.

Dies führt aber dazu, dass der Kläger für den gesamten geltend gemachten Sachschaden an dem Fahrzeug keinen Ersatz verlangen kann. Steht nämlich - wie hier zumindest in Bezug auf die Schadenszone 2 - fest, dass nicht sämtliche Schäden am Unfallfahrzeug auf das Unfallereignis zurückzuführen sind und macht der Geschädigte zu den inkompatiblen Schäden keine Angaben bzw. bestreitet er wie hier das Vorliegen von irgendwelchen Vorschäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden kein Ersatz zu leisten, die unter Umständen dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten. Es kann in diesen Fällen nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass auch die kompatiblen Schäden unfallfremd sind und/oder auch in diesem Bereich bereits umfangreiche Vorschäden vorlagen (OLG Köln, Beschluss vom 29.01.2015, 12 U 63/14; OLG Köln, Urteil vom 22.02.1999, 16 U 33/98; OLG Celle, Urteil vom 15.01.2004, 14 U 144/03; OLG Hamburg, Urteil vom 28.03.2001, 14 U 87/00; OLG Frankfurt, Urteil vom 07.06.2004, 16 U 195/03; LG Mainz, Urteil vom 26.11.2004, 4 O 620/02; LG Hanau, Urteil vom 22.07.2004, 7 O 808/03; LG Dresden, Urteil vom 09.05.2001, 13 O 2941/99; AG Hamburg-​Altona, Urteil vom 26.01.2012, 318c C 288/10).

Dass hier die kompatible Schadenszone 1 und die eindeutig inkompatible Schadenszone 2 nicht unmittelbar miteinander verbunden sind, steht dem nicht entgegen. Da die beiden Schadenszonen jedenfalls dieselbe Fahrzeugseite betreffen und völlig unklar ist, wie die nicht kompatiblen Schäden entstanden sind, kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass es sich bei der Schadenszone 3 um einen bestimmten, genau abgrenzbaren Teil des Schadens handelt, der allein auf das Unfallereignis zurückzuführen ist und in dessen Bereich nicht bereits Vorschäden vorhanden waren (vgl. OLG Köln, Urteil vom 22.02.1999, 16 U 33/98, Rn. 8; AG Hamburg-​Altona, Urteil vom 26.01.2012, 318c C 288/10, Rn. 27).

Aus den vorstehenden Gründen kann der Kläger auch nicht den Ersatz der behaupteten merkantilen Wertminderung verlangen. Auch insoweit in nicht ansatzweise erkennbar, dass diese allein auf Schäden aus dem Unfallereignis herrührt und nicht schon aus Schäden aus anderen Vorfällen.

Gleiches gilt für den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden. Auch insoweit kann nicht festgestellt werden, in welchem Umfang die Reparaturdauer, die zum Nutzungsausfall geführt hat, allein auf Schäden aus dem behaupteten Unfallereignis resultiert und inwieweit sie durch die Reparatur unfallfremder Schäden bedingt war.

Die Sachverständigenkosten kann der Kläger ebenfalls nicht erstattet verlangen, da das Gutachten infolgedessen, dass der Kläger es unterlassen hat, dem Gutachter die Vorschäden mitzuteilen, unbrauchbar ist (OLG Hamm, Urteil vom 14.10.1992, 13 U 141/92; AG Hamburg-​Altona, Urteil vom 26.01.2012, 318c C 288/10, Rn. 29).

Schließlich kann der Kläger auch die Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR nicht verlangen. Dass Unkosten für die Regulierung der Unfallschäden erforderlich waren, kann vor dem Hintergrund, dass unfallbedingte Schäden nicht abgrenzbar sind, nicht festgestellt werden. Da die Hauptforderung nicht besteht, sind auch die Nebenforderungen unbegründet. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 24.845,70 EUR